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Interview des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, für den ägyptischen TV-Sender TeN TV, Moskau, 14. Dezember 2021

Frage: Wie schätzen Sie die russisch-arabischen Beziehungen ein? Wie ist der Unterschied zwischen ihrem jetzigen Zustand und der Situation in den Zeiten der Sowjetunion?

Sergej Lawrow: Der jetzige Zustand kennzeichnet sich dadurch, dass Russland gegenseitig respektvolle, schrittweise entwickelnde Beziehungen mit allen ohne  Ausnahme arabischen Staaten hat. In den Zeiten der Sowjetunion hatten wir nicht mit allen diplomatische Beziehungen, obwohl Saudi-Arabien vom sowjetischen Russland als einer der ersten von allen anderen Staaten anerkannt wurde. Jetzt wurden alle Überbleibsel der Vergangenheit, ideologische Vorurteile überwunden. Wir haben enge Wirtschaftsverbindungen, es entwickeln sich schnell die Investitionszusammenarbeit, humanitäre, Bildungsverbindungen. Ich würde die Kontakte der russischen Muslime, die regelmäßig die Gastfreundschaft Saudi-Arabiens im Zusammenhang mit den Reisen zur Teilnahme am Haddsch genießen, hervorheben. Wir kooperieren eng in der internationalen Arena.

Ich möchte insbesondere die Aussichten der Erörterung der Zusatzmaßnahmen zur Entwicklung der Investitionszusammenarbeit hervorheben. Schon seit einigen Jahren funktioniert der auf Initiative des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, geschaffene Fonds für Direktinvestitionen. Er schuf gemeinsame Plattformen mit mehreren arabischen Ländern (vor allem Golfstaaten) und setzt großangelegte Projekte im Energiebereich, beim Flugzeugbau, Erschließung des Weltraums und in anderen High-Tech-Bereichen um. In der nächsten Zeit beginnt in Ägypten der Bau des ersten AKW in Afrika, El Dabaa, nach der russischen Technologie. Die Vereinigten Arabischen Emirate bauen aktiv ihre handelswirtschaftlichen, Investitionsverbindungen mit der Russischen Föderation aus. Der Handelsumsatz wächst mit Rekordtempo. Saudi-Arabien, Algerien sind die Beispiele unserer führenden Partner in der arabischen Welt und in Nordafrika.

Frage: Dieses Interview findet vor dem Hintergrund des Jahres der humanitären Zusammenarbeit Russlands und Ägyptens, das während des Treffens des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, und des Präsidenten Ägyptens, Abdel Fattah el-Sisi in Sotschi 2018 erklärt wurde. Was vereinigt Kairo und Moskau im Lichte der jetzigen Änderungen in der Welt?

Sergej Lawrow: Die Durchführung des Jahres der humanitären Zusammenarbeit Russlands und Ägyptens wurde tatsächlich von Präsidenten Russlands und Ägyptens bereits vor mehr als zwei Jahren abgestimmt. Es war das Jahr 2020 geplant, doch wegen der Pandemie wurde beschlossen, es für dieses Jahr zu verschieben. Offizielle Eröffnung fand im Juni dieses Jahres in Kairo statt. Vorgesehen sind mehr als 100 verschiedene Veranstaltungen in zwei Ländern in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Bildung, Sport, Tourismus und andere humanitäre Kontakte. Die Hälfte der russischen Regierung – die Ministerien, die sich mit diesen Richtungen der Zusammenarbeit befassen, sind in die Durchführung dieser Veranstaltungen einbezogen. Mehrere geplante Veranstaltungen sind bereits zustande gekommen.  Sie ziehen große Aufmerksamkeit seitens der russischen Staatsbürger und der Staatsbürger Ägyptens auf sich.

Unsere Länder haben gute, lange Beziehungen, die bereits in den Jahren begannen, als der Nahe Osten, Nordafrika ihre Selbstständigkeit, das Recht auf die Wahl des eigenen Wegs der Entwicklung verteidigten. Diese Beziehungen erlebten verschiedene Perioden, doch jetzt erreichten sie das Niveau, das es in unserer Geschichte noch nie gegeben hat.

