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Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz nach den Verhandlungen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreichs, Sebastian Kurz, am 5. Mai 2015 in Moskau

861-05-05-2015

Wir sind zufrieden mit den Verhandlungen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich, Sebastian Kurz. Sie waren konstruktiv und inhaltsreich.

Die Beziehungen zwischen unseren Staaten kennzeichnen sich traditionell durch gegenseitigen Respekt und Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen. Trotz der nicht einfachen Situation in Europa wird der russisch-österreichische politische Dialog fortgesetzt. 2014 gab es einen offiziellen Besuch des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, in Wien. Heute haben wir besprochen, wie die damals erreichten Vereinbarungen umgesetzt werden. Die zwischenparlamentarischen und zwischenregionalen Kontakte, die Zusammenarbeit zwischen den Behörden, darunter die Außenministerien, werden fortgesetzt.

Wir sind daran interessiert, die positive Dynamik des zuletzt zurückgehenden Handelsumsatzes wiederherzustellen. Wir sind davon überzeugt, dass die Regierungskommission für Handel und Wirtschaftskooperation eine wichtige Rolle bei diesem Prozess spielen muss. Die Aktivierung unserer Kontakte könnte ebenfalls vom russisch-österreichischen Geschäftsbeirat gefördert werden. Wie Sebastian Kurz mitteilte, traf er am 4. Mai mit in Russland tätigen österreichischen Unternehmern zusammen, die an dieser Aktivierung interessiert sind und diese Arbeit fortsetzen wollen.

Es wurde die erfolgreichen russisch-österreichischen Kultursaisons 2013-2015 hervorgehoben. Die Tätigkeit der gemeinsamen Historikerkommission wurde hoch eingeschätzt, deren weitere Sitzung im Juli dieses Jahres dem 200. Jubiläum des Wiener Kongresses gewidmet sein wird. Wir begrüßen die bevorstehende Veröffentlichung der erneuerten Ausgabe des „Buchs des Gedenkens“, das von österreichischen Aktivisten vorbereitet wurde und Angaben über 80.000 in Österreich gefallene sowjetische Staatsbürger enthält. Solche Anstrengungen sind insbesondere während der feierlichen Veranstaltungen zum 70. Jahrestag des Großen Sieges gefragt. Wir sehen darin das Gedenken an die sowjetischen Kämpfer, die einen entscheidenden Beitrag zur Befreiung Europas und der Welt vom Nazismus geleistet haben. Heute haben wir uns ebenfalls daran erinnert, dass der Sieg den Weg zur Wiederbelebung der österreichischen Staatlichkeit eröffnete. Im Mai wird der 60. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrags über den Wiederaufbau des unabhängigen und demokratischen Österreichs begangen, dessen historische Bedeutung durch die Zeit bestätigt wurde.

Bei den internationalen Problemen wurde ein besonderer Schwerpunkt auf die Situation in der Ukraine gelegt. Wir gehen von einer absoluten Notwendigkeit einer bedingungslosen Aufrechterhaltung aller Punkte der Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar ohne Ausnahmen aus. Diese Arbeit kann natürlich ohne die Aufnahme eines direkten Dialogs zwischen Kiew und Donezk und Lugansk, ohne die Lösung der akutesten humanitären Probleme im Donezbecken nicht effektiv sein und kein Ergebnis bringen. In der Russischen Föderation wird davon ausgegangen, dass die Überwindung der Krise von den in Kiew verabschiedeten Gesetzen nicht gefördert wird, darunter über die „Entkommunisierung“ und Heroisierung der Nazi-Verbrecher, was die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, die Geschichte des ukrainischen Staates verzerrt und für berechtigte Empörung in Europa sorgt.

Wir tauschten Meinungen über die Aussichten der Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union aus. Wir gehen davon aus, dass sich die Politik nicht in die Wirtschaft einmischen soll und sich die Beziehungen ausgehend von den richtig verstandenen natürlichen Interessen der Teilnehmerländer der EU entwickeln sollen. Es ist angenehm, dass viele Politiker in Europa, darunter in Österreich, sowie Geschäftskreise diese Herangehensweise teilen. Wir sind davon überzeugt, dass wenn man sich auf die Prinzipien der Gerechtigkeit, des gegenseitigen Respekts, der Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen stützt, jede Probleme in den Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union gelöst werden können.

