Rede des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, auf dem Internationalen Science-Fiction-Forum „Die Zukunft gestalten“, Moskau, 4. November 2024
Sehr geehrte Kollegen, Freunde,
Es freut mich, bei diesem neuen Projekt anwesend zu sein, das darauf abzielt, die Völker einander näherzubringen, nach gemeinsamen Nennern zu suchen und Empfehlungen auszuarbeiten, die der gesamten Menschheit helfen sollen, so zu leben, wie es die Vorfahren jedes Volkes und jeder Nationalität vorgesehen haben.
In diesem Sinne sollte die Plattform des Nationalen Zentrums „Russland“, die auf Initiative des Präsidenten Wladimir Putin gegründet wird, zur Konsolidierung des sozialwirtschaftlichen, wissenschaftstechnologischen, kulturellen Potenzials Russlands beitragen, um dessen weitere kontinuierliche Entwicklung zu beschleunigen und unsere Erfahrungen, Traditionen, Ideale im Dialog mit der Weltgemeinschaft voranzubringen, der, wie ich hoffe, heute eingeleitet wird.
Wir versammeln uns am 4. November, dem Tag der Einheit des Volkes, einem Nationalfeiertag, der der Heldentat der Volkswehr gewidmet ist. Genau vor 412 Jahren, wurde Moskau unter der Führung von Kusjma Minin und Dmitry Poscharski von polnischen Interventen und ihren Komplizen befreit. Dieses auffallende Kapitel der Geschichte ist ein Beispiel dafür, welche Errungenschaften ein Volk, vereint für ein gemeinsames Ziel, erreichen kann.
Das Thema einer der Tagungen unseres Forums, die nun von Dimitri Simes genannt wurde – „Die Zukunft der multipolaren Welt“ – spiegelt in vollem Umfang das Wesen der Diskussionen wider, die in wissenschaftlichen, fachlichen und politischen Kreisen in Russland und im Ausland geführt werden. Es ist heute kaum vorzustellen, dass Anfang der 1990er-Jahre viele glaubten, dass das „Ende der Geschichte“ und die unipolare Weltordnung für immer gekommen sind. Der globale Pax Americana, bei dem alle Angelegenheiten in jedem Teil der Welt unter der „Aufsicht“ Washingtons stehen sollten. Genau in dieser Zeit formulierte und förderte der herausragende Staatsmann Jewgeni Primakow das damals neuartige Konzept der Multipolarität.
Wenige ausländische Partner (und ehrlich gesagt, auch in unserem Land) waren bereit, dies zu unterstützen oder es ernst zu nehmen. Doch die Ideen Primakows fanden Unterstützung bei unseren chinesischen Freunden. Im Jahr 1997 wurde die Gemeinsame Erklärung über eine multipolare Welt und die Schaffung einer neuen internationalen Ordnung unterzeichnet. Es war das erste außenpolitische Dokument in der Geschichte zu diesem Thema. Heute sehen wir, dass die Prognosen Primakows und seiner Gleichgesinnten richtig waren.
Das globale Kräfteverhältnis erlebt revolutionäre Veränderungen. Das ist auf objektive Tendenzen in der Entwicklung der Weltwirtschaft zurückzuführen, wo die Positionen der Länder des Globalen Südens und Ostens und insgesamt der Weltmehrheit stärker werden. Der Anteil der BRICS-Länder am globalen BIP nach Kaufkraftparität wird 2024 etwa 37 Prozent ausmachen. Er liegt damit deutlich über dem Anteil der G7 (dieser lag 2023 bei 30 Prozent).
Der wirtschaftliche Aufschwung ermöglicht es immer mehr nicht-westlichen Staaten, ihre Souveränität konsequent zu stärken und einen national ausgerichteten Kurs sowohl in der Außen- als auch in der Innenpolitik zu verfolgen. Wie auch Russland treten diese Länder zunehmend für die Demokratisierung der internationalen Beziehungen und eine multipolare Welt ein und werden immer widerstandsfähiger gegen äußere Einmischung.
