Finlande (la République de Finlande)
Rede und Antworten des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, auf der Pressekonferenz nach den Verhandlungen mit dem Außenminister der Republik Finnland, Pekka Haavisto, am 3. März 2020 in Helsinki
Sehr geehrte Damen und Herren,
zuallererst möchte ich unserer finnischen Empfangsseite für die Gastfreundlichkeit danken.
Heute gab es ein inhaltsvolles Gespräch mit dem Präsidenten Finnlands, Sauli Niinistö, und andauernde, inhaltsvolle Verhandlungen mit meinem Kollegen, dem Außenminister Finnlands, Pekka Haavisto.
Russland und Finnland sind gute Nachbarn. Wir entwickeln unser Zusammenwirken in der Wirtschaft, kulturellen und humanitären Bereichen, im außenpolitischen Bereich auf Grundlage der Vereinbarungen, die die Präsidenten beider Länder bei ihren regelmäßigen Kontakten erreichten.
In den vergangenen sechs bzw. sieben Monaten gab es Treffen der Innenminister, Außenminister, Minister für Naturressourcen und Umwelt, Verkehr, Justiz, Leiter der Zolldienste und Ermittlungsorgane.
Ziemlich intensiv sind die zwischenparlamentarischen Verbindungen. Heute geht der Besuch des Parlamentsvorsitzenden Finnlands, Matti Vanhanen, in der Russischen Föderation zu Ende, es funktionieren die Gruppen der Freundschaft, finden regelmäßig gemeinsame Sitzungen der Parlamentsausschüsse statt. Das verleiht natürlich mehr Inhalt unseren Beziehungen, darunter Kontakte zwischen den Menschen.
Wir verzeichneten heute eine kontinuierliche Entwicklung der zwischenregionalen, Grenzen-, kulturellen und Touristen-Austausche.
Wir verzeichneten die Wichtigkeit der aktuellen, qualitativen Vorbereitung einer weiteren 16. Sitzung der Zwischenregierungskommission für Wirtschaftszusammenarbeit, darunter die Ausarbeitung des Programms für strategisches Zusammenwirken Russlands und Finnlands im Wirtschaftsbereich bis 2025.
Wir setzen große gemeinsame Projekte um. Ich meine vor allem das Bauprojekt Hanhikivi 1 in Finnland und die Erweiterung der Tätigkeit des Konzerns Fortum in der Russischen Föderation.
Wir verzeichneten ein sehr fruchtbares Zusammenwirken in multilateralen Formaten im Norden Europas und in der Arktis, darunter im Kontext des im nächsten Jahr beginnenden Vorsitzes der Russischen Föderation im Arktischen Rat, und in Finnland – im Euroarktischen Barentssee-Rat. Wie mein Kollege erwähnte, werden wir besondere Aufmerksamkeit den Naturschutzmaßnahmen widmen.
Wir besprachen die Menschenrechtsfragen, darunter die Situation mit der Tätigkeit der Zeugen Jehovas. Wir bestätigten unsere Position, dass jede Nichtregierungsorganisationen, darunter religiöse, die russischen Gesetze respektieren sollen. Leider trat die Organisation Zeugen Jehovas, die in Russland tätig war, mit direkten Aufrufen, den russischen Gesetzen nicht zu folgen, auf. Wir können dem natürlich nicht zustimmen.
Wir sprachen ausführlich über die Situation in der Region der Ostsee, darunter im Kontext der Umsetzung der Initiative des Präsidenten Finnlands, Sauli Niinistö, über Vertrauensmaßnahmen in diesem Gebiet.
Wir erzählten über unseren Dialog mit Nato-Mitgliedern zu den Fragen der Sicherheit, Vertrauensbildung. Wir erzählten darüber, welche Vorschläge wir bereits vor mehr als einem Jahr der Nato vorlegten, auf die wir bislang keine Antwort bekamen. Wir kommen daher zum Schluss, dass zu den Plänen der Nato nicht die Ausarbeitung und Umsetzung zusammen mit uns konkreter Maßnahmen der Deeskalation und Vertrauensbildung gehört. Leider wird das auch durch praktische Handlungen der Nato bestätigt, vor allem der USA, die mit den größten seit vielen Jahrzehnten Übungen Defender Europe 2020 beginnen. Wir sehen keine Probleme in dieser Region, die eine militärische Lösung erfordern würden. Unsere Vorschläge bleiben auf dem Tisch. Hoffentlich wird in der Nato jedoch gesunder Verstand dominieren.
Wir bestätigten erneut unsere hohe Einschätzung für die traditionelle Politik Finnlands der Nichtteilnahme an Militärbündnissen, die wir als einen wichtigen Faktor der Gewährleistung der Stabilität im Norden Europas und auf dem Kontinent im Ganzen betrachten.
Wir treten für die Normalisierung der Beziehungen zwischen Russland und der EU ein. Leider ging die EU den Weg der Sanktionen gegen die Russische Föderation nachdem er de facto sich damit abfand und den illegitimen Staatsstreich in der Ukraine im Februar 2014 unterstützt hatte. Heute veröffentlichen viele westliche Forscher Fakten, die erklären, wie dieser Staatsstreich in Kiew im Februar 2014 vorbereitet und umgesetzt wurde. Diese Fakten sind zugänglich. Meines Erachtens zeigen sie eindeutig, wie alles geschah. Ich hoffe, dass die EU den Blick in diese neuen Angaben gewinnen wird. Jedenfalls meine ich, dass die europäischen Werte der EU nicht vorsehen, die Ultranazis und Neonazis zu begünstigen sowie den Reformen, die in der Ukraine als grobe Verletzung der Rechte der nationalen Minderheiten durchgeführt werden, vor allem im Sprach- und Bildungsbereich, stillschweigend zustimmen.
Wir bestätigten die gegenseitige Zustimmung der Notwendigkeit der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen in vollem Umfang. Wir erzählten über die konkreten Schritte, die die Russische Föderation unternimmt, um die Erfüllung dieses wichtigen Dokumentes zu erreichen,
wie das vorgesehen ist, via einen direkten Dialog zwischen Kiew, Donezk und Lugansk. Wir zeigten die Schädlichkeit der Versuche, die Arbeit in der Kontaktgruppe abzubauen, wo dieser direkte Dialog erfolgt.
Russland tritt generell bei jeder außenpolitischer Frage und anderen Fragen dafür ein, das Vereinbarte zu erfüllen. Das betrifft auch die Krise im Osten der Ukraine. Das betrifft in vollem Maße auch die Situation in Syrien, vor allem Idlib, wo wir mit unseren türkischen Kollegen bereits vor anderthalb Jahren vereinbart haben, wie das Problem der Deeskalationszone Idlib gelöst werden soll, damit dort nicht Terroristen dominieren.
Wir hoffen, dass unsere Kollegen in der EU bei der Erörterung der Fragen, die die Situation in Syrien betreffen, dem Problem der illegalen Migration Aufmerksamkeit widmen werden, Hoffentlich werden sie dabei nicht an eine riesige Bedrohung vergessen, die mit der Willkür des Terrorismus im Nahen Osten, darunter in der Zone Idlib verbunden ist.
Zum Schluss möchte ich betonen, dass es Ende Dezember dieses Jahres 100 Jahre seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen unseren Ländern sind. Wir haben heute vereinbart, Veranstaltungen vorzubereiten, die es ermöglichen werden, dieses Datum würdig zu feiern.
Frage: Finnlands Präsident Sauli Niinistö sagte gestern, dass eine zweite Welle der Migrationskrise zu erwarten ist. Wurde diese Frage bei Ihrem heutigen Treffen besprochen? Wie kann Russland mit seinem Ansehen die Vorbeugung solcher Krise und Einstellung der Kampfhandlungen in Syrien beeinflussen?
Sergej Lawrow: Russland tat bereits viel und erklärte ausführlich die Motive seiner Handlungen. Ja, wir schnitten das Syrien-Problem an, darunter im Kontext der Entwicklung in der Deeskalationszone Idlib, darunter die Aspekte, die mit der illegalen Migration und Migration generell aus dieser Region in die EU verbunden sind.
Ich darf erinnern, dass die erste große und beispiellose Migrationswelle aus dem Nahen Osten bzw. Nordafrika nach Europa 2011 begann, nachdem die Nato Libyen zerbombt und dessen Staatlichkeit zerstört hatte. Es verwandelte sich deswegen in ein „schwarzes Loch“, durch das in den Süden Waffen geschmuggelt, Menschen und Drogen verkauft wurden, und in den Norden – nach Europa – Migranten massenweise zogen. Um Muammar al-Gaddafi zu stürzen, scheute sich der Westen nicht, mit Terroristen unmittelbar zu kooperieren. Auf Syrien, wo ebenfalls ein „Regimewechsel“ geplant war, wartete dasselbe Schicksal.
