Föderativen Republik Brasilien
Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf Medienfragen bei einem Pressegespräch am Rande der Sitzung des BRICS-Außenministerrats am 26. Juli 2019 in Rio de Janeiro
Es ist eben ein Treffen der BRICS-Außenminister zu Ende gegangen. Seine Ergebnisse sind in einer gemeinsamen Erklärung verankert worden, die verabschiedet wurde und gerade verbreitet wird. Ich hebe einige Momente hervor, die aus meiner Sicht wichtig sind.
Erstens haben alle BRICS-Mitglieder ihre Treue den Prinzipien des Völkerrechts, den Zielen und Prinzipien der UN-Charta, ihrer zentralen Rolle bei der Regelung von Fragen des Friedens, der Sicherheit und Entwicklung bestätigt. Diese Feststellung wurde sehr deutlich formuliert und hat eine besondere Bedeutung unter den Bedingungen, wenn alle Völkerrechtsprinzipien einer Erprobung ausgesetzt werden – seitens der Kräfte, die sie durch gewisse „Regeln“ ersetzen wollen. Darüber haben wir ein informelles und sehr offenes Gespräch gehabt. Wir haben uns darüber geeinigt, dass es inakzeptabel ist, die universal gebilligten Normen und Prinzipien des Völkerrechts, vor allen diejenigen, die in der UN-Charta verankert sind, zu „verdünnen“.
Zweitens wurden die kollektiven Bemühungen um die Lösung von jeglichen Problemen nur mit politischen bzw. diplomatischen Mitteln eindeutig befürwortet. Es wurde unterstrichen, dass die BRICS-Länder gerade für eine solche Regelung aller Konflikte eintreten werden, die es heutzutage in verschiedenen Regionen der Welt gibt. Besonders wurden die Probleme im Nahen Osten und in Nordafrika, in Afghanistan, auf der Halbinsel Korea und in der Persischen Golfregion hervorgehoben. In Bezug auf alle diese Richtungen, wie auch auf andere Fragen, wurde die Notwendigkeit der Regelung unter Beteiligung aller interessierten Seiten hervorgehoben, unter anderem im Rahmen des Dialogs, der gerade über Afghanistan, Syrien und andere Krisensituationen geführt wird.
Drittens stehen die Seiten auf einer einheitlichen Position zu den Fragen der strategischen Stabilität. Diese Position besteht darin, dass ein maximal umfassendes Zusammenwirken auf Basis des Völkerrechts aufrechterhalten werden sollte, wenn es um solche Fragen wie Vorbeugung des Wettrüstens und Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen geht.
In diesem Kontext wurde eine ganze Reihe von russischen Initiativen befürwortet. Unter anderem die jährliche Arbeit im Rahmen der UN-Vollversammlung am Problem der Vorbeugung des Wettrüstens im Weltraum. Alle BRICS-Mitglieder sind aktive Teilnehmer dieser Arbeit, was in der verabschiedeten Erklärung bestätigt wurde. Es wurde auch Russlands Initiative unterstützt, die vor einigen Jahren auf einer UN-Konferenz für Abrüstung präsentiert wurde, bisher aber blockiert wird (vor allem von den USA): eine internationale Konvention über Bekämpfung des Chemie- und Bioterrorismus zu erarbeiten. Die einheitliche Position wurde in einer Erklärung widerspiegelt, der zufolge ein Mechanismus zur Kontrolle über die Umsetzung der Biowaffenkonvention entwickelt werden sollte. Wir plädieren dafür schon seit langem – gemeinsam mit den meisten Ländern der Welt. Aber die USA lehnen eine solche Vereinbarung immer wieder ab.
Was andere Richtungen unserer Kooperation angeht, so vereinigt die internationale Informationssicherheit – eine der wichtigsten Initiativen Russlands in der UNO – alle BRICS-Mitgliedsländer. In der heutigen Erklärung haben wir vereinbart, dass wir im Rahmen einer offenen UN-Arbeitsgruppe für internationale Informationssicherheit intensiv arbeiten werden, die auf Beschluss der UN-Vollversammlung auf Russlands Initiative gebildet wurde.
Es wurde auch unsere Arbeit in der UNO am Problem Cyberkriminalität unterstützt. Die entsprechende Resolution haben alle BRICS-Länder befürwortet, und in der heutigen Erklärung wurde die Bereitschaft zur Fortsetzung dieser Arbeit im Interesse der Vereinbarungen über Maßnahmen zur Vorbeugung der Ausnutzung des Cyberraums zu kriminellen Zwecken bestätigt.
