United States of America
Pressebriefing des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, zu einem breiten Kreis internationaler Probleme, darunter humanitäre Aspekte im Kontext der Situation um die Ukraine, Moskau, 30. Juni 2023
Guten Tag,
die Ereignisse in der Welt entwickeln sich rasant in verschiedene Richtungen. Je öfter wir uns treffen, desto nützlicher ist es für euch aus der Sicht des Informierens ihrer Zuschauer, Leser, Hörer über die Position der Russischen Föderation. Das ist auch für uns nützlich. Ich muss sagen: Wenn wir Fragen der Medienvertreter hören, bringt das uns auch zu gewissen Gedanken, hilft dabei, Schlussfolgerungen zu machen, die die Interessen jener widerspiegeln, für wen sie arbeiten. Das ist eine breite Öffentlichkeit, und es ist prinzipiell wichtig, dass wir ihre Interessen spüren.
Die aktuellen Ereignisse widerspiegeln den kontinuierlichen Prozess des Überganges von jahrhundertealter Dominanz des Westens zu einer demokratischeren, gerechteren multipolaren Welt. Der Westen leistet erbittert Widerstand, baut die Strategie der Abschreckung, Unterdrückung der Konkurrenten aus – aller, die Selbstständigkeit in der internationalen Arena zeigen und sich nicht nach von den USA und ihren Verbündeten aufgedrängten „Regeln“, sondern eigenen nationalen Interessen richten.
Wir beobachten jetzt ein erbittertes Streben, den Aufstieg Russlands als selbständiges Zentrum der multipolaren Weltordnung nicht zuzulassen. Für diese Ziele entwickelte der Westen seit vielen Jahren und nun entfachte er einen Krieg gegen unser Land mit den Händen des von Angelsachsen geschaffenen nazistischen Regimes in Kiew. Es wurde bereits erklärt, dass das nächste Land auf der Liste die Volksrepublik China ist, die in den Doktrinen der Nato als größte langfristige Herausforderung für die „Hegemonie“ der „goldenen Milliarde“ bezeichnet wird. Das Ziel ist, weder Russland noch China oder noch jemandem zuzulassen, die Reihen der Gleichgesinnten zu festigen, die Erweiterung von BRICS, Wachstum ihres Ansehens in der Welt zu verhindern, vereinigende Prozesse in Eurasien in EAWU, GUS, OVKS, SOZ, ASEAN, im „One Belt One Road“-Projekt zu untergraben.
Die Mehrheit der Welt will nicht mehr nach den westlichen Regeln leben und verteidigt universelle Völkerrechtsnormen, die vor allem in der UN-Charta verkörpert sind. Die Aufgabe, die wir vor uns stellen, die von der überwiegenden Mehrheit der Länder geteilt wird – die Gewährleistung aller ohne Ausnahme Prinzipien, die in der Charta enthalten sind, in vollem Maße (nicht selektiv), im ganzen Zusammenhang.
Am wichtigsten ist die Anerkennung der Alternativlosigkeit des Prinzips der Charta, laut dem die Vereinten Nationen auf der souveränen Gleichheit der Staaten beruhen. Der Westen vernachlässigte immer dieses Prinzip. Er machte sich nie Gedanken in seinen Handlungen über die Existenz solcher Forderung der UN-Charta.
Die USA versuchen, die Demokratisierung der internationalen Beziehungen nicht zuzulassen. Das ist offensichtlich. Im Rahmen dieses Kurses streben Washington und seine Verbündeten immer offener und rücksichtsloser die Nutzung der Sekretariate internationaler Organisationen an, setzt unter Umgehung allgemein gültiger Verfahren Beschlüsse über Schaffung solcher verborgenen Mechanismen, die den westlichen Interessen unterordnet sind, durch. Sie haben keine Konsens-Mandate, erklärten sich aber als berechtigt, jene, die für die USA und ihren Verbündeten nicht erwünscht sind, zu beschuldigen.
Diese Tendenz zeichnet sich insbesondere im humanitären Bereich zur Einstellung der öffentlichen Meinung gegen die Länder, die gegenüber dem Westen ungehorsam sind. Eine solche Situation macht noch aktueller die Aufgabe der Gewährleistung der von mir erwähnten strikten Erfüllung der UN-Charta in vollem Maße, nicht nur durch die Staaten, sondern auch Sekretariate internationaler Organisationen.
UN-Sekretariat soll gemäß Artikel 100 der UN-Charta unvoreingenommen vorgehen und hat kein Recht, Anweisungen von einer Regierung zu bekommen. Wir kennen zahlreiche Beispiele einer direkten Verletzung dieser Forderung. Die Aufgabe besteht in der Notwendigkeit für alle Staaten, nicht einfach die Anhänglichkeit an alle Prinzipien der UN-Charta zu bestätigen, sondern auch sie in der Praxis zu erfüllen.
Die zweite, nicht weniger wichtige Aufgabe – den Zustand der Hauptorgane der UNO in Übereinstimmung mit modernen Realien zu bringen. Ich meine die Reform des Sicherheitsrats, wo der Westen absolut nicht proportional „zu aktiv vertreten ist“. Von 15 Mitgliedern besetzt die „goldene Milliarde“ sechs Plätze. Das ist unfair, ungerecht. Wir werden eine möglichst baldige Erweiterung der Mitgliedschaft des UN-Sicherheitsrats via Aufnahme der Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas anstreben.
Die Versuche, in diese Liste noch westliche Kandidaten hinzuzufügen, sind kontraproduktiv und absolut aussichtslos. Die Dominanz geht zu Ende. Es ist die Zeit, zur Gleichberechtigung überzugehen. Wenn alle für Demokratie sind, wollen wir nicht vergessen, dass Demokratie auch in internationalen Beziehungen erforderlich ist.
Frage: Die Leiterin der Kommission von „Geeintes Russland“ zum Schutz der Mutterschaft und Kindheit, Vizepräsidentin der Staatsduma, Anna Kusnezowa, wurde zur Kovorsitzenden der parlamentarischen Kommission zur Untersuchung der Verbrechen Kiews gegenüber Kindern ernannt. Können Sie sagen, welche Funktionen diese Kommission übernehmen wird?
Sergej Lawrow: Jetzt ist ziemlich oft das Thema Kinder in bewaffneten Konflikten zu hören. Es wird unter anderem von jenen erwähnt, die die „Unparteilichkeit“ der Sekretariate internationaler Organisationen zu missbrauchen versuchen.
Wie Sie wissen, erschien vor kurzem ein Bericht des UN-Generalsekretärs, wo Russland als beteiligt an gewissen Situationen, die mehr als 100 Kinder betreffen, erwähnt wird. Wir wollen, dass alles fair ist und alle Diskussionen auf Fakten beruhen. Sie wurden uns nicht vorgelegt.
Einer der Mechanismen der UNO wurde durch Missbrauch der Verfahren und Konsens geschaffen –“Unabhängige internationale Kommission zur Untersuchung der Verletzungen in der Ukraine“. Sie reisen, sprechen mit Vertretern des ukrainischen Regimes, bekommen von ihnen Informationen, auf deren Grundlage sie Befunde erstellen. Sie sprechen nicht mit jenen, die auf unserer Seite der Kontaktlinie wohnen. Genau so, wie UN-Vertreter im Laufe von langen acht Jahren Donbass nicht besuchten, als wir noch versuchten, die Erfüllung der Minsker Abkommen zu erreichen. Deswegen bekommen sie Informationen für solche Befunde von der „am stärksten interessierten Seite“. In diesem Fall – von Kiew und seinen westlichen Sponsoren, darunter von zahlreichen von Amerikanern und ihren Verbündeten finanzierten Nichtregierungsorganisationen, die ihre „Pseudounabhängigkeit“ nutzen, um die Ideen, die für den Westen notwendig sind, durchzusetzen. Wir sind daran interessiert, dass hier alles gerecht und fair ist. Deswegen wird die parlamentarische Kommission vor sich die Aufgabe des Zugangs zu realen Fakten für ihre Analyse, Zusammenfassung und Bereitstellung der Öffentlichkeit stellen.
Im Mai weilte Virginia Gamba – Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für Kinder in bewaffneten Konflikten, zu einem Besuch in Russland. Wir übergaben ihr eine große Menge von Materialien, die hoffentlich nicht ignoriert und bei der weiteren Arbeit des Sekretariats berücksichtigt werden.
Was Kriegsverbrechen, Vorwürfe wegen Verletzung des internationalen humanitären Rechts betrifft, soll hervorgehoben werden, dass es wenige Fakten gibt, die westliche Kollegen uns vorlegen könnten. Wir bitten sie, ihre Erklärungen mit konkreten Angaben, Beweisen zu ergänzen. Dazu kommt es fast nicht.
Zugleich gibt es gleichzeitig mit solchem Herangehen zu unseren Anfragen auch zahlreiche Beweise für Gräueltaten ukrainischer Extremisten neonazistischer Bataillone, wenn Gefangene mit Säcken auf dem Kopf, mit gebundenen Händen und Beinen erschossen werden, wenn Leichen der getöteten Menschen in Gräben abgeworfen werden, wie das von Faschisten während des Großen Vaterländischen Kriegs gemacht wurde.
Diese Fakten – die Nazis verheimlichen sie nicht, prahlen mit diesen Szenen. Sie nehmen Videos davon, stellen es ins Internet, in soziale Netzwerke. Aber diese eindeutigen Bestätigungen von Gräueltaten und Verletzungen aller denkbaren Gesetze des Kriegs und internationalen humanitären Rechts bleibt irgendwie unbeleuchtet von verschiedenen analytischen Prozessen im UN-Sekretariat.
Frage: Nach einer bewaffneten Rebellion bekamen viele Befürchtungen über die Stabilität der größten Atommacht. Ist Russland heute stabil? Können Sie irgendwelche Garantien dafür geben, dass Russland nicht in eine Wirre „abrutscht“?
