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Artikel des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, „Zu den Umständen der Aufteilung Deutschlands und Österreichs in Zonen“, veröffentlicht im „Informationsblatt des Sicherheitsrats der Russischen Föderation“ Nr.3 (91) 2024

1855-02-10-2024

Wie der herausragende russische Historiker Wassili Kljutschewski schrieb: „Die Geschichte ist keine Lehrerin, sondern eine Aufseherin... Sie lehrt nichts, sondern bestraft nur für das Nichtwissen der Lektionen“. In diesem Zusammenhang halte ich es für nützlich, im Vorfeld des 80. Jahrestages des Großen Sieges auf die Seiten der Vergangenheit zurückzublicken, auch im Kontext der modernen internationalen und außenpolitischen Realitäten.

Wie bekannt, wurde die Frage der Nachkriegsordnung Europas, einschließlich der deutschen Frage, von den Alliierten der Anti-Hitler-Koalition fast seit Beginn des Großen Vaterländischen Krieges regelmäßig erörtert. Bereits am 27. November 1941 gab der britische Premierminister Winston Churchill bei einem Treffen mit dem sowjetischen Botschafter in London Iwan Maiski offen zu, dass die Aggressivität des deutschen Militarismus vor allem mit Preußen verbunden ist und dass „in Zukunft Bayern, Österreich, Württemberg und so weiter von der preußischen Vorherrschaft befreit werden müssen.“ Am 5. Dezember 1941 präzisierte er bei einem weiteren Gespräch mit dem Botschafter seine Überlegungen: „... die Hauptaufgabe besteht darin, die deutsche Gefahr für immer zu beseitigen. Dazu ist eine vollständige Abrüstung Deutschlands für mindestens eine Generation, die Aufteilung Deutschlands in Teile, insbesondere die Abtrennung Preußens vom übrigen Deutschland notwendig“.

Das erste ausführliche Gespräch mit London über die Zukunft Deutschlands fand während des Arbeitsbesuchs des britischen Außenministers Anthony Eden in Moskau vom 15. bis 20. Dezember 1941 statt. Dabei ging es unter anderem um die Unterzeichnung eines vertraulichen Protokolls, das die Grenzen der Sowjetunion von 1941 anerkennen sollte und vorgeschlagen wurde, Deutschland in mehrere unabhängigen Staaten aufzuteilen, Ostpreußen abzutrennen und einen Teil davon, einschließlich Königsberg, der Sowjetunion als Garantie der Entschädigung für die vom Krieg erlittenen Verluste zu übergeben. Joseph Stalin legte seine Ansichten zur „Neuordnung der europäischen Grenzen nach dem Krieg“ dar und betonte, dass es absolut notwendig sei, Deutschland zu schwächen, in erster Linie durch die Abtrennung des Rheinlandes mit seinem Industriegebiet vom restlichen Preußen. Österreich sollte ihm zufolge als unabhängiger Staat wiederhergestellt werden.

Die britischen Machthaber waren sich nicht sicher, ob die Rote Armee dem Ansturm der Wehrmacht Hitlers standhalten würde, und selbst nach der Schlacht um Moskau zweifelten sie am militärischen Potenzial der Sowjetunion. Daher bestand eine offene Zurückhaltung, Pläne und Perspektiven für die Zukunft zu teilen, insbesondere in Bezug auf die Nachkriegsordnung Europas. Der britische Vertreter war daher nicht bereit, Meinungen in Moskau substantiell auszutauschen. Er erklärte lediglich, dass die britische Regierung unter allen Umständen für die Unabhängigkeit Österreichs eintrete und bereit sei, die Frage der Unabhängigkeit Bayerns und des Rheinlandes zu erörtern. Dabei gab er zu, dass bereits vor dem Kriegseintritt der Sowjetunion Franklin D. Roosevelt und Winston Churchill Konsultationen über den „Nachkriegsaufbau Europas“ abgehalten hätten.

Die Angelsachsen wollten die Sowjetunion bis 1943 nicht als gleichberechtigten Teilnehmer an der Nachkriegsregelung anerkennen. Das Interesse der Alliierten an der Frage, was mit Deutschland nach dessen Niederlage getan werden sollte, stieg mit der Veränderung der Lage an der deutsch-sowjetischen Front.

Die Ziele, die die Sowjetunion, die USA und Großbritannien im Krieg verfolgten, waren unterschiedlich. Die Anti-Hitler-Koalition entstand und entwickelte sich wegen der Notwendigkeit, den gemeinsamen Feind zu zerschlagen. Hinsichtlich der Pläne für die Nachkriegsordnung gab es jedoch erhebliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalition.

