Interview des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, für das Multimedia-Informationszentrum „Iswestija“ am 4. September 2019 in Wladiwostok
Frage: Kann man sagen, dass die internationalen Beziehungen auf der jetzigen Etappe ein Gleichgewicht erreichteт, wenn auch ein nicht stabiles und in der negative Zone?
Sergej Lawrow: Dazu gibt es sehr viele Äußerungen – bezüglich des Bodens, der erreicht wurde, dass „vom Boden geklopft wurde“…
Ich würde sagen, dass sich die internationalen Beziehungen weiterhin stabil erschweren. Das ist der Prozess, der bislang nicht gestoppt wird. Sie sehen, wie unsere US-Kollegen mit ihren engsten, treuen Verbündeten den Kurs auf de facto Untergrabung des ganzen Völkerrechtssystems nahmen, das sich nach dem zweiten Weltkrieg bildete, darunter die Vereinbarungen, die in den letzten Jahrzehnten im Bereich strategische Stabilität und Rüstungskontrolle geschlossen wurden. Anfang der 2000er-Jahre wurde der Vertrag über die Einschränkung der Raketenabwehrsysteme einseitig aufgelöst, jetzt wurde der INF-Vertrag ruiniert, es gibt keine Klarheit über die Aussichten der Verlängerung des START-Vertrags. Die Völkerrechtsstrukturen, die nach dem Zweiten Krieg geschaffen wurden und sich auf Grundlage der universellen Vereinbarungen entwickelten, konfrontieren jetzt im Ganzen mit härtesten Prüfungen. Der Begriff Völkerrecht wird von unseren westlichen Kollegen immer weniger genutzt. Sie bevorzugen, von einer „auf Regeln basierenden Ordnung“ zu sprechen. Wie die Praxis zeigt, erfinden sie diese Regeln jedes Mal für ihre Bedürfnisse und versuchen alle anderen davon zu überzeugen, dass es gerade die multilateralen Beschlüsse sind, denen alle anderen folgen müssen.
Anscheinend sollte man jetzt nach bleibenden Stützen suchen – das ist vor allem die UN-Charta. Sie soll mit allen Kräften verteidigt werden. Ich würde den stabilisierenden Einfluss der G20, wo alle wichtigsten Regionen der Welt, Zentren des Wirtschafts- und Finanzeinflusses vertreten sind, hervorheben.
Die G20 widerspiegelt die Anerkennung der Realien einer polyzentrischen Welt. Gerade diese Realien versucht der Westen zu bekämpfen, indem er seine Dominanz aufrechterhalten will, die er die letzten rund 500 Jahre nutzte, wobei bei allen internationalen Angelegenheiten die „Musik bestellt wurde“. Selbst die Tatsache, dass der Westen an der Tätigkeit der G20 interessiert ist, zeigt, dass er diese neue Realität anerkennen muss. In der G20 erfolgt das Gespräch nicht via Ultimaten und einseitige Forderungen, sondern auf Grundlage des gegenseitigen Respektes und Suche nach Gleichgewicht der Interessen. Ich würde hervorheben, dass auf denselben Prinzipien solche Strukturen funktionieren, an denen sich Russland beteiligt – BRICS, SOZ. Im eurasischen Raum im Ganzen, wenn wir das fördern, was Russlands Präsident Wladimir Putin „Großer eurasischer Raum“ unter Teilnahme der EAWU, SOZ, ASEAN nannte, richten wir uns nach denselben Prinzipien. Die Prozesse entwickeln sich, sie sind widerspruchsvoll, wir werden anstreben, dass sie im Sinne der gegenseitigen Berücksichtigung der Interessen aller Teilnehmer der internationalen Kommunikation erfolgen.
Frage: Wir beobachten ständig, wie die von internationalen Organisationen festgelegten Regeln, z.B. WTO, von einigen unseren Partnern einseitig verletzt werden. Es werden Barrieren, Gebühre eingeführt. Ist vielleicht die Zeit gekommen, diese Organisationen zu revidieren und da bestimmte Reformen durchzuführen?