Sergej Lawrow: Wir müssen niemandem etwas erklären und zusichern. Wir gehen transparent vor. Zu diesem Thema äußerten sich Russlands Präsident Wladimir Putin und alle politischen Kräfte unseres Landes. Wenn jemand im Westen Zweifel hat – das sind eure Probleme. Wir haben auch bedeutende Zweifel an der Adäquatheit vieler westlicher Anführer, die öffentlich, offiziell sagen, dass sie als Regierungsmitglieder verstehen, dass ihre Wähler leiden, aber sie „müssen“ das für den Sieg der Ukraine gegen Russland machen. Ist es adäquat? Widerspiegelt das die nationalen Interessen? Man muss sich nicht über uns und unsere nationalen Interessen Sorgen machen. Danke, dass sie sich Sorgen machen, aber man soll es nicht machen. Russland stieg immer stärker aus jedem „Schlamassel“ (man kann das kaum mehr als einen „Schlamassel“ bezeichnen) hervor. So wird es auch diesmal sein. Zumal spüren wir bereits, dass dieser Prozess begonnen hat.
Viele westliche Analysten geben das zu. Es ist kein Zufall, wie bei Sigmund Freud, dass westliche offizielle Personen am vergangenen Samstag, als das alles begann, sagten, dass das angeblich davon zeugt, dass die Fassade der russischen Macht platzte, und es heißt, dass sie alles richtig machen. Damit gaben sie zu, dass sie gegen Russland kämpfen. Sie meinen, dass wenn es einen Versuch eines Aufstands gab, gehen sie richtig vor, indem sie die Ukraine ausrüsten. Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell rief dazu auf, die Waffenlieferungen um das Zweifache zu erhöhen. Das ist zwar ein indirektes, aber sehr eindeutiges Eingeständnis davon, wer gegen wen kämpft. Danke für die Sorge, aber wir werden das meistern.
Frage: Ist es real (laut Einschätzung der russischen Seite) in den gebliebenen etwas mehr als zwei Wochen Fortschritte bei der Umsetzung des russischen Teils des Getreidedeals zu erreichen, die es ermöglichen werden, die Vereinbarung zu verlängern? Setzen wir jetzt irgendwelche Kontakte mit Vereinten Nationen fort, oder hat es keinen Sinn mehr?
Noch eine Frage. Berücksichtigt Moskau die Folgen eines möglichen Austritts aus dem Deal für globale und Lebensmittelsicherheit?
Sergej Lawrow: Wie Sie sich erinnern, wurde dieser „Deal“ als „Paketdeal“ 2022 von UN-Generalsekretär Antonio Guterres vorgeschlagen. Er bestand aus zwei Teilen, jeder davon ein gleiches Gewicht hatte, wie der Generalsekretär betonte. Der erste Teil – Vereinbarungen über Export von ukrainischem Getreide aus den Häfen der Ukraine, der zweite Teil – ein Memorandum zwischen UNO und der Russischen Föderation, demnach verpflichtete sich Antonio Guterres, von der EU und USA Aufhebung von Sanktionen zu erreichen, die den Export unserer Düngemittel und Getreide via Routen durch die EU verhinderten und unmöglich machten. Diese Hürden machten die Arbeit der Rosselchosbank zur Gewährleistung der Exporte von Düngemittel und Lebensmittel unmöglich. Die Bank wurde von SWIFT abgeschnitten. Die Agenturen, die sich mit Versicherungen von Seetransporten (z.B: britische Lloyd) befassen, stellten die Schwarzmeerroute auf eine Liste von gefährlichen Routen wegen der Kriegshandlungen dort, die Versicherungssätze wurden massiv angehoben. Der Westen ergriff auch eine ganze Reihe anderer angeblich technischen aber in der Tat Verbotsmaßnahmen. Ich gehe davon aus, dass der Export unserer Düngemittel und Lebensmittel jedenfalls fortgesetzt wird. Wir gewährleisten entsprechende Operationen, gehen geografische Routen und andere technologische Hindernisse des Westens um. Es wird erwartet, dass unsere Exporte im Landwirtschaftsjahr 2023 sich bei 50 Mio. Tonnen belaufen werden. Das sagte auch Russlands Präsident Wladimir Putin bei der Einschätzung der Situation noch im vergangenen Jahr. Ich bin sicher, dass unsere Partner nicht betroffen werden.
Das Verhalten des Westens zu diesem Deal ist eklatant. Erstens veröffentlichten die USA und Großbritannien am 29. Juni 2023 ein Dokument, wo sie versuchen, zu beweisen, dass unsere Düngemittel und Lebensmittel nicht von Sanktionen betroffen werden. Der lügnerische Charakter dieser Behauptung ist für jeden klar, der zumindest einmal nach der Situation in diesem Bereich fragte. Zweitens, zum ukrainischen Teil des Paketabkommens: Wir führten mehrmals Angaben darüber an, dass das Getreide ausgeführt wird, das für kommerzielle Bedürfnisse und nicht in die ärmsten Länder fließt. Obwohl der UN-Generalsekretär Antonio Guterres seinen Vorschlag von Anfang an mit der Notwendigkeit erklärte, den Staaten in Afrika, wo die Hungergefahr existiert, zu helfen. Nach dem Stand 29. Juni wurden seit Beginn der Schwarzmeerinitiative aus der Ukraine 32,5 Mio. Tonnen Getreide ausgeführt. Das sind vor allem Mais (mehr als 50 Prozent), Öl, Weizen (weniger als 30 Prozent). Die Hauptempfänger: EU (fast 40 Prozent), China (24 Prozent), Türkei (rund zehn Prozent), in die ärmsten Länder, die auf der Liste des Welternährungsprogramms stehen, wurden etwas mehr als 2,5 Prozent Getreide ausgeführt.
Im Falle der Einstellung der Schwarzmeer-Initiative werden wir die Lieferungen vergleichbarer bzw. größerer Mengen von Getreide an die ärmsten Länder auf unsere Kosten, unentgeltlich fortsetzen. Präsident Wladimir Putin sagte das bereits.
Während des Funktionierens des Deals starteten aus den Häfen der Ukraine jeden Monat jeweils zwei Schiffe im Rahmen des Welternährungsprogramms. Das sind die Frachten, die in die bedürftigen Länder gehen, kommerzielle Getreidefrachten machten jeden Monat 90 Schiffe aus. Darin besteht der Unterschied. Deswegen verwandelte sich der Deal in Bezug auf ukrainisches Getreide seit langem in einen kommerziellen Deal.
Jetzt protestieren viele EU-Länder gegen die Fortsetzung der Einfuhr des ukrainischen Getreides ohne phytosanitäre Prüfungen und Tarife, weil das den Landwirten in der EU schadet. Wenn dem so ist, wenn die EU über die Lebensmittelsicherheit besorgt ist, mögen sie es kaufen und in die Entwicklungsländer überflüssiges Getreide schicken, wie wir es machen, indem man Lebensmittel und Düngemittel regelmäßig und unentgeltlich liefert. 2022 beschlagnahmte die EU sie in ihren Häfen. Jetzt nehmen wir mit viel Mühe von dort Frachten für afrikanische Länder mit Anschluss internationaler Organisationen. Man sollte sich keine Sorgen über die globale Lebensmittelsicherheit machen. Man soll Dinge machen, die sie festigen werden. Das betrifft auch die Entsendung der überflüssigen Mengen von ukrainischem Getreide in der EU und dringender Deblockierung der dort bleibenden Düngemittel.
Ein weiterer Tropfen für die Geduld wurde der Terroranschlag auf die Ammoniak-Pipeline Togliatti-Odessa, die in den Vorschlägen des Generalsekretärs genannt wurde. Sie ist Teil dieses Pakets, Wladimir Selenski blockierte persönlich die Wiederaufnahme der Arbeit der Ammoniak-Pipeline, wobei politische Bedingungen gestellt werden. Nun wurde sie einfach in die Luft gesprengt. Ich sehe nicht, welche Argumente jene haben, die die Gültigkeit der Schwarzmeerinitiative fortsetzen wollen. Sie wurde bereits kommerziell zum Teil über ukrainisches Getreide.
Frage: Vor kurzem wurde in Russland eine parlamentarische Untersuchung der Tätigkeit der Biolabore der USA in der Ukraine durchgeführt. Heute werden Senatoren und Abgeordneten die erste Sitzung einer parlamentarischen Kommission zur Untersuchung der Handlungen der ukrainischen Behörden durchführen. Wie schätzen Sie die Bedeutung der Untersuchung ein, welche Anstrengungen werden von russischen Diplomaten unternommen, damit die Ergebnisse dieser Untersuchungen die Völker der ganzen Welt erreichen?
Sergej Lawrow: Wir denken, dass es eine wichtige Initiative unserer Parlamentarier ist.
Die erste Initiative, die Sie erwähnten – die Untersuchung der Biolabore Pentagons in der Ukraine – sorgte für großes Aufsehen, zog die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Wir präsentierten diesen Bericht in der UNO, führten mit Unterstützung Chinas eine Sondersitzung des Sicherheitsrats durch. Die restlichen Mitglieder des Sicherheitsrats aus Entwicklungsregionen zeigten große Besorgnisse, wobei sie in ihren Auftritten zum Ausdruck gebracht wurden. Dieses Thema ist nicht geschlossen. Unser Verteidigungsministerium stellt weiterhin der Weltöffentlichkeit Materialien bereit, die ernsthafte Fragen auslösen und Schlussfolgerungen ermöglichen, dass das Pentagon in den Laboren in der Ukraine sich mit Entwicklung davon befasste, was man traditionell Biowaffe nennt. Gemäß der Biowaffenkonvention geht es gerade darum. Nicht zufällig blockieren die Amerikaner, die solche Labore in vielen Regionen einrichten (darunter einige Labore bei unseren Nachbarn – China, Zentralasien und Transkaukasien), im Alleingang die Initiative, die wir seit Langem fördern – Verabschiedung eines Überprüfungsmechanismus in Bezug auf die Erfüllung der Biowaffenkonvention durch alle Länder. Das passt ihnen nicht, was ein weiterer indirekter Beweis dafür ist, dass die Pläne des US-amerikanischen biologischen Programms in anderen Ländern gar nicht schadlos sind. Laut Amerikanern ist das alles zivil und hat keine militärische Dimension. Aber wenn dem so ist, mögen sie „zivile Untersuchungen“ auf dem eigenen Territorium durchführen. Einer der Gründe, warum das im Ausland gemacht wird (neben Risiken für entsprechende Länder) besteht darin, dass die Amerikaner gefährliche Experimente nicht bei sich durchführen wollen.