Frage: Sie erwähnten eine aktive Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen, Zusammenarbeit beim Bau des AKW El Dabaa, sowie die Schaffung der russischen Industriezone in der Wirtschaftszone des Suezkanals. Es ist die Rückkehr vieler russischer Touristen nach Hurghada, Sharm el-Sheikh und in andere Urlaubsorte zu erkennen. Wurde die handelswirtschaftliche Zusammenarbeit die wichtigste Triebkraft der russisch-ägyptischen Beziehungen?

Sergej Lawrow: Ja, via Großprojekte. Sie erwähnten die russische Industriezone. Sie hat ein riesengroßes Potential. Sie wird erst gestartet, es bildete sich aber eine Schlange aus russischen Unternehmen, die daran teilnehmen, eigene Produktion schaffen wollen. Das ist nicht nur von prinzipieller Bedeutung für den ägyptischen Markt.  Dieses Programm wurde mit Ausrichtung auf die regionale Dimension geschaffen. Ich denke, dass es nicht nur die Entwicklung der russisch-ägyptischen bilateralen Partnerschaft fördern, sondern auch einen starken Antrieb dem Wirtschaftswachstum der Republik selbst verleihen wird.

Frage: Die Länder der arabischen Welt sind von mehreren Problemen und Krisen besorgt. Man möchte ihnen die Position Russlands bei diesen Fragen mitteilen. Wir werden mit Libyen beginnen. Verfolgen Sie den Verlauf der Vorbereitung auf die Präsidentschaftswahlen in diesem Lande, wie ist ihr Ziel?

Sergej Lawrow: Russland leistet bereits seit vielen Jahren seinen Beitrag zu den internationalen Anstrengungen zur Förderung der Libyen-Regelung. Seit der Billigung der Abkommen von Skhirat im Dezember 2015 nimmt unser Land an verschiedenen internationalen Formaten teil. Es gab sie viele – Konferenzen in Paris, Palermo, Berlin. Während dieser Veranstaltungen bildeten sich allgemeine Prinzipien, die nicht umgesetzt werden konnten.

Im November 2020, dank Anstrengungen der Koordinatoren aus der UNO, konnten die libyschen Seiten die Wiederherstellung ihres Staates via Aufnahme der Mechanismen der Vorbereitung auf die Wahlen vereinbaren.  Es wurden Übergangsstrukturen gebildet. Der Leiter der Übergangsregierung Abdulhamid Dbeiba besuchte die Russische Föderation. Auf der vorherigen Etappe empfingen wir bei uns die libyschen Seiten, an diesem Treffen nahmen auch Freunde aus Ägypten teil. Sie halfen uns und der Türkischen Republik, an einem Tisch die Vertreter des Westens und des Ostens Libyens zusammenzubringen.

Alle diesen Anstrengungen, in denen es den Beitrag der Russischen Föderation gibt, ließen den von allen anerkannten Prozess, der die Durchführung der allgemeinen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vorsieht, einleiten. Es wurde das Datum angesetzt – 24. Dezember. Ich hoffe, dass es eingehalten wird. Die Priorität bleibt für uns nicht ein formelles Einhalten irgendeiner Frist, sondern eine inhaltsvolle Organisierung der Wahlen, damit daran Vertreter aller führenden politischen Kräfte teilnehmen können und die Ergebnisse von ihnen allen anerkannt werden. Ich würde ehrlich und offen sagen, dass ich auch kein großes Problem darin sehe, wenn es eine kleine Verzögerung bzw. Verschiebung geben wird. Am wichtigsten ist, dass alle Ungereimtheiten, die sich jetzt bei der Vorbereitung auf die Wahlen zeigen, beseitigt werden. Ich meine die Inklusivität der Teilnehmer dieses Prozesses und der Liste der Kandidaten. Es gab Versuche der Wahlorgane Libyens, jemanden zu den Wahlen nicht zuzulassen, dann wurden diese Beschlüsse revidiert. Ich hoffe, dass alle zugelassen werden.

Frage: Haben Sie eine bestimmte Position zu einem der Kandidaten? Der Kandidat Saif al-Islam al-Kaddafi, der Sohn des verstorbenen libyschen Anführers, Muammar al-Kaddafi, passt eindeutig nicht den USA.