Sergej Lawrow: Natürlich kann keine einzige Struktur nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt unverändert bleiben, kann nicht auf die Zeit und reale Änderungen in der Welt nicht reagieren – ob die Schaffung neuer Technologien oder die Entstehung einer neuen geopolitischen Realität. In diesem Sinne ist das Zentrum dieses ganzen Systems der internationalen Beziehungen die UN-Charta. Die darin festgeschriebenen Kernprinzipien wie der Respekt der souveränen Gleichheit der Staaten, Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten, friedliche Regelung der Streitigkeiten, Nichtzulassung der Gewaltandrohung bzw. ihre Anwendung, Respekt des Rechtes jedes Volkes, selbstständig die Wege seiner Entwicklung zu bestimmen – sind nicht zu ändern und zu revidieren, wie die zehn Gebote. Eine andere Sache ist, dass alle Konstruktionen für die Richtungen der menschlichen Tätigkeit, die sich auf diese Prinzipien stützen, sich ändern können. Es gab viele solche Beispiele in der UNO in der letzten Zeit. Z.B. als Zusatz zu den Organen, die gemäß der Charta geschaffen wurden, angesichts des Zusammenhanges zwischen den Anstrengungen zur Regelung der Konflikte und anschließender Rückkehr zum friedlichen Leben, wurde eine spezielle Kommission für Friedenskonsolidierung eingerichtet – an der Grenze der Friedensschaffung und Schaffung der Bedingungen für die Normalisierung der sozialwirtschaftlichen Lage im Lande auf der Etappe der Krisenüberwindung.
Vor einiger Zeit wurde der UN-Menschenrechtsrat (zuvor war es die Menschenrechtskommission) auf prinzipiell neuen Prinzipien gebildet, die eine gleichmäßige Erörterung der Situationen mit Menschenrechten in jedem Land gewährleisten. Dort gibt es keine privilegierten Teilnehmer, die nicht ein Gegenstand eines Gesprächs über die Lage in diesem Bereich sein können. Doch es werden auch viele andere Strukturen geschaffen, darunter im Bereich Kampf gegen Klimawandel. Das ist auch Reaktion auf reale Naturprozesse, die in der Welt vor sich gehen und ernsthafte Schwierigkeiten für alle Länder ohne Ausnahme schaffen.
Das wichtigste Organ – der UN-Sicherheitsrat soll natürlich ebenfalls reformiert werden. Das wurde schon ziemlich lange her festgestellt. Es wurde der Verhandlungsprozess unter Teilnahme aller UN-Mitgliedsstaaten aufgenommen, im Rahmen der UN-Vollversammlung wurde eine spezielle Struktur geschaffen. Natürlich soll das Schlussprodukt dieser Verhandlungen die sich geänderte geopolitische Realität widerspiegeln. Sie ist so, dass die neuen Zentren des Wirtschaftswachstums, Finanzstärke auftauchten. Damit kommt auch der politische Einfluss. Sie sollen mehr Möglichkeiten haben, ihren Beitrag zur Ausarbeitung der gemeinsamen Lösungen zu den wichtigsten Problemen des Friedens und Sicherheit leisten.
In diesem Kontext kann ich sagen, dass das größte Problem der aktuellen Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrats darin besteht, dass dort die sich entwickelnden Regionen der Welt fehlen: aus Asien, Afrika, Lateinamerika. Deshalb ist das Schlüsselelement unserer Position die Notwendigkeit, den UN-Sicherheitsrat vor allem durch Kandidaten aus diesen drei Regionen der Entwicklungswelt zu vervollkommnen. Von Asien gibt es schon seit langem die Kandidatur Indiens, von Lateinamerika ist Brasilien da. Unseres Erachtens dürfen diese zwei Länder durchaus mit der Erweiterung ihrer Präsenz in der UNO rechnen, unter anderem im UN-Sicherheitsrat. Gleichzeitig mit der Verwirklichung der Hoffnungen Asiens und Lateinamerikas sollte natürlich auch die Frage von der Erweiterung der Präsenz des Afrikanischen Kontinents ähnlich gelöst werden.
