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Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf der Pressekonferenz nach der hohen Woche der 74. Session der UN-Generalversammlung am 27. September 2019 in New York

Danke, dass sie sich für unser Verhalten zu internationalen Angelegenheiten, der Arbeit der UN-Generalversammlung und dafür, wie daran die russische Delegation teilnimmt, interessieren.

Wir hatten traditionell einen sehr gespannten Terminplan – einige Dutzend Treffen mit den Staats- und Regierungschefs und Außenministern, Gespräche mit dem UN-Generalsekretär und Vorsitzenden der 74. Session der UN-Generalversammlung und traditionelle Kontakte im Rahmen der Fünf der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, in BRICS, OVKS und Nahostquartett.

Die Session fand unter nicht einfachen Bedingungen statt. Man muss darüber nicht lange sprechen. Es gibt viele nicht geregelte Krisen, Konflikte. Leider sinkt nicht die Zahl der Probleme in der Weltpolitik und Wirtschaft. Wir haben uns heute in unserem Auftritt bemüht, unsere Vision davon darzulegen, worin die Gründe solcher gar nicht optimistischer Lage liegen. Wir haben uns bemüht, das Konzept zu analysieren, das heute von den westlichen Kollegen aktiv durchgesetzt wird – „die auf Regeln ruhende Ordnung“, und zu sehen, inwieweit sie den universellen, allgemein anerkannten, gemeinsam abgestimmten Völkerrechtsnormen entspricht.  Nach unserer Einschätzung entspricht sie nicht ganz, und in mehreren Fällen widerspricht sogar. Deswegen werden wir es anstreben, dass alle Länder zum Respekt der UN-Charta, anderer Normen und Prinzipien des universellen Völkerrechts zurückkehren. Ich kann ihnen zusichern, dass wir bei dieser Arbeit und dieser Position sehr viele Gleichgesinnte haben.

In diesem Jahr fiel die Eröffnung der Session der UN-Vollversammlung mit unserem Vorsitz im UN-Sicherheitsrat zeitlich zusammen. Ihre zentrale Veranstaltung war die Ministersitzung, die wir vorgestern abhielten, die der Kooperation der UNO mit der OVKS, SOZ und GUS im Bereich  Antiterrorkampf gewidmet war.

Wir führten noch eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats durch – gestern fand eine Diskussion zum Thema Festigung des Friedens und Sicherheit in Afrika statt, die wir zusammen mit drei afrikanischen Mitgliedern des Sicherheitsrats organisierten.

Meines Erachtens waren die beiden Veranstaltungen ziemlich ergiebig. Im ersten Fall wurde geschafft, die zusätzlichen Möglichkeiten zu skizzieren, die umgesetzt werden sollen, um gegen Terrorismus effektiver zu kämpfen, wobei das Potential der regionalen Organisationen eingesetzt wird. Die zweite Veranstaltung betonte erneut, dass die afrikanischen Probleme auf der Tagesordnung  des höchsten UN-Organs – Sicherheitsrats, dominieren. In unserer Arbeit soll das Prinzip „für afrikanische Probleme – afrikanische Lösungen“ festgelegt werden, damit die Afrikaner selbst ihre Erfahrung, ihre Praxis nutzen und die Probleme des Kontinents lösen, bei der Suche nach Kompromissen zwischen den Konfliktseiten in einem jeweiligen Staat bzw. Teil Afrikas helfen.

Ich denke, dass die stattgefundenen Diskussionen gänzlich im Rahmen der hohen Woche der UN-Generalversammlung und die parallel stattgefundenen Gespräche bestätigten, dass die Grundlage des effektiven Reagierens der Menschheit auf verschiedene Drohungen, die für uns alle gemeinsam sind, die Stütze auf die zentrale koordinierende Rolle der UNO ist. Bei allen ihren Nachteilen konnte die Menschheit nichts zuverlässiger entwickeln. Ich denke nicht, dass sie es in der nächsten Zeit entwickeln würde.

Frage: Ich hätte eine Frage zum Iran. Wie sehen Sie die Situation um die Zukunft des Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans und die amerikanisch-iranischen Beziehungen gemäß Ergebnissen dieser hohen Woche der UN-Generalversammlung? In ihrer Rede haben Sie das russische Konzept der kollektiven Sicherheit im Persischen Golf erwähnt – ist es immer noch „auf dem Tisch“? Haben Sie es während Ihrer Treffen in der UNO besprochen?