Dies spiegelt sich auch in der praktischen Politik wider. Dies zeigt sich vor allem in dem wachsenden Interesse an Bündnissen wie die SOZ und BRICS. Ich bin sicher, dass alle beeindruckt waren vom Gipfel in Kasan, an dem Delegationen aus 36 Ländern teilnahmen. Mehr als 30 Anträge mit Bitten um Mitgliedschaft oder besondere Beziehungen gingen ein. Man kann sicher sagen, dass die Stärkung des BRICS-Bündnisses eine der treibenden Kräfte bei der Bildung einer polyzentrischen Weltordnung geworden ist, die sowohl leidenschaftliche Befürworter als auch offene Gegner und Missgönner hat.
Bei Weitem nicht alle (das verstehen wir) sind bereit, den natürlichen Lauf der Dinge zu akzeptieren. Die westliche Gemeinschaft, die einst infolge bekannter historischer Ereignisse (der großen geografischen Entdeckungen, der Entwicklung des Kapitalismus und der Schaffung ihres Wohlstands, nicht zuletzt durch Kolonialreiche) in Führung ging, möchte ihre privilegierte Position für immer bewahren. In den USA und den ihnen unterstellten westlichen Ländern wird der Geist des „Kalten Krieges“ wiederbelebt, und in ihren Doktrinen wird die Notwendigkeit erklärt, „Bedrohungen“ für ihre Dominanz durch Russland, China und andere Länder, die eine unabhängige nationale Politik verfolgen, zu beseitigen.
Nach Beginn der militärischen Spezialoperation in der Ukraine haben Washington und seine Satelliten im Rahmen ihres hybriden Krieges gegen Russland eine wahre Sanktionsaggression entfaltet. In den letzten zehn Jahren wurden gegen unser Land mehr als 21.000 Sanktionen in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Handel, Investitionen, Medien, Kultur, Sport und zwischenmenschliche Kontakte im Ganzen verhängt.
An diesen neokolonialen Praktiken des Westens leiden vor allem die Entwicklungsländer in Asien, Afrika und Lateinamerika. Die extraterritoriale Anwendung einseitiger Beschränkungen schadet den ärmsten Ländern, indem sie ohne zugängliche Energieressourcen, Lebensmittel, Düngemittel und Basistechnologien bleiben, ganz zu schweigen von fortschrittlichen wissenschaftlichen Errungenschaften und Entwicklungen.
Die Schattenseite des Kampfes gegen Unerwünschte ist, dass der Westen den Ast absägt, auf dem er sitzt, und das globale Arbeitsteilungssystem zerstört, das er seit Anfang der 1990er-Jahre weltweit verbreitet. In den westlichen Hauptstädten wurden sofort Prinzipien wie fairer Wettbewerb, Unverletzlichkeit des Eigentums, Unschuldsvermutung und viele andere vergessen. Der Dollar, der uns jahrzehntelang als das gemeinsame Gut der Menschheit präsentiert wurde, wurde zu einer Waffe zur Unterdrückung und Bestrafung geopolitischer Konkurrenten und Ungehorsamer gemacht. Damit haben die USA ihm im Wesentlichen das Todesurteil als globale Reservewährung und als Mittel der internationalen Zahlungen verhängt. Als Ergebnis zerstören die USA und ihre Verbündeten selbst das Globalisierungssystem, das sie gepflegt und der Welt angepriesen haben.
Ich möchte Sie an die Worte von Präsident Wladimir Putin erinnern, die er auf dem Gipfel in Kasan geäußert hat, dass BRICS durch die Entwicklung alternativer Zahlungsplattformen und neuer Systeme für Interbankentransaktionen keineswegs gegen den Dollar eintritt. Die Vereinigten Staaten selbst nehmen den Dollar aus dem Umlauf, da immer mehr Länder befürchten, dass sie die nächsten sein könnten. Niemand weiß, wofür sie bestraft werden könnten und in welcher Stimmung der Leiter eines jeweiligen Dienstes in den USA sein wird.
Wenn wirtschaftlicher Druck nicht funktioniert und man auf wirklich souveräne Länder keinen Einfluss nehmen kann, greift der Westen unter der Führung der USA zu Drohungen, Erpressung oder sogar Gewalt.
