das Königreich Norwegen
Stenogramm des Auftritts Außenministers Russlands Lawrow auf gemeinsamer Pressekonferenz zu Ergebnissen der Verhandlungen mit dem Außenminister Norwegens Støre und seine Antworten auf Fragen der Medien, Moskau, 3. Februar 2010
Geehrte Kollegen,
heute hatten wir mit unseren norwegischen Partnern sehr inhaltsreiche und nützliche Verhandlungen. Wir konzentrierten uns auf das bilaterale Zusammenwirken unserer Länder angesichts des in Kürze geplanten Besuchs des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew in Norwegen. Wir haben Prioritäten unseres Zusammenwirkens bestimmt: Das sind bilaterale Zusammenarbeit, gute Nachbarschaft und Festigung der Beziehungen, Zusammenwirken im Norden, Umsetzung von großen gemeinsamen Projekten. Wir unterstützen das Zusammenwirken unserer Unternehmen in den Bereichen Energie, Spitzentechnologien, wissenschaftliche Forschungen usw. Wir halten es für einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung der russischen Wirtschaft, zu deren Umstellung auf den innovativen Entwicklungsweg.
Russland schätzt die aktive Arbeit der russisch-norwegischen Regierungskommission für wirtschaftliche, industrielle und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit positiv ein. Die nächste Tagung dieser Kommission findet in diesem Frühjahr statt. Wir schenken eine große Aufmerksamkeit der Erweiterung unserer vertragsrechtlichen Basis. Über ein Dutzend Entwürfe der Abkommen werden derzeit umgesetzt. Wir rechnen damit, dass sie in der nächsten Zeit fertig werden.
Aktiv arbeitet auch die Gemischte Russisch-Norwegische Kommission für Fischfang. Sie behandelt u.a. praktische Fragen, die in diesem Bereich auftauchen. Neulich hat sie einen scheinbar technischen, aber sehr wichtigen Beschluss erreicht: Es wurde eine einheitliche Mindestgröße für die Maschen der Grundnetze festgelegt. Das ist ein wichtiger Schritt zur Standardisierung von Maßnahmen bei der Regelung im Fischfang. Dadurch wurde die Zahl der Zwischenfälle wegen den unterschiedlichen Normen, die Russland und Norwegen hatten, wesentlich reduziert. Im Großen und Ganzen ist unser Zusammenwirken im Fischfang ein erfolgreiches Beispiel dessen, wie Bioressourcen erhalten und das Gleichgewicht in der Natur aufrechterhalten wird.
Unsere Staaten wirken aktiv zusammen und haben neue Pläne für die Zusammenarbeit im Bereich der Ökologie, der nuklearen und Strahlungssicherheit und der Grenzzusammenarbeit. Wir haben die Arbeit an der Abgrenzung des Seeraums im Barentssee und Nordnordpolarmeer beurteilt. Die Verhandlungen darüber verlaufen erfolgreich. Russland will sie aufgrund des gegenseitigen Einverständnisses und unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen abgeschlossen werden. Denn wir haben große Erfahrungen und gute Perspektiven für die Zusammenarbeit in der Arktis. Wir bestätigen, dass wir als Mitglieder des Arktischen Rats und Anrainerstaaten für die Entwicklung dieser Region verantwortlich sind. Deshalb werden wir Beschlüsse erfüllen, die beim ersten Treffen der fünf Anrainer der Arktis in Illulisat im Mai 2008 gefasst wurden. Für das laufende Jahr ist das zweite Treffen der arktischen Fünf geplant. Es ist erfreulich, dass Russland und Norwegen im Vorfeld dieses Treffens gleiche Einstellungen haben.
Die Seiten haben vereinbart, das Zusammenwirken im Arktischen Rat und in anderen Organisationen der regionalen Zusammenarbeit, insbesondere im Euro-Arktischen Barentsrat und dem Rat der Ostseestaaten fortzusetzen. Wir führen einen traditionsgemäß vertraulichen und inhaltsreichen Dialog zur internationalen Agenda, u.a. über die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Russland und NATO. Wir tauschen zum gegenseitigen Nutzen Meinungen darüber aus, wie unsere Länder die Partnerschaft mit der Europäischen Union entwickeln sollen. In Bezug auf internationale Krisen arbeiten wir mit Norwegen traditionsgemäß für die Nahostregelung, für die Regelung in Afghanistan sowie für die Beilegung anderer Krisen und Konflikte zusammen, die es bedauerlicherweise noch gibt und die das Klima der internationalen Zusammenarbeit nicht verbessern. Ich bin mit dieser Runde der Verhandlungen mit meinem Kollegen sehr zufrieden und bedanke mich für die Zusammenarbeit.