Sergej Lawrow: Die Probleme, die mit dem Zerfall des Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans verbunden sind, sollen nicht von der jetzigen Session der Generalversammlung abgezählt werden. Sie begannen viel früher – vor anderthalb Jahren, als die USA einseitig aus diesem vom UN-Sicherheitsrat gebilligten und damit zum Teil des Völkerrechts gewordenen Dokument ausstiegen und sagten, dass sie allen anderen ebenfalls verbieten, das zu machen, und falls jemand diesen Plan erfüllen wird, darunter mit dem Iran handeln, werden gegen ihn Sanktionen eingeführt.

Ich denke, dass es sich um zerstörerische Handlungen nicht nur für eine konkrete Situation um das iranische Atomprogramm, sondern auch für das Regime der Nichtverbreitung von Atomwaffen und die Situation in der Region im Ganzen handelt. Leider betrachten unsere US-Kollegen fast jeden Aspekt der Situation im Nahen Osten und Nordafrika via das antiiranische Prisma. Also ob sie bewusst versuchen, möglichst viele Gründe zu finden, um eigene Behauptungen zu sichern, dass der Iran die Hauptquelle des Übels in dieser Region ist, und alle Probleme nur mit dem Iran verbunden sind.

Unser Konzept besteht in diesem Zusammenhang darin, die Erfahrung anderer Regionen der Welt zu nutzen, darunter Europas, wo einst der Prozess der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa begonnen wurde, der im Ergebnis zur Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki, Verabschiedung vieler wichtiger Deklarationen auf der höchsten Ebene führte. Ich sprach heute schon über sie: das sind die Europäische Sicherheitscharta und der Beschlussdokument - die Plattform für kooperative Sicherheit. Das war das Jahr 1999. In den damaligen Dokumenten wurden die Prinzipien des Dialogs, gegenseitiger Berücksichtigung der jeweiligen Interessen, der Bereitschaft, gegenseitige Besorgnisse zu besprechen, und am wichtigsten – dass niemand seine Sicherheit auf Kosten der Einschränkung der Sicherheit der Anderen festigt, erklärt.

Diese Logik bildet auch die Grundlage unserer Initiative – des Sicherheitskonzeptes für den Persischen Golf. Wir haben es erstmals schon sehr lange her vorgelegt, als die Zuspitzung noch verhindert werden konnte, die wir jetzt beobachten. Leider stimmten damals nicht alle Golfstaaten zu, präventiv vorzugehen. Es wurde gesagt, dass die Idee nicht schlecht sei, sie analysiert werden kann, doch man sollte warten, bis sie reif werde. Jetzt ist sie meines Erachtens schon überreif. Dass sich immer mehr Golfstaaten, darunter natürlich arabische Golfstaaten Gedanken darüber machen, wie diese Situation jetzt deeskaliert werden kann, zeigt, dass die Ideen, die wir fördern, in einer jeweiligen Form nachgefragt sein werden. Sie sind sehr einfach – sich an den Verhandlungstisch setzen, nicht mit den Medien beginnen, nicht einander Ansprüche erheben, sondern alle diesen Besorgnisse auf den Tisch legen und sie sachlich erörtern, ohne mit der Ausrichtung auf irgendein Publikum, und die Befriedigung aller Teilnehmer dieses Prozesses anstreben.

Hoffentlich wird solcher Prozess irgendwann beginnen. Wir vermuteten, dass daran neben den Golfstaaten selbst auch die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und die Arabische Liga, die Organisation für Islamische Zusammenarbeit, die EU – sie zeigt ebenfalls Interesse an dieser Region der Welt - als fördernde Seiten teilnehmen sollten. Anschließend, falls solcher Prozess jedoch beginnt, könnten diese Prinzipien, Herangehensweisen auch auf andere Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas ausgedehnt werden, wo immer mehr der Bedarf nach einem zuverlässigen, inklusiven Sicherheitssystem zu erkennen ist.