Was die zweite parlamentarische Untersuchung betrifft, die von der stellvertretenden Vorsitzenden des Föderationsrats Anna Kusnezowa geleitet sein wird, sind wir natürlich über das Schicksal der Kinder, die sich in Konfliktzonen erwiesen, besorgt. Dieses Thema wurde vor vielen ausländischen Partnern gestellt, die auf zahlreiche Vorwürfe seitens Kiews und seiner westlichen Sponsoren zu hören waren, aufmerksam machten.
Ich kann nur bestätigen, dass Präsident Wladimir Putin mehrmals sagte, dass alle Kinder, die sich jetzt in Russland befinden, bekannt sind, ihre Namen und „Koordinaten“ werden nicht verheimlicht. Wenn diese Kinder Eltern und direkte Verwandte haben, haben sie das vollständige Recht, sie abzuholen. Das wurde schon mehrmals gemacht – einige Dutzend Kinder kehrten zu ihren Verwandten, als sie sich meldeten, zurück. Die Kinder erwiesen sich in Russland, weil sie in Kinderheimen waren und es in der Nähe keine Verwandten gab. Kinderheime wurden tatsächlich aus dem Gebiet der Kampfhandlungen zusammen mit dem Personal und Erziehern evakuiert. Wir verheimlichen das nicht, unsere westlichen Kollegen sollen das nicht übertreiben. Auf der ukrainischen Seite gibt es viele Aspekte, die betrachtet werden sollen – nicht nur Kinder, sondern auch andere Kriegsverbrechen, die ich erwähnte.
Die Europäer, die sich mit Kindern befassen, die angeblich in Russland gewaltsam gehalten werden, sollten lieber sehen, was mit ukrainischen Kindern in Europa passiert. Wir bekommen sehr viele Appelle von ukrainischen Staatsbürgern, die nach Europa als Flüchtlinge reisten, dass Jugendämter dort bei ihnen gewaltsam Kinder wegnehmen.
Ich denke, dass unsere parlamentarische Kommission sich mit dieser Frage ebenfalls befassen wird. Unsere westlichen Partner dürfen nicht ständig so tun, als ob das Kiewer Regime tadellos ist. Es hat einen eindeutigen rassistischen und nazistischen Charakter. Das ist das Regime, das öffentlich, via seinen Präsidenten, Minister und andere offiziellen Personen das Ziel erklärt – die Russen rechtlich und physisch vernichten. Hat jemand von europäischen demokratischen Vertretern darauf zumindest einmal aufmerksam gemacht? Ich will niemanden beleidigen, aber ich habe in den westlichen Medien davon nicht gelesen.
Frage: Man möchte über den vor kurzem von UN-Generalsekretär Antonio Guterres vorgelegten Bericht für den UN-Sicherheitsrat, wo Russland als Land, das für Verletzung der Kinderrechte in der Ukraine wegen Tod von Kindern 2022 verantwortlich ist, genannt wurde, fragen. Dabei wird die ukrainische Seite in diesem Bericht gar nicht erwähnt. Wie schätzen Sie diese Erklärung des UN-Generalsekretärs ein? Verbinden Sie diese Erklärung mit der Einstufung des Präsidenten der Russischen Föderation und der Beauftragten für Kinderrechte beim Präsidenten der Russischen Föderation durch Internationalen Strafgerichtshof als verantwortlich für die Verletzung dieser Rechte und Ausstellung eines Haftbefehls für sie? Hat Russland vor, irgendwelche Handlungen im Zusammenhang mit diesem Bericht zu unternehmen?
Sergej Lawrow: UN-Generalsekretär Antonio Guterres erwähnt in seinem Bereich 46 Fälle, als Kinder in Russland verlegt wurden. Gerade verlegt (dieser Begriff wird aber vom Generalsekretär nicht erwähnt), nicht gewaltsam ausgeführt. Die Kinder wurden ohne Zustimmung der Eltern bzw. Pfleger verlegt. Es handelt sich ausschließlich um die Evakuierung der Minderjährigen in sichere Gebiete aus der Konfliktzone. Diese Kinder werden regelmäßig in Reportagen in unserem Fernsehen gezeigt. Sie erholen sich in Sommerlagern, erzählen, wie sie sich fühlen. Dabei teilten wir stets internationalen Organisationen mit: Falls sie am Sammeln von Fakten interessiert sind – ob über Kinder oder die Lage in der Ukraine während der militärischen Spezialoperation – sind wir bereit, ihnen die ganzen Informationen bereitzustellen. Wir stellten sie auch bereit. Aber sie werden gewöhnlich in den Dokumenten des UN-Sekretariats nicht widerspiegelt. Wie auch der Fakt, dass wir seit Februar 2022 mehr als 5 Mio. Einwohner der Ukraine aufgenommen haben, darunter mehr als 700.000 Kinder. Die überwiegende Mehrheit kam zusammen mit Eltern bzw. anderen Verwandten. Nur 2000 davon sind Kinder aus Kinderheimen der Volksrepubliken Donezk und Lugansk, die zusammen mit dem Personal und Erziehern dieser Einrichtungen ausgeführt wurden. Sie alle bleiben im Rahmen der Strukturen, die Kinderheime sind. 358 Kinder wurden tatsächlich in Familien untergebracht, das war keine Adoption, sondern vorläufige Betreuung. Solche Form wurde speziell für den Fall gewählt, dass Eltern kommen. Diese Eltern werden alle Möglichkeiten haben, ihre Kinder abzuholen, wenn sie daran interessiert sind.
In Bezug darauf, dass UN-Generalsekretär Antonio Guterres beschlossen hat, uns zu erwähnen und die Ukraine nicht - wenn man die Menge der Fälle nimmt, die Besorgnisse in der Ukraine auslösen, ist sie vergleichbar groß mit der Menge der Fälle, die im russischen Abschnitt dieses Berichts erwähnt sind. Aber irgendwie beschloss Antonio Guterres, dass gleiche Erscheinungen verschieden gedeutet werden können und man in einigen Fällen das einstufen und in anderen Fällen einfach neutral erwähnen soll.
Ich sagte bereits in der Einführungsrede heute, dass wir über den Kurs des Westens auf die Unterordnung der internationalen Sekretariate und ihre „Privatisierung“ besorgt sind. Das ist ein großes Problem. In den Sekretariaten dominieren Staatsbürger westlicher Länder bzw. Menschen aus Entwicklungsländern, die nach dem Umzug nach New York wegen Job die zweite Staatsbürgerschaft bekommen und schon nicht mehr die Interessen ihrer historischen Heimat, sondern die Interessen ihrer neuen Heimat vertreten. Wir wissen, wie diese Interessen durchgesetzt werden, mit welchen Methoden, ohne Scham und Schande. Ich sehe hier keine anderen Wege außer Erreichen von Wahrheit. Wir werden das auf Grundlage unserer objektiven Untersuchung machen, die nicht von parteilichen Seiten beeinflusst werden, insbesondere seitens der Sponsoren des Kiewer Regimes.
Wir machten einen entsprechenden Appell an den UN-Generalsekretär des UN-Sekretärs Antonio Guterres und erinnerten ihn auch an das Schicksal der Kinder ukrainischer Flüchtlinge in Europa. Eltern rufen unsere diplomatischen Dienste an, beschweren sich, bitten um Hilfe. Wir können darauf die EU aufmerksam machen (was wir auch jetzt machen). Wir schickten eine Sonderbotschaft an Antonio Guterres. Mal sehen, wie er reagieren wird, inwieweit hier das Streben nach Objektivität zu sehen ist.
Frage: Jetzt sind die wirtschaftlichen, humanitären und anderen Verbindungen zwischen Finnland und Russland praktisch gebrochen. Wie denken Sie, ist ihre Wiederherstellung möglich? Auf welcher Grundlage kann das passieren? Diplomatische Missionen der beiden Länder haben verschiedene Probleme, darunter die Finanzierung der Tätigkeit. Wird die Arbeit zur Regelung dieser Probleme geführt?
Sergej Lawrow: Sie haben Ihre Frage delikat formuliert, wobei man mit der Phrase begann, dass die Verbindungen zwischen Finnland und Russland „abgebrochen sind“. Der Journalist, wenn er sich nach Fakten richten will, sollte das Problem konkreter darlegen. Die Verbindungen sind nicht einfach so gebrochen. Sie wurden von Finnland, seiner Regierung abgebrochen, die blitzschnell auf lange Traditionen der guten Nachbarschaftsbeziehungen, gegenseitiger Zusammenarbeit mit Russland verzichtete und zu der Gruppe der Länder wechselte, die am aktivsten an der Kampagne gegen Russland teilnehmen. Es geht nicht um uns.