Auf ähnliche Weise unterstützte der Westen radikale, extremistische und terroristische Gruppierungen bei solchen Handlungen, die 2015 beinahe zum Sturz der legitimen Regierung in Syrien geführt hätten, als Russland auf Bitte dieser legitimen Regierung seine Luft- und Weltraumtruppen in dieses Land schickte, um die Terrorgefahr zu unterbinden.
Wir begreifen sehr gut die Schwierigkeit des Migrationsproblems für die Europäische Union. Wir führen einen Dialog mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst über Migrationsfragen. Wir werden ihn auch fortsetzen und möglichst unseren Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten. Aber wir können nicht die Lösung des Migrationsproblems auf Kosten der Einstellung der Terrorbekämpfung fördern, wozu manche Politiker in Europa auffordern.
Die Lösung des Problems bestünde in der vollständigen Erfüllung der Vereinbarungen der Präsidenten Russlands und der Türkei, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan, in Bezug auf die Deeskalationszone Idlib, die sie im September 2018 getroffen haben. Leider werden sie bislang nicht umgesetzt. Ich hoffe, dass das bevorstehende Treffen der Präsidenten Putin und Erdogan am 5. März es gestatten wird, diese Situation zu verändern und den Weg zur Erfüllung der Vereinbarungen zu gehen.
Frage: Der ukrainische Außenminister Wadim Pristajko erklärte, die Ukraine wolle eine neue Version der Minsker Vereinbarungen entwickeln. Was hält Russland davon? Darf die Ukraine etwa die Vereinbarungen ohne die anderen Seiten verändern?
Sergej Lawrow: Die Antwort auf Ihre Frage ist offensichtlich: Die Minsker Vereinbarungen sind alternativlos. Bei den heutigen Verhandlungen haben wir das bestätigt. Sie wurden im Sinne der Resolution 2202 des UN-Sicherheitsrats gebilligt und sind dadurch Teil des Völkerrechts geworden.
Wir hören jede Menge konkrete Ideen, die die Gedanken Herrn Pristajkos „entziffern“, unter anderem seine Erklärung, man sollte die Regierungen der selbsternannten Republiken auseinanderjagen, die UN-Truppen dorthin einzuführen und das ganze Perimeter dieser Territorien unter Kontrolle nehmen und erst dann Wahlen organisieren usw. Unter anderem gab es auch die Erklärung der ukrainischen Führung, sie wäre bereit, mit Donbass-Einwohnern zu verhandeln, aber nicht mit den Personen, die sie gewählt haben, damit sie ihr alltägliches Leben organisieren.
Alles, was ich eben erwähnt habe, widerspricht konkreten Bestimmungen der Minsker Vereinbarungen. Ich habe mich schon nicht mehr zum ersten Mal an die Außenminister Deutschlands und Frankreichs, Heiko Maas und Jean-Yves Le Drian, die am „Normandie-Format“ beteiligt sind, mit dem Aufruf gewandt, solche provokanten Aussagen der Offiziellen in Kiew nicht ohne Reaktion zu lassen. Leider bleiben unsere Partner im „Normandie-Format“ in dieser Hinsicht passiv.
Zudem tun unsere französischen und deutschen Kollegen im Grunde nichts dafür, um ihre ukrainischen Partner zu überreden, das zu erfüllen, was beim Pariser „Normandie-Gipfel“ im Dezember 2019 vereinbart wurde. Stattdessen stellen sie die Einberufung eines neuen Gipfels des „Normandie-Quartetts“ als Selbstzweck in den Vordergrund – unabhängig davon, ob die vorigen Vereinbarungen erfüllt werden oder nicht. Wir brauchen aber solche inhaltslosen Gipfeltreffen nicht. Wir sagten das unseren ukrainischen Partnern, die sich darauf konzentrieren sollten, dass die ukrainischen Machthaber die Vereinbarungen zur Auseinanderführung der Kräfte und Waffen, zur Minenräumung und natürlich zur Erfüllung ihres Teils der politischen Reformen erfüllen. Vor allem geht es um die Verankerung des Sonderstatus der Donbass-Region in der ukrainischen Verfassung.
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Sergej Lawrow (ergänzt nach Pekka Haavisto): Die Großmütter, die Herr Minister gesehen hat, die die Trennungslinie überschreiten, um sich etwas zu Essen zu holen, müssen das tun, weil der ukrainische Ex-Präsident Pjotr Poroschenko vor drei Jahren die absolute Handels-, Wirtschafts-, und Verkehrsblockade der Donbass-Region verhängt hat. Und der jetzige Präsident Wladimir Selenski kann sie nicht aufheben.