Frage: In der letzten Zeit gibt es einige Zweifel an der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit des Stockmann-Projekts. Wie beurteilen Sie dessen Entwicklung? Kann seine Verzögerung die Zusammenarbeit zwischen den Ländern negativ beeinflussen, insbesondere bei der Öl- und Gasförderung in der Arktis?
Sergej Lawrow: Ich glaube, dass es nicht die Sache der Außenminister ist, Beschlüsse über die Umsetzung des Stockmann- oder eines anderen Energieprojekts oder überhaupt irgendeines wirtschaftlichen Projekts zu fassen. Das ist ein geschäftliches Projekt, und daran beteiligen sich Energieunternehmen, auch aus Russland und Norwegen. Gerade sie sollen Beschlüsse fassen, den Haushalt des Projekts berechnen, und den Schluss ziehen, ob es vernünftig ist, es zu bestimmten Fristen zu starten. Das ist eine rein geschäftliche wirtschaftliche Entscheidung, und Unternehmen sollen sie selbst treffen.
Was die russisch-norwegische Zusammenarbeit im Energiebereich betrifft, so beschränkt sie sich keinesfalls auf das Stockmann-Projekt. Sie ist mannigfaltig, und wir haben heute darüber gesprochen. Es geht nicht nur um die gemeinsame Erschließung von Ressourcen auf dem Territorium Russlands und anderer Länder. Es geht um grundsätzlich systemhafte Sachen: Energieeinsparung, Energieeffizienz, neue Energiequellen. Und solche Zusammenarbeit wird sich bestimmt unter allen Umständen entwickeln.
Frage: Wie kann das russische Außenministerium Äußerungen des polnischen und schwedischen Außenministers kommentieren, die USA und Russland sollten die Zahl der Atomwaffen reduzieren, die an den Grenzen mit der Europäischen Union und auf deren Territorium stationiert sind?
Sergej Lawrow: Wahrscheinlich meinen Sie den gemeinsamen Artikel der Außenminister Schwedens Karl Bildt und Polens Radoslaw Sikorski. Ich weiß von diesem Artikel. Da möchte ich zwei Kommentare machen.
Erstens habe ich in den letzten Wochen an den Veranstaltungen teilgenommen, bei denen auch meine Kollegen aus Schweden und Polen anwesend waren. In den regelmäßigen Kontakten zwischen den Außenministern Russlands und dieser Länder bzw. zwischen unseren Außenministerien wurde dieses Thema nicht angesprochen. Daraus lässt sich folgender Schluss ziehen: Wenn sie beschlossen haben, diese Idee nicht in direkten Kontakten mit uns zu behandeln, sondern durch die Zeitung bekannt zu geben, so verfolgten sie wahrscheinlich irgendein Ziel, das nicht für die Lösung konkreter Fragen nützlich ist. Das ist der erste Kommentar.
Zweitens betreffen die in diesem Artikel angeschnittenen Fragen vor allem taktische Kernwaffen. Seit Jahren rufen wir unsere Partner auf, den ersten Schritt in dieser Frage zu tun. Und zwar, alle taktischen Kernwaffen auf das Territorium der Staates zu bringen, denen sie gehören. Aber wir können unsere Partner nicht erreichen, um mindestens mit dem Gespräch darüber zu beginnen. Unsere Haltung ist wohlbekannt und - ich wiederhole - wir sind zum Dialog in allen Fragen bereit, aber natürlich nicht über Medien, sondern direkt.
Frage: Wie bekannt erklärte sich Mahmud Ahmadinedschad für bereit, den Vorschlag der IAEA über die Anreicherung des iranischen Urans in Russland anzunehmen. Geht es aus Ihrer Sicht um die Veränderung der offiziellen Einstellung Irans, der früher diesen Plan ablehnte, oder versucht Teheran im Rahmen des Verhandlungsprozesses der Sechs, sich neue Bedingungen auszuhandeln?
Sergej Lawrow: Jetzt wollen wir diese Informationen präzisieren, weil die vorläufige Vereinbarung im Prinzip noch im Oktober des vorigen Jahres erreicht wurde. Das von IAEA vorgeschlagene Schema sah die Nachanreicherung des iranischen niedrig angereicherten Urans bis zur notwendigen Kondition in Russland mit der nachfolgenden Herstellung der Brennstoffkerne in Frankreich und der weiteren Lieferung des fertigen Brennstoffs zum Teheraner Forschungsreaktor vor. Leider hat die iranische Seite diese vorläufige Vereinbarung nicht bestätigt. Iran fing an, alternative Ideen vorzubringen, die von der IAEA nicht unterstützt wurden und nicht im Interesse der technologischen Lösung der Frage, sondern durch gewisses Misstrauen unserer iranischen Partner bedingt sind. Es wunderte uns. Wenn Iran bereit ist, das früher vereinbarte Schema zurückzuholen, so werden wir es begrüßen.
Frage: Am Montag kritisierte das US-Staatsdepartement die russische Regierung wegen Festnahme der friedlichen Demonstranten am vorigen Wochenende. Wie beurteilen Sie diese Erklärung der USA?
Sergej Lawrow: Wir sind zum Dialog zum Thema Menschenrechte mit allen Partnern offen. Wir meinen, dass es in diesem Bereich keine geschlossenen Themen geben darf. Das ist eine internationale Verpflichtung aller Staaten, vor allem der OSZE-Staaten bzw. aller UNO-Mitgliedsstaaten. Nur soll dieser Dialog gewissenhaft geführt werden, also auf der Grundlage der Gegenseitigkeit, und das Ziel verfolgen, konkrete Probleme zu lösen, und nicht, um rein politische Erklärungen zu machen.
Gerade in solchem konkreten, geschäftlichen, Sinne haben heute Støre und ich die von mir erwähnten Fragen erörtert, u.a. Probleme der Vertreter einiger norwegischer Nichtregierungsorganisationen mit dem Besuch in Russland. Wir haben uns mit diesen Fragen schon befasst. Es stellte sich heraus, dass wenigstens einige diese Vertreter norwegischer NGOs Russland besuchten, und dabei als Ziel der Reise Tourismus nannten. In Wirklichkeit befassten sie sich mit der Vorbereitung öffentlicher Veranstaltungen. Ich verstehe nicht, warum sie es nicht bei der Visaausstellung nannten. Es hätte keine Schwierigkeiten gegeben. Ich habe meinem norwegischen Kollegen versprochen, diese Frage zu klären und eine konkrete Antwort zu geben.
Im Gegenzug haben wir eine Reihe von Fragen gestellt, die uns beunruhigen. Das bezieht sich nicht auf Norwegen, das für den Schutz der Menschenrechte wirklich sehr viel macht. Uns beunruhigen Probleme in einigen Ländern, zu denen Norwegen gute Beziehungen hat. Ich meine natürlich Baltische Länder. Die Lage der russischsprachigen Bevölkerung in diesen Ländern wird nicht besser. Das ist die Tatsache, dass es im modernen zivilisierten Europa Länder gibt, in denen eine sehr große Gruppe von Menschen (im Vergleich mit der gesamten Bevölkerungszahl) lebt, die mit dem Begriff staatenlos bezeichnet werden. Das ist keinesfalls normal. Wir hoffen, dass Norwegen in den bilateralen Kontakten und im Rahmen der OSZE, sowie in den entsprechenden Strukturen des Europarats doch für die Lösung dieses Problems plädieren wird.
In Bezug auf die USA will ich wiederholen. Wenn das Staatsdepartement aus dem Anlass, den Sie erwähnt haben, eine Erklärung abgibt, und auf die Verleihung des Titels Held der Ukraine an S. Bandera ein Auge zudrückt, so geht es meiner Auffassung nach Ausdruck Doppelstandards. Und das ist falsch.
3. Februar 2010