Wir sind Nachbarn mit Finnland. Wir waren immer daran interessiert, friedlich zu leben. Wir machten viel dazu, dass Finnland die Unabhängigkeit bekommt. Die Russen erinnern sich immer an das Gute. Aber einige unserer Partner erinnern sich nicht immer an das Gute. Allerdings, wenn die finnische Seite beschließt, dass man zu normalen Verbindungen zurückkehren soll, werden wir bereit sein, einen Vorschlag zu erörtern, den Helsinki aufbringen kann. Wenn wir die Rahmen neuer Beziehungen besprechen werden, werden wir in vollem Maße den sich geänderten Status Finnlands angesichts seines Nato-Beitritts und des mit der Allianz unterzeichneten Dokumenten, das die Stationierung der militärischen Infrastruktur der Allianz im Lande zulässt, berücksichtigen. Wir können das nicht außer Acht lassen. „Business as usual“ ist nicht mehr möglich.
Was das Funktionieren diplomatischer Missionen betrifft, waren wir nicht die Initiatoren der Sanktionen, auf die wir reagieren müssen und das auch machen. Nicht wir waren Initiatoren einer starken Verschlechterung der Atmosphäre zwischen unseren Ländern, darunter im diplomatischen Bereich. Ehrlich gesagt, sehe ich keinen Bedarf an gleichem Niveau der diplomatischen Kontakte, das es in normaler Zeit gab, bevor der Westen uns den Krieg mit den Händen des ukrainischen nazistischen Regimes erklärt hatte.
Frage: US-Außenminister Antony Blinken sagte am Mittwoch, dass der Konflikt in der Ukraine seiner Meinung nach auf diplomatischem Wege, via Verhandlungen enden werde. Gibt es seitens der USA irgendwelche Signale über die Bereitschaft, bei der Ukraine-Frage eine Vereinbarung zu erreichen und ob sie um entsprechende Kontakte Moskau bitten?
Sergej Lawrow: Das ist eine merkwürdige Aussage. Ich habe davon gehört. Aber das wird alles fast gleichzeitig mit den Erklärungen des US-Außenministers Antony Blinken, der Leiter des Sicherheitsrats der USA, Vertreter der EU und Nato gemacht, die sagen, dass die Ukraine zunächst gewinnen und eine erfolgreiche Gegenoffensive umsetzen soll, und erst dann wird der Westen beschließen, Verhandlungen durchzuführen. Das ist eine schizophrenische Situation, wenn gesagt wird, dass alles mit Verhandlungen enden wird, aber zunächst soll Russland bekämpft werden.
Ein weiterer Aspekt: Auf welcher Grundlage sie Verhandlungen führen wollen. Die USA sagten zusammen mit der Nato und der EU mehrmals kompromisslos und hart, dass die einzige Grundlage für Verhandlungen die berüchtigte „Friedensformel Selenskis“, die aus zehn Punkten besteht, sei. Dort gibt es neutrale (ich würde sagen, banale) Dinge, die dort aus einem unklaren Grund aufgenommen wurden – Gewährleistung der Lebensmittel- und Energiesicherheit. Also die Dinge, die durch Sanktionen des Westens untergraben wurden. Aber das Wichtigste in Bezug auf die Aussichten des Abschlusses des Friedensvertrags besteht darin, dass unser Land zunächst hinter die Grenzen 1991, die russische Führung vor Kriegsgerichtshof gehen, Russland Kriegsentschädigung zahlen soll. Und erst nach Erfüllung dieser Vorbedingungen wird der Frieden abgeschlossen. Das ist jetzt die Position des Westens, wenn er über die Notwendigkeit der Verhandlungen und Friedensregelung spricht. Solche Verdoppelung der Persönlichkeit hilft nicht bei einer richtigen Orientierung in der Situation.
Meine Einschätzung besteht darin, dass sie versuchen, diesen Konflikt einfrieren zu lassen, den Waffenstillstand zu erreichen und Zeit zu gewinnen, um die Ukraine wieder mit Waffen vollzupumpen, eine neue militärische Infrastruktur zu schaffen, ihr neue tödliche weitreichende Waffen zu übergeben. Zumindest solches Szenario wird von US-Politologen dargelegt. In der Zeitschrift „Foreign Affairs“ wurde ein Artikel von Richard Haass und Charles Kupchan veröffentlicht, wo genau das dargelegt wurde – Waffenstillstand erreichen, eine Pause bekommen. Ja, Russland bekommt auch Pause, aber hinter der Ukraine steht der ganze Westen. Deswegen werden sie die viel stärker machen und dann weiterhin die Ziele anstreben, die in der Formel Selenskis erwähnt sind.
Demagogie störte nie in der Diplomatie beim Erreichen einiger Ziele. Aber Diplomatie existiert gerade mit dem Ziel, imitierte Handlungen von Realität zu unterscheiden.
Frage: Trotz des Drucks versuchen die Griechen, an die große griechische Diaspora im Asow-Gebiet nicht zu vergessen. Wir verstehen, dass die jetzige Regierung nichts sagen und machen wird. Inwieweit ist Russland offen zur Volksdiplomatie der Staatsbürger aus unfreundlichen Ländern? Können westliche Europäer nach Mariupol kommen, bei der Wiederherstellung der Stadt helfen? Es gibt Studenten, die mit einheimischen Studenten sprechen wollen, einige schlagen vor, die Sprache zu unterrichten, denn dort ist ein Mangel an Griechisch-Lehrern zu erkennen. Ich wurde von Juristen gefragt, ob Ausländer zur Teilnahme am Prozess gegen Nazis in Rostow eingeladen wurden. Wir sehen erstaunt, dass Westeuropäer nach Moskau kommen, sich mit dem Patriarch von Moskau treffen. Wir sehen, wie Muslime und Juden Initiative zeigen. Gibt es seitens der orthodoxen Anführer bzw. Organisationen irgendeine Initiative, insbesondere wenn in der Ukraine orthodoxe Hierarchen verfolgt werden, Kirchen und Kloster geschlossen werden?
Sergej Lawrow: Sie haben gefragt, ob Griechenland bzw. griechische Volksdiplomatie den Griechen, die im Gebiet des Asowschen Meeres wohnen, Unterstützung leisten können. Zeigten diese diplomatischen Volksorganisationen solche Initiative?
Antwort: Organisatorisch nicht. Aber in einzelnen Fällen gibt es Menschen, die Interesse haben, sich Sorgen machen…
Sergej Lawrow: Wenn sie fragen, sagen Sie Ihnen, dass Sie lieber nicht fragen, sondern formulieren, wie sie helfen können, was und wo sie etwas tun können. Solche Vorschläge kann man via unseren Botschafter übergeben.
Zu den Treffen mit der russischen Führung und Patriarch Kirill reiste der Kardinal aus Vatikan auf Bitte des Papst. Wir treffen uns mit jüdischen und muslimischen Gemeinden. Die Gemeinden, die an Kontakten interessiert sind, haben immer die Möglichkeiten, sie durchzuführen. Ich erinnere mich nicht an irgendwelche Vorschläge, Mitwirkung, Kontakt zum Meinungsaustausch seitens der internationalen Orthodoxie, Patriarch von Konstantinopel. Es gab so was nicht. Sie wissen doch, dass der Patriarch von Konstantinopel in einem sehr engen Kontakt mit den USA, die ihn finanzieren, steht. Er macht alles, um die internationale Orthodoxie zerfallen zu lassen. Das ist offensichtlich. Die Amerikaner verheimlichen das auch nicht. Sie haben sogar einen Gesandten für Glaubensfreiheit, der sich damit befasst, alles umgekehrt zu machen. Er versucht es mit orthodoxen lokalen Kirchen zu vereinbaren, damit sie die Idee einer Trennung von der Russischen Orthodoxen Kirche umsetzen.
Wenn Sie, Ihre Kollegen Interesse haben, in Russland humanitäre Projekte (Griechisch-Lehrer u.s.w.) umzusetzen, sehe ich kein Problem, dass sie entsprechende Vorschläge vorlegen und an uns schicken.
Sie fragen, ob wir solche Vorschläge von Staatsbürgern unfreundlicher Länder akzeptieren können. Wir haben keine unfreundlichen Völker. Es wäre richtiger zu sagen, dass wir unfreundliche Regierungen haben. Und mit den Völkern hatten wir nie Probleme, auch mit dem griechischen Volk.
Frage: Vor rund einem Jahr hinderten die Länder um Serbien, genauer gesagt die Nato, Sie beim Belgrad-Besuch. Wird ein neuer Versuch erörtert? Auf welcher Ebene erfolgen Kontakte zwischen Moskau und Belgrad? Passt das Moskau?
Sergej Lawrow: Vor etwas mehr als einem Jahr, am Anfang Juni 2022 war tatsächlich meine offizielle Reise nach Serbien geplant. Wir tauschen regelmäßig Besuche mit serbischen Freunden aus. Der Westen störte bei dieser Reise, wobei die Nachbarländern Serbiens gezwungen wurden, den Durchflug unseres Flugzeugs zu verbieten. Wir sehen hier keine Gründe, den serbischen Freunden dies übel zu nehmen.
Wie kann man das nachholen? Wir haben es mit dem Außenminister Serbiens, meinem alten guten Freund Ivica Dacic vereinbart, dass er in dieser Situation in die Russische Föderation kommen wird. Es werden konkrete Fristen abgestimmt.
Ich weiß nicht, ob das von mir jetzt Gesagte neue freche Forderungen des Westens auslösen wird, dass Ivica Dacic nach Russland nicht kommen soll. Jedenfalls haben wir eine solche Vereinbarung.
So, wie sich der Westen verhält, wird durch den Fakt illustriert, dass wir im September 2022 mit dem vorherigen Außenminister Serbiens in New York bei der UN-Generalversammlung einen Plan der Konsultationen zwischen den Außenämtern unterzeichneten. Erinnern sie sich daran, welche Hysterie US-amerikanische und europäische Vertreter entfachten? Es wurde verurteilt, dass Serbien in solcher Zeit einen Plan der Konsultationen mit dem russischen Außenminister unterzeichnet. Es geht bereits um Besessenheit von eigener Größe, unerschütterlicher Sicherheit von eigener Richtigkeit im Sinne davon, was ich in der Einführungsrede sagte. Die große „goldene Milliarde“ diktiert allen eigene Regeln, mit wem sie kommunizieren und was unterzeichnen dürfen.