Wir haben ein positives Echo bei unseren österreichischen Kollegen gefunden, was die Bedeutung der Aufnahme der Arbeit zur Harmonisierung der Integrationsprozesse im europäischen und eurasischen Raum mit dem Ziel der Bildung eines einheitlichen Wirtschafts- und humanitären Raums vom Atlantik bis zum Pazifischen Ozean betrifft. Darin sehen wir auch die Rolle, die die Organisation für die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa spielen könnte, die alles machen soll, damit es in Europa und Euroatlantik keine militärpolitischen, wirtschaftlichen und humanitären Trennungslinien gibt.

Im nächsten Jahr tritt Österreich der OSZE-Troika bei, 2017 übernimmt es den OSZE-Vorsitz. In diesem Zusammenhang rechnen wir mit einer engen Kooperation, um die Meinungen über unsere Herangehensweisen zur Entwicklung der Zusammenarbeit im Verantwortungsbereich der OSZE auszutauschen.

Wir führen einen Meinungsaustausch mit den österreichischen Kollegen in den Außenministerien in Bezug auf verschiedene Krisen im Nahen Osten und Nordafrika, die immer enger mit den zunehmenden Bedrohungen verbunden werden, die unter anderem den europäischen Kontinent, die Interessen der EU und der Russischen Föderation betreffen.

Wir sind im Ganzen mit den Ergebnissen der Verhandlungen zufrieden, die die Bereitschaft und Interesse an der Entwicklung unserer Zusammenarbeit bestätigten.

Frage: Rechnet Russland mit der Unterstützung Österreichs bei der Lockerung bzw. Aufhebung der EU-Sanktionen?

Sergej Lawrow: Wir äußern keine Hoffnungen. Man sollte bei seiner Arbeit nicht von Hoffnungen, sondern von der Realität ausgehen, die so aussieht, dass wir möglichst autonom und eigenständig in den Bereichen werden wollen, die bis vor kurzem in vielerlei Hinsicht vom Zusammenwirken mit den ausländischen Partnern abhingen. Es handelt sich nicht um Isolierung bzw. den Versuch, in die Autarkie überzuwechseln, sondern um eine erzwungene Notwendigkeit – wir können nicht damit rechnen, dass die Branchen unserer Wirtschaft, darunter diejenigen, von denen die Aussichten einer beschleunigten, hochtechnologischen Entwicklung des Landes abhängen, von bestimmten Komponenten und Technologien aus dem Ausland abhängen werden. Das ist nicht mehr akzeptabel für uns. Ich wiederhole jedoch - falls einseitige Sanktionen, die nie legitim waren und deren Kontraproduktivität bereits für alle klar sind, von der EU nicht verlängert werden, werden wir unsere Zusammenarbeit fortsetzen, jedoch unter Berücksichtigung dessen, wovon ich bereits sprach – die Notwendigkeit, die Zuverlässigkeit unserer Partner dabei einzuschätzen, was die Erfüllung der Verpflichtungen und die Unzulässigkeit des jetzt Geschehenen in der Position der EU betrifft. Sie verkündeten öffentlich, dass die Politik in diesem Fall über der Wirtschaft dominieren soll. Das sagen diejenigen, die uns in die Welt des freien Marktes zogen und dazu aufriefen, sich in die Mechanismen seines Funktionierens nicht einzumischen.

Ich wiederhole, ich habe mit meinem Kollegen Sebastian Kurz keine Hoffnungen besprochen, keine Bitten geäußert. Einige andere EU-Länder versuchten uns bisweilen, in eine Diskussion zur Abstimmung der Kriterien bei der Aufhebung der Sanktionen einzubeziehen. Wir werden uns damit nicht beschäftigen – das war nicht unsere Entscheidung und es sind nicht wir, die sie abschaffen müssen. Wir werden nicht jemandem hinterher rennen und jemanden um etwas bitten. Wir gehen nur von einer Hoffnung aus – bei der Erörterung (wenn ich mich nicht irre, im Sommer dieses Jahres) des Ablaufs der Gültigkeitsdauer der Sanktionen, und in allen anderen Fällen sollen sich die EU-Mitglieder nach den nationalen Interessen ihrer Länder und Völker richten und nicht nach etwas anderem. Das war’s.

Frage (an Sebastian Kurz): Selbst wenn ein teilweiser Fortschritt bei den Minsker Vereinbarungen bis Juli erreicht wird - werden die sektoralen Sanktionen trotzdem verlängert? Welche Position wird Österreich bei dieser Frage einnehmen?

