Ukraine
Stenogramm der Rede Außenministers Russlands Lawrow und seine Antworten auf gemeinsamer Pressekonferenz mit Außenminister der Ukraine Grischtschenko zu Ergebnissen der Sitzung Unterkomitees für internationale Zusammenarbeit der Russisch-Ukrainischen zwischenstaatlichen Kommission, Moskau, 16. September 2010
Sehr geehrte Kollegen,
Sehr geehrte Vertreter der Massenmedien,
wir haben heute gute Arbeit geleistet. Wir haben das ganze Spektrum von Fragen erцrtert, die auf der Agenda des Unterkomitees fьr internationale Zusammenarbeit der Russisch-Ukrainischen zwischenstaatlichen Kommission stehen. Alle sechs Ausschьsse des Unterkomitees arbeiten intensiv. Ihre Themenbereiche sind: die Grenz- und konsulare Problematik, die Asow-Kertsch-Regelung, das Zusammenwirken zur Bewдltigung von neuen Herausforderungen und Bedrohungen, die Beilegung der regionalen Konflikte, die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen.
AuЯerdem haben wir die Fragen der transnistrischen Regelung ausfьhrlich erцrtert. Russland und die Ukraine spielen im Format 5+2 eine besondere Rolle, weil sie nicht nur Vermittler, sondern auch Bьrgen der Regelung sind. Deshalb beunruhigt uns die momentane Entwicklung im transnistrischen Prozess. Wir haben vereinbart, weitere Initiativen einzubringen, damit das Format „5+2" hilft, Vereinbarungen zu erreichen und beiderseitig akzeptable Lцsungen zu finden. Natьrlich mit friedlichen und politischen Mitteln, also wenn die Seiten dazu tatsдchlich bereit sind, und unter Berьcksichtigung dessen, was bisher vorbereitet und von den Seiten abgestimmt wurde.
Wir haben die Asow-Kertsch-Problematik behandelt. Wir haben vereinbart, die Suche nach der Lцsung fortzusetzen, die Interessen beider Seiten berьcksichtigen und eine effiziente gemeinsame Nutzung dieser Wasserflдche sichern wьrde.
Bei der Behandlung von Grenz- und konsularen Fragen wurde betont, dass es zwar groЯe Fortschritt gibt, dass man aber weitere Schritte tun soll, damit die Bьrger unserer Lдnder, die an den beiden Seiten der Grenze in den angrenzenden Gebieten leben, diese ungehindert ьberqueren, sich gemьtlich fьhlen kцnnten, und damit sie dabei keine Schwierigkeiten haben. Gerade in diesem Sinne wird in Kьrze der gemeinsame Ausschuss fьr die Demarkation der Landesgrenzen seine Arbeit beginnen. AuЯerdem haben wir die Frage nach der Erweiterung der konsularen Prдsenz Russlands in der Ukraine und der Ukraine in Russland erцrtert.
In Bezug auf internationale Organisationen haben wir auf die Wichtigkeit der Entwicklung unseres Zusammenwirkens in der GUS, der Festigung der Zusammenarbeit und Koordination des Vorgehens in einigen Fragen in der UNO, OSZE, im Europarat, in der Organisation der Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation hingewiesen. Und in allen diesen Einrichtungen werden wir neben anderen Fragen besondere Aufmerksamkeit den praktischen Resultaten der internationalen Bemьhungen bei der Bekдmpfung des Terrorismus, Bewдltigung der Kriminalitдt, des Drogentraffics sowie anderen neuen Herausforderungen und Bedrohungen, einschlieЯlich der Piraterie, schenken.
Es wurde betont, dass der Plan des Zusammenwirkens zwischen dem russischen und ukrainischen AuЯenministerium fьr dieses Jahr gut erfьllt wird. Wir haben vereinbart, ein дhnliches Dokument fьr 2011 vorzubereiten. Im Protokoll werden die von uns erreichten Vereinbarungen ausfьhrlich beschrieben.
Mir scheint, dass wir heute einen wichtigen Schritt bei der Vorbereitung auf die nдchste Sitzung der Zwischenstaatlichen Kommission gemacht haben. Wir haben einen konkreten Beitrag zur Entwicklung unserer Beziehungen auf den Prinzipien der Freundschaft, der Gleichberechtigung, des gegenseitigen Vorteils und der strategischen Partnerschaft geleistet.