Sergej Lawrow: Ich kann für das libysche Volk nicht sagen. Zumal haben die USA nicht das Recht, das zu machen – sie nahmen an der Zerstörung des libyschen Staates 2011 teil. Wie der damalige Präsident Barack Obama sagte, versuchten die USA „hinter dem Rücken“ die Führungsrolle zu spielen. Es wurden solche Länder wie Frankreich nach vorne gebracht. Wie sich herausstellte, hatte es eigene persönliche Motive mit Muammar al-Kaddafi. Ich würde mich nicht getrauen und würde das auch den Amerikanern und Europäern nicht empfehlen, die Schicksale des anderen Volkes, zumal des libyschen Volkes, zu bestimmen. Mögen die Libyer selbst entscheiden.

Wir wissen, dass Saif al-Islam al-Kaddafi und der Kaddafi-Clan im Ganzen ziemlich viele Anhänger hat wie auch Marschall Khalifa Haftar, Aguila Saleh, Abdulhamid Dbeiba und andere Teilnehmer des Präsidenten-Wahlrennens. Wir werden dafür eintreten, dass die Libyer selbst die Transparenz, Sauberkeit der Wahlprozesse gewährleisten und den Mut haben, das Ergebnis der Wahl ihres Volkes anzuerkennen.

Frage: Verstehe ich richtig, dass Sie den Westen als Grund der Zerstörung Libyens 2011 und Leiden der Libyer im Laufe der letzten zehn Jahre bezeichnen?

Sergej Lawrow: Dieser Fakt kann nicht verneint werden. Zumal  wird von allen auch eine andere, größere Realität zugegeben – nachdem der Westen die libysche Staatlichkeit zerbombt hatte, tauchte an Stelle dieses Landes ein „schwarzes Loch“ auf. Durch dieses Loch gingen Banditen und Extremisten, die vom Westen gegen Muammar al-Kaddafi bewaffnet worden waren, in den Süden. Gerade das wurde der Hauptgrund der Krise, die seit vielen Jahren in der Sahara-Sahel-Region zu erkennen ist. Jetzt ist diese Zone eine der gefährlichsten aus der Sicht der Verbreitung der Extremistenideologie und physischen Präsenz dort verschiedener Abzweige von Al Qaida und ISIL. In den Norden strömten via Libyen Flüchtlinge, an denen Europa leidet und von denen es sich abschotten will. Man soll für eigene Taten Verantwortung tragen.

Frage: Die Terror-Gefahr ist eine ernsthafte Herausforderung für die Länder der Sahara-Sahel-Region. Unternimmt Russland Anstrengungen zur Hilfeleistung an diese Länder?

Sergej Lawrow: Am 11. November dieses Jahres hatte ich Verhandlungen mit dem Außenminister Malis Abdoulaye Diop, am 7. Dezember dieses Jahres – mit dem Außenminister der Republik Tschad, Mahamat Zene Cherif.

Wir stehen im engen Kontakt mit der Führung der Zentralafrikanischen Republik. Sie alle haben das Streben, die Kräfte für den Kampf gegen Terrorismus zu mobilisieren. In diesen Ländern sind in einem gewissen Sinne die Filialen von Al Qaida, ISIL bzw. Boko Haram präsent. Das alles erstreckt sich bereits auf die Küste des Golfes von Guinea, um den Tschadsee häufen sich bereits Banditengruppen an. Sie machen Überfälle aus ihren Lagern, terrorisieren friedliche Einwohner, beuten  erbarmungslos die Naturressourcen der afrikanischen Länder aus. Kaum jemand kann mit ihnen etwas machen.

Wir leisten Unterstützung an die Sahara-Sahel-Fünf. Jetzt bilden sich gemeinsame Kräfte, der Prozess läuft noch. Im bilateralen Bereich liefern wir an die Länder dieser Region die notwendigen Waffen, mit denen ihre Fähigkeit zur Ausrottung der Terrorgefahr gestärkt werden kann. Wir trainieren regelmäßig die Militärs dieser Länder in der Russischen Föderation, in den Bildungsanstalten unseres Verteidigungsministeriums, bilden Friedenssoldaten und Mitarbeiter der Rechtsschutzorgane aus.

