the Kingdom of Norway
Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf Medienfragen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nach den Verhandlungen mit der Außenministerin Norwegens, Ine Marie Eriksen Søreide, am 25. Oktober 2019 in Kirkenes
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor allem möchte ich mich bei der Außenministerin Norwegens, Ine Marie Eriksen Søreide, für die Einladung zu den Veranstaltungen zum 75. Jahrestag der Befreiung des Nordens Norwegens von nazistischen Okkupanten bedanken. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und unseren norwegischen Kollegen danken, die sich um das Gedenken an sowjetische Soldaten kümmern, die auf dem norwegischen Boden in den Jahren des Zweiten Weltkriegs gefallen sind. Sie erhalten Soldatenfriedhöfe und Gedenkstätten im musterhaften Zustand aufrecht. Das ist ein zweifellos vorbildliches Vorgehen für alle Europäer.
Wie Sie wissen, feiern wir gleichzeitig auch das 70-jährige Jubiläum des Regierungsabkommens zwischen der Sowjetunion und Norwegen über das Regime der gegenseitigen Grenze und die Regelung von Grenzkonflikten und -zwischenfällen vom Jahr 1949. Diese Grenze ist schon nahezu 700 Jahre alt. Sie ist die älteste in ganz Europa, und ihre Geschichte wurde nie durch bewaffnete Konflikte zwischen beiden Völkern betrübt.
Heute sind wir von gemeinsamen Positionen zur Notwendigkeit der Entwicklung unseres beiderseitig nützlichen Zusammenwirkens aufgetreten, das den Interessen Russlands und Norwegens, unserer Völker entspricht – trotz der allgemein bekannten Kontroversen und der im Allgemeinen schwierigen Situation auf unserem gemeinsamen europäischen Kontinent.
Unser politischer Dialog entwickelt sich gut. Es wurden die Kontakte auf höchster Ebene wiederaufgenommen. Es finden regelmäßige Beratungen zwischen den Außenministerien unserer Länder statt. Es wurden die Kontakte auf dem Niveau unserer Militärbehörden wiederaufgenommen. Die Strukturen der sektoralen Kooperation im Wirtschaftsbereich funktionieren erfolgreich. Auch das kulturelle Zusammenwirken intensiviert sich.
Unter internationalen Themen haben wir besonderes Augenmerk auf die Situation im Bereich der euroatlantischen Sicherheit gerichtet. Wie ich schon sagte, gibt es hier zahlreiche Kontroversen und nicht gerade positive Tendenzen. Wir machen uns Sorgen um die konsequente Erweiterung der Nato-Infrastruktur nach Osten – zu den russischen Grenzen. Im Allgemeinen beeinflusst das die Situation im Hohen Norden äußerst negativ. Wie haben die Vorschläge wieder hervorgehoben, die Russland den Nato-Mitgliedern öfter machte, unter anderem diverse Maßnahmen zur Förderung der Stabilität im Ostsee- und im gesamten Euroatlantischen Raum auf Basis der feierlichen Erklärungen aus den 1990er-Jahren, man sollte im Euroatlantik für unteilbare Sicherheit sorgen, wobei niemand seine Sicherheit auf Kosten anderer festigen dürfte. Wir erinnerten an konkrete Initiativen in einer ganzen Reihe von Richtungen und Aspekten der euroatlantischen Sicherheit, in denen Russland für einen sachlichen, professionellen Dialog mit unseren Nato-Kollegen plädiert (vorerst allerdings ohne Antwort).
Frau Ministerin hat im Laufe der Verhandlungen bestätigt, dass die so genannte „Basispolitik“, die Norwegen bereits seit Zeiten des Kalten Kriegs ausübt, voll und ganz in Kraft bleibt. Wir hoffen, dass dies zur Festigung des Vertrauens und der Sicherheit in der nordeuropäischen Region beitragen wird.
Dabei haben beide Seiten unterstrichen, dass wir unsere Kontroversen, die es wohl immer geben wird, verringern wollen, und dass sie unser Zusammenwirken auf den Gebieten nicht belasten sollten, auf denen unsere Interessen übereinstimmen. Das gilt für den Arktis-Rat und auch für den Barents-Euro-Arktis-Rat, wo Norwegen in diesem Monat den Vorsitz übernommen hat.