Es wurden auch diverse Initiativen Russlands und unserer anderen Partner im Interesse der Kooperationsentwicklung auf internationalen Plattformen befürwortet. Wir einigten uns darauf, dass unsere Botschafter bei den UN-Strukturen und in den wichtigsten Hauptstädten der Welt öfter zusammentreffen und Meinungen austauschen werden, insbesondere über Fragen, zu denen wir vorerst auf unterschiedlichen Positionen stehen. Solche Dialoge sollten die Suche nach gemeinsamen Vorgehensweisen voranbringen. Mit der Nützlichkeit dieser Arbeit zeigten sich alle einverstanden.
Ich möchte extra erwähnen, dass die Arbeit an einem fünfseitigen Abkommen über internationale Informationssicherheit fortgesetzt wird – als Ergänzung zur entsprechenden Arbeit in der UNO.
Es wurde die Notwendigkeit bestätigt, möglichst schnell die praktische Arbeit einer BRICS-Plattform für energetische Forschungen und der Genfer Geschäftsallianz der BRICS zu beenden, wie das Russland vorgeschlagen hat. Meines Erachtens bestätigen die Ergebnisse der BRICS-Aktivitäten in den letzten Jahren, dass dieses Bündnis konsequent an Reife gewinnt. Die Teilnehmer der Fünfergruppe wollen ihre gemeinsamen Positionen in der internationalen Arena gemeinsam vorantreiben. Das ist aus meiner Sicht der wichtigste Schluss, der sich nach der heutigen Sitzung ziehen lässt.
Wir haben auch den außenpolitischen Aspekt des für November in Brasilia angesetzten BRICS-Gipfels besprochen. Dieser ist meiner Meinung nach durchaus solide. Ich hoffe, dass unsere Spitzenpolitiker die Vorschläge, die wir heute formuliert haben, befürworten werden.
Frage: Im Rahmen der Sitzung erklärte der brasilianische Außenminister Ernesto Araújo, dass die Seiten im „venezolanischen“ Kontext zusammenwirken sollten, und rief seine BRICS-Kollegen auf, den „Hilferuf“ Venezuelas zu hören. Hatten Sie die Möglichkeit, mit ihren BRICS-Kollegen die Meinungen zu diesem Thema auszutauschen?
Sergej Lawrow: Wir haben unsere Position bestätigt. Wir hören die Stimmen aller Seiten (und wollen sie auch weiter hören), die an einer friedlichen Regelung jedes Probleme interessiert sind, auch des Venezuela-Problems. Wir haben unsere Zusage dem „Osloer Prozess“ bestätigt, der auf Initiative der norwegischen Vermittler begonnen hat und an dem sich Vertreter der Regierung Nicolás Maduros und der Opposition um Juan Guaidó beteiligen. Diese Kontakte werden jetzt auch in der Region unterhalten, insbesondere in Barbados. Die Kommentare der Seiten zeugen davon, dass sie durchaus aussichtsreich sind.
Wir stehen auf der eindeutigen Position, die in der gemeinsamen Erklärung verankert wurde: Jegliche Konflikte können nur friedlich, mit politischen und diplomatischen Mitteln unter Beteiligung aller interessierten Seiten geregelt werden. Das passiert eben im Rahmen des „Osloer Prozesses“. Ich denke, wir alle müssen den Venezolanern die Möglichkeit geben, miteinander zu verhandeln. Und ihnen von außerhalb zu diktieren, was sie zu besprechen haben, ist kontraproduktiv – das wird zu keinen positiven Folgen führen.
Wir haben unsere Position aufrichtig dargestellt. Auf derselben Position stehen auch unsere Partner aus China, Südafrika und Indien. Wir wissen, dass Brasilien auf einer etwas anderen Position steht. Aber, wie gesagt, der „Osloer Prozess“ geht weiter. Daran beteiligen sich die größten Protagonisten. Wir werden alle möglichen Vereinbarungen befürworten, die sie gemeinsam treffen.
Frage: Werden Sie das Thema Venezuela bei Ihrem bilateralen Treffen mit dem brasilianischen Amtskollegen Ernesto Araújo aufwerfen?
Sergej Lawrow: Wir werden ein Treffen haben, bei dem wir alle Fragen besprechen, die für unsere brasilianischen Kollegen interessant sind.