Derzeit wird im UN-Sicherheitsrat die Frage besprochen, dass die Organisation an der materiellen Unterstützung der gemeinsamen Kräfte der Sahara-Sahel-Fünf teilnimmt. Es gibt Fakten, dass unsere westlichen Kollegen keinen großen Enthusiasmus bei dieser Frage zeigen. Russland ist bereit, einen konkreten Schritt zu machen, damit die UNO die Notwendigkeit begreift, die Arbeit der Fünf in dieser Richtung aktiver und gegenständlich zu unterstützen.

Frage: In den Erklärungen des Kommandos der US-Streitkräfte lautet ständig die Warnung über die Unzulässigkeit jeder militärischen Präsenz Russlands in den afrikanischen Ländern. Wie schätzen Sie diese Aussagen ein?

Sergej Lawrow: Dieses imperiales Denken, das Fehlen jeglichen Respekts gegenüber andere Länder sind typisch für die USA und das, wie sie in der Welt nicht nur gegenüber Russland, China und andere Staaten vorgehen. Sie gehen auch so mit ihren Verbündeten um. Wie wurde die Frage des Verkaufs der Atom-U-Boote an Australien gelöst? Es wurde beschlossen und gemacht.

Was ihre Ansprüche bezüglich der selbstständigen Steuerung der ganzen Truppen betrifft, denke ich, dass die Länder der Region, Afrikas, des Nahen Ostens ziemlich reife staatliche Bildungen sind, die eine große historische Erfahrung haben, um die ganze Sinnlosigkeit solcher Erklärungen zu verstehen.

Nicht nur US-Militärs sprachen von der Unzulässigkeit der russischen und chinesischen Präsenz in Afrika. So reiste zum Beispiel Mike Pompeo, der mein Kollege war, als US-Außenminister in einige afrikanische Länder (kurz vor dem Ablauf der Frist der Administration von Donald Trump) und rief überall öffentlich dazu auf, weder mit Russland, noch mit China zu handeln, weil wir angeblich handeln, um alle zu „kolonisieren“. Und die Amerikaner machen das nur zur Festigung der Demokratie. Die Lächerlichkeit und Sinnlosigkeit solcher Erklärungen ist für alle offensichtlich.

Solche Gefühle der eigenen Überlegenheit über alle andere haben nicht nur Amerikaner, sondern auch unsere europäischen Kollegen. Frankreich sagt bei jeder Gelegenheit, dass Russland es „nicht wagen darf“, die Mitwirkung in Form der Militärhilfe an solches Land wie Mali zu leisten. Obwohl die Führung Malis alles ziemlich ausführlich offiziell erklärte. Der Premierminister trat auf der UN-Generalversammlung auf, äußerte Besorgnis, dass vor dem Hintergrund nicht zurückgehender, sondern zunehmender Terrorgefahr die französische Führung beschloss, die Operation Barchan zu reduzieren. Zum Beispiel im Norden des Landes, wo die Situation am schwersten ist, wurden zwei Stützpunkte bereits geschlossen, der dritte Stützpunkt wird bis zum Jahresende geschlossen. In solcher Situation sollen die Behörden Malis natürlich nach einer Kompensation für diesen Schritt Frankreichs suchen. Vor kurzem sprachen wir zusammen mit dem Verteidigungsminister Russlands, Sergej Schoigu, mit unseren französischen Kollegen in Paris im 2+2-Format. Wir riefen sie dazu auf, dass im Kampf gegen Terrorismus Doppelstandards ausgeschlossen werden sollen. Wenn wir alle Afrika helfen wollen, soll das via Ankopplung unserer Anstrengungen und nicht via Versuche, eigenen Verantwortungsbereich abzuschotten, ein entsprechendes Gebiet zu markieren, wobei alle andere dorthin nicht gelassen werden, gemacht werden. Das ist das Denken des vorvorigen, sogar nicht vorigen Jahrhunderts.

Frage: Sie pflegen gute Beziehungen zu Marokko und Algerien. Wir fördert das die Krisenlösung in Westsahara?