Die Welthandelsorganisation, die Sie erwähnten, wird heutzutage auch großen Erprobungen ausgesetzt, wobei es sich wiederum um Versuche handelt, die universal abgesprochenen Normen durch gewisse „Regeln“ zu ersetzen. Dabei geht es unter anderem um illegitime Sanktionen, die den WTO-Verpflichtungen widersprechen. Wie Sie wissen, stimmen die antirussischen Sanktionen, die von den USA, Europa, Japan und anderen westlichen Ländern verhängt wurden, mit den WTO-Prinzipien gar nicht überein. Handelskriege, die ständige Tariferhöhung – das ist eine Kettenreaktion, die nicht nur die unmittelbaren Teilnehmer dieser Konfrontation beunruhigt, sondern auch die ganze Welt, denn die Weltwirtschaft leidet unter diesem Handelskrieg zwischen den größten Wirtschaften – den USA und China. Man muss zu den Prinzipien zurückkehren, auf deren Basis die WTO gegründet wurde. Diese Prinzipien resultieren aus langjährigen Verhandlungen darüber, unter welchen Bedingungen jedes Land sich dieser Organisation anschließt. Das muss man respektieren. In der WTO gibt es einen Mechanismus zur Regelung von Streitfragen. Jedenfalls verleiht die Tatsache eine gewisse Hoffnung, dass die USA, die die Führungsrolle bei der Entfesselung von Handelskriegen und beim Aufzwingen ihren Partnern von Entscheidungen, die für die USA selbst günstig sind, die Notwendigkeit dieses Mechanismus zur Beilegung von Streitfällen nicht ablehnen. Aber der Kampf bei diesen Verhandlungen wird nicht leicht sein.
Frage: Kann man unter diesen schwierigen Bedingungen bestimmen, wer für Moskau aktuell der Schlüsselpartner und wer der größte Gegner ist?
Sergej Lawrow: Man will immer leichte Antworten auf schwierige Fragen bekommen. Das ist klar: Sage mir, wer dein Freund ist, und ich sage dir, wer du bist.
Wir haben viele Partner. Ich werde jetzt keine konkreten Länder aufzählen – wir wollen niemanden kränken. Mit manchen von ihnen sind unsere Beziehungen enger, vertrauensvoller, mit manchen anderen sind sie eher neutral, mit dritten sind sie stabil negativ, wobei wir aber verstehen, dass wir miteinander reden müssen. Selbst mit einem Partner, mit dem eine enge Kooperation nicht klappt und in den Beziehungen sich immer mehr Probleme anhäufen, müssen wir verhandeln, besonders wenn es um einen großen Staat geht, der auf festen Positionen im aktuellen internationalen System steht. Verhandeln muss man. Im Grunde ist das eben Diplomatie – die Fähigkeit, eine Vereinbarung zu treffen.
Wir werden immer bereit sein, mit allen – ohne jegliche Ausnahmen – Ländern zu verhandeln, wenn wir sehen, dass unser Partner bereit ist, das Gespräch auf Basis des gegenseitigen Respekts und der Gleichberechtigung zu führen, und nicht einfach irgendein Signal der öffentlichen Meinung in seinem Land im Vorfeld einer Wahl senden will, sondern Interesse an beiderseitig annehmbaren Vereinbarungen hat, die sich auf die gegenseitige Interessenbalance stützen würden. Das ist der Schlüssel zu jeder internationalen Aktivität.
Und die größte Gefahr in den internationalen Angelegenheiten steckt meines Erachtens im Moment darin, dass manche Länder die Gefahr für die ganze Menschheit nicht begreifen, die mit den neuen Herausforderungen wie Terrorismus, organisierte Kriminalität, unkontrollierte Migration, mangelhafte Nahrungssicherheit, die die Menschheit in den Griff nicht bekommen kann, Klimawandel usw. verbunden ist. Umwelt- und Naturkatastrophen lassen quasi die Grenzen verschwinden: Man kann sich vor Katastrophen nicht verstecken, von denen die eine oder andere Region getroffen wird, vor der Klimaerwärmung, vor der Armut. Die Flüchtlingskrise in Europa lässt sich auf mangelnde Arbeitsplätze und Perspektiven (vor allem für junge Menschen) im Nahen Osten und in Nordafrika zurückführen. Davon kann man sich nicht abgrenzen, aber dieses Problem kann man nur gemeinsam in den Griff kriegen. Und wenn manche von unseren Kollegen, vor allem im Westen, sich in diesen Fragen nur an ihren eigenen egoistischen und geopolitischen Interessen richten und glauben: „Gleich tue ich etwas (vielleicht lasse ich die Extremisten im Nahen Osten irgendein Regime stürzen) und werde dann im Laufe des kommenden Wahlkampfes davon profitieren“ – das ist eben gefährlich. Es ist gefährlich, wenn man nicht begreift, dass moderne Herausforderungen für die ganze Menschheit gefährlich sind. Deshalb bestehen wir gemeinsam mit unseren Partnern in der OVKS, der GUS, der SOZ, der BRICS und der G20 darauf, dass richtig kollegiale Strukturen gebildet werden sollten, die maximal effiziente Wege zur Neutralisierung all dieser Gefahren finden könnten.