Ich hoffe, dass das serbische Volk die jetzige schwere Situation, wenn man die Vereinbarungen, die noch vor zehn Jahren erreicht worden waren, über die Gemeinschaft der serbischen Munizipalitäten untergraben will, überwindet. Es wurde versucht, Munizipalitäten im Norden des Kosovo in den von Serben besiedelten Gebieten zu schaffen, damit sie ohne Vertreter der Serben funktionieren, sowie viele andere Handlungen, die von der EU und den USA unternommen werden.
Wir sind solidarisch mit dem serbischen Volk bei der Position zur Verteidigung der Resolution 1254 der UN-Generalversammlung, aller Prinzipien, die von der internationalen Gemeinschaft abgestimmt und in der UNO gebilligt wurden.
Unsere Kontakte mit Serbien sind regelmäßig. Wir sind dem Präsidenten Serbiens, Aleksandar Vucic, den Ministern dieses Landes dankbar, dass sie immer zu Kontakten mit unserem Botschafter bereit sind. Das ist nützlich. Wir haben immer die Möglichkeit, per Telefon zu sprechen. Ich warte auf Ivica Dacic zu einem Besuch, wenn er eine passende Frist findet.
Frage: Wie ist die Situation nach der Überflutung in Kachowka? Reicht die erwiesene Hilfe aus?
Sergej Lawrow: Wir geben regelmäßig Informationen über das Wasserkraftwerk Kachowka. Die einheimischen Behörden veröffentlichen Berichte und Videos. Dnjepr kehrte zu seinen Grenzen zurück. Es wurde ein bedeutender Schaden nach der Überflutung zugefügt. Jetzt wird er umgehend beseitigt. Ich denke, dass der Schaden für zivile Bauten umgehend beseitigt wird. Die Wiederherstellung des Staudamms wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Daran wird gearbeitet.
Frage: Sie haben gesagt, dass es in der Zentralafrikanischen Republik und Mali militärische Spezialisten geben wird. Sind es Spezialisten von „Wagner“ oder Verteidigungsministerium Russlands?
Sergej Lawrow: Mit der Zentralafrikanischen Republik und anderen afrikanischen Ländern haben wir enge militärtechnische Verbindungen.
In der Zentralafrikanischen Republik funktionieren seit Langem einige hundert russische Instrukteure aus dem Verteidigungsministerium. Das ist ein offizieller Staatsvertrag, auf dessen Grundlage sie sich dort befinden und der Armee dieses Landes helfen, Offiziere zu trainieren. Sie bildeten bereits einige tausend Militärs aus. Sowohl Präsident, als auch die Regierung dieses Landes schätzen die Qualität dieser Vorbereitung hoch ein.
Was „Wagner“ betrifft, die dort sowie in einigen anderen afrikanischen Ländern tätig war, war es eine Vereinbarung zwischen den entsprechenden Regierungen und dieser Firma. Noch vor zwei Jahren, im September 2021 sagte der Außenminister Malis, Abdoulaye Diop, auf der UN-Generalversammlung, dass die Republik Mali über die Aussichten der Gewährleistung ihrer Sicherheit, Beschluss der französischen Regierung, die Operation Barhan abzuschließen, und den Beschluss der EU, Mali zu verlassen, besorgt ist. Darunter die Schließung französischer Militärstützpunkte im Norden, also im gefährlichsten Gebiet, wo ernsthafte Bedrohungen seitens der terroristischen Einheiten, die nach Mali und in andere Länder Afrikas kamen, nachdem Nato-Länder unter aktiver Teilnahme Frankreichs den Libyschen Staat zerbombt und ihn in ein schwarzes Loch, über das Terroristen unter anderem in die Zentralafrikanische Republik und Mali strömten, verwandelt hatten, bestehen.
Wie das Schicksal dieser Vereinbarungen zwischen afrikanischen Ländern und „Wagner“ sein wird, darüber werden in erster Linie die Regierungen entsprechender Länder entscheiden. Inwieweit sie daran interessiert sein werden, diese Form der Zusammenarbeit zur Gewährleistung der Sicherheit der Machtorgane fortzusetzen.
Frage: Werden die tragischen Ereignisse in der Ukraine während des Maidans in Odessa und Mariupol im Jahr 2014 sowie in Butscha im Frühjahr 2022 unter der UN-Ägide ermittelt?
Sergej Lawrow: Wir wissen davon nichts. Wir verweisen auf die Notwendigkeit, diese schrecklichen Verbrechen zu ermitteln. Maidan im Februar 2014, Odessa im Mai 2014. Diese Tragödien, diese Verbrechen, die live übertragen wurden – diejenigen, die Menschen erschossen, die aus den Fenstern des brennenden Hauses der Gewerkschaften sprangen, um sich zu retten, nahmen das alles auf. Und sie zeigten sich dabei sehr stolz – sie fühlten sich offensichtlich als wahre Helden, die „gegen die Russen“ kämpften. Damals empörten sich viele Menschen in Europa darüber. Das Ministerkabinett des Europarats (wir waren damals sein Mitglied) beschloss damals (auch wenn nicht ohne Probleme), ein spezielles Beratungsgremium zu bilden, das die ukrainische Seite bei der Ermittlung unterstützen sollte. So wurde das angekündigt, wurde jedoch nie in die Tat umgesetzt. Was die Ereignisse auf dem „Maidan“ angeht, so wurden einige „Berkut“-Kämpfer festgenommen – und das war das einzige, was erreicht werden konnte. Sie wurden verfolgt. Was die Ereignisse im Haus der Gewerkschaften anbelangt, so werden, soweit ich verstehe, immer noch etliche Menschen verfolgt, die sich gegen die „Maidan“-Aktionen wehrten. Da müssen wir über Gerechtigkeit und Justiz erst gar nicht reden.
Alle Handlungen der ukrainischen Behörden, die jedwede Dinge aus ihrem rechtlichen Raum entfernen, die auf diese oder jene Weise mit der russischen Sprache, mit dem Bildungswesen in russischer Sprache, mit russischen Massenmedien verbunden sind, ausrotten, provozieren nur den Hass.
Ich habe heute schon viele Beispiele dafür angeführt, wie die Kiewer Behörden aufriefen, Russen zu töten. Das tat auch Wladimir Selenski, der gesagt hat, dass diejenigen, die sich für Russen halten, nach Russland abhauen sollten, und diejenigen, die jetzt im Kreml sind, nie von selbst sterben würden. Und seine Kollegen, insbesondere Außenminister Dmitri Kuleba (der lernt Diplomatie offensichtlich bei Josep Borrell), sagte vor ein paar Monaten, dass es für die Einstellung des Kriegs in der Ukraine genügen würde, den Präsidenten Russlands zu beseitigen. Dabei trat er in einer westlichen privaten demokratischen Institution auf. Da haben wir keine Illusionen.
Nehmen wir einmal die Situation um die Skripals. Vor kurzem haben wir die Briten abermals aufgefordert, uns mitzuteilen, wo sich unsere Bürger befinden – seit 2019 haben wir von ihnen nie gehört. Es wurde behauptet, sie wären „highly likely“ vergiftet worden – von russischen Geheimdienstlern. Aber es wurden keine Beweise dafür angeführt.
Oder nehmen wir auch die „Vergiftung“ Alexej Nawalnys – auch da bleiben viele unsere offiziellen Anfragen an Deutschland, Schweden, Frankreich, die OPCW ohne Antwort. In Deutschland sagt man, man könne uns nicht die vollständigen Analysenergebnisse zeigen, weil dafür die Bundeswehr zuständig war bzw. ist, und deshalb könnten wir in diesem Fall irgendwelche „Geheimnisse“ auf dem Gebiet Biowaffen erfahren, die deutschen Militärs bekannt sind. Dann wurden diese Analysen an die OPCW weitergeleitet. Wir haben uns an die OPCW gewandt, aber die Antwort bekommen, die Deutschen hätten es verboten, diese Daten Russland zu überlassen.
Erwähnenswert sind auch die jüngsten Beispiele, die die Ukraine betreffen. Im Juli 2014 wurde bekanntlich im Himmel über Donbass eine Boeing aus Malaysia abgeschossen. Alle Zeugen bis auf einen (und es gab insgesamt 15 Zeugen) waren anonym – vor Gericht wurden keine Namen genannt. Die Amerikaner erklärten, die hätten Satellitenbilder, die angeblich beweisen, dass Militärs vom Territorium der Donbass-Region getan hätten. Unsere Rechtsanwälte verlangten, diese Bilder zu zeigen, doch die Amerikaner weigerten sich, das zu tun. Und das niederländische Gericht sagte, es glaube den Amerikanern auch so. Das war ja wie im bekannten Witz, wenn jemand am Kartentisch Platz nimmt, ohne die Spielregeln zu kennen.
Und das jüngste Beispiel sind die Ereignisse in Butscha, die zum Vorwand für eine neue Welle von Sanktionen und einer neuen Hysterie im westlichen Lager wurden. Ich darf erinnern, dass diese Provokation drei Tage nach dem Abzug unserer Truppen aus dieser Stadt stattgefunden hat – als wir hofften, die ukrainische würde die in Istanbul getroffenen Vereinbarungen erfüllen. Drei Tage lang trat der Bürgermeister Butschas im TV auf und sagte, dass man wieder „zu Hause“ sei. Und drei Tage später wurden der Welt Dutzende Leichen gezeigt. Nicht irgendwo, in einem entlegenen Garten versteckt, sondern auf einer Straße im Stadtzentrum. Seit dieser Zeit verlangen wir, wenigstens die Namen dieser Menschen zu veröffentlichen, und über Veröffentlichung der Einzelheiten der Ermittlung müssen wir gar nicht reden – falls sie überhaupt geführt wird.