Sergej Lawrow (antwortet nach Sebastian Kurz): Wir besprachen dieses Thema, vor allem im Kontext der Verbindung zwischen der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen und der Aufhebung der Sanktionen seitens der EU, wovon Sebastian Kurz gerade sprach. Wir interessieren uns dafür nicht aus dem Grund, dass wir die europäischen Partner dazu überreden wollen, die Sanktionen nicht zu verlängern, sondern weil wir wissen wollen, welche Position die EU in Bezug auf die Regelung der Ukraine-Krise und die Minsker Vereinbarungen hat. Aus der bereits von Sebastian Kurz bestätigten Position folgt, dass Brüssel und andere Hauptstädte der EU-Mitgliedsstaaten davon ausgehen, dass die Minsker Vereinbarungen allein von Russland erfüllt werden sollen. Darüber, was die Ukraine bei einer weiteren Torpedierung der Minsker Vereinbarungen erwartet, schweigt die Europäische Union. Wie sie bereits am 21. Februar 2014 schwieg, als die ukrainischen Oppositionellen ihre Verpflichtungen verletzten, die von Außenministern der drei großen europäischen Länder gebilligt wurden, wobei zum Staatsstreich gegriffen wurde. Der ukrainischen Opposition wurde erlaubt, dies zu machen, weil sie sich nach Europa strebte. Es wurde erlaubt, den beim Staatsstreich an die Macht gekommene Regierung eine weitere am 17. April 2014 in Genf übernommene Verpflichtung nicht zu erfüllen, laut der sich die neuen ukrainischen Behörden verpflichteten, unverzüglich mit der Verfassungsreform unter Teilnahme aller Regionen und politischer Kräfte des Landes zu beginnen. Ich will nicht sehr daran glauben – doch einige Anzeichen deuten darauf hin, dass jemand in der EU will, dass die EU es den ukrainischen Behörden ermöglicht, unter anderem auch die Minsker Vereinbarungen nicht zu erfüllen.

Dieser Tage wurden die Artillerieangriffe wiederaufgenommen. Wir haben mit dem österreichischen Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres, Sebastian Kurz, über die Berichte der OSZE-Beobachtermission gesprochen, der wir vertrauen, die wir unterstützen, für deren Erweiterung wir eintreten und die wir für eine objektive Informationsquelle über die Ereignisse vor Ort halten. Wir halten die Versuche der ukrainischen Behörden für unangebracht, sich in ihre Arbeit einzumischen, ihr mangelhafte Objektivität vorzuwerfen und darauf zu bestehen, dass den Mitgliedern der OSZE-Mission mit russischer Staatsbürgerschaft der Zugang zu diesen oder jenen Objekten, die die OSZE-Beobachter betreten dürfen, verboten wird.

Wir bestehen auf der Objektivität und machen kein Hehl aus unseren Ansichten zu den Verletzungen der Minsker Vereinbarungen durch beide Konfliktseiten. Ja, die Artillerieangriffe wurden wiederaufgenommen, aber jetzt, wenn ihre Intensität bedrohlich wird, hat jemand noch Zweifel bezüglich der Quelle dieser Gewalt? Dort arbeiten unsere Journalisten – im Unterschied zu vielen europäischen Ländern, deren Medienvertreter dort nur zeitweise erscheinen. Es gibt Berichte der OSZE-Beobachter, aber es gibt auch die objektive Tatsache, und ich habe heute meinen Amtskollegen gebeten, diese zu berücksichtigen.

Stellen Sie sich einmal die Trennungslinie in der Südostukraine vor: Östlich liegt das Territorium der selbsternannten Volksrepubliken und westlich das Territorium, das von den ukrainischen Behörden kontrolliert wird – jedenfalls theoretisch, denn dort gibt es auch die so genannten „Freiwilligen-Bataillone“, die sich nicht unbedingt dem Innen- bzw. dem Verteidigungsministerium unterordnen. Die Situation um sie bleibt unklar. Stellen Sie sich also diese Linie vor und vergleichen Sie sie damit, was Sie im vorigen Jahr gesehen hatten. Wo wird die zivile Infrastruktur zerstört? Westlich oder östlich von dieser Linie? Wo hören wir jeden Tag traurige Nachrichten über den Tod von friedlichen Einwohnern? Das alles – die Zerstörung der zivilen Infrastruktur und der Tod von Zivilisten – wird fast zu 100 Prozent östlich von der Trennungslinie beobachtet. Auf der westlichen Seite, also dort, wo die ukrainischen bewaffneten Strukturen die Situation kontrollieren, werden regelmäßig Nachrichten über den Tod von Soldaten und Mitgliedern der Freiwilligen-Bataillone verbreitet, wenn die Gewalt wieder eskaliert. Das ist eben die Antwort auf die Frage, wer wen mit Bomben bewirft und wer auf wen schießt. Das bezieht sich auf die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen.