Auf dem Gebiet Terrorbekämpfung hatte der russische Präsident Wladimir Putin noch in der UN-Vollversammlung im Jahr 2015 vorgeschlagen, auf Doppelstandards zu verzichten und Terroristen nicht in „gute“, die man bei der Verfolgung eigener Ziele einsetzen könnte, und „böse“, die man vernichten sollte, aufzuteilen. Er plädierte für die Bildung einer wirklich universalen Anti-Terror-Front unter der Ägide der UNO. Auf diesem Weg lassen sich gewisse Fortschritte sehen. Entsprechende Mechanismen werden sowohl in der UNO als auch in regionalen Organisationen gebildet. Aber wirklich offene, ehrliche, vertrauensvolle Aktivitäten ohne Doppelstandards kommen vorerst nicht infrage. Allerdings arbeiten wir weiterhin in dieser Richtung.
Frage: Am Anfang unseres Gesprächs erwähnten Sie die Abkommen zwischen den USA und Russland über strategische Rüstungen. Wie ist die Zukunft dieser Abkommen? Wird sich daran eine dritte Seite anschließen, worauf Washington besteht?
Sergej Lawrow: Was die Zukunft dieser Abkommen angeht, so ist bei manchen von ihnen bereits die Vergangenheit eingetreten – unter anderem beim ABM- und beim INF-Vertrag. Zurzeit kann man vor allem über die Zukunft des Neu-START-Vertrags ernsthaft reden. Er läuft im Februar 2021 ab. Wir (unter anderem Präsident Wladimir Putin) riefen die USA öfter offen auf, die Arbeit an der Verlängerung dieses Vertrags um weitere fünf Jahre aufzunehmen, wie das in diesem Dokument auch vorgesehen ist. Die Reaktion der USA war vorerst eher unklar. Mal sagen sie, die Verlängerung dieses Vertrags wäre unwahrscheinlich, mal wird erklärt, dies wäre unmöglich angesichts von neuen Rüstungen, vor allem von Hyperschallwaffen, die Präsident Putin in seiner vorjährigen Botschaft an die Föderalversammlung erwähnte. Aber wer mit dem Wortlaut dieses Vertrags kennt, der versteht, dass er für diese Rüstungen gar nicht gilt. Wenn die USA an der Besprechung von Aspekten der strategischen Stabilität und Rüstungskontrolle interessiert sind, die in diesem Vertrag nicht erwähnt sind, dann hätten sie schon längst die Einladungen zur Wiederaufnahme eines permanenten und regelmäßigen Dialogs über strategische Stabilität in allen ihren Aspekten (offensiven und defensiven) annehmen sollen, die wir ihnen mehrmals schickten. Das ist eine sehr wichtige Balance, die im START-Vertrag erwähnt ist und die durch den Austritt der USA aus dem Raketenabwehrvertrag einem sehr großen Risiko ausgesetzt wurde. Mit anderen Worten, kann man alles besprechen – der Dialog über strategische Stabilität ist ja da, um dabei alle möglichen Fragen zu besprechen, die diese strategische Stabilität in der Welt gefährden, für die vor allem die USA und Russland verantwortlich sind.