Sergej Lawrow: Die Krise in Westsahara soll wie jede andere Krise auf Grundlage der Erfüllung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats: ob Westsahara, palästinensisch-israelische oder syrische Regelung gelöst werden. Überall gibt es Resolutionen, die durch Konsens gebilligt wurden, die völkerrechtliche Grundlage für die Lösung eines bestimmten Problems bilden. Im Fall West-Sahara sehen Resolutionen einen direkten Dialog zwischen Marokko und POLISARIO vor. Er soll schnellstmöglich wiederaufgenommen werden. Diese Verhandlungen sollen beginnen und die Ausarbeitung der Kompromisslösungen, die den Interessen der beiden Seiten entsprechen werden, fördern. Die Instabilität in der Region Nordafrika und Sahara-Sahel-Zone beeinflusst die allgemeine Situation und das Fehlen des Fortschrittes bei der West-Sahara-Regelung. Das schafft nichts Positives. Wir denken, dass die Seiten – Marokko und POLISARIO – vor dem Hintergrund der Entwicklung in der Sahara-Sahel-Region hingegen aktivere Anstrengungen unternehmen sollen, damit in dieser Richtung eine Hoffnung entsteht. 

Wenn man die Situation wie jetzt lässt, können Terroristen versuchen, eine verzweifelte Lage der Westsahara-Bevölkerung zu nutzen, um dort ihre „Fangarme“ zu ziehen. Wir wissen, dass darüber bereits verschiedene Extremisten, einschließlich der Extremisten von Al-Qaida, islamischen Magribs, ISIL nachdenken. Sie haben ziemlich große Pläne. Wir wurden etwas besorgt – direkte Verhandlungen zwischen Marokko und POLISARIO werden nicht nur nicht wiederaufgenommen, im November des vergangenen Jahres traten die Beiden aus der Waffenruhe aus. Sie blieb fast 30 Jahre lang bestehen.

Die Gefahr der Eskalation von Konfrontation in diesem Teil Afrikas ist offensichtlich. Wir sind davon überzeugt, dass es notwendig ist, dass alle einflussreichen Länder alle Seiten zur Zurückhaltung aufrufen und auf politisch-diplomatischen Regelungsmethoden beharren. Vor diesem Hintergrund treten wir gegen einseitige Schritte ein, wie wir das auch bei der palästinensisch-israelischen Regelung machen. In jedem Konflikt schaden einseitige Schritte, die durch Basisvereinbarungen nicht vorgesehen sind, der Sache, schaffen unnötige zusätzliche Risiken. Vor einem Jahr haben die USA die Souveränität von Marokko über die ganze Westsahara anerkannt. Das hilft nicht der Sache und widerspricht, untergräbt die allgemeinen Prinzipien der Westsahara-Regelung, laut denen der endgültige Status dieses Gebiets nur via Referendum bestimmt werden kann. Wir hoffen, dass es nicht mehr solche heftige Bewegungen geben wird, und alle ihre Möglichkeiten nicht zur Unterstützung einer Seite gegen die andere, sondern zur Bewegung zum Verhandlungstisch nutzen werden.

Frage: Im Oktober reiste der Premier Israels nach Moskau, dann besuchte auch der Anführer Palästinas Russland. Widerspiegelt dieses Streben Russlands, eine neue Lösung des Problems zu finden?

Sergej Lawrow: Hier kann es keine neuen Lösungen außer Wiederaufnahme der direkten Verhandlungen auf Grundlage der völkerrechtlichen Basis, die von der Generalversammlung, UN-Sicherheitsrat gebilligt wurde und von niemandem bezweifelt wird – das ist eine Zwei-Staaten-Lösung mit der Gewährleistung der Vereinbarungen zu allen Fragen des endgültigen Status.