Wir sprachen auch über die Situation in der Ukraine. Bei diesem Thema stehen wir offensichtlich auf verschiedenen Positionen. Unsere westlichen Kollegen sehen das größte Problem darin, dass die östlichen Regionen der Ukraine und die Krim die Ergebnisse des bewaffneten verfassungswidrigen Regierungssturzes nicht akzeptieren wollten, der von einigen von unseren westlichen Kollegen im Grunde begrüßt worden, während einige andere sich damit einfach abgefunden haben. Solche Nachlässigkeit unserer westlichen Kollegen gegenüber den Initiatoren des bereits erwähnten Staatsstreichs hat inzwischen dazu geführt, dass in der Ukraine immer noch ein Aufschwung der Neonazis zu beobachten ist. wir hoffen, dass die Situation in der Ostukraine auf Basis der Minsker Vereinbarungen wieder in den Griff gekriegt wird. Wir hören, dass der ukrainische Präsident Wladimir Selenski regelmäßig sagt, er wolle das tun. Wir wollen hoffen, dass ihm das auch gelingen wird. Wir sind bereit, die Erfüllung dieser Vereinbarungen durch Donezk und Lugansk voranzubringen.
Wir haben die Situation in Syrien, vor allem im Nordosten dieses Landes, besprochen. Wir erzählten über die Umsetzung des Memorandums über gegenseitige Verständigung zwischen Russland und der Türkei vom 22. Oktober in Sotschi. Darüber hinaus sprachen wir über die Vorbereitung der Arbeit des Verfassungskomitees auf UN-Ebene. Wie Sie wissen, ist der Norweger Geir Pedersen der UN-Sonderbeauftragte für die Syrien-Regelung.
Wir haben bestätigt, dass wir die Bemühungen Norwegens um die Organisation des venezolanisch-venezolanischen Dialogs hoch einschätzen. Im Grunde widerspiegelt das die langjährigen Traditionen der norwegischen Außenpolitik, die immer dafür bekannt war, dass sie bei der Regelung verschiedener Konflikte in Asien, Lateinamerika und Afrika vermittelte. Besonders wichtig ist die Rolle, die Norwegen bei den Osloer Vereinbarungen über die palästinensisch-israelische Regelung spielte. Das war schon lange her, aber sie bleiben immer noch bedeutend. Leider werden die Osloer Abkommen, die Madrider Prinzipien und die Resolution des UN-Sicherheitsrats über die palästinensisch-israelische Konfliktregelung einer harten Revision unterzogen werden. Man versucht, diese multilateralen völkerrechtlichen Vereinbarungen durch gewisse Abkommen zu ersetzen, die in gewissen engeren Kreisen abgesprochen werden. wir alle müssen darauf bestehen, dass getroffene Vereinbarungen sowohl in der palästinensischen Frage als auch im Kontext aller anderen Probleme der Weltpolitik vollständig erfüllt werden.
Wir haben unser Zusammenwirken in der UNO erörtert, unter anderem im Kontext der Tatsache, dass Norwegen für die nichtständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat kandidiert.
Zum Schluss möchte ich wieder unsere gemeinsame heroische Vergangenheit erwähnen und die Hoffnung äußern, dass unsere wertvollen Erfahrungen als Verbündete im Kampf gegen die verbrecherische Ideologie auch heutzutage gefragt wird, wenn wir unsere Kräfte bündeln müssen, um globalen Gefahren und Herausforderungen zu widerstehen. Das gilt natürlich auch (oder vor allem) für die Aufgabe zur Förderung einer gleichen und unteilbaren Sicherheit und Kooperation im euroatlantischen Raum und in Eurasien, was 2010 auf dem OSZE-Gipfel in Astana verkündet wurde.
Ich habe meine Amtskollegin nach Russland eingeladen – jederzeit, wenn ihr das passt. Hoffentlich geschieht das im kommenden Jahr.
Frage: Im Vorfeld dieses Treffens erklärte man im russischen Außenministerium, dass Norwegens Pläne zur Entwicklung seiner Streitkräfte offenbar gegen Russland gerichtet seien und dass Moskau damit rechne, dass die norwegische Seite ihre Argumente anführen werde, die die intensiven militärischen Vorbereitungen an den russischen Grenzen erläutern würden. Sie erwähnten die so genannte „Basispolitik“. Ist diese Erklärung ausreichend, oder hatten Sie andere Argumente erwartet?