Der Einsatz von Gewalt nimmt verschiedene Formen an. Seit 2022 wurde das Ziel erklärt, Russland eine „strategische Niederlage“ zuzufügen. Es ist bemerkenswert, dass London und Washington ähnliche Pläne bereits im Mai 1945 hegten, als sie noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Operation „Unthinkable“ zur Vernichtung oder Zergliederung der Sowjetunion – ihres Verbündeten im Kampf gegen den Faschismus – planten. Heute hoffen die Angelsachsen, unser Land mit den Händen des Kiewer Regimes zu besiegen, so wie einst Adolf Hitler die meisten europäischen Länder unter nazistischer Fahne vereinte. Als Alternative, falls das Selenski-Regime es nicht meistern kann, bereiten sie Kontinentaleuropa darauf vor, sich in ein selbstmörderisches Abenteuer zu stürzen und in einen direkten bewaffneten Konflikt gegen Russland einzutreten.
Es ist bedauerlich, dass die heutigen regierenden Eliten in vielen europäischen Ländern offensichtlich keine Zukunft für sich in einer multipolaren Welt sehen und bei dem Hegemon in Übersee nach Rettung suchen. Die deutsche Bundesregierung hat sich stillschweigend mit der demütigenden Zerstörung der „Nord Stream“-Pipelines abgefunden, zum Nachteil für die grundlegenden Interessen der deutschen Wirtschaft und Bevölkerung. Jetzt folgt Berlin blind, als die USA die Entscheidung bekannt gaben, US-amerikanische bodengestützte Mittelstreckenraketen auf dem deutschen Boden zu stationieren. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte diese Entscheidung lediglich „gut“.
Es werden unüberlegte Vorschläge gemacht, mit westlichen Langstreckensystemen tief auf dem russischen Territorium zu schlagen. Ich werde nicht über die Sinnlosigkeit der Idee selbst sprechen, „bis zum Sieg“ gegen Russland zu kämpfen. Dies würde zumindest die Chancen der potenziellen Teilnehmer eines solchen Krieges auf eine Rolle in einer multipolaren Zukunft drastisch verringern.
Die verzweifelte Lage, in der sich die westlichen Eliten erwiesen, spiegelt sich in einem zunehmend irrationalen Verhalten der von ihnen geführten Staaten wider. Dem Westen (vor allem den Angelsachsen) reicht nie etwas aus. Es reicht nicht der Krieg, den sie in Europa gegen Russland begonnen haben, aus. Im Juli beanspruchten die Anführer der NATO-Länder auf ihrem Gipfel in Washington eine führende Rolle der Allianz nicht nur im euro-atlantischen, sondern auch im asiatisch-pazifischen Raum. Wenn man die NATO-Erklärung liest, ist es so, dass dieses (ich möchte hervorheben – defensive) Bündnis zum Schutz des Territoriums seiner Mitgliedsstaaten beabsichtigt, „defensive“ Kämpfe im Südchinesischen Meer und in der Taiwanstraße zu führen – tausende Meilen entfernt von seinen Grenzen.
Allen vernünftigen Beobachtern ist klar, dass dies ein „Weg ins Nichts“ ist. Doch die Amerikaner treiben gezielt die NATO-Militärinfrastruktur in die Gewässer des Pazifischen Ozeans voran und machen dabei keinen Hehl aus ihrem Ziel, den Druck auf China, Nordkorea und Russland zu verstärken. Gleichzeitig wird die ASEAN-basierende regionale Sicherheits- und Kooperationsarchitektur in Südostasien, die sich jahrzehntelang auf Gleichberechtigung, Berücksichtigung gegenseitiger Interessen und Konsens aufgebaut wurde, untergraben. Statt der um ASEAN geschaffenen offenen Mechanismen gründen die USA und ihre Verbündeten Allianzen der „kleinen Geometrie“ wie AUKUS, die „Quad“, verschiedene „Vierer-“ und „Dreiergruppen“ unter Beteiligung von Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Auch einige ASEAN-Mitglieder will man in diese Gruppierungen heranziehen, um die Assoziation zu zerschlagen und einen Konkurrenten zu prowestlichen Konfigurationen zu beseitigen.
