Italienische Republik
Interview Außenministers Russlands Lawrow dem italienischen Fernsehsender RAI 1, Rom, 20. Mai 2010
Frage: Ende Mai wird in Rostow am Don das Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und Russland stattfinden. Welche Themen sollen behandelt werden?
Lawrow: Ich glaube, wir und unsere Partner in der Europäischen Union verstehen, dass dieser Gipfel konkrete Ergebnisse bringen soll. Wir beabsichtigen, Vereinbarungen zu solchen wichtigen Fragen zu treffen, wie die Entwicklung der „Partnerschaft für Modernisierung" zwischen Russland und der Europäischen Union, das visafreie Regime, das Zusammenwirken bei der Krisenregelung, sowie zu einer Reihe anderer Aspekte unserer Partnerschaft.
Frage: Momentan wird viel über das neue Konzept der europäischen Sicherheit diskutiert. Wie ist da Russlands Haltung?
Lawrow: Es wird diskutiert, nur weil Russland eine entsprechende Initiative eingebracht hat. Wir sind vielen unseren Partnern dankbar, vor allem Italien, dass sie auf diesen Vorschlag konstruktiv reagieren.
Unsere Idee ist ganz einfach: wir wollen politische Deklarationen, die in den 90er Jahren auf höchster Ebene angenommen wurden, juristisch bindend zu machen. Vor etwa acht Jahren haben die Führer Russlands und aller NATO-Staaten in Pratica di Mare feierlich erklärt, dass die Sicherheit unteilbar ist und dass niemand die Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer gewährleisten wird. Wir schlagen vor, diese politische Deklaration zu einem juristisch bindenden Vertrag zu machen. Wir werden sehen, ob alle europäischen Führer aufrichtig waren, als sie diese politischen Erklärungen annahmen, und ob sie heute bereit sind, diese politischen Erklärungen, zum Teil des Völkerrechts zu machen. Wir wollen, dass es in Europa keine Gebiete mit unterschiedlichen Sicherheitsniveau gibt, dass alle Staaten der Euroatlantischen Region ohne Ausnahme einheitliche unteilbare juristische Garantien der Sicherheit haben. Ich betone: eine ganze Reihe europäischer Länder, u.a. Italien, stimmen uns darin zu.
Frage: Nach dem Abkommen, das Brasilien und die Türkei mit dem Iran geschlossen haben, wollen alle Erläuterungen hören, niemand vertraut dem Iran. Der US-Präsident Barack Obama meint, dass neue Sanktionen notwendig sind. Ist es wahr, dass Russland bereit wäre, solche Sanktionen zu unterstützen und Ja zu sagen?
Lawrow: Wir haben den Resolutionsentwurf in der Gruppe 5+1 behandelt. Wir haben einheitlichen Standpunkt über den Text, der von den Amerikanern dem Sicherheitsrat vorgelegt wurde. Auf der Stufe der Verhandlungen gelang es uns, aus diesem Text die auf dieser Stufe absolut unnützen Vorschläge über harte Sanktionen zu streichen, ihn nur auf der Lösung von Aufgaben der Nichtverbreitung zu konzentrieren. Jetzt studieren nicht ständige Mitglieder des Sicherheitsrats diesen Entwurf. Sie werden bestimmt ihre Vorschläge machen, und wir sind bereit, sie konstruktiv zu behandeln. Die Arbeit im Sicherheitsrat darf uns jedoch bei der Erfüllung der wichtigen Deklaration nicht hindern, die Brasilien und die Türkei mit Iran in Teheran unterzeichnet haben. In dieser Deklaration gibt es Unklarheiten, und wir wollen sie klären. Aber die Hauptsache ist: Iran muss in den nächsten Tagen die IAEA über das Schema des Austausches des niedrig angereicherten Urans gegen den Brennstoff für den Teheraner Forschungsreaktor offiziell benachrichtigen.
21. Mai 2010