Im März 1943 wurde diese Frage bei einem Treffen zwischen Franklin D. Roosevelt und Anthony Eden angeschnitten. Der sowjetische Botschafter in Washington, Maxim Litwinow, der nach Edens Gesprächen mit dem US-Präsidenten mit dem Briten sprach, kam zu dem Schluss, dass London und Washington „völlig gleiche Ansichten haben... was die Abrüstung der Achsenmächte und die Aufteilung Deutschlands betrifft... Es wird beabsichtigt, die Tschechoslowakei in ihren früheren Grenzen wiederherzustellen und einen besonderen österreichischen Staat zu bilden... Eden glaubt nicht, dass die Frage unserer westlichen Grenze auf ernsthafte Schwierigkeiten seitens der USA stoßen wird, und geht davon aus, dass Polen sich beruhigen wird, wenn es Ostpreußen erhält.“

Diese Überlegungen bestätigte auch Iwan Maiski, der sich mit Anthony Eden am 7. und 12. April 1943 traf: „Die beste Lösung... sehen sie in der Aufteilung Deutschlands in mehrere Staaten... mindestens in drei deutsche Staaten... Österreich sollte ein selbstständiger Staat sein“.

Nach der Schlacht bei Kursk, die mit der Zerschlagung der deutsch-faschistischen Truppen endete, festigte sich die militärische Lage der Sowjetunion noch mehr. In London und Washington begann man zu begreifen, dass es gefährlich sei, die Interessen der Sowjetunion bei der Lösung von Fragen, die von gemeinsamer Bedeutung für die Mitglieder der Anti-Hitler-Koalition sind, zu ignorieren.

In einem ausführlichen Bericht „Der Umgang mit Deutschland und anderen feindlichen Ländern in Europa“ vom 9. Oktober 1943, der von Maxim Litwinow als stellvertretender Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten der Sowjetunion vorbereitet wurde, wurde die „Solidarität zwischen drei Regierungen“ festgestellt, dass „alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um eine zukünftige Aggression Deutschlands zu verhindern.“ Es wurde als unumstritten bezeichnet, dass „alle territorialen Gewinne Deutschlands seit Hitlers Machtübernahme, sowohl im Verlauf des gegenwärtigen Krieges als auch in der Vorkriegszeit, als Gebiete betrachtet werden müssen, die nicht zu Deutschland gehören.“ Außerhalb seiner Grenzen „sollten sowohl Österreich als auch das Sudetenland bleiben, das der Tschechoslowakei entrissen worden war“. Dabei wurde auf offizielle englische Erklärungen hingewiesen, „sowohl über die Befreiung Österreichs vom Joch Deutschlands als auch zur Wiederherstellung der Vorkriegsgrenzen der Tschechoslowakei... Auch die im Vertrag von Versailles festgelegten Grenzen Deutschlands, insbesondere die deutsch-polnische Grenze, könnten überprüft und geändert werden.“

Wie Maxim Litwinow betonte, traten die Briten für die Aufnahme von „Ostpreußen, Schlesien und selbstverständlich dem Danziger Korridor in Polen ein. Laut Eden setzen sich auch Roosevelt und seine Gruppe für die Übergabe Ostpreußens an Polen als Kompensation für die Festlegung der Ostgrenze Polens nach der sogenannten Curzon-Linie ein... Egal wie das Schicksal Ostpreußens entschieden wird... bleibt uns das Recht, die Wiedervereinigung von Memelland mit Litauen, sowie dem östlichen Teil Ostpreußens zu fordern... nach einer Linie, die uns unser Generalstab vorschlagen wird“. Weiter im Bericht wurde vorgeschlagen, „in erster Linie dafür zu sorgen, dass das gegenwärtige Preußen zergliedert wird, das, selbst wenn es Ostpreußen, Schlesien und Schleswig verliert, ein mächtiger Staat bleiben würde, der ganz Deutschland dominiert“. Trotz aller Details bei den weiteren Verhandlungen mit den Alliierten hielt die sowjetische Regierung im Wesentlichen an diesem Schema der Nachkriegsregelung der Staatsgrenzen in Osteuropa fest.