Frage (an Grischtschenko): Hдlt die Ukraine den Bau der Sьdstrom-Pipeline fьr unzweckmдЯig? Warum? Wenn es so ist, wird der Transit bestimmt ьber die Ukraine gehen. Welche Garantien kann Kiew gewдhren, dass sich solche Entwicklungen nicht wiederholen werden? Wie bekannt hat die Ukraine neulich wieder erklдrt, dass sie mit der Formel des Gaspreises unzufrieden ist.
Lawrow (in Ergдnzung der Antwort von Grischtschenko): Weder Sьdstrom noch Nabucco sind gegen die Ukraine gerichtet. Das Ziel des Sьdstroms, an dem die Russische Fцderation zusammen mit ihren Partnern arbeitet, ist ganz einfach: Die Energiesicherheit Europas zu stдrken. Die Umsetzung dieses Projekts bedeutet nicht, dass wir die jetzigen ukrainischen Behцrden als unzuverlдssige Partner im Gasbereich betrachten. Es geht uns gar nicht in den Sinn. Die im Frьhjahr dieses Jahres erreichte Vereinbarung zeugen gerade vom Gegenteil.
Was die Zusammenarbeit hinsichtlich des ukrainischen Erdgastransportsystems betrifft, so fьhren die jeweiligen Ministerien und Gasunternehmen unserer Lдnder Verhandlungen in dieser Frage. Sie tun es professionell, aufgrund der wirtschaftlichen ZweckmдЯigkeit, unter Berьcksichtigung aller Faktoren, die in solchen Angelegenheiten gewцhnlich beachtet werden. Ich bin ьberzeugt, dass unser Zusammenwirken in diesen Fragen auf die gleiche Weise fortgesetzt wird.
Frage: Zum Asowschen Meer und zur StraЯe von Kertsch. Welche Hindernisse gibt es, warum wurde noch keine Lцsung gefunden? Welche Zugestдndnisse fordert die Ukraine von Russland und Russland von der Ukraine?
(an Lawrow) Wie stehen die Chancen Russlands und Georgiens im Haager Gerichtshof, der in dieser Woche die Verhandlung zu Georgiens Klage begonnen hat?
Lawrow (nach Grischtschenko): Wir haben vereinbart, nach einem Ausweg weiter zu suchen. Da gibt es zwei Aspekte. Einen wьrde ich legalistisch nennen. Man kann sehr lange streiten, was worum es sich bei der Linie auf den Landkarten der damaligen Sowjetunion in der Mitte des Kertsch-Enikalsk-Kanals handelte. Die Angaben aus unseren Archiven sagen, dass sie nicht deshalb gesetzt wurde, um die administrative Grenze zu markieren, sondern nur zwecks bequemerer wirtschaftlicher Tдtigkeit in diesem Gewдsser. Aber die ukrainische Seite hat eine andere Sicht darauf. Das ist ein legalistisches Herangehen. Ich wiederhole: Juristen kцnnen sich damit noch lange auseinandersetzen. Eigentlich gibt es zwischen uns und der Ukraine keine groЯen Meinungsverschiedenheiten. Wir wollen, dass die beiden Lдnder den Kertsch-Enikalsk-Kanal frei nutzten, ihre infrastrukturellen, wirtschaftlichen und andere Projekte gemeinsam entwickeln. Das ist unsere Einstellung. In dem 2003 unterzeichneten Abkommen ьber das Asow-Kertscher Gewдsser ist nicht zufдllig festgelegt, dass wir die Grenzen im Asowschen Meer festsetzen und die Frage der StraЯe von Kertsch lцsen werden. Die dort gebrauchten Begriffe zeigen, dass sich die beiden Seiten schon damals ьber diese Frage Gedanken gemacht hatten.
Russland hat drei Mцglichkeiten vorgeschlagen. Ich werde auf sie letzt nicht eingehen. Jede geht von einem Prдzedenzfall aus. Unsere ukrainischen Kollegen wissen es, meinen jedoch, dass diese Prдzedenzfдlle hier nicht anwendbar sind. Aber das sind Kleinigkeiten. Die Hauptsache, wir verstehen, dass wir nach einem Ausweg suchen mьssen, der den Endzielen entspricht, die wir zusammen festgelegt haben: Das Gewдsser Gemeinsam zu nutzen, ohne einander Probleme zu schaffen. Ich bin ьberzeugt, dass wir eine Lцsung finden werden.