Frage: Wie verliefen heute Ihre Verhandlungen mit dem US-Außenminister Mike Pompeo, schnitten Sie das Thema der strategischen Stabilität an, wozu sind sie gekommen? Pompeo schrieb auf Twitter, dass die „USA mit Russland einen konstruktiven Weg zur Vorwärtsbewegung finden müssen“. Wie meinen Sie, waren es nicht wieder einmal schöne Worte?

Sergej Lawrow: Wir haben tatsächlich einen breiten Themenkreis besprochen – wir haben eine Pressemitteilung. Das war auch die strategische Stabilität in allen Dimensionen – natürlich auch die andauernden Konflikte im Nahen Osten und in Nordafrika – Syrien, Libyen – Afghanistan; wir sprachen auch über das Problem Nordostasiens im Kontext des Atomproblems der Koreanischen Halbinsel, sprachen auch über bilaterale Angelegenheiten, darunter die Entwicklung der Gespräche, die zwischen unseren Präsidenten stattfanden, darunter eines der letzten solcher Gespräche in Osaka am Rande des G20-Gipfels. Im Juli fand anschließend ihr Telefongespräch statt. Während dieser Gespräche, vor allem von der russischen Seite, wurden die Vorschläge aufgebracht, anzustreben, zusätzliche Kanäle der Kommunikation zwischen den Unternehmern der zwei Länder und zu den Fragen des Begreifens der Weltprobleme auf solche Weise, damit Russland und die USA ihre Regelung via die Schaffung eines Expertenrats aus angesehenen Diplomaten, Politikern, ehemaligen Militärs, Vertretern der Aufklärungsdienste, Sicherheitsdienste maximal fördern können, zu schaffen. Diese Vorschläge sind auf dem Tisch wie auch unsere Vorschläge, die ich heute in meinem Auftritt erwähnte – dass man sich nach dem Zerfall des INF-Vertrags Gedanken über ein gegenseitiges Moratorium für den Ausbau der Raketen dieser Klasse machen, und eine entsprechende Erklärung darüber machen soll; darüber  überlegen, dass man schneller die Arbeit an der Vorbereitung der Verlängerung des START-Vertrags aufnehmen soll. US-Außenminister Mike Pompeo drückte die Bereitschaft aus, diese Themen zu besprechen. Doch er bestätigte die bekannte US-Position, dass man das zu zweit schwer machen kann, man sollte die Rahmen erweitern. Wir werden nicht gegen jede Formate sein beim Verständnis, das alle Teilnehmer, die die USA einladen möchten, diese Einladung aufnehmen werden. Doch jedenfalls bestand unsere Position darin, dass der START-Vertrag, der bereits im Februar 2021 abläuft, unter jeden Umständen verlängert werden sollte. Zumindest um irgendein grundlegendes Instrument im Bereich strategische Stabilität beizubehalten. Hoffentlich wird unser Gespräch mit US-Kollegen zu diesem Thema fortgesetzt. Bezüglich der strategischen Stabilität sprachen wir wohl in diesem Sinne. Ich möchte hervorheben, dass die Reaktion nicht negativ war.