Der Zwang, alles kontrollieren zu wollen, führte zu einer Reihe von Tragödien im Nahen Osten. Dazu zählen die Intervention der USA im Irak unter dem lügnerischen Vorwand der Suche nach nicht existierenden Massenvernichtungswaffen sowie die Zerstörung der libyschen Staatlichkeit, mit tragischen Folgen nicht nur für dieses Land, sondern auch für Nordafrika und die Sahelregion.
In diesem Jahr wurde ein weiterer unabhängiger Mitgliedsstaat der UNO, der Jemen, Opfer angelsächsischer Aggression. Syrien leidet immer noch nach der amerikanischen Einmischung und kann sich davon nicht erholen. Die Amerikaner haben praktisch alle multilateralen Mechanismen zur Förderung der israelisch-palästinensischen Regelung blockiert. Das betrifft in erster Linie die Arbeit des „Quartetts“, dem Russland, die USA, die UNO und die EU angehörten. Washington versucht derzeit, die Vermittlungsbemühungen zu monopolisieren, organisiert improvisierte Verhandlungsformate und unterbreitet neue Vorschläge, die angeblich das Blutvergießen in Gaza und im Libanon beenden könnten. Doch unter solcher „Vermittlung“ wächst die Zahl der Opfer drastisch. Das sind vor allem Zivilisten, darunter Frauen, Kinder und alte Menschen. Der Westen weigert sich hartnäckig, die Tatsachen anzuerkennen.
Innerhalb nur eines Jahres israelischer Operationen starben doppelt so viele palästinensische und libanesische Zivilisten wie die Zahl ziviler Opfer auf beiden Seiten des Konflikts in der Ukraine innerhalb von zehn Jahren nach dem neonazistischen Staatsstreich. Innerhalb eines Jahres fast doppelt so viel wie in zehn Jahren.
Wenn die Amerikaner und ihre Satelliten sich mit internationalen und regionalen Problemen befassen, denken sie hauptsächlich daran, ihre privilegierte Position zu bewahren und alles zu kontrollieren. Das Schicksal und das Leben einfacher Menschen interessiert sie nicht. Doch die ernsthaften Herausforderungen, mit denen die Welt konfrontiert, erfordern eine gleichberechtigte Zusammenarbeit, nicht die Unterordnung jenen, die nach globaler Dominanz streben.
Dies gilt neben bewaffneten Konflikten auch für die Notwendigkeit, demokratische Methoden der Rechtsregulierung für den Einsatz neuer Technologien, einschließlich künstlicher Intelligenz, die Anpassung an den Klimawandel, gemeinsame Erschließung des Weltraums, Verhinderung der Epidemien von Infektionskrankheiten, Überwindung sozialer, wirtschaftlicher und digitaler Ungleichheiten, den Kampf gegen Hunger und Armut und viele andere Bereiche, von denen die Zukunft der Menschheit abhängt, zu gewährleisten.
Aus unseren diplomatischen Kontakten, unter anderem auf dem BRICS-Gipfel in Kasan, lässt sich eine klare Schlussfolgerung ziehen. Den Ländern der Globalen Mehrheit ist klar, dass Konfrontation und Hegemonismus schädlich sind und kein einziges Problem lösen. Der Globale Süden und Osten setzen sich zunehmend für das Recht auf eine vollwertige Beteiligung an Entscheidungsprozessen in allen Bereichen des internationalen Lebens ein.
Durch die verstärkte außenpolitische Aktivität nicht-westlicher Länder gewinnen regionale und zwischenregionale zwischenstaatliche Vereinigungen in Afrika, Asien, Lateinamerika an Bedeutung. In Eurasien sind dies in erster Linie die SOZ, ASEAN, EAWU, GUS, OVKS, die Arabische Liga und der Golf-Kooperationsrat. Dazu gehört auch das chinesische „One Belt One Road“-Projekt.