Bei der Moskauer Konferenz der Außenminister der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens (19. bis 30. Oktober 1943) sprach sich der US-Außenminister Cordell Hull für die Dezentralisierung der deutschen politischen Struktur und die Förderung von Bewegungen innerhalb des Landes aus, die darauf abzielten, insbesondere die Bewegung „für die Verringerung des preußischen Einflusses auf das Reich“. Anthony Eden legte die Absicht der britischen Regierung hinsichtlich der „Aufteilung Deutschlands in separate Staaten... die Abtrennung Preußens vom Rest Deutschlands“ dar, wobei er hinzufügte, dass „die Möglichkeit, diese Ziele mit Gewalt zu erreichen, nicht ausgeschlossen ist“. Die Amerikaner fügten während der Diskussion hinzu, dass sie zu einer Teilung Deutschlands neigen, die Untersuchung dieser Frage jedoch noch nicht abgeschlossen sei. Von seiner Seite stellte der Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten der Sowjetunion, Wjatscheslaw Molotow, fest, dass Moskau aufgrund der großen Beschäftigung der sowjetischen Anführer mit militärischen Problemen noch zu keiner bestimmten Meinung zu diesem Thema gekommen sei und es weiterhin sorgfältig erörtern würde.

Die Konferenzteilnehmer verabschiedeten die Erklärung über Österreich, in der erklärt wurde, dass sie die Wiederherstellung seiner Freiheit und Unabhängigkeit anstreben. Laut dem Dokument wird die Eroberung des Landes durch Deutschland 1938 als ungültig betrachtet. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Österreich für seine Teilnahme am Krieg auf der Seite des Hitler-Deutschlands Verantwortung trage und dass „bei der endgültigen Regelung unvermeidlich auch sein eigener Beitrag zur Befreiung berücksichtigt werden wird“.

Die Ergebnisse der Moskauer Konferenz bestimmten maßgeblich den Verlauf der Verhandlungen der Anführer der „Großen Drei“ in Teheran vom 28. November bis 1. Dezember 1943. In der Diskussion über die Aufteilung Deutschlands übernahmen erneut die Amerikaner und Briten die Hauptrolle. Der US-Präsident Franklin D. Roosevelt stellte seinen persönlich erstellten Plan zur Zergliederung Deutschlands in fünf unabhängige Staaten vor. Darüber hinaus sprach er sich dafür aus, aus Deutschland Gebiete auszusondern, die unter Kontrolle der Vereinten Nationen, der vier Siegermächte oder der europäischen Betreuer stehen sollten.

Winston Churchill schlug seinerseits vor, Preußen vom Rest Deutschlands zu isolieren und die südlichen Provinzen Deutschlands – Bayern, Baden, Württemberg und Palatin (Pfalz) von Saar bis Sachsen zu abzuschneiden. Seiner Meinung nach sollte Preußen „unter harten Bedingungen gehalten werden“, während die südlichen Provinzen von Preußen abgetrennt und in die Donaukonföderation aufgenommen werden sollten.

Bemerkenswert ist, dass die Briten, die Pläne für die Schaffung von osteuropäischen Konföderationen als „sanitären Kordon“ und als Gegengewicht zur Sowjetunion entwickelten, im Juli 1943 unter den Alliierten ein Dokument mit dem Titel „Die Zukunft Österreichs“ verbreiteten. Darin wurden vier „wahrscheinlichste Lösungen des österreichischen Problems“ dargelegt. Die Varianten waren: 1) die Vereinigung Österreichs mit Deutschland, entweder als Bestandteil des Reiches oder auf föderativer Grundlage; 2) die Aufnahme Österreichs in die süddeutsche Konföderation; 3) die Wiederherstellung Österreichs als freies und unabhängiges Land; 4) die Aufnahme Österreichs in eine Konföderation von Ländern Mitteleuropas oder Osteuropas.

Die von Winston Churchill vorgeschlagene Idee der Bildung einer Reihe von Konföderationen kleiner Staaten in Europa wurde von den Amerikanern nicht unterstützt. Auch die sowjetische Führung unterstützte nicht diesen Vorschlag. Moskau verstand, dass das Hauptziel dieser Pläne die Schaffung von antisowjetischen Blöcken war. Dementsprechend trat Joseph Stalin gegen die Bildung solcher lebensunfähigen Vereinigungen ein und äußerte sich dafür, dass Österreich und Ungarn unabhängige Staaten bleiben sollten.

Es ist zu beachten, dass seit Beginn der Verhandlungen zwischen den Alliierten über den Nachkriegsaufbau der Grenzen in Europa das Schicksal Ostpreußens ständig als Teil der sogenannten polnischen Frage betrachtet wurde. Die sowjetische Regierung wies mehrmals darauf hin, dass das Streben des polnischen Volkes, sich in einem starken und unabhängigen Staat vollständig zu vereinen, Anerkennung und Unterstützung erhalten müsse. Sie war auch der Meinung, dass die Grenzen Polens unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen in Europa festgelegt werden sollten – aus einer Quelle von Konflikten und Kriegen sollten sie zu einem Faktor für Stabilität und dauerhaften Frieden werden.