Ich habe im September 2022 in einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York den UN-Generalsekretär António Guterres aufgerufen, seine Autorität zu nutzen und darauf zu bestehen, dass der Weltgemeinschaft die Namen der angeblichen Opfer russischer Soldaten mitgeteilt werden. Das ist aber vorerst nicht passiert. Bei unseren Treffen erinnere ich den Herrn Generalsekretär daran. Aber wir können wohl kaum damit rechnen, dass unsere westlichen Kollegen und das UN-Sekretariat, das vom Westen stark unter Druck gesetzt wird, diese Situation ehrlich bewerten und objektiv ermitteln – trotz unserer Forderungen.
Frage: Wie erfolgt die Wiedervereinigung der Kinder, die während der militärischen Sonderoperation aus Russland ausgeführt wurden, mit ihren Eltern und offiziellen Vertretern? Wie ist der Status der Kinder, die sich auf dem Territorium Russlands aufhalten?
Sergej Lawrow: Ich habe darüber schon gesprochen – Sie haben wohl darauf nicht geachtet. Sie gelten als provisorische Zwangsumsiedler. Manche von ihnen haben provisorische Betreuer. Praktisch niemand von ihnen wurde adoptiert, wenn man bedenkt, dass sich allmählich herausstellt, dass sie Eltern haben, die bereit sind, ihre Kinder abzuholen. Es gibt etliche Kinder in russischen Kinderheimen, deren Eltern am Leben sind, sie aber dorthin abgegeben haben. Sie hatten wohl gar nicht vor, ihre Kinder später wieder abzuholen.
Was den Status und die Zusammenführung der Familien angeht, so hatten wir ein ganzes Briefing im UN-Sicherheitsrat, wo die Präsidentenbeauftragte für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, auftrat. Sie hat die Situation ausführlichst geschildert. Die Namen aller Kinder lassen sich leicht in offenen Quellen finden. Wenn die Eltern dieser Kinder erfahren, dass sie sich in Russland befinden, und sie abholen wollen, dann haben sie die Möglichkeit, das zu tun. Ich kann Ihnen empfehlen, sich an den Apparat Maria Lwowa-Belowas zu wenden (falls das Internationale Strafgericht Ihnen das nicht verboten hat), um einen ausführlichen Kommentar zu erhalten.
Frage: Wie ist die Position unseres Außenministeriums zur Situation am AKW Saporoschje? Die ukrainische Seite hat gestern erklärt, sie führe eine Anti-Strahlungs-Übung durch und verteile Iod. Wie groß ist diese Gefahr, die Kiew modelliert? Wie verhält sich unser Land dazu?
Sergej Lawrow: Wir kommentieren das regelmäßig. Gestern haben wir in einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats wieder ein offizielles Dokument verbreitet, in dem wir unsere großen Besorgnisse um die Fakten zum Ausdruck brachten, die vom provokanten Vorgehen der ukrainischen Seite zeugen. Man behauptet, wir würden uns selbst sprengen, indem wir uns auf dem Gelände eines nuklearen Objekts befinden. Muss ich das kommentieren? Das ist nichts als Lüge, die typisch für die aktuelle ukrainische Führung ist. Sie verbreitet immer wieder irgendwelchen Schwachsinn und behauptet, das wären enorm wichtige Aufgaben, und verlangt vom Westen, diese schwachsinnigen Initiativen zu unterstützen.
Sehen Sie sich nur an, in welchem Ton er mit seinen westlichen Partnern spricht! Irgendein Assistent Selenskis sagte einmal, sie verlangen, dass die Nato auf ihrem Gipfel die Entscheidung über den Start des Beitrittsprozesses der Ukraine treffen sollte – sonst würde er dorthin nicht reisen. So sprechen sie mit ihren Schutzherren, von denen sie zu 100 Prozent abhängen, ob finanziell oder in allen anderen Aspekten.
Was das AKW Saporoschje angeht, so befinden sich dort schon seit vielen Monaten IAEO-Experten. Sie schicken regelmäßig ihre Berichte an ihr Hauptquartier in Wien. Sie können das sogar tagtäglich tun – das ist ihre Entscheidung. Diese Experten, wie auch IAEO-Chef Rafael Grossi, der das AKW Saporoschje persönlich besuchte, wissen genau, wer das Kraftwerk beschießt. In letzter Zeit gibt es wesentlich weniger solche Angriffe, aber erst vor kurzem wurde es regelmäßig beschossen. Sie wissen genau, dass dies gefährlich und böse enden könnte. Aber auf unsere Forderungen, ihre Position offiziell zu formulieren und zu berichten, was sie am AKW Saporoschje mit ihren eigenen Augen sehen, sagen sie uns leider, dass ihr Mandat gar nicht vorsieht, die Schuldigen festzustellen. Deshalb schreiben sie einfach „Angriffe“. Jetzt rufen wir sie auf, wenigstens die geografische Richtung zu nennen – dabei geht es nicht um Feststellung der Schuldigen.
Die Ukrainer spielen gefährliche Spiele. Wir wissen, wie sie „Tragödien“ inszenieren können. Was die Vergabe von Iod und anderen Präparaten angeht… Sie haben einst das Massaker in Butscha und einen russischen „Raketenschlag“ gegen den Bahnhof in Kramatorsk inszeniert. Allerdings stellte sich später heraus, dass das eine amerikanische Rakete gewesen war. Auch viele andere Dinge werden inszeniert. Sie sehen ja, was man sich alles als Clown und Schauspieler einfallen lassen kann. Aber damit müssen wir nun einmal leben.
Frage: Als Sie die Frage unseres Kollegen aus Finnland beantworteten, haben Sie gesagt, dass Sie keine Notwendigkeit in der diplomatischen Präsenz sehen, welche es früher gab. Sie wissen doch, dass Bukarest vor kurzem ebenfalls gebeten hat, die Zahl der Mitarbeiter der Botschaft auszugleichen. Welches Niveau könnte Ihres Erachtens diese Spirale der gegenseitigen Beschränkungen und Ausweisungen erreichen? Dmitri Medwedew sagte ja 2022, dass an den Toren von Botschaften Schlösser gehängt werden sollten.
Sergej Lawrow: Ich habe das gesagt und denke das wirklich. Jeder objektive Analyst wird ja zustimmen, dass es in der Situation, die von unseren westlichen Partnern (der Nato und der EU) geschaffen worden ist, gar nicht nötig ist, die diplomatischen Kontakte genauso intensiv wie in besseren Zeiten zu pflegen, als wir in Freundschaft lebten, kooperierten, gute nachbarschaftliche Beziehungen pflegten, gegenseitige Investitionen tätigten, Geld verdienten, als unsere Menschen einander als Touristen besuchten. Jetzt ist das gar nicht nötig, denn die Kontakte sind zu 90 Prozent auf Eis gelegt worden.
Unsere diplomatische Präsenz bleibt erhalten. Auch Finnland ist bei uns präsent. Der einstige Umfang dieser Präsenz ist nicht mehr nötig. Wir möchten, dass Botschaften und Generalkonsulate normal arbeiten, dass sie nicht auf Probleme bei der Auszahlung von Gehältern und bei Geldüberweisungen stoßen. Wir waren nicht diejenigen, die diese Probleme initiiert haben, und dasselbe gilt für Ausweisung von Diplomaten und auch für die Forderung nach der Parität. Wir können Paritäten festlegen, aber das war bzw. ist nicht unsere Wahl.
Die absolut meisten ausländischen Botschaften in Russland haben russische Bürger angestellt, für die die Quoten diplomatischer Mitarbeiter nicht gelten. Wir tun so etwas nicht. Unsere Arbeiter, die diese Jobs machen, kommen ebenfalls aus Russland. Wenn wir alles nach dem Prinzip „Zahn um Zahn, Auge um Auge“ behandeln würden, könnte es viel zu weit gehen. Wir werden jetzt eine ähnliche Situation mit den Amerikanern und Engländern haben, weil sie diese „Kürzungen“ und „Ausweisungen“ initiiert haben, weil unsere Diplomaten als „persona non grata“ erklärt werden.
Wissen Sie noch, wie diese Situation mit den Amerikanern entstand? Alles begann im Dezember 2016, nachdem Donald Trump zum Präsidenten gewählt worden war, und Barack Obama blieb noch drei Wochen bis zum Abschied aus dem Weißen Haus. Unmittelbar vor Silvester hat Obama beschlossen, „die Tür zu knallen“, um Trump ein gewisses „Erbe“ in den Beziehungen mit unserem Land zu überlassen – oder war er einfach böse. Es wurden mehrere Dutzende von unseren Diplomaten ausgewiesen. Dann wurden uns fünf Immobilien weggenommen, für die eigentlich die diplomatische Immunität im Sinne von entsprechenden internationalen Verträgen galt. Damals beschlossen wir, bis Sommer abzuwarten, so dass die US-Administration unter Donald Trump die Situation wieder gut machen könnte. Das ist jedoch nicht passiert, und dann ergriffen wir Gegenmaßnahmen. In der Diplomatie gilt immer das „Spiegelprinzip“, egal ob gegenseitige Beziehungen positiv oder negativ sind, ob es um gegenseitige Zugeständnisse oder um Flegelei geht.
Frage: Welche Phase hat die Vorbereitung des baldigen Russland-Afrika-Gipfels erreicht? Welche afrikanischen Spitzenpolitiker werden erwartet? Welche wichtigen Dokumente könnten bei diesem Gipfel unterzeichnet werden?
Sergej Lawrow: Die Vorbereitung des Gipfeltreffens hat schon die Abschlussphase erreicht. Wir erreichen schon die Zielgerade. Praktisch alle Länder haben ihre Teilnahme bestätigt. Mehr als die Hälfte der afrikanischen Länder wird dabei auf höchster Ebene vertreten sein, obwohl man sie unverschämt unter Druck setzt und verlangt, dass sie das Niveau ihrer Präsenz senken. So sind nun einmal die Manieren unserer westlichen Kollegen.
Ich darf abermals erinnern: als unsere militärische Sonderoperation begann, haben wir ihre Gründe erklärt. Präsident Putin trat mit einer Ansprache auf, die alle gesehen und gehört haben. Die Gründe für die Sonderoperation hatten sich jahrelang angehäuft, und es begann mit dem Betrug, als die Nato versprochen hatte, dass sie sich nicht erweitern würde – und es endete mit dem Staatsstreich, nach dem wahre Rassisten an die Macht gekommen sind, die die russische Sprache verbieten und Russen aus der Ukraine verdrängen wollten. Ich habe schon erwähnt, dass sie drohten, Russen zu töten, egal wo sie sie finden würden. Dadurch entstand für uns eine alternativlose Situation, in der wir keine andere Wahl hatten, als eine Sonderoperation zu starten. Das alles haben wir ausführlich erläutert. Der Westen hat das verurteilt – aber er sollte lieber alle anderen in Ruhe lassen – die meisten Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Diese Länder sollten ja wie Erwachsene behandelt werden, und ihr Recht sollte respektiert werden, sich die Einschätzung der Situation durch Russland und den Westen anzuhören und dann selbst zu entscheiden, wie ihre Position sein wird. Wir verlangen nie etwas von anderen und erläutern unsere Position. Der Westen erläutert aber nichts und sagt, Russland wäre „eine Gefahr, und man sollte mit ihm keine Kontakte pflegen“, seine Tage wären „gezählt“, und deshalb sollte man „nicht auf das Pferd setzen, das schon verloren hat“. So sind heutzutage „diplomatische Spiele“ – das weiß ich genau.
Ich habe in den letzten paar Jahren mehrmals Afrika besucht. Meine Kollegen erzählen mir, welchem Druck sie widerstehen müssen. Das gilt der Frage über „Demokratie“ und der Position des Westens zu anderen Ländern und zur Forderung der UN-Charta, die souveräne Gleichheit von Staaten zu respektieren. Darauf pfeift er einfach! Der Westen glaubt nur, dass er selbst alles darf, und die anderen dürfen nur das tun, was ihnen die „goldene Milliarde“ erlaubt.
Die meisten Länder werden auf höchster Ebene präsent sein. Es werden eine große Erklärung und ein Dokument vorbereitet, in dem die mittelfristigen (für einige Jahre) Pläne zur Kooperation zwischen Russland und den afrikanischen Ländern geschildert werden sollen. Am Rande des Gipfels werden auch ein Wirtschaftsforum und ein Medienforum stattfinden. Das wird eine intensive Veranstaltung auf mehreren Plattformen sein. Ich bin sicher, dass sie interessant sein wird.
Frage: Können Sie die Angaben der UNO zu zivilen Verlusten in der Ukraine bestätigen? Denken Sie, dass die so genannte „militärische Sonderoperation“ zu einer Verbesserung der humanitären Situation in der Ukraine, im Donbass und in den an Russland grenzenden Regionen geführt hat?
Sergej Lawrow: Was die humanitäre Situation angeht, so ist das eines der Ziele unserer militärischen Sonderoperation. Hat es Ihnen gepasst, dass der ukrainische Präsident Wladimir Selenski noch im Sommer 2021 verlangt hatte, dass alle Menschen, die mit der russischen Kultur verbunden sind, aus der Ukraine nach Russland „abhauen“ sollten, als er Russen als „Kreaturen“ und nicht als „Menschen“ bezeichnet hatte, als Mitarbeiter seiner Administration solche Menschen als „Unmenschen“ bezeichnet hatten und als in der Tat Gesetze verabschiedet worden waren, die alles, was russisch ist, in der Ukraine vernichtet werden sollte, darunter die Territorien, die jahrhundertelang von Russen besiedelt waren, wo sie Städte gründeten und die Wirtschaft, Industrie und Landwirtschaft entwickelten? Und gleichzeitig werden dort Nazis heroisiert, Denkmäler von Soldaten abgerissen, die im Zweiten Weltkrieg den Faschismus besiegt haben. Halten Sie das für eine normale humanitäre Situation? Ob die humanitäre Situation normal war, als schon nach der Unterzeichnung der Minsker Vereinbarungen (sogar noch früher, also gleich nach dem Staatsstreich) zivile Objekte tagtäglich bombardiert wurden: Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten? Damals plädierten wir dafür, dass die OSZE-Mission (die damals noch da war) sich einmischen und die Wahrheit veröffentlichen sollte. Ihre Mitglieder weigerten sich aber jahrelang, Informationen darüber zu veröffentlichen, wer wen angreift, und teilten nur mit, dass an der Trennungslinie im Laufe einer Woche so und so viele Angriffe registriert worden waren und so und so viele zivile Objekte getroffen und so und so viele Zivilisten zu Schaden gekommen waren. Wir baten sie, als OSZE-Vertreter alles objektiv zu schildern. Nach zahlreichen Erinnerungen (und wider die Forderung Kiews, diese Angaben nicht zu veröffentlichen) legten sie Fakten auf den Tisch, laut denen praktisch alle Angriffe von der ukrainischen Seite begonnen worden waren, während das Donbass-Volksheer darauf lediglich reagiert hatte. Die Zahl der Opfer und zerstörten Objekte auf diesem Territorium war fünfmal so groß wie auf dem Territorium, das von den Ukrainern besetzt war.
Jetzt zeigen wir im Fernsehen Angriffe der ukrainischen Streitkräfte gegen zivile Objekte. Ich habe nie gesehen, dass im ukrainischen Fernsehen oder in ukrainischen sozialen Netzwerken gezeigt worden wäre, wie irgendein militärisches Objekt auf dem russischen Territorium getroffen worden wäre. So etwas gab es nie, oder habe ich vielleicht etwas verpasst? Aber selbst wenn es so etwas gegeben hat, dann war das ein Einzelfall.
Unsere Streitkräfte und alle Teilnehmer der militärischen Sonderoperation greifen nicht zivile Objekte an. Sie sollten nicht vergessen, dass seit ihrem Anfang etliche Fakten registriert wurden, wenn ukrainische Militärs ihre schwere Technik vor Hochhäusern, in Schulhöfen oder sogar in Innenräumen aufgestellt hatten. Solche Videos lassen sich im Internet und in sozialen Netzwerken leicht finden. Dass sie absichtlich unsere Schläge gegen schwere Waffen in der Umgebung von zivilen Objekten provozieren, ist auch sehr schmutzig. Unsere Armee sucht nie zivile Objekte als Ziele aus. Sie schießt nur auf Objekte der militärischen Infrastruktur. Und von der ukrainischen Seite sehen wir, dass friedliche Objekte zerstört werden.
Wenn Bulgarien als Freund des jetzigen Regimes über Informationen verfügt, welche Militärobjekte die Ukraine auf dem russischen Territorium getroffen hat, um irgendwie das zu rechtfertigen, was sie gerade anstellt, indem sie Wohlviertel beschießt, wäre ich dankbar, wenn man diese Informationen veröffentlichen würde.
Was Verluste angeht, so habe ich keine Informationen, woher die UN-Vertreter diese Daten bekommen. Jedenfalls fragten sie uns nie nach diesen Angaben.
Frage: Der ukrainische Präsident Wladimir Selenski hat dafür plädiert, dass dem Englischen der internationale Status für Kommunikation in diesem Land verliehen werden sollte. Zudem sollten orthodoxe Feiertage, darunter Weihnachten, verschoben werden. Wir verstehen alle, dass Menschen, die jahrhundertelang Russisch sprachen, unmöglich über Nacht beginnen können, Englisch zu sprechen und Weihnachten am 25. Dezember zu feiern.
Die russischen Geheimdienste haben erklärt, dass man etliche Wertgegenstände aus dem Kiewer Höhlenkloster nach Europa überführt werden könnten, damit sie vor angeblichen russischen Raketenschlägen gerettet werden. Das sieht ja danach aus, wie unsere Feinde während des Großen Vaterländischen Kriegs Wertgegenstände aus der Sowjetunion ausführten, die sich dann quasi in der Luft aufgelöst haben – sie wurden ausgeraubt und auf dem Schwarzmarkt verkauft. Wird das Außenministerium Russlands dies beobachten? Wird Russland versuchen, diese Wertgegenstände zurückzuholen?
Sergej Lawrow: Wir haben uns schon an die UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay, und sie beteuerte, dass ihre Organisation damit nichts zu tun hätte. Aber bei unserer Frage geht es um etwas anderes. Wenn die UNESCO sich daran beteiligt hätte, dann wäre das eine Verletzung von allen möglichen Normen und Satzungen gewesen.
Unabhängig davon, ob jemand um Hilfe gebeten hat, ist die UNESCO bevollmächtigt, sich mit solchen Situationen zu befassen und das Kulturerbe zu schützen. Es gibt eine spezielle Liste, um das Kulturerbe zu schützen, und das Kiewer Höhlenkloster steht auf dieser Liste.
Wir verlangen weiterhin nach Informationen darüber, was sich dort in Wirklichkeit abspielt und ob solche Berichte begründet sind. Unter anderem überprüfen wir die jüngsten Informationen, dass nach Louvre mehrere Ikonen gebracht worden wären, mit denen die Ikonenmalerei einst begonnen hatte. Wer diese Ikonen geschaffen hat und wo sie bisher gelagert wurden, ist unklar: diese Ikonen seien einfach „aus der Ukraine nach Louvre gebracht“ worden. Mitarbeiter des Museums haben das bereits bestätigt. Auf die präzisierende Frage, was das für Ikonen sind und woher sie gebracht wurden, hat man geantwortet, das sei ein Geheimnis. Ein Geheimnis ist auch, wie lange sie in Louvre bleiben werden.
Hier gibt es viele Journalisten. Stellen Sie mal diese Fragen an Mitarbeiter des französischen Museums – das ist wichtig, insbesondere aus der Sicht der Aufrechterhaltung des historischen Erbes und Gedächtnisses.
Frage: Mit dem Problem der Kinder aus der Ukraine ist die Tatsache verbunden, dass der Internationale Strafgerichtshof den Haftbefehl gegen Wladimir Putin erlassen hat. Dadurch entsteht das Problem der Garantien für die Unantastbarkeit des Präsidenten, wenn er zu internationalen Plattformen reist, zum Beispiel nach Südafrika zum BRICS-Gipfeltreffen.Sind Sie sicher, dass die russische Seite die Unantastbarkeit Präsident Putins garantieren kann?
Sergej Lawrow: Die Unantastbarkeit von Staatsoberhäuptern ist durch das Völkerrecht und entsprechende Konventionen garantiert.
Was den Beschluss des Internationalen Strafgerichtshofs angeht, so geht es nicht um Unantastbarkeit, sondern vor allem um das Gefühl der Unantastbarkeit der Angelsachsen, die den Staatsanwalt Karim Khan (der übrigens ethnischer Pakistaner mit dem britischen Pass ist) gezwungen haben, unter Umgehung aller Verfahren und Regeln blitzschnell die Haftbefehle gegen Präsident Putin und die Präsidentenbeauftragte für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa zu erlassen. Für jeden Menschen, der sie gesehen hat, steht die Absurdität dieses Haftbefehls außer Frage.
Die Unantastbarkeit der Angelsachsen ist allgemein bekannt. Sie schaffen sie selbst für sich und verlangen von anderen, das zu erfüllen, was sie befehlen, ohne dass man sie berühren darf. Der vormalige Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda, versuchte einmal, ein Strafverfahren wegen der Verbrechen von US-Militärs in Afghanistan einzuleiten. Ihm wurde sofort gesagt, dass gegen ihn Sanktionen verhängt werden, und in den USA wurde sofort ein Gesetz verabschiedet, demzufolge jegliche Befehle des Internationalen Strafgerichtshofs nicht umgesetzt werden dürfen. Es gab Versuche zur Ermittlung von glaubwürdigen Verbrechen von Engländern und Australiern in Afghanistan, doch der Gerichtshof schwieg einfach. Damit hat er bewiesen, dass er sich von außerhalb verwalten lässt, vor allem durch die Amerikaner und Briten.
Wir wissen, dass die Haftbefehle wider allen Regeln verschickt worden sind. Für die Ermittlung ausgerechnet dieser „Fälle“ wurden zehn Millionen Pfund Sterling bereitgestellt, obwohl der Gerichtshof diese Ausgaben ordnungsgemäß einen nach den anderen finanzieren sollte – aus dem gemeinsamen Haushalt. Alle Menschen, die bereit sind, die Aktivitäten des Internationalen Strafgerichtshofs unvoreingenommen zu betrachten, wissen, dass dabei unfair vorgegangen wird.
Uns, wie auch viele andere Länder, darunter die USA, China und Indien, zwingt dieses Gremium zu nichts. Das ist ein offensichtliches Scheitern des Versuchs zur Vervollkommnung der internationalen Justiz.
Frage: Das Komitee der Parlamentarier für nationale Sicherheit und Aufklärung Kanadas hat in dieser Woche einen Bericht über Sicherheit in der Arktis veröffentlicht. Dabei wird auf die „russische Gefahr“ extra geachtet. Im Vorfeld der Veröffentlichung brachte der kanadische Premier Justin Trudeau die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Kooperation mit Russland wieder aufgenommen werden könnte. Wie betrachtet Russland die Aktivitäten der westlichen Länder in der Arktis? Wie bewertet das Außenministerium Russlands die Effizienz des Arktisrats, wo Russland den Vorsitz vor kurzem Norwegen überlassen hat?
Sergej Lawrow: Der Arktisrat war einer der einmaligen Mechanismen zur Entwicklung einer gleichberechtigten und nicht politisierten Zusammenarbeit, zur Problemlösung im Hohen Norden, wobei im Mittelpunkt die Interessen von Kleinvölkern des Hohen Nordens standen, zur Förderung der umweltfreundlichen Produktion und der umweltfreundlichen Marschrouten. Dabei wurden (und werden) viele positive Dinge gemacht.
Die Freiheit dieser Struktur vom politischen Einfluss (was für sie in den früheren krisenreichen Jahrzehnten typisch war) wurde durch die Besessenheit der westlichen Länder von der Idee, Russland zu isolieren. Es wird inzwischen davon geredet, dass sich eine Rolle für die Nato finden sollte, die für die Sicherheit der Schifffahrt sorgen würde. Dafür sind wir zuständig und erfüllen diese Aufgabe sehr gut. Die Nordostpassage ist eine nationale Marschroute Russlands – sie liegt größtenteils in unserem Hoheitsgewässer. Wir sind für ihre Sicherheit verantwortlich.
Unsere Kollegen im Arktisrat räumten immer ein, dass es in dieser Region keine Fragen gibt, die durch Anwendung der Militärgewalt gelöst werden müssten. Aber der „Appetit“ der Nato wird immer größer: sie hat schon Finnland „geschluckt“, versucht jetzt, Schweden zu überreden, den Koran nicht zu verbrennen, um dieses Land schnellstmöglich in die Allianz zu locken. Diese Prozesse rufen keinen Optimismus hervor. Wir werden das alles bei unseren Handlungen im militärtechnischen Bereich berücksichtigen.
Im Grunde geht die Kooperation weiter, allerdings ohne Beteiligung der Regierungen. Es gibt Kontakte zwischen Organisationen der Kleinvölker.
Dass die Kanadier uns als „größte Gefahr“ bezeichnen, gleichzeitig aber bereit sind, mit uns zu kooperieren, ist eine Äußerung der fehlenden Adäquanz des Westens. Man versteht ja, dass man auch künftig Russlands Nachbar bleiben wird (wir und Kanada sind immerhin Nachbarn). Aber gleichzeitig muss man den Auftrag des „großen Bruders“ erfüllen, der verlangt, uns immer und überall zur „Gefahrenquelle“ abzustempeln usw.
Irgendwann wird sich die Kooperation der nördlichen Länder wieder normalisieren. Unsere Aufgabe ist, den Betrieb der Nordostpassage zu garantieren. Wir bemühen uns intensiv mit der Erweiterung ihrer Möglichkeiten und werden auch für ihre Sicherheit sorgen.
Frage: Die UNO bestätigt 480 Angriffe Russlands auf Schulen und Krankenhäuser in der Ukraine im vorigen Jahr und wirft der russischen Armee vor, 91 Kinder als „lebenden Schutzschild“ ausgenutzt zu haben. Wie lässt sich das erklären?
Sergej Lawrow: Haben Sie mir etwa nicht zugehört? Ich habe eine ähnliche Frage schon beantwortet.
Wir verstehen nicht, auf welche statistischen Angaben sich die UNO stützt. Wir haben UN-Vertreter darauf hingewiesen, dass wir Beweise für ihre Behauptungen sehen wollen. Wir haben keine Bestätigungen für absichtliche Angriffe der russischen Armee auf zivile Objekte gesehen.
Dass die Ukrainer das humanitäre Völkerrecht verletzen und Kriegsverbrechen begehen, indem sie zivile Objekte für diverse Beratungen von Söldnern, westlichen Generälen und Instrukteuren mit ihren Militärs nutzen, ist die Schuld der Ukraine. Wenn wir solche „Versammlungen“ entdecken (eine solche Versammlung fand vor einigen Tagen in Kramatorsk statt), werden wir sie vernichten. Das sind Menschen, die uns den Krieg erklärt haben.
Ich würde die Nato-Länder, die die Ukrainer trainieren, bitten, darauf zu achten, dass die Ukrainer immer wieder zivile Infrastruktur ausnutzen, um dort ihre schweren Waffen aufzustellen.
Auch Spanien trainiert ukrainische Militärs. Aber dabei sollte man ihnen nicht nur beibringen, Russen zu töten, sondern auch auf die einfachsten Normen des humanitären Völkerrechts zu achten. Man darf nicht schwere Waffen auf dem Gelände von zivilen Objekten aufstellen – das ist ein Kriegsverbrechen.
Die UNO sollte daran interessiert sein, solche Fakten festzustellen. Unsererseits gäbe es keine Schwierigkeiten damit, solche Angaben bereitzustellen. Aber wie sie sie verwenden, ruft viele Fragen hervor. Ich habe schon gesagt, dass wir darüber besorgt sind, wie der Westen das UN-Sekretariat unverschämt unter Druck setzt – dafür gibt es viele Beispiele.
Ich hoffe, dass man einsehen wird, dass die UN-Charta vom Sekretariat Neutralität und Unvoreingenommenheit verlangt. Dass das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten die Oberhand gewinnen wird, dass alle Seiten (auch die Nato und die EU) es respektieren werden. Und dass die UNO am Ende des Tages das Instrument zur Förderung der Multipolarität sein wird, das sie nach Auffassung ihrer Gründungsväter sein sollte. Seine Umsetzung wurde jahrelang von den westlichen Ländern behindert, die wollten, dass die UNO ihren Interessen dient (besonders nach der Auflösung der Sowjetunion). Seit gut 30 Jahren versucht der Westen, die UNO auszunutzen – das kann aber keinen Erfolg haben.
Alle sollten wieder die Basisprinzipien der UN-Charta einhalten. Sie sollten sie nicht nur bestätigen, sondern sich auch praktisch richten. Ich hoffe, dass dieser Aufruf nicht infrage gestellt wird. Das ist ein Aufruf zum Respekt für Dinge, die von allen Mitgliedern der Weltgemeinschaft ratifiziert wurden.