In Afrika setzen sich die Mitglieder der Afrikanischen Union immer entschlossener dafür ein, dass die reichen Ressourcen des Kontinents nicht mehr nur als nicht bearbeitete Rohstoffe, sondern als Waren mit hoher Wertschöpfung auf den Weltmarkt gelangen sollen. Ein solcher Schritt zur Beendigung neokolonialer Praktiken wird das wirtschaftliche Gleichgewicht zugunsten der Afrikaner radikal verschieben. Ähnliche Entwicklungen finden immer aktiver in Lateinamerika und Asien statt, das seit vielen Jahren eine treibende Kraft der Weltwirtschaft ist.
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Multipolarität sollte die Aufnahme direkter Kontakte und horizontaler Verbindungen zwischen allen regionalen Integrationsstrukturen sein – sowohl untereinander als auch mit BRICS, wo bereits auf globaler Ebene die wichtigsten Staaten vertreten sind, die eine Führungsrolle in ihren Regionen spielen. BRICS könnte als harmonisierende Struktur dienen und eine sanfte Koordination der Ansätze der Integrationsvereinigungen der Staaten des Globalen Südens und Ostens ermöglichen.
Eine weitere Richtung ist die Entdollarisierung im internationalen Finanz- und Wirtschaftssystem. Der Anteil nationaler Währungen in den Abrechnungen Russlands mit den Ländern der SOZ und der EAWU macht bereits mehr als 90 Prozent aus, und mit den BRICS-Ländern nähern wir uns einer Kennzahl von 65 Prozent. Und sie steigt weiter.
Russland wird in diesem Prozess weiterhin eine wichtige Rolle spielen, angesichts unserer Position als viertgrößte Wirtschaft der Welt (Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds, gemessen an der Kaufkraftparität) und als eine der größten Ressourcenmächte. Die Arbeit an der Schaffung neuer Zahlungsplattformen begann bei BRICS unter russischem Vorsitz und wird 2025 von unseren brasilianischen Kollegen fortgesetzt.
Einige Experten prognostizieren nicht nur eine stärkere Rolle nationaler und regionaler Währungen im internationalen Handel, sondern auch die Entstehung mehrerer Makroregionen mit eigenen Standards, Regulierungsnormen und Wertschöpfungsketten, unter Bedingungen, wenn das einst globale System aufgrund eigennütziger Handlungen der USA schnell fragmentiert wird. Das Vertrauen in den Dollar sinkt rasant. Bei jeder weiteren Entwicklung werden wir die Mechanismen der EAWU und der SOZ stärken, die Verbindungen zu Mitgliedern anderer Integrationsstrukturen in Eurasien und in anderen Teilen der Welt ausbauen, wobei neue Horizonte für eine für alle Teilnehmer vorteilhafte und wirklich gleichberechtigte Zusammenarbeit eröffnet werden. Diese Zusammenarbeit bringt allen Beteiligten Dividenden.
In diesem Kontext werden wir das Konzept der Großen Eurasischen Partnerschaft weiter vorantreiben. Ihre Gestaltung wird eine materielle Grundlage für die Umsetzung einer weiteren Initiative von Präsident Wladimir Putin schaffen, und zwar über den Aufbau einer Sicherheitsarchitektur in Eurasien, die gleichberechtigt und unteilbar ist und für alle Staaten und Vereinigungen auf unserem Kontinent offen ist, die bereit sind, gemeinsam an der Suche nach allgemein akzeptablen Lösungen zu arbeiten. Dieses Thema wurde kürzlich auf der sehr produktiven Internationalen Konferenz für eurasische Sicherheit in Minsk besprochen, an der viele eurasische Länder, Vereinigungen und Delegationen aus allen Teilen des Kontinents, einschließlich Westeuropas, teilnahmen.
Wir möchten, dass die Länder des eurasischen Kontinents – des größten, sich schnell entwickelnden und ressourcenreichsten – ihr Schicksal selbst ohne äußere Einmischung bestimmen und ihre Probleme so lösen, dass Groß-Eurasien seinen Beitrag zum Aufbau einer nachhaltigen multipolaren Welt leisten kann.