Sie haben das Schicksal des New-START-Vertrags erwähnt. Wir betonten öfter, dass neue Themen, die von diesem Vertrag nicht erfasst sind, wohl besprochen werden müssten. Aber es ist inakzeptabel, gleichzeitig das Schicksal dieses Vertrags zu gefährden, denn im Falle seiner Auflösung wird er nicht mehr gelten – und dann wird ein völliges Vakuum auf dem Gebiet Rüstungskontrolle und keine Stützkonstruktion geben. Die USA schlagen vor, die Volksrepublik China an diesem Prozess teilnehmen zu lassen. Aber in Peking schilderte man seine Position zu dieser Frage schon öfter: Man will das nicht tun, weil Chinas nukleares Potenzial nicht mit dem Russlands und der USA verglichen werden kann. Aber die USA erwähnen China immer wieder als einen der möglichen Teilnehmer der künftigen Verhandlungen, die den START-Vertrag retten könnten, ohne allerdings ihre Verbündeten Großbritannien und Frankreich zu erwähnen, die ebenfalls Atommächte sind.
Ich muss abermals sagen: Unsere Position besteht darin, dass wir es uns nicht leisten können, den New-START-Vertrag zu verlieren, bevor wir die Wege zur Entwicklung des Dialogs über Aufrechterhaltung der strategischen Stabilität unter den neuen Bedingungen aufspüren. Wir können es uns nicht leisten, so zu tun, dass er parallel mit den Diskussionen weiter funktioniert, die auf dem Gebiet strategische Stabilität natürlich nötig sind – über alle Fragen, die für jede Atommacht wichtig sind.
Frage: Verstehe ich richtig, dass diese unbestimmte Position Washingtons großenteils mit den innenpolitischen Prozessen in diesem Land verbunden ist und einen Teil dieser Prozesse ausmacht? Wie kann man dann den Dialog mit Washington führen, unter anderem bei der Wiederherstellung der Beziehungen zwischen den USA und Russland? Müssen sie in dem Umfang wiederhergestellt werden, den sie früher hatten?
Sergej Lawrow: Natürlich sind die Beziehungen großenteils zunichte gemacht worden. Dieser Prozess geht leider weiter. Wir wollen ihnen nicht unsere Freundschaft aufzwingen. Aber unsere Initiativen zur „Reparatur“ unserer Beziehungen wurden an unsere amerikanischen Kollegen öfter weitergeleitet, unter anderem bei den Treffen unserer Präsidenten und bei meinen Treffen mit dem US-Außenminister Mike Pompeo sowie mit dem Präsidentenberater für nationale Sicherheit, John Bolton. Diese Vorschläge umfassen unter anderem den Bereich der strategischen Stabilität, das Zusammenwirken auf dem Niveau der Politologen und Experten für Zivilgesellschaft, die sich mit Fragen befassen würden, die für die Beziehungen zwischen Moskau und Washington wichtig sind. Wir haben viele gemeinsame Interessen in der Welt, wie auch viele gemeinsame Verpflichtungen, insbesondere im Kontext der Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Welt, was ich schon erwähnte. Auch die Perspektiven auf Gebieten wie Handel, Wirtschaft, Kultur und humanitäres Wesen im Allgemeinen wären für unsere Völker und die gesamte Weltgemeinschaft nützlich, wenn sie in die Tat umgesetzt werden.
Sie haben absolut Recht. Leider geschieht trotz der mehrfach durch Präsident Donald Trump und seine Schlüsselmitarbeiter bestätigten Absichten, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren, nichts Positives auf der praktischen Ebene. Die Dynamik bleibt ziemlich negativ. Unsere amerikanischen Kollegen führen weiterhin einseitige Sanktionen ein, ohne irgendwelche Argumente anzuführen. Das widerspricht der Stimmung, die uns ständig von Präsident der USA ausgestrahlt wird.