Zu Georgien. Zum Ersten. Wie Sie wissen, behandelt der Gerichtshof momentan die Frage, ob das unter seine Gerichtsbarkeit fдllt. Wir sind der Ansicht, dass Georgien dieses Problem etwas kьnstlich gestellt hat. Es beschuldigt Russland des VerstoЯes gegen die Rassendiskriminierungskonvention Anfang 90er Jahre. Aber bis vor kurzem ging Georgien mit dieser Klage nicht ans Gericht. In der Nacht zum 8. August 2008 hat uns Georgien auch nicht des VerstoЯes gegen die Rassendiskriminierungskonvention beschuldigt. Es ging ans Gericht erst nach dem Scheitern des Abenteuers von Herrn Saakaschwili. Sie kцnnen also die Schlьsse selbst ziehen. Ich hoffe, dass Juristen im Internationalen Gerichtshof, wenn sie unparteiisch sind, zur eindeutigen Schlussfolgerung kommen werden: Es geht nur um die Politik, und nicht um den Versuch, ein Gerichtsurteil zu haben.
Frage: Ist es aus Ihrer Sicht mцglich zwischen Kiew und Moskau eine Eisenbahnlinie zu erцffnen, auf der der Schnellzug der „Sapsan"-Klasse verkehren kцnnte? Der Prдsident der Russischen Eisenbahnen hat diese Mцglichkeit mehrmals erwдhnt. Haben die Verhandlungen in dieser Frage schon angefangen? Wenn ja, so welche Besonderheiten wird die Zollkontrolle in diesem Fall haben?
Lawrow (nach Grischtschenko): Ich will ergдnzen, dass es in unserem gemeinsamen Interesse ist, alle Arten von Verkehrsverbindung zwischen Russland und der Ukraine mit allen Krдften zu entwickeln. Also auch die Eisenbahn, worьber Grischtschenko soeben ausfьhrlich gesprochen hat, auch die Flugverbindung. Es gibt Plдne der Modernisierung des StraЯenverkehrs, besonders im Hinblick auf Euro-2012 und Sotschi-2014. Diese Frage haben unsere Prдsidenten besprochen, es wurden entsprechende Auftrдge gegeben. AuЯerdem gibt es solche Plдne, wie der Bau eines Ьbergangs ьber die StraЯe von Kertsch. All das wird den Verkehr unserer Bьrger, der Geschдftsleute, der Kulturschaffenden, einfacher Menschen, der Freunde und der Verwandten bequemer machen. Ich will besonders das hervorheben, was Sie am Ende Ihrer Frage gesagt haben: Bei allen technologischen Neuerungen ist es wichtig, dass die gewonnene Zeit durch die Erhaltung der Unbequemlichkeiten bei der Ьberquerung der Grenzen nicht „ausgeglichen" wird. Auch wir haben heute diese Frage besprochen. In nдchster Zukunft stehen uns Kontakte bevor, an denen jeweilige Ministerien teilnehmen werden. Wir werden den Regierungschefs und den Prдsidenten unserer Lдnder ьber diese Frage berichten.
Frage: Der in Russland des Terrorismus beschuldigte und international gefahndete Ahmed Sakajew hat angekьndigt, dass er am Weltkongress des tschetschenischen Volkes teilnehmen will, der heute in Polen stattfinden wird. Frьher haben polnische Behцrden erklдrt, dass er beim Versuch auf das polnische Territorium einzureisen, verhaftet wird. Wenn so, rechnet Russland mit seiner Extradition?
Lawrow: Wir haben natьrlich die neulichen Meldungen ьber die Vorbereitung dieser Veranstaltung auf dem polnischen Territorium bemerkt. Dort steht es auch, dass daran einige Menschen teilnehmen wollen, die international gefahndet werden. Wir haben unsere polnischen Partner auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Sie haben unsere Erklдrung ernst genommen. Wir gehen davon aus, dass es auch so wird.