Ich möchte besonders betonen, dass wir den Dialog mit dem Westen nicht ablehnen. Die notwendigen Schlussfolgerungen aus dem Verhalten unserer westlichen Nachbarn, die plötzlich ihre Versprechen, Verpflichtungen und Vereinbarungen mit uns aufgegeben, deren Manieren demonstriert und das Vertrauen in sich untergraben haben, werden wir jedoch ziehen. Wenn und falls der Westen bereit ist, die Kontakte wieder aufzunehmen, die Beziehungen auf der Grundlage von gegenseitigem Respekt und einem fairen Interessengleichgewicht aufzubauen, werden wir auf diese Angebote ausgehend von unseren nationalen Interessen und nicht von den „Wünschen“, die wir gelegentlich aus westlichen Hauptstädten hören, reagieren.
Im Juli fand unter unserem Vorsitz im UN-Sicherheitsrat eine offene Debatte zu den Prinzipien des Zusammenlebens von Staaten in einer multipolaren Welt statt. Wir haben eine Reihe konkreter Schritte zur Diskussion vorgelegt, die darauf abzielen, das Vertrauen wiederherzustellen und die internationale Lage zu stabilisieren. Wir werden diesen Dialog auch auf anderen multilateralen Plattformen fortsetzen, einschließlich des bevorstehenden G20-Gipfels in Rio de Janeiro.
Mittlerweile gestaltet sich das Gespräch auf zwischenstaatlicher, offizieller Ebene schwierig. Der Westen versucht weiterhin, einseitige Vorteile zu ziehen, nutzt alle möglichen Methoden, einschließlich der Privatisierung der Sekretariate internationaler Organisationen, was ich mit großem Bedauern hervorhebe. Dies zeigt sich deutlich auch in der Arbeit der OSZE und des UN-Sekretariats, wo aufgrund veralteter und ineffektiver Kriterien für die Besetzung des Sekretariats westliche Vertreter in allen wichtigsten Abteilungen dieser angesehenen Struktur dominieren. Es ist äußerst bedauerlich, dass die Leiter der OSZE und des UN-Sekretariats beginnen, die Interessen des Westens zu bedienen.
Auf dem Weg hierher habe ich eine Meldung von RIA Novosti gelesen, in der über eine Erklärung des offiziellen Sprechers des UN-Generalsekretärs bei einem Pressebriefing berichtet wurde. Auf die Frage, was der Generalsekretär von Berichten über die Pläne Russlands und Nordkoreas im militärischen Bereich hält, antwortete er, dass diese Berichte den Generalsekretär tief besorgen, da sie zur Internationalisierung der Ukraine-Krise führen. Daher spricht sich der Generalsekretär fest und entschieden dafür aus, dass der Ukraine-Konflikt auf der Grundlage der UN-Charta, des Völkerrechts und der Resolutionen der Generalversammlung beigelegt werden soll.
Dazu möchte ich zwei Anmerkungen machen. Erstens erinnert sich der Generalsekretär an die „Internationalisierung“ fast drei Jahre, nachdem der Westen die Ukraine für den Krieg vorbereitet hat und diesen Krieg auf dem Boden direkt steuert.
Die Fakten wurden bereits mehrmals präsentiert. Doch damals machte sich das Sekretariat der Vereinten Nationen keine Sorgen um die Internationalisierung.
Zweitens wollen wir uns alle nach der UN-Charta (wie es der Generalsekretär fordert) und nach den Resolutionen der UN-Generalversammlung richten. Ich möchte daran erinnern, dass wenn der Westen mit voller Unterstützung des UN-Sekretariats die Wiederherstellung der Ukraine in den Grenzen 1991 fordert, beruft er sich dabei auf den Grundsatz der Charta über Respekt von territorialer Integrität aller Staaten, sowie auf eine Reihe von Resolutionen, die durch Abstimmungen, mit einer Spaltung der UN-Mitglieder von der Generalversammlung angenommen wurden, um die ukrainischen „Ansprüche“ zur Wiederherstellung der territorialen Integrität zu unterstützen. Scheinbar passt alles zusammen. Es gibt diese Bestimmung in der Charta und in der Resolution der Generalversammlung. Eine halbe Wahrheit ist schlimmer als eine ganze Lüge. Die UN-Charta enthält vor der Erwähnung der territorialen Integrität die Anerkennung des Rechts der Nation auf Selbstbestimmung, das als Grundlage für den größten Dekolonisierungsprozess in der jüngeren Geschichte diente. Das ist das Recht der Nation auf Selbstbestimmung.