Es ist klar, dass Sie absolut richtig sagten, dass die Beziehungen zu Russland Gefangene der inneren Widersprüche zwischen den amerikanischen Parteien wurden. Der ehemalige Präsident der USA, Barack Obama, eigentlich weil er böse war, dass absolut gemäß dem US-Wahlsystem bei den Präsidentschaftswahlen in den USA ein Kandidat der republikanischen und nicht der demokratischen Partei gewann, beschloss, nach dem Ablauf seiner Amtszeit die Tür zuzuhauen, und fast alle wichtigsten Mechanismen und Kanäle des Zusammenwirkens zwischen Moskau und Washington untergrub, die von seinen Vorgängern geschaffen wurden, auch in der Anfangsphase seiner Amtszeit. Mit wie viel Wut wird nun versucht, der US-Administration geheime Verbindungen mit Russland vorzuwerfen, wie man darin die Gründe sucht, um den Prozess der Amtsenthebung Donald Trumps einzuleiten, zeigt, dass die Demokraten trotz der negativen Schlussfolgerungen der Müller-Kommission, nicht auf die russische Karte verzichteten, wobei man schon jetzt in einen weiteren Wahlkampf zieht, indem man sich auf die Präsidentschaftswahlen 2020 vorbereitet.
Das ist traurig und bedauerlich. Wir sind immer bereit, diese Beziehungen in den Formaten wiederaufzunehmen, in denen dies den USA in der jetzigen Etappe dienlich ist. Ich würde hervorheben, dass auch mit Mühe irgendwie der Antiterrordialog wiederaufgenommen wird. Wir schlagen den Amerikanern seit langem vor, einen Dialog für Cybersicherheit aufzunehmen, weil sich in diesem Bereich sehr viele „Märchen“ absolut präzedenzlos anhäufen. Doch bislang gibt es keine eindeutige Reaktion. Es ist gut, dass sich die humanitären Verbindungen entwickeln – der Dialog Fort Ross, der in Kalifornien das Gedenken an unsere gemeinsame Geschichte festigen soll, als russische Umsiedler diesen Teil der modernen Vereinigten Staaten aufbauten. Bezüglich der strategischen Stabilität (das ist wohl das wichtigste Thema) wurde außer ziemlich episodischen und nicht regelmäßigen Kontakte kein nachhaltiger Dialog aufgenommen.
Frage: Am 1. Oktober dieses Jahres wird die Volksrepublik China seinen 70. Jahrestag begehen. Man möchte präzisieren: einige Skeptiker meinen, dass das moderne China für Russland die Rolle eines großen Bruders spielt. Inwieweit ist es bei internationalen Beziehungen und Beziehungen zwischen Peking und Moskau angemessen, eine solche Kategorie zu nutzen?
Sergej Lawrow: Ich denke, dass es nicht richtig ist, mit solchen Kategorien die Beziehungen Russlands und Chinas zu besprechen, wie auch die Beziehungen zwischen zwei Ländern, an denen Russland beteiligt ist. Wir treten, wie in unseren Doktrinen und in der praxisbezogenen Tätigkeit mehrmals betont wurde, für Beziehungen zwischen souveränen Staaten auf, unabhängig davon, ob es China oder ein kleines Land ist, die ausschließlich auf Grundlage der gegenseitigen Vorteile aufgebaut werden, und nicht Gegenstand eines Diktats einer Seite werden. Es gibt immer den Wunsch, sich einen Nutzen zu verschaffen, doch wenn man diesen Nutzen via Beziehungen mit dem Partnern bekommen will, sollte man verstehen, was man ihm im Austausch geben kann. Da soll man Kompromisse entwickeln, nach einem Konsens suchen. Genau so entwickeln sich unsere Beziehungen mit der Volksrepublik China. Sie erreichten ein präzedenzloses strategisches Niveau. Das sind die Beziehungen der umfassenden Partnerschaft und strategischen Zusammenwirkens. Ihr gegenseitig vorteilhafter Charakter ist nicht nur in zahlreichen Verträgen und anderen Dokumenten festgeschrieben, sondern auch wird kontinuierlich in der Praxis umgesetzt. Ich wiederhole, dass diese Prinzipien auch die Grundlage der Außenpolitik Chinas bilden. Von den Atommächten sind nur Russland und China die Initiatoren des Schutzes der grundlegenden Prinzipien der UN-Charta. Diese Bewegung gewinnt an Stärke. Wir werden sie aktiv fortsetzen. Mir scheint, dass unsere Unternehmen, Bürger, Korporationen, private Strukturen, die an der Kooperation mit China teilnehmen, davon eindeutig profitieren, wie auch die chinesischen Teilnehmer der entsprechenden Prozesse.