Am 1. Dezember 1943 erklärte Joseph Stalin auf der Konferenz von Teheran, dass „die ukrainischen Gebiete an die Ukraine und die weißrussischen an Weißrussland übergeben werden sollten“. Aus demselben Grund hielt die Sowjetunion es für gerecht, Polen seine indigenen Gebiete im Westen zurückzugeben. Der britische Premierminister Winston Churchill schlug seinerseits vor, dass „das Zentrum des polnischen Staates und Volkes zwischen der sogenannten Curzon-Linie und der Oderlinie liegen sollte, einschließlich Ostpreußens und des Landkreises Oppeln“.

Im Zusammenhang mit der Regelung der westlichen Grenze Polens erinnerte Joseph Stalin daran, dass die Sowjetunion keine eisfreien Häfen an der Ostsee hat, und schlug daher vor, die Frage der Übergabe der eisfreien Häfen von Königsberg und Memel mit dem angrenzenden Teil des Ostpreußens an die Sowjetunion zu erörtern. Gleichzeitig wurde ein Kompromiss vorgeschlagen: Wenn die Engländer der Übergabe des genannten Gebiets an die Sowjetunion zustimmen, wird die sowjetische Regierung die vom britischen Premierminister vorgeschlagene Formel bezüglich der Grenzen Polens akzeptieren. Während des Frühstücks am 30. November 1943 bestätigte Winston Churchill, dass „Russland einen Zugang zu eisfreien Häfen benötigt“ und dass „die Engländer dagegen keine Einwände haben“. Somit wurde in dem vorläufigen Plan die Entscheidung über die Übergabe Königsbergs an die Sowjetunion vereinbart.

Im Jahr 1944 errang die Rote Armee eine Reihe von bedeutenden Siegen über Deutschland und seine Verbündeten. Der Vorstoß der Frontlinie nach Westen und die wachsende Stärke der Sowjetunion machten die Aussicht der Zerschlagung des faschistischen Deutschlands durch die Rote Armee allein, ohne Hilfe der Alliierten, realistisch. Aus diesem Grund änderten sich die Ansichten der Alliierten über die Zukunft Deutschlands erheblich in der Zeit zwischen den Konferenzen in Teheran und Jalta. Die Westmächte begannen, nicht nur auf die Niederlage Hitlers hinzuarbeiten, sondern auch auf die Abschreckung der Sowjetunion.

Aus einem Telegramm des sowjetischen Botschafters in Washington Andrej Gromyko vom 6. Oktober 1944 ging hervor, dass es im US-Außenministerium zu diesem Zeitpunkt keine einheitliche Meinung über Nachkriegsdeutschland gab. Die amerikanische Diplomatie neigte jedoch dazu, das Land als führende Industrienation in Europa zu bewahren – um dem wachsenden Einfluss der Sowjetunion entgegenzuwirken.

Zur Eröffnung der Krim-Konferenz (4.-11. Februar 1945) befanden sich die sowjetischen Truppen bereits sechzig Kilometer von Berlin entfernt. In angelsächsischen Kreisen entwickelte man Pläne für die Schaffung eines Blocks westeuropäischer Staaten nach dem Krieg, zu dem auch Deutschland gehören sollte. Dementsprechend verloren die ursprünglichen anglo-amerikanischen Pläne zur vollständigen Deindustrialisierung und Teilung des Landes für die westlichen Länder ihren Sinn.

Am 5. Februar 1945 stellte Joseph Stalin an die Alliierten in Jalta eine direkte Frage, ob sie beabsichtigten, Deutschland nach seiner Niederlage zu zergliedern. Der sowjetische Anführer erinnerte daran, dass die Regierungen der USA und Englands solche Pläne bereits zweimal geäußert hatten – in Teheran 1943 und während der sowjetisch-englischen Verhandlungen in Moskau im Oktober 1944. Als Antwort auf diese Frage bestätigten die Anführer der USA und Großbritannien erneut ihre grundsätzliche Position für eine Aufteilung Deutschlands. Im Ergebnis unterstützte die sowjetische Seite den Vorschlag der Alliierten, in Artikel 12 der Bedingungen für die bedingungslose Kapitulation Deutschlands den Satz aufzunehmen: „Das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken werden die oberste Gewalt über Deutschland ausüben. Bei der Ausübung dieser Gewalt werden sie die Maßnahmen ergreifen, einschließlich vollständiger Abrüstung, Demilitarisierung und Zergliederung Deutschlands, die sie für notwendig betrachten, um zukünftigen Frieden und Sicherheit zu gewährleisten.“