Sergej Lawrow: Wenn wir solche Fragen besprechen, geht es uns nicht um Befriedigung. Wir wissen, dass die absolute Genugtuung im menschlichen Leben nicht erreicht werden kann, aber wir haben die Situation um die Sicherheit in Nordeuropa offen und sachlich besprochen. Wir haben Fragen gestellt, die mit den Aktivitäten der Nato auf dem norwegischen Territorium verbunden waren. Das beunruhigt uns, weil unser Nachbarland Risiken für eine Militarisierung der Arktis provoziert, wogegen sich immer alle Mitglieder des Arktis-Rats aktiv auftreten. Frau Ministerin führte ihrerseits Argumente an, bei denen es unter anderem um die Verpflichtungen ihres Landes im Rahmen des Nato-Vertrags geht. Allerdings bestätigte sie gleichzeitig, dass die „Basispolitik“ in jeder Hinsicht akut bleibt. Wir rechnen, dass dies auch so sein wird. Wir haben auch die offizielle Erklärung des Vizeaußenministers Norwegens nicht übersehen, der gesagt hatte, Norwegen betrachte Russland nicht als Gefahr für seine Sicherheit. Ich denke, die in diesem Jahr wiederaufgenommenen ziemlich intensiven Kontakte auf dem Niveau der Verteidigungsministerien werden zur Stärkung des Vertrauens. Das können wir nur begrüßen.
Frage: Was ist für die Regelung der Situation um Frode Berg nötig? Wann könnte er nach Norwegen zurückkehren?
Sergej Lawrow (antwortet nach Ine Marie Eriksen Søreide): Ich kann nur hinzufügen, dass Frode Berg für Spionage verurteilt wurde. Er hat das Begnadigungsgesuch eingereicht, der behandelt wird. Hoffentlich wird das nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen. Das Ergebnis werden Sie erfahren.
Frage: Im Norden Norwegens ist man um den Ausbau des russischen militärischen Potenzials an der Grenze besorgt. Wie können Sie das kommentieren?
Sergej Lawrow: Russland plante und plant nie eine aggressive Entfaltung seiner Streitkräfte – egal wo und natürlich nicht an unserer Grenze zu Norwegen. Dabei sehen wir mit Besorgnis, wie die Nato ihre Präsenz auf dem norwegischen Territorium ausbaut. Das gilt für die Modernisierung der dortigen Flugplätze im Interesse der Nordatlantischen Allianz und der Hafenterminals, damit sie US-amerikanische Atom-U-Boote empfangen könnten. Hier befinden sich bereits mehrere Hunderte US-Militärs, auch die Briten wollen hierher kommen. Wir müssen das bei unserer Militärplanung berücksichtigen, damit diese Gefahren sich nicht materialisieren. Aber ich versichere Ihnen, dass wir das absolute Minimum davon tun, was für unsere Ruhe nötig ist. Norwegen sieht in Russland keine Gefahr, und auch Russland sieht in Norwegen keine Gefahr für seine Sicherheit. Leider hängt alles manchmal nicht von den Absichten der jeweiligen Seite, sondern auch davon, wie sich die Situation in diesem oder jenem Bündnis entwickelt, dem sie angehört.
Frage: Wäre Russland bereit, die Einhaltung der Rechte der Kurden und der kurdischen zivilen Bevölkerung bei ihrem Abzug von der türkischen Grenze zu garantieren und die Einrichtung von Sicherheitszonen im Norden Syriens unter der UN-Ägide zu besprechen?
Sergej Lawrow: Was die Umsetzung des Memorandums angeht, das von den Präsidenten Russlands und der Türkei, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan, am 22. Oktober in Sotschi gebilligt wurde, so werden die Rechte aller Seiten, die die getroffenen Vereinbarungen einhalten, natürlich respektiert. Ich muss darauf verweisen, dass die russisch-türkischen Vereinbarungen auch vom syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und vom Befehlshaber der kurdischen Selbstverteidigungskräfte befürwortet wurden.
Was die Initiative zur Einrichtung einer Sicherheitszone im Nordosten Syriens auf Beschluss des UN-Sicherheitsrats betrifft, so verstehen wir vorerst nicht einmal, worum genau es geht. Diese Initiative brachte zuerst die Verteidigungsministerin Deutschlands zum Ausdruck, aber dann wurde sie von anderen Teilen der deutschen Regierung kritisch wahrgenommen. Dann machte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf einmal merkwürdige Erklärungen, dass manche Mitglieder der Allianz diese Initiative befürworten und manche andere nicht ganz. Aber wenn es schon darum geht, dass die Nato eine solche Aufgabe übernehmen will, dann gibt es an dieser Idee nichts Gutes. Das Bessere ist immerhin des Guten Feind – es gibt ja die russisch-türkischen Vereinbarungen, die sowohl von Damaskus als auch von den Kurden befürwortet wurden. Und sie sollten auch erfüllt werden.