Wir sprachen natürlich auch über bilaterale Beziehungen, wo sich so viele Reizfaktoren anhäuften, dass bei uns bereits mehrere Male pro Jahr unsere Stellvertreter bzw. Direktoren der entsprechenden Abteilungen der außenpolitischen Dienste treffen, jedes Mal diese Probleme (zu 90 Prozent sind sie von unserer Seite) vorlesen, leider kann bislang kein Ausweg gefunden werden. Natürlich schnitt ich die empörende Situation mit dem faktischen Verzicht, einem bedeutenden Teil der russischen Delegation – 13 Menschen, Visa auszustellen, an. Wie auch am Tag der Anreise, bestätigte ich erneut, dass ich keinen geringsten Zweifel daran habe, dass weder US-Präsident Donald Trump, noch US-Außenminister Mike Pompeo damit zu tun haben – das bestätigte mir Mike Pompeo. Doch wenn dem so ist, stellt sich die Frage – wie werden dort Beschlüsse getroffen, die mit der Erfüllung der Verpflichtungen Washingtons zur Gewährleistung eines normalen Funktionierens des UN-Hauptquartiers direkt verbunden sind. Und der zweite Gedanke in diesem Zusammenhang – wenn solche Vorfälle vorkommen, treffen  die Vollzieher, die sie zulassen, wohl die Beschlüsse, indem die allgemeine Atmosphäre in den Beziehungen auf eigene Art gedeutet wird. Doch diese Atmosphäre wird von der amerikanischen politischen Klasse geschafft. Jeden Tag, beinahe jede Stunde, kommen mal neue Sanktionen, mal Vorwürfe gegen Russland wegen immer neuer „tödlichen Sünden“. Heute sagte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, dass hinter dem Vorfall, der jetzt um das Telefongespräch zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski entfacht wird, Russland stehe, dass es das alles organisiert habe. Einfach Paranoia, die für alle offensichtlich ist. Doch wenn ernsthafte Politiker und ihnen folgend auch sich ernsthaft positionierende Massenmedien das alles in der ganzen Welt verbreiten, würde ein Beamte, der auf einen Visumsantrag antworten soll, denken: „Ich würde mich lieber absichern“. Deswegen sollte man da alles komplex analysieren und sich bemühen, die allgemeine Atmosphäre zu normalisieren. Danach wird es wohl einfacher sein, die russisch-amerikanischen Beziehungen auf das Stadium zu bringen, das alle erwarten. Wir haben von allen unseren Partnern und aus den Entwicklungsländern, aus Europa solche Wünsche gehört.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Wie würden Sie die Schaffung des Verfassungsausschusses in Syrien kommentieren? Sehen Sie angesichts dieses Ereignisses im Kontext der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats, wo der Aufruf zu gerechten und freien Wahlen enthalten ist, die Aussicht einer vollen Demokratie und freien Wahlen in Syrien – was es in diesem Staat in den letzten 50 Jahren nicht gab, solange die Assad-Familie an der Macht ist?

Sergej Lawrow: Ich kann die Reaktion auf die Bildung des Verfassungskomitees nicht ausdrücken, weil wir uns unmittelbar mit seiner Schaffung befassten, im Unterschied von einigen anderen Teilnehmern dieses Prozesses, die das umfassend bremsten. Wäre es nicht ihre Bemühungen, hätte das Komitee im Dezember des vergangenen Jahres gebildet werden können. Wir wissen, wer versuchte, diese Arbeit zu blockieren, doch wir nahmen das nicht übel, unterstützten weiterhin die syrische Regierung und die Opposition bei der Suche nach abgestimmten Herangehensweisen. Im Ergebnis wurde das geschafft. Ich bin dem UN-Generalsekretär Antonio Guterres und dem Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Syrien Geir Pedersen dafür dankbar, dass sie ziemlich delikat und diplomatisch diesen Prozess begleiteten und Russland, der Türkei und dem Iran als Garantländer des Astana-Formats real halfen, eine für sie annehmbare Liste und Regeln des Verfahrens zu vereinbaren. Der Generalsekretär erklärte, dass sie im Laufe eines Monats die erste Sitzung des Verfassungsausschusses in Genf einberufen wollen, wir begrüßen das. Doch meine wichtigste Botschaft besteht darin, dass ich damit zufrieden bin, dass der Widerstand gegen diesen Prozess stoppte. Weil der Widerstand auf die Torpedierung jeder syrischen Regelung, Provozieren der Konfrontation, Spannung, Skandale in diesem Prozess gerichtet war, damit man dann mit dem Finger zeigen (sie wissen wohl, auf wen) und eine weitere Gewaltanwendung begründen kann. Ich freue mich, dass die Vernunft jedoch gewann, darunter bei unseren westlichen Partnern, die Mitglieder der so genannten Antiterrorkoalition sind. Wir haben heute darüber ebenfalls mit Mike Pompeo gesprochen. Mir scheint, dass bei uns allmählich ein besseres Verständnis ausgearbeitet wird, wie man jedoch den Syrern helfen soll, die Zukunft ihrer Heimat zu vereinbaren, damit alle ohne Ausnahme äußere Akteure die Souveränität und territoriale Integrität Syriens respektieren. Was die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats betrifft, ist sie deutlich breiter und enthält deutlich mehr Punkte, als nur freie Wahlen. Dort ist tatsächlich die Notwendigkeit erwähnt, freie Wahlen unter Kontrolle und mit Hilfe der UNO durchzuführen, an denen alle Syrer teilnehmen könnten. Doch dort steht auch vieles anderes. Darunter die Notwendigkeit der Ausarbeitung der Verfassungsreform – dass soll den Wahlen vorausgehen. Wir wissen über einige Ideen parallel zur Arbeit an der Verfassung unabhängig davon, wenn sie abgeschlossen wird, die Durchführung der Wahlen fordern. Das wird eine weitere Provokation sein. Ich sichere Ihnen zu, dass solche Ideen den Fortschritt und die weiteren Vereinbarungen zwischen den Syrern nur blockieren werden. Alles soll schrittweise gemacht werden. Wenn einige alles auf einmal wollen, entspricht das hoffentlich den Interessen keinem Land in der Region, darunter alle Nachbarn Syriens. Vergessen sie nicht daran, dass in der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats sehr eindeutig die Aufgabe eines kompromisslosen Kampfes gegen Terrorismus fixiert ist. Sie soll ebenfalls nicht außer Acht, ohne Kontext von Gedankenmachen gelassen werden, wie die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats erfüllt werden soll.