Wir können die einseitigen Schritte nicht unterstützen, das betrifft vor allem die andauernden Handlungen Israels zur Erweiterung der Siedlungsaktivitäten, die von niemandem unterstützt werden. Diese Praxis wurde von Vertretern der UNO, EU, USA und Russlands verurteilt. Das ist gerade das „Quartett“ der internationalen Vermittler, das aktiver danach streben könnte (wir sind daran interessiert), dass die Seiten direkte Verhandlungen wiederaufnehmen. Einseitige Schritte werden auch in Form von Versuchen, den historischen Status der Al-Aqsa-Moschee zu ändern, gewaltsamer Expropriierung der Gebiete und palästinensischer Häuser, die sogar abgerissen werden, unternommen. Das alles sollte dringend aufgegeben werden. Wir beharren auf der Einberufung des Quartetts. Es traf sich bereits auf der Expertenebene. Wir sind davon überzeugt, dass die Ernsthaftigkeit der Situation die Notwendigkeit eines Ministertreffens bedeutet. Wir arbeiten mit unseren Kollegen zu diesem Thema. Bislang bevorzugt es Washington, mit anderen Methoden vorzugehen und dieses Thema nicht auf die Ministerebene zu bringen, obwohl die USA ihre bilaterale Diplomatie mit Palästinensern und Israelis fortsetzen. Hätten sie Erfolg garantiert, denke ich, dass sich alle darüber nur freuen würden. Bislang sehen wir, dass gemeinsame Anstrengungen absolut gefragt sind und sie nicht ausreichen.

Frage: Sie trafen sich vor kurzem mit Mohammed Dahlan, dem Anführer der reformatorischen Bewegung in FATAH, und mit Mahmud Abbas in Moskau. Ist das ein Teil der russischen Anstrengungen zum Erreichen der palästinensischen Versöhnung?

Sergej Lawrow: Mahmud Abbas ist der Präsident Palästinas, Mohammed Dahlan ein angesehener politischer Vertreter. Es geht nicht nur um sie. Es ist notwendig, die palästinensische Einheit unter Teilnahme von allen ohne Ausnahme lokalen Gruppierungen wiederherzustellen. Das sind ungefähr 12 bis 13. Wir luden sie alle mehrmals nach Russland ein. Sie nahmen unsere Einladung an. Jedes Mal bemühte man sich, eine gemeinsame Position auszuarbeiten, doch sie haben das nicht vollständig geschafft. Ich bin davon überzeugt, dass die Wiederherstellung der palästinensischen Einheit von Schlüsselbedeutung zumindest aus zwei Gründen ist. Erstens, was das Wesen der palästinensisch-israelischen Regelung betrifft, werden die Palästinenser mit der Wiederherstellung der Einheit der eigenen Reihen ihre Positionen bei Verhandlungen festigen. Sie desavouieren Erklärungen, die manchmal von einigen Politikern in Israel zu hören sind: „Mit wem soll man sprechen? Sie vertreten dort niemanden. Bei ihnen ist alles zerfallen – Ramallah, Gaza u.a.“. Diese „Vorwände“ zur Vermeidung der Verhandlungen sind einfach zu beseitigen.

Zweitens hängt die Wiederherstellung der palästinensischen Einheit nur von Palästinensern ab. Hier können weder Israel, noch irgendwelche westliche Partner oder noch jemand dabei stören, eine Vereinbarung zu erreichen. Es gibt eine Frage, die die Position der arabischen Länder, die die Palästinenser unterstützen, betrifft. Manchmal machen sie das verschieden. Die Kontroversen innerhalb der arabischen Welt würde ich natürlich zur Seite schieben. Das palästinensische Volk litt bereits so viel, dass man nicht die Situation fortsetzen soll, die de facto zur Schaffung der Fakten auf dem Boden führt, die die Möglichkeit der Schaffung eines palästinensischen lebensfähigen Staates verhindern. Natürlich soll das im Interesse aller arabischen Staaten sein. Wir unterstützen aktiv das Streben Ägyptens, das bei der Wiederherstellung solcher Einheit hilft. Wir wollen, dass auch andere arabische Länder sich diesen Anstrengungen anschließen.

Frage: Die arabische Welt erlebte bereits Schwierigkeiten des „Kalten Kriegs“. Ich möchte Sie fragen:  Ist der „Kalte Krieg“ wieder zurück?

Sergej Lawrow: Das ist so eine Frage, die endlos beantwortet werden kann. Ich würde eine kurze Antwort bevorzugen.  Natürlich ist es nicht der Kalte Krieg, an den wir uns alle gewöhnt haben. Der Kalte Krieg entwickelte sich in einer stabilen, zwar auch negativ stabilen Weltordnung, wenn nicht zwei Mächte, sondern zwei sozialwirtschaftliche Systeme – Kapitalismus und Sozialismus – in Konfrontation waren. Jedes von ihnen kontrollierte riesengroße Gebiete. Bildlich gesprochen, jeweils eine Hälfte der Erdkugel, wenn man den Einfluss berücksichtigt, den die Sowjetunion im Prozess der Dekolonisierung, darunter in Afrika hatte. Jetzt ist die Situation anders – es gibt deutlich mehr Akteure.

Der neue Bundeskanzler Deutschlands Olaf Scholz sagte bei der Bekanntgabe der Zusammensetzung der Regierung, dass in dieser Welt nicht zwei Mächte, sondern mehrere Großmächte alles bestimmen werden. Das ist de facto die Anerkennung der Multilateralität, die auch zwei Seiten hat. Die eine Seite – das ist, was jetzt viele Kritiker einer polyzentrischen Weltordnung in ihren Argumenten nutzen – Multilateralität gleicht einem Chaos. Jeder wird für sich selbst sein. Es gibt mehr große Akteure. Sie werden sich „mit Ellbogen stoßen“, es wird für sie eng sein, und die Welt wird chaotischer sein.

Unsere Position besteht darin, dass die Multilateralität eine objektive Realität ist. Der Aufstieg Chinas als führende Wirtschaft der Welt ist nicht ferne Zukunft. Indien entwickelt sich sehr schnell. Die Asien-Pazifik-Region wird ein Lokomotiv der Entwicklung, wobei sie die Euroatlantische Region an dieser Stelle ablöste. Lateinamerika will seine Identität bestimmen. Die jüngsten Initiativen des Präsidenten Mexikos weisen darauf hin. 

In Afrika wachsen das Selbstbewusstsein, das Streben, die eigene Identität bei Kontakten mit der Außenwelt, die an den riesengroßen Bodenschätzen des afrikanischen Kontinents interessiert sind, hervorzuheben. Die Aufgabe besteht nicht darin, dass man in dieser wettbewerbsintensiven Umgebung die Länder gegeneinander aufhetzt, sondern darin, dass man diese „brownsche Bewegung“ irgendwie regelt. Gerade darauf zielt die Initiative des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin über die Einberufung eines Gipfels der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats ab. Nicht weil sie für alle entscheiden sollen, sondern weil sie gemäß der Charta der Organisation eine besondere Verantwortung der Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und Sicherheit tragen. Wenn man sich versammelt, könnten die Anführer der Länder der Fünf Empfehlungen für die ganze andere Weltgemeinschaft ausarbeiten, die meines Erachtens positiv aufgenommen wären. Man sollte den Zustand des negativen konfrontativen Widerstands in einen Dialog verwandeln.  Er entwickelt sich bei uns mit Amerikanern.  Am 7. Dezember dieses Jahres sprach Präsident Wladimir Putin mit dem US-Präsidenten Joe Biden mehr als zwei Stunden im Videokonferenzformat. Bei allen ernsthaften Kontroversen, Meinungsverschiedenheiten bei den Herangehensweisen besteht der Wunsch, diesen Dialog zu entwickeln, zumindest bei den USA ist er zu erkennen. Ich hoffe, dass auch andere westliche Mitglieder der Fünf solche Stimmung bekommen. Unser strategischer Partner – die Volksrepublik China bestätigte seine Bereitschaft und Interesse an der Austragung solchen hochrangigen Treffens.

Frage: Sie verteidigen seit fast 17 Jahren die Interessen ihres Landes in der internationalen Arena. Welche Jahre waren am schwierigsten für Sie?

Sergej Lawrow: Das ist eine abstrakte Frage. Ich mache mir keine Gedanken, weil wenn man darüber denkt, wie schwierig es für mich war, es schwierig wird, zu arbeiten. Wir sollten jetzt arbeiten und nach vorne schauen, nicht nach hinten.

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