Morgen wird Sebastian Kurz in Kiew weilen, und wir haben mit ihm die gesamte Liste der Minsker Vereinbarungen ausführlich besprochen und unsere Einschätzungen geäußert, die definitiv davon zeugen, dass Kiew die Vereinbarungen nicht erfüllen will, vor allem weil es mit Donezk und Lugansk keinen direkten Dialog führen will, obwohl die Minsker Vereinbarungen diesen Dialog definitiv vorsehen. Ich hoffe, dass unsere österreichischen Kollegen bei ihren Verhandlungen in Kiew ihre Gesprächspartner aus der ukrainischen Führung darauf aufmerksam machen. Ich hoffe auch, dass die EU – ich meine vor allem Deutschland und Frankreich als Garanten (neben Russland) der Minsker Vereinbarungen – sich klar äußert und nicht mehr so tut, als wären die Minsker Vereinbarungen nur dafür getroffen worden, dass Russland alle ihre Punkte umsetzt. Das ist meines Erachtens nicht ganz korrekt.

Wir haben auch über die Untersuchung verschiedener Verbrechen gesprochen, die in der Ukraine begangen werden. Ich habe die Journalisten erwähnt, die ihr Leben riskieren müssen, wenn sie innerhalb des „Konfliktherdes“ arbeiten. Eines der Sujets der letzten Tage war der Tragödie in Odessa am 2. Mai 2014 gewidmet. Europäische Medien haben das jedoch kaum beleuchtet. Der Fernsehsender Euronews, den ich oft zitiere, weil Russland einer seiner Mitbesitzer ist, hat der Tragödie in Odessa eine merkwürdige und sehr kurze Reportage gewidmet. Dabei wurde gesagt, dass in Odessa der erste Jahrestag dieses Unglücks begangen wird, bei dem es während der Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern und Gegnern des „Euro-Maidans“ Todesopfer unter friedlichen Einwohnern gegeben hatte. Dann sagte eine Dame im Laufe von 15 Sekunden „politisch korrekt“: „Wir sind alle für Europa, und man sollte uns dabei nicht behindern.“ Dann sagte ein Mann 15 Sekunden später: „Wir sind gegen den ‚Maidan‘, weil wir nicht wollen, dass unser Volk zerrissen wird.“ Und das war’s. Es wurde also über „Opfer bei Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern und Gegnern des ‚Euro-Maidans‘“ gesagt. Aber dass die Menschen dabei bei lebendigem Leibe verbrannt wurden, dass sie aus den Fenstern des brennenden Hauses sprangen, dass sie dabei erschossen wurden - darüber wurde kein Wort gesagt. Als wäre das nur eine zufällige Episode gewesen.

Ich rechne damit, dass unsere ukrainischen Kollegen darüber in Kenntnis gesetzt werden, nämlich über die Wichtigkeit einer vollwertigen, offenen, unvoreingenommenen Untersuchung aller Verbrechen, angefangen bei dem „Fall der Scharfschützen auf dem Maidan“ über die Ereignisse in Odessa und Mariupol und bis zum Absturz der malaysischen Boeing. Aus zeitlichen Gründen habe ich Sebastian Kurz nicht sagen können, dass wir immer noch keine Informationen darüber haben, dass die Gespräche der ukrainischen Fluglotsen mit den Piloten der über der Ukraine geflogenen Flugzeuge veröffentlicht und der internationalen Ermittlungskommission zur Verfügung gestellt worden wären. Das ist eine sehr wichtige Frage. Ich rechne damit, dass unsere europäischen Kollegen unsere bzw. ihre ukrainischen Partner dazu auffordern, die vollwertige Kooperation in allen diesen Richtungen zu ermöglichen, was sie oft versprochen hatten.

Frage: Es bleiben weniger als zwei Monate bis zur „Deadline“ bei der Regelung der Situation um das iranische Atomprogramm. Dabei sagt der iranische Außenminister Mohammad Zarif, die Deadline könnte verschoben werden. Wie ist Russlands Position dazu? Könnten die Gespräche verlängert werden?

Sergej Lawrow: In Bezug auf den Iran haben wir den Eindruck, dass sich die Verhandlungen in die richtige Richtung entwickeln. Die politische Rahmenvereinbarung wird derzeit mit konkreten rechtlichen und technischen Texten über alle Aspekte sowohl der Verpflichtungen des Irans als auch der Verpflichtungen zur Abschaffung der Sanktionen gefüllt. Ich habe keinen Grund, jegliche Prognosen zu machen, ob die von der Sechser-Gruppe und dem Iran festgelegte Deadline – der 30. Juni – verschoben werden müsste. Aber im Vordergrund steht für uns die Qualität der Vereinbarungen und nicht die künstliche Deadline.

Frage: Viele Staatsoberhäupter haben Russlands Einladung zu den Feierlichkeiten anlässlich des Jubiläums des Sieges in Moskau abgelehnt. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Sind Sie enttäuscht?

Sergej Lawrow: Wir haben uns schon öfter zu diesem Thema geäußert. Vor allem ist das unser Feiertag, der große Feiertag unseres Volkes – der 70. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg. Wir haben unsere Freunde eingeladen. Aber Einladung ist keine Vorladung. Wenn jemand keine Möglichkeit hat, sie anzunehmen, dann haben wir Verständnis dafür. Ich wiederhole: Das ist unser Feiertag, und wir freuen uns über alle Gäste, die ihn mit uns gemeinsam feiern wollen. Wenn jemand andere Pläne hat, dann haben wir Verständnis dafür.

Frage: Was halten Sie davon, dass es vor jedem Treffen der Kontaktgruppe für die Konfliktregelung in der Ukraine zu einem Ausbruch der Aktivitäten der ukrainischen Streitkräfte kommt?

Sergej Lawrow: Leider lässt sich das kaum anders interpretieren als Versuch, die Minsker Vereinbarungen zum Scheitern zu bringen. Auch heute haben wir das besprochen. Ich weiß nicht warum, aber ich habe den Eindruck: Solange der Krieg weitergeht, wird niemand die Lösung von sozialwirtschaftlichen Problemen der Ukraine verlangen. Es könnte auch sein, dass jemand Angst hat, dass gewisse Freiwilligen-Bataillone nach dem Krieg nach Kiew ziehen könnten. Verschiedene Politologen und Analytiker machen solche Prognosen. Das ist nicht umsonst, und das ist beunruhigend.

Wir gehen davon aus, dass es sich bei den Minsker Vereinbarungen um die Verpflichtungen der Ukraine, Lugansks und Donezks handelt, die sie unter Mitwirkung Russlands, Deutschlands und Frankreichs übernommen haben (die EU, die USA und auch andere Länder haben diese Verpflichtungen befürwortet) und strikt umsetzen sollten. Ich will nicht wortreich wiederholen, was ich eben bei der Antwort auf die vorige Frage gesagt habe. Es reicht ja nur, dieses wichtige Dokument durchzulesen und die darin verankerten Verpflichtungen der ukrainischen Führung damit zu vergleichen, was sie praktisch tut.

Ich rechne sehr damit, dass in Übereinstimmung mit den Vereinbarungen der Präsidenten Russlands, der Ukraine und Frankreichs sowie der deutschen Kanzlerin, die sie bei ihren jüngsten Telefongesprächen getroffen haben, zusätzliche Maßnahmen zur Förderung der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen über die Krisenregelung in der Ukraine ergriffen werden. Darauf ist die Umsetzung der russischen Initiative zur Bildung der Arbeits-Untergruppen im Rahmen der Kontaktgruppe ausgerichtet. Morgen finden in Minsk eine Sitzung der Kontaktgruppe selbst und gleichzeitig das erste Treffen der vier Untergruppen für Sicherheit, für den politischen Prozess, für Wirtschaft und für humanitäre Aspekte der Krise statt. Das alles ist äußerst wichtig und sollte parallel vorangebracht werden. Die Wirtschaftsblockade ist nicht mehr akzeptabel, und die Europäer verstehen das. Die Auszahlung von Sozialgeldern und die Bankleistungen müssen wiederaufgenommen werden, und Frankreich samt Deutschland haben sich im Kontext der entsprechenden Aspekte der Minsker Vereinbarungen verpflichtet, den politischen Prozess, darunter die Verfassungsreform, zu intensivieren. Es müssen unverzüglich Schritte zur Dezentralisierung in Bezug auf die selbsternannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk unternommen werden. Wir rechnen damit, dass die aktuellen Bemühungen um die Festigung des Regimes der Feuereinstellung Erfolg haben, so dass wir nach dem morgigen Treffen in Minsk positive Nachrichten bekommen. 


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