Frage: Man sagt, dass Sie  im UN-Gebäude oft rauchten und sogar Geldstrafen zahlten, als sie in New York arbeiteten. Rauchen Sie jetzt? Wenn ja, zahlten Sie Geldstrafen diesmal?

Sergej Lawrow: Ich zahlte nie Geldstrafen. Das sind alles Märchen. Es entstehen irgendwelche Legenden. Wir richten uns strikt nach allen Beschlüssen, die die UN-Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Verhaltensregeln in verschiedenen  Teilen des UN-Hauptquartiers trifft.

Frage: Sie haben sich in dieser Woche früher für die Wiederaufnahme des Flugverkehrs zwischen Georgien und Russland ausgesprochen. Wann können konkrete Handlungen erwartet werden, welche Handlungen werden es sein? Kann angesichts dieser Nachricht erwartet werden, dass auch der Flugverkehr mit der Ukraine demnächst wiederaufgenommen werden kann?

Sergej Lawrow: Der Beschluss über die Einstellung der Flüge nach Georgien wurde als Antwort auf eine empörende Aktion der Oppositionellen getroffen, die die Sitzung der Interparlamentarischen Versammlung der Orthodoxie torpedierten. Das war eine vorbereitete Provokation. Gegenüber unseren Abgeordneten wurde Gewalt angewendet. Als wir diesen Beschluss trafen, wurde verkündet, dass es eine zeitweilige Maßnahme ist und wir sie aufheben werden, wenn sich die Situation normalisiert, wenn in der georgischen Führung die Notwendigkeit begriffen wird, solche Vorfälle zu stoppen.

Am 26. September fand ein Treffen mit dem Außenminister Georgiens, Dawid Salkaliani, statt, worum er gebeten hat. Ich las dann seine verschwommene Kommentare, die meines Erachtens ihm mehr Zeit in Anspruch nahmen, als das Treffen selbst. Unter anderen Fragen fragte er, wann der Flugverkehr wiederaufgenommen werden kann. Ich erklärte ihm, dass wir nie nach künstlichen Anlässen für einen Streit mit Georgien suchten. Wenn die georgische Führung ihre Position zugunsten der normalen Beziehungen zu Russland fördern und nicht den Russenhassern folgen wird, die jetzt meines Erachtens der ehemalige Präsident erneut zum Kampf gegen das Regime in Tiflis aufheben will, dann würde ich anscheinend persönlich den Flugverkehr wiederaufnehmen. Die Kommentare, die Georgier selbst dazu machen, lösen bei mir Lächeln und Erstaunen aus.

Frage: Einige Tage vor Beginn Ihrer Arbeitsreise nach New York genehmigten die USA für die Ehefrau und Tochter Viktor Buts, in dieses Land zu kommen. Haben Sie am Rande der UN-Generalversammlung mit den amerikanischen und kuwaitischen (in Kuwait gibt es noch Maria Lasarewa) das Schicksal konkreter Russen besprochen, die aus verschiedenen Anlässen leiden?

Sergej Lawrow: Die Fragen zu Viktor But stellen wir jedes Mal, bei jedem Kontakt mit der US-Seite. Ich erwähnte eine lange Liste der Reizfaktoren und Probleme in unseren Beziehungen, die den Amerikanern regelmäßig übergeben wird. Das Schicksal von Viktor But sowie Konstantin Jaroschenