Primorye Territory
Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf Pressefragen am Rande des Östlichen Wirtschaftsforums am 6. September 2017 in Wladiwostok
Frage: Wenn im UN-Sicherheitsrat eine neue Resolution gegen Nordkorea eingebracht wird, wird Russland sie blockieren?
Sergej Lawrow: Wie ich verstehe, haben die USA diese Resolution bereits vorbereitet. Es ist nicht korrekt, darüber zu sprechen, ob wir diese Resolution unterstützen oder blockieren werden, denn wir haben sie noch nicht zu Gesicht bekommen. Wir müssen darin zuerst Einsicht gewinnen, und diese Arbeit beginnt derzeit auf einer Expertenebene. Wir werden von den Einschätzungen und der Herangehensweise ausgehen, die vom Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, bei seiner Pressekonferenz in Xiamen formuliert wurden. Sie bestehen darin, dass das nukleare Problem der Koreanischen Halbinsel bereits seit vielen Jahren mit immer neuen Druckmaßnahmen zu lösen versucht wird, dabei wird zu einem Dialog aufgerufen und gleichzeitig jedoch nichts dafür gemacht, um diesen Dialog wiederaufzunehmen. Das wird zu einer Art Prüfstein, der unsere Position bestimmen wird.
Wie bereits hervorgehoben wurde, machten wir mit unseren chinesischen Kollegen diese Tage im Laufe der stattgefundenen Sitzung des UN-Sicherheitsrats nach dem nuklearen Test in Nordkorea auf die gemeinsame russisch-chinesische Initiative zur „Roadmap“ aufmerksam. Sie soll die Situation nicht weiter zuspitzen lassen und zur Wiederaufnahme der Verhandlungen führen.
Ich wiederhole, wir werden sehen, was im Resolutionsentwurf geschrieben steht. Wir werden eindeutig alle Aufmerksamkeit auf die Alternativlosigkeit einer Lösung durch Verhandlungen und die Nichtzulassung einer militärischen Lösung dieses Problems richten. Unter Berücksichtigung dessen, dass der UN-Generalsekretär António Guterres öffentlich tiefste Besorgnis über diese Sachlage ausgedrückt hat, kann man ihn auch darum bitten, den vermittelnden Bemühungen anzuschließen. Ich glaube, es wird nicht nutzlos.
Frage: Planen Sie auch Kontakte am Rande des Östlichen Wirtschaftsforums mit den Vertretern Nordkoreas? Nach einigen Angaben sind sie hier.
Sergej Lawrow: Wie ich verstehe, besteht die Delegation Nordkoreas auf diesem Forum aus den Vertretern des Wirtschaftsblocks der Regierung Nordkoreas. Wir haben hier auch Vertreter der Wirtschaftsministerien und -behörden. Ich glaube, durch die Fachstrukturen der beiden Länder werden die Kontakte stattfinden.
Frage: Wird Russland den Vorschlag der Ukraine zur Stationierung von UN-Friedensstiftern auf der russisch-ukrainischen Grenze unterstützen?
Sergej Lawrow: Es ist besser, die Frage umgekehrt zu formulieren. Dieser Vorschlag wurde vom Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, eingebracht. Dieser Vorschlag war dadurch zu erklären, dass die Sonderbeobachtermission der OSZE in der Ukraine bereits seit vielen Monaten Probleme mit der Sicherheit ihrer Beobachter hat.
Seit vielen Monaten wird der Vereinbarung über das Auseinanderrücken von Kräften und Mitteln der Seiten auf der Demarkationslinie nicht nachgekommen. Ich erinnere, sie wurde von den Staats- und Regierungschefs des Normandie-Quartetts ‒ dem Präsidenten Russlands, Frankreichs, der Ukraine und der Bundeskanzlerin Deutschlands erreicht. Sie wurde in den ersten Kapiteln der Minsker Abkommen verankert, die im Februar 2015 unterschrieben wurden und später von allen den vier Anführern auf ihren Treffen 2015 in Paris und 2016 in Berlin bestätigt. Nichts wird getan. Die drei ersten "Pilotzonen" wurden sogar noch nicht endgültig als Sicherheitszonen festgelegt, in denen das Auseinanderrücken stattfinden muss. Das letzte aus diesen drei „Pilotgebieten“, die Ortschaft Luganskaja, kann immer noch nicht den Status des Gebiets bekommen, in dem die Kräfte und Mittel der Seiten voneinander getrennt sind. Denn die Vertreter der Regierung der Ukraine und der Streitkräfte der Ukraine jedes Mal fordern, dass dem Auseinanderrücken der Kräfte und Mittel sieben Tage volle Waffenruhe vorangehen. Die OSZE-Beobachter haben meiner Meinung nach bereits acht Male eine 7-Tage-Waffenruhe amtlich dokumentiert und bestätigt. Sie schlugen vor, das Auseinanderrücken auf der Ortschaft Luganskaja umgehend zu erfüllen. Jedes Mal erklärten die Kiewer Behörden aber, dass sich die Statistik der OSZE von ihrer eigen unterscheidet, und nach ihren Angaben hat jemand schon einmal irgendwo geschossen. Sie boykottieren und sabotieren vehement die Umsetzung der Anweisungen der Staats- und Regierungschefs des Normandie-Quartetts.
Es gibt ständige Beschwerden darüber, dass die OSZE-Beobachter Risiken ausgesetzt sind – ihnen wird der Zugang in irgendwelche Gebiete zur Durchführung von Patrouillen verwehrt. Dabei geht es aus der OSZE-Statistik hervor, dass sich diese Probleme mit dem verwehrten Zugang auf der Seite der ukrainischen Regierung ansammeln. Solche Fälle gibt es auf der von den ukrainischen Streitkräften kontrollierten Seite mindestens doppelt so viel als auf der Seite der selbsternannten Republiken Donezk und Lugansk. Wenn es das Problem mit der Sicherheit der Beobachter gibt, so sind wir bereit, wie der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, in Xiamen sagte, die mehrmals ausgedrückte Idee mit der Schaffung der UN-Friedensmission „Mission der UNO zum Schutz der Beobachter der Sonderbeobachtermission der OSZE“ zu unterstützen. Alle Vereinbarungen des Minsker Prozesses und der nachfolgenden Gipfel des Normandie-Formats in Paris und Berlin 2015 bzw. 2016 bezeichneten das Auseinanderrücken der Kräfte und Mittel auf der Demarkationslinie als Hauptpriorität. Wir schlugen vor, im UN-Sicherheitsrat einen Beschluss darüber zu treffen, dass, wenn so ein Auseinanderrücken erfolgt, dorthin OSZE-Beobachter geschickt und gleichzeitig zusammen mit ihnen (für ihren Schutz) dort die Kräfte und Mittel der UNO stationiert werden.
Natürlich müssen konkrete Parameter solcher Kräfte und Mittel der „Mission der UNO zum Schutz der Beobachter der Sonderbeobachtermission der OSZE“, darunter die Abstimmung über die nationalen Kontingente (aus welchen Ländern die Teilnehmer dieser Mission zusammengesetzt werden), von den Konfliktseiten abgestimmt werden, was eine obligatorische Einbeziehung der Republiken Donezk und Lugansk in diesen Prozess vorsieht. Eigentlich ist das alles.
Wenn unsere ukrainischen Kollegen sagen, dass sie zur Stationierung dieser Friedensmission im Donezbecken bereit sind, aber beginnen soll man ihrer Meinung nach nicht mit der Demarkationslinie, sondern mit der Grenze zwischen Russland und der Ukraine entlang ihrer gesamten Länge, geht es hier dann nicht nur um klare Fehlinterpretationen, sondern auch um eine direkte Verdrehung der Minsker Vereinbarungen. In den Vereinbarungen steht klar geschrieben, dass die Grenze vollkommen unter die Kontrolle der Ukraine nur dann kommt, wenn sie alles erfüllen wird, worunter ihr Chef Petro Poroschenko seinen Namen gesetzt hat, darunter die Lösung aller politischen Fragen der innerukrainischen Krise. Das sieht die Verankerung eines Sonderstatus für diese Donbass-Gebiete in der Verfassung der Ukraine, darunter auf der ständigen Grundlage, die Durchführung der Amnestie aller Teilnehmer der Ereignisse, die sich kurz nach dem Staatsstreich und dem von Kiew gegen seine eigenen Bürger ausgerufenen sogenannten Anti-Terror-Einsatz ereignet hatten, sowie die Durchführung der Wahlen in den Republiken Donezk und Lugansk vor.
Unser Vorschlag über die Stationierung der Kräfte der UN-Mission betrifft die prinzipielle Hauptpriorität, die in den Minsker Abkommen festgelegt und mehrmals von den Staats- und Regierungschefs des Normandie-Formats bestätigt wurde – ein Auseinanderrücken der Kräfte und Mittel auf der Demarkationslinie, damit die OSZE-Beobachter zu den Sicherheitszonen, die nach diesem Auseinanderrücken entstehen, Zutritt bekommen, und sie würden von UN-Friedensstiftern geschützt werden.
Frage: Wie kommentieren Sie die Aufhebung der Blockade von Deir ez-Zor? Heute gibt es viele Stimmen in der syrischen Armee, die Russland dazu aufrufen, Syrer bei der Befreiung der Provinz Idlib zu unterstützen. Inwiefern wird sich das auf die noch nicht bekanntgegebenen Deeskalationszonen in dieser Stadt auswirken?
Sergej Lawrow: Russland soll wahrscheinlich nicht dazu aufgerufen werden, den Syrern zu helfen, das eigene Land zu befreien. Natürlich war das der wichtigste Meilenstein im Anti-Terror-Kampf auf dem syrischen Territorium, als die Blockade von Deir ez-Zor aufgelöst wurde, wo sich die Truppen der syrischen Armee und die zivile Bevölkerung mehrere Jahre von der IS-Terrororganisation abgeriegelt waren. Mit der Auflösung dieser Blockade werden Bedingungen für eine schnelle Lösung noch einer wichtigen Aufgabe geschaffen – der Befreiung von Deir ez-Zor von Terroristen. Derzeit wird diese Aufgabe von den Kräften der syrischen Armee mit der Unterstützung unserer Luftwaffe gelöst.
Zu der Provinz Idlib laufen derzeit Kontakte zwischen den Garant-Ländern und den Initiatoren des „Astana-Prozesses“ – Russland, dem Iran und der Türkei. Im Laufe dieser Kontakte wurde bei der Abstimmung von Parametern der Konfiguration und Methoden der Sicherheit bezüglich der Deeskalationszone in der Provinz Idlib bereits weit vorangekommen. Ich hoffe, dass wir in absehbarer Zeit von konkreteren Nachrichten hören werden.
Frage: Werden Sie sich am Rande des Östlichen Wirtschaftsforums mit dem Außenminister Japans, Tarō Kōno, treffen?
Sergej Lawrow: Morgen treffen sich der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, und der Ministerpräsident Japans, Shinzō Abe. Dem Treffen werden ich und der Außenminister Japans, Tarō Kōno, beiwohnen.
Frage: Am zweiten September wurde das Generalkonsulat Russlands in San Francisco und die Handelsvertretung Russlands in Washington geschlossen. Welche Gegenschritte werden wir unternehmen?
Sergej Lawrow: Die Handelsvertretung haben sie nicht geschlossen, sondern darum gebeten, die Gebäude, wie auch zwei Gebäude in San Francisco, die in unserem Besitz sind, zu verlassen. Auf die Frage Ihrer Kollegen, wie wir darauf reagiert haben, antwortete gestern der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, bei der Pressekonferenz nach dem BRICS-Gipfel in Xiamen. Dass wir uns fest entschieden haben, die gerichtlichen Prozeduren einzuleiten, rief eine bestimmte Reaktion in den USA hervor. Das US-Außenministerium sagte, dass die gerichtlichen Prozeduren, wie ich verstanden habe, in diesem Fall unangebracht sind, weil sich die USA in vollem Einvernehmen mit ihren Rechten über das Außerkrafttreten der Genehmigung für das Funktionieren unseres Generalkonsulats in San Francisco geäußert haben. Es ist wahr, dass ein beliebiges Land berechtigt ist, und darüber sagte gestern der Präsident Russlands, Wladimir Putin, die Genehmigung für das Funktionieren dieser oder jener diplomatischen Vertretung jedes Landes zu widerrufen. Wir meinen jedoch gerichtliche Prozeduren in Zusammenhang damit, dass unser Eigentum beschlagnahmt, gepfändet und enteignet wird. Dass die Russische Föderation die Gebäude besitzt, die jetzt im Grunde genommen gepfändet sind, hat nichts mit dem US-Recht zu tun, Genehmigungen für die Eröffnung dieser oder jener diplomatischen Vertretungen auf ihrem Territorium zu erteilen oder zu widerrufen.