Gleichzeitig haben die Delegationen de facto den Schlusspunkt in der Besprechung der Polen-Frage gesetzt, indem sie bestimmten, dass „nicht das ganze Ostpreußen Polen überlassen werden sollte. Der nördliche Teil dieser Provinz mit den Häfen Memel und Königsberg sollte der UdSSR überlassen werden“. Vertreter der Sowjetunion und der USA stimmten der Abfindung Polens auf Kosten Deutschlands, und zwar: ein Teil Ostpreußens südlich von der Linie Königsberg-Oberschlesien und bis zur Oder. Am Ende beschloss die Konferenz, dass die Ostgrenze Polens der Curzon-Linie entsprechen sollte und dass der polnische Staat im Norden und Westen beträchtliche Territorien erhalten sollte, über deren Größe die neue polnische Provisorische Regierung der Nationalen Einheit gefragt werden sollte“. Die endgültige Festlegung der westlichen Grenze Polens wurde bis zur Friedenskonferenz verschoben.

Bei den auf der Krim getroffenen Entscheidungen über Polen und einen Teil Ostpreußens ging es großenteils um Kompromisse. Dabei bedeuteten sie zweifelsohne einen diplomatischen Sieg der Sowjetunion und entsprachen den Interessen des polnischen Volkes. Aus der Sicht der Sicherheit bekam Polen ideale Grenzen. Außerdem bekam sie nach dem Verlust von wirtschaftlich zurückliegenden Agrarregionen im Osten industriell entwickelte Gebiete im Westen sowie hochentwickelte Häfen an der Ostsee.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass Erklärungen bezüglich abstrakter Pläne zur Spaltung Deutschlands, die damals die Angelsachsen zum Ausdruck brachten, alles andere als aufrichtig waren. Im Vorfeld der Krim-Konferenz waren die Absichten zur Nutzung des deutschen Staates – egal wie sie formuliert wurden – im Interesse der Eindämmung der Sowjetunion in der Nachkriegszeit schon reif geworden. Die sowjetische Führung verstand das ihrerseits und zog entsprechende Schlüsse.

Bei der Arbeit der auf Beschluss der Krim-Konferenz gebildeten Kommission für Zukunft Deutschlands plädierte Großbritannien für Vorbereitung eines Entwurfs von gemeinsamen Handlungen der Alliierten. Die sowjetische Seite schickte an den Kommissionsvorsitzenden Anthony Eden einen Brief mit der Erläuterung, dass die Sowjetunion den  Beschluss der Krim-Konferenz zur Spaltung Deutschlands nicht als einen verbindlichen Plan, sondern als „eine mögliche Perspektive für den Druck auf Deutschland“ betrachtet, „um dessen Sicherheit zu fördern, falls andere Mittel nicht genügen sollten“. Im Telegramm des sowjetischen Außenministers Wjatscheslaw Molotow an den Botschafter in London, Fjodor Gussew, vom 24. März 1945 wurde extra betont, dass „die Engländer und Amerikaner, die als erste die Frage von der Aufteilung Deutschlands aufgeworfen haben, jetzt die Sowjetunion dafür verantwortlich machen und unseren Staat in den Augen der Öffentlichkeit zu verleumden. Um ihnen diese Möglichkeit wegzuschnappen, soll die eben erwähnte Initiative einbringen“. Also wurde durch diesen Brief der sowjetischen Regierung die Frage von Deutschlands Spaltung von der Tagesordnung der Kommission abgesetzt.

Die Position der Sowjetunion zu dieser Frage wurde auch in Joseph Stalins Ansprache an das sowjetische Volk am 9. Mai 1945 geschildert: „Die Sowjetunion feiert den Sieg, obwohl sie gar nicht vorhat, Deutschland aufzuteilen oder zu vernichten.“

Im Wortlaut der Erklärung über die Niederlage Deutschlands, die am 5. Juni 1945 in Berlin von den vier Befehlshabern unterzeichnet wurde, wurde das Thema Aufteilung Deutschlands ebenfalls nicht erwähnt, und im Potsdamer Abkommen war die Rede von Deutschland wie von einer wirtschaftlichen Einheit.

Die Berliner bzw. Potsdamer Konferenz (vom 17. Juli bis 2. August 1945) wurde zur letzten Phase der gemeinsamen Handlungen der Spitzenpolitiker der Mitgliedsstaaten der Anti-Hitler-Koalition. Im Kontext der westlichen Grenze Polens musste die sowjetische Delegation hart kämpfen. Da es den Briten und Amerikanern nicht gelang, eine für sie günstige Regierung in Polen durchzusetzen, waren sie nicht mehr an dessen Stärkung und auch an der Überlassung neuer Territorien diesem Land interessiert. Dennoch hat die Sowjetunion ihre Position erfolgreich verteidigt: Im Protokoll der drei Großmächte vom 1. August 1945 (und in der Mitteilung über die Berliner Konferenz der drei Großmächte vom 2. August) wurde im Kapitel „Stadt Königsberg und angrenzende Gebiete“ verankert: „Die Konferenz hat die Initiative der sowjetischen Regierung behandelt, dass der Teil der westlichen Grenze der Sowjetunion bis zur endgültigen Regelung territorialer Fragen vom Ort am östlichen Ufer der Danziger Bucht nach Osten – nördlich von Braunsberg-Goldap – bis zur Grenze zwischen Litauen, Polen und Ostpreußen liegen sollte.

Die Konferenz stimmte grundsätzlich dem Vorschlag der sowjetischen Regierung zur Überlassung der Stadt Königsberg und des naheliegenden Gebiets der Sowjetunion zu, wie schon eben erwähnt. Die genaue Grenze soll allerdings von Experten analysiert werden.

Der US-Präsident und der britische Premierminister haben erklärt, dass sie diesen Vorschlag auf der Konferenz bei der bevorstehenden friedlichen Regelung befürworten werden.“

In diesen Dokumenten wurde zudem folgendes gesagt: „Die Oberhäupter der drei Regierungen haben zugestimmt, dass bis zur endgültigen Festlegung der westlichen Grenze Polens die ehemaligen deutschen Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee etwas westlich von Swinemünde und von daher die Oder entlang und  bis zur Westneiße und die Westneiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze liegen (auch der Teil Ostpreußens, der laut dem Beschluss der Berliner Konferenz nicht von der Sowjetunion kontrolliert wird, und das Territorium der ehemaligen Freien Stadt Danzig), vom Polnischen Staat verwaltet werden sollten und in dieser Hinsicht nicht als Teil der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland gelten sollen.“

Zum größten Erfolg der Potsdamer Konferenz wurden ihre Resolutionen bezüglich der „deutschen Frage“ – de facto wurde beschlossen, den deutschen Staat unter Berücksichtigung der verschobenen Grenzen als eine wirtschaftliche und politische Einheit zu betrachten. Allerdings kam es zu wesentlichen Kontroversen bei der Besprechung der Frage von der Wiederherstellung der zentralisierten Verwaltung über das Land.

Gleich nach dem Kriegsende wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Laut der Erklärung über die Niederlage Deutschlands haben die Regierungen Großbritanniens, der Sowjetunion, der USA und Frankreichs die Obermacht übernommen, die in ihren Besatzungszonen handelten. Berlin wurde ebenfalls in vier Sektoren aufgeteilt. Über die Stadt verwaltete die vierseitige Alliierte Kommandantur. Dabei erkannten die USA, England und Frankreich am Anfang die Obermacht der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland über die deutsche Hauptstadt an, die als Zentrum der sowjetischen Besatzungszone galt.

Deutschlands Aufteilung in die Besatzungszonen besiegelte noch nicht die Spaltung des Landes, bestimmte diese aber vor. Der Mechanismus der allgemeinen Verwaltung – der Alliierten-Kontrollrat – bestand nicht allzu lange. Es sind zwei Machtzentren als Militärverwaltungen der westlichen Besatzungszonen und – separat – der sowjetischen Zone entstanden. Die politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen, die von den Alliierten in ihren Besatzungszonen ergriffen und dabei nicht abgestimmt wurden, bestimmten de facto die allmähliche Entstehung von zwei deutschen Staatsgebilden, die sich gegenüberstanden. Mit anderen Worten haben die ehemaligen Alliierten im Rahmen der Anti-Hitler-Koalition de facto die Pläne zur Bildung eines einheitlichen deutschen Staates in absehbarer Zeit endgültig aufgegeben.

Im Westen haben sich die Verwaltungsapparate, die am Anfang separat funktionierten, de facto in eine einheitliche Struktur verwandelt. Unter den Bedingungen des bereits in den ersten Nachkriegsjahren begonnenen Kalten Kriegs bemühten sie sich um Aufrechterhaltung des militärindustriellen Potenzials Deutschlands. Wider die zuvor getroffenen Vereinbarungen haben die westlichen Länder deutsche Rüstungsbetriebe nicht demontiert und die Demonopolisierung nicht durchgeführt. Etliche Truppenteile wurden nicht aufgelöst und blieben weiterhin kampfbereit.

Allmählich haben sich die Besatzungszonen Englands, der USA und Frankreichs in ein einheitliches Territorium, wo am 14. August 1949 wider die ursprünglichen Vereinbarungen der Alliierten die Parlamentswahl stattgefunden hat, und am 20. September 1949 wurde die Regierung der Bundesrepublik Deutschlands gebildet.

Die Gründung der BRD hat die Situation prinzipiell verändert. Daraufhin hat der Deutsche Volksrat am 7. Oktober 1949 auf Zustimmung der sowjetischen Behörden die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik verkündet und die Parlamentsfunktionen übernommen. Damit sind statt des besiegten Hitler-Deutschlands zwei deutsche Staaten entstanden.

Berlin, das nach dem Krieg in vier Sektoren aufgeteilt worden war, wurde in zwei Teile gespalten. Die Sektoren der USA, Englands und Frankreichs haben eine selbstständige politische Einheit gebildet – West-Berlin, wo juristisch die direkte Regierung der westlichen Besatzungsmächte aufrechterhalten wurde. Der sowjetische Sektor verwandelte sich in die Hauptstadt der DDR. In Europa entstand damit eine einmalige Situation, wenn ein Land in zwei Staaten aufgeteilt wurde, die zwei entgegengesetzten gesellschaftspolitischen Systemen angehörten.

Auf die amerikanischen Initiativen, die Truman-Doktrin und den Marshall-Plan, hat die Sowjetunion mit Bemühungen reagiert, die osteuropäischen Staaten an sich möglichst fest zu binden. Die internationalen Beziehungen sind endgültig in die Phase des Kalten Kriegs geraten. Anstatt eine Brücke zwischen dem Osten und dem Westen zu werden, hat sich Deutschland in die Arena der globalen Konfrontation von zwei Systemen verwandelt.

Die Situation um Österreich entwickelte sich nach einem anderen Szenario: Am 9. April 1945 hat die Situation in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der erwähnten Moskauer Erklärung der Alliierten über die Unabhängigkeit Österreichs vom 30. Oktober 1943 eine Sondererklärung veröffentlicht. Darin wurde betont, dass die sowjetische Regierung „kein solches Ziel verfolgt, einen Teil des österreichischen Territoriums zu erobern oder die soziale Ordnung Österreichs zu ändern“. Es wurde auch die Absicht zum Ausdruck gebracht, „die Abschaffung des Regimes der deutsch-faschistischen Okkupanten und die Wiederherstellung von demokratischen Ordnungen und Einrichtungen in Österreich zu fördern“.

Die Prioritäten der sowjetischen Politik gegenüber Österreich waren seine Trennung von Deutschland und die Schaffung von zuverlässigen Barrieren auf dem Weg zu einem neuen Anschluss, in welcher Form auch immer. Laut dem Abkommen zwischen den Regierungen der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens sowie der Interimsregierung Frankreichs über den Alliierten-Kontrollmechanismus in Österreich vom 4. Juli 1945 wurde eine Alliiertenkommission für Österreich unter Beteiligung der Vertreter der vier Staaten gebildet. Die wichtigsten Aufgaben der Kommission bestanden darin, Österreich endgültig von Deutschland zu trennen, die Bildung eines zentralen Verwaltungsapparats in Österreich zu fördern und Bedingungen für eine freie Wahl der österreichischen Regierung zu schaffen.

Das Abkommen über Besatzungszonen in Österreich und Verwaltung über die Stadt Wien vom 9. Juli 1945 sah vor, dass das Land innerhalb der Grenzen von 1937 zwecks Besatzung in vier Zonen aufgeteilt wird, die jeweils der Sowjetunion, den USA, Großbritannien sowie der Interimsregierung Frankreichs gehören sollten. Wien wurde gemeinsam von den Streitkräften der vier Großmächte okkupiert, und die Verwaltung über die Stadt sollte von einer Alliierten Kommandantur ausgeübt werden.

Bei sowjetisch-österreichischen Verhandlungen, die vom 12. bis 15. April 1955 in Moskau stattfanden, wurde die Vereinbarung über die wichtigsten Fragen erreicht, die mit dem Entwurf eines Staatsvertrags über Wiederherstellung des unabhängigen und demokratischen Österreichs verbunden waren. Im Moskauer Memorandum äußerte Österreich die Absicht, an keinen Militärbündnissen teilzunehmen, keinen Bau von Militärstützpunkten auf seinem Territorium zuzulassen und eine selbstständige Außenpolitik auszuüben. Die österreichische Seite betonte, dass Wien eine entsprechende Erklärung über ständige Neutralität in einer Form machen würde, die für Österreich international verbindlich wäre.

Im April und Mai 1955 unternahm die sowjetische Regierung Schritte zur Abstimmung des Vertragsentwurfs mit den Alliierten. Am Ende einigten sich die Seiten darauf, einen Artikel über zahlenmäßige Einschränkung der österreichischen Streitkräfte auszuschließen. Manche prinzipiell wichtige Bestimmungen, die von den westlichen Ländern ursprünglich bestritten worden waren (darunter über Auflösung von nazistischen Organisationen, über Eigentum der Vereinten Nationen usw.), wurden in der von der Sowjetunion seit langem initiierten Form vereinbart. Es wurde Wiens Bitte um den Ausschluss eines Absatzes aus der Präambel befriedigt, in dem Österreichs Verantwortung für die Teilnahme am Krieg erwähnt worden war. Die Außenminister der USA, Englands und Frankreichs hatten nichts dagegen, dass Österreich im Sinne des sowjetisch-österreichischen Memorandums neutral werden sollte. Am 15. Mai 1955 wurde der Staatsvertrag über Wiederherstellung des unabhängigen und demokratischen Österreichs unterzeichnet, der am 27. Juli 1955 in Kraft getreten ist.

Laut den Bestimmungen dieses Vertrags und des sowjetisch-österreichischen Abkommens vom 15. April 1955 hat die Sowjetunion Österreich im August 1955 mehr als 400 deutsche Unternehmen aus dem östlichen Teil des Landes überlassen, die ihr gehört hatten: Betriebe, Ölraffinerien, Werften, Lagerräume. Zum 20. September 1955 wurden alle sowjetischen Truppen aus Österreich abgezogen. Die USA, Großbritannien und Frankreich zogen ebenfalls ihre Truppen aus, so dass die Besatzung des Landes beendet wurde.

 Österreich hat seinerseits am 26. Oktober 1955 ein Gesetz über seine ständige Neutralität verabschiedet. Am 6. Dezember 1955 haben die Regierungen der Sowjetunion, der USA, Englands und Frankreichs nach Wiens entsprechendem Appell seine ständige Neutralität in der Form akzeptiert, in der diese im erwähnten Gesetz verankert war. Damit wurde die Wiederherstellung der Souveränität und Unabhängigkeit des österreichischen Staates innerhalb der Grenzen zum 1. Januar 1938 abgeschlossen.

Die Nachkriegsregelung in Europa (und die Lösung der Deutschland- und der Österreich-Frage war ihr bedeutender, ja entscheidender Teil) wurde zu einem Beispiel für eine erfolgreiche Anpassung der Interessen verschiedener Staaten auf Basis des gegenseitigen Respekts und guten Willens. Allerdings wurden dabei nicht alle Ziele erreicht.

Am 25. Januar 2023 hat der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit Studenten gesagt, dass „die Sowjetunion und Russland als Rechtsnachfolger der Sowjetunion als Garant der Verwaltung der Republik Österreich und als Garant des neutralen Status der Republik Österreich aufgetreten“ war. Das Staatsoberhaupt verwies auch darauf, dass die Sowjetunion die Einstellung der Besatzung Deutschlands „juristisch ausgefertigt“ hatte. „Denn nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland bekanntlich in vier Sektoren aufgeteilt: den amerikanischen, den englischen, den französischen und den sowjetischen. Und die Sowjetunion hat die Einstellung dieses Okkupationsstatus ausgefertigt, während die USA das nicht getan haben. Streng genommen und formell gesehen, befinden sich auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland US-amerikanische Besatzungstruppen. De facto ist das wirklich so, und sie sind zahlenmäßig sehr stark.

Auch deutsche Politiker selbst sagen, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nie ein wirklich souveräner Staat war… Sie sagen das direkt – das ist ihre direkte Rede. Also haben viele Dinge, die dort passieren, tiefe Wurzeln und bestimmte Gründe.“

Die Gegenwart hat natürlich ihre Wurzeln in der Vergangenheit, und die aktuellen Ereignisse in der Welt haben immer ihre historischen Gründe. Wir haben heutzutage eine Grenze erreicht, wo die Frage von einer Rekonstruktion der Weltordnung, von ihrer Anpassung an die multipolare geopolitische Realität wieder in den Mittelpunkt rückt. Deshalb ist es wichtig, daraus richtige Lehren zu ziehen, und die Nachkriegsregelung der Deutschland- und Österreich-Frage bietet dafür zweifellos ein umfassendes faktologisches Material.

 

 

 

 

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