Unter den Resolutionen der UN-Generalversammlung (lange vor den ukrainischen Ereignissen) wurde 1970 eine ausführliche Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen im Konsens verabschiedet. Darin heißt es, dass alle verpflichtet sind, die territoriale Integrität jener Staaten zu achten, die das Recht der Nation auf Selbstbestimmung respektieren und daher Regierungen haben, die die gesamte Bevölkerung vertreten, die auf diesem Territorium wohnt. Dies war eine Resolution der UN-Generalversammlung. Im Gegensatz zu den Resolutionen, die nach Beginn der militärischen Spezialoperation provokativ vorgelegt und abgestimmt wurden (etwa ein Drittel der UN-Mitglieder unterstützte sie nicht, in einigen Fällen sogar die Hälfte), wurde die von mir zitierte Erklärung im Konsens verabschiedet.
Die Putschisten, die im Februar 2014 als Verstoß gegen die Vereinbarungen mit der legitimen Regierung einen Staatsstreich organisierten und gewaltsam staatliche Einrichtungen besetzten, erklärten als ihr erstes Ziel die Abschaffung des Status der russischen Sprache in der Ukraine und kündigten einen Marsch der Extremisten auf die Krim an, die in sogenannten „Freundschaftszügen“ dorthin reisten, um das Gebäude des Obersten Rates zu erstürmen. Haben diese Leute das Volk der Krim, des Donbass und Noworossijas vertreten? Natürlich nicht.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen sollte seinen offiziellen Sprecher dazu bringen, das internationale Recht durch das Sekretariat der Vereinten Nationen klarer darzulegen und zu deuten.
Die Charta der Vereinten Nationen muss vollständig gelesen werden, nicht nur jener Teil, den einer in einem bestimmten Konflikt unbedingt hervorheben will.
2008 erklärten westliche Länder den Kosovo für unabhängig. Im Westen wurde darüber überhaupt nicht gesprochen. Der Internationale Gerichtshof betonte in seinem Gutachten (darüber spricht oft Präsident Russlands, Wladimir Putin), dass, wenn ein Teil eines Staates einseitig beschließt, seine Unabhängigkeit zu erklären, ist die Zustimmung der zentralen Behörden keineswegs erforderlich.
Auch abgesehen davon: Im ersten Artikel der Charta der Vereinten Nationen (er kann nicht außer Acht gelassen werden, wenn man dieses Dokument ernsthaft liest) steht, dass die Rechte jedes Menschen, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Sprache und Religion, von allen respektiert werden müssen. Auch das ist Teil der UN-Charta, zu deren Einhaltung Generalsekretär Antonio Guterres im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt aufruft. Ich habe noch keinen einzigen Kommentar von seinem offiziellen Sprecher gehört, der die gesetzliche Ausrottung der russischen Sprache in der Ukraine in allen Lebensbereichen – im Bildungswesen, in der Kultur, in den Medien und im Alltagsleben – betrifft. Ebenso habe ich keine Stellungnahme zu dem kürzlich verabschiedeten Gesetz zur Auflösung der kanonischen Ukrainisch-Orthodoxen Kirche gehört. Die Sprache und die Religion müssen gemäß der UN-Charta heilig respektiert werden. Der Generalsekretär Antonio Guterres ist der Hauptverfechter der Erfüllung der Charta.
Häufig wird gefragt: Was wird die völkerrechtliche Grundlage der Multipolarität sein? Es ist nicht notwendig, nach irgendwelchen neuen Prinzipien zu suchen. Sie alle sind in der UN-Charta enthalten. Das Problem ist, dass unsere westlichen Partner diese Prinzipien nie vollständig respektiert haben. Ich möchte daran erinnern, dass das Hauptprinzip der Charta lautet: Die Vereinten Nationen basieren auf der souveränen Gleichheit der Staaten. Erinnern Sie sich einmal an die Geschichte verschiedener Konflikte und Krisen nach der Gründung der UNO. In keinem einzigen von ihnen haben sich die USA oder ihre westlichen Verbündeten nach dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten gerichtet, in keinem haben sie einen gleichberechtigten Partner gesehen.
Wir betrachten es als großen Erfolg, dass in der einstimmig von den BRICS-Anführern auf dem Gipfel in Kasan angenommenen Erklärung (speziell im Hinblick auf die Ukraine-Krise) die Notwendigkeit festgeschrieben wurde, die Ziele und Prinzipien der UN-Charta in ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenhang zu respektieren, und nicht selektiv, wie wir es leider derzeit beobachten.
Heute, in der Zeit des rasanten Änderungen sind wir daran interessiert, dass Wissenschaftler, Denker, Futurologen und – wie man sagt – Visionäre mit Vorstellungskraft und der Fähigkeit zum unkonventionellen Denken „über den Horizont“ blicken und einen Beitrag zur Analyse der aktuellen Prozesse, zur Prognose und zur Gestaltung neuer Formen des internationalen Lebens leisten, die den veränderten Realitäten entsprechen und, wie ich überzeugt bin, auf den ewigen Prinzipien der UN-Charta beruhen müssen. Wenn diese Prinzipien nicht umgesetzt werden, liegt es nicht daran, dass sie schlecht oder ungerecht sind. Sie sind eben gerecht. Genau deshalb will der Westen sie nicht umsetzen.
Gerechtigkeit ist kein Merkmal jener Weltordnung, die er geschaffen hat und die er wider objektiven historischen Tendenzen zur Stärkung der Multipolarität beibehalten möchte.
Wir sind der Meinung, dass es bei dieser Arbeit wichtig ist, von Fakten und nüchterner Analyse auszugehen, aber dabei mutig in der Formulierung von Ideen zu sein, die dann die Grundlage für die gewünschte Gestalt der Zukunft bilden könnten. Dazu werden Sie hier eingeladen, zu sprechen.
Russland ist bereit, in einer Gruppe von Ländern teilzunehmen, die intellektuelle Führung zeigen wird. Die tausendjährige Erfahrung unserer Staatlichkeit und der Errungenschaften unseres Staates, die im Nationalen Zentrum „Russland“ eindrucksvoll präsentiert werden, sollen ein starker Anreiz für die kreative Aktivität unserer Zivilgesellschaft sein. Wenn eine solche Aktivität entfaltet wird (sie zeigt sich immer in schicksalhaften Zeiten), dann kann ich zusichern, dass Diplomaten Ihre zuverlässigsten Verbündeten sein werden.
Zum Schluss möchte ich Folgendes sagen. Ihr Forum heißt das Science-Fiction-Forum. Ich zweifle nicht daran, dass seine Wissenschaftlichkeit durch die hohe Qualität und den Ruf der hier anwesenden Experten aus vielen Ländern garantiert ist. Was die fantastische Dimension Ihrer Agenda betrifft, so werden die Diskussionen hier sicherlich den praktizierenden Politikern Denkanstöße liefern.
Um zu den fantastischen Sujets beizutragen, schlage ich Ihnen vor, darüber nachzudenken, „wann und falls der Westen zur Vernunft kommt“ und „wann sein Gewissen erwacht“. Ein solches Sujet wäre meiner Meinung nach interessant. Wann der Westen (dort gibt es jedoch viele kluge Menschen) versteht, dass neokoloniale Ideen schädlich sind, auch für den Westen selbst, und dass Arroganz seinen Ruf untergräbt. Wollen wir uns an den Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, erinnern: Europa sei ein „blühender Garten“, umgeben vom „Dschungel“. Oder an den US-Außenminister Antony Blinken: „Alle, die nicht am Tisch der Demokratie sitzen, werden auf der Speisekarte stehen“. Das ist ein Zitat. Ich war entsetzt, als ich das las.
Ich würde auch vorschlagen, zum Thema nachzudenken, was die Länder der Globalen Mehrheit tun sollten, um den Prozess zu beschleunigen, unsere westlichen Kollegen zur Vernunft zu bringen, die unter anderem für die Zukunft ihrer eigenen Völker erkennen sollten, dass man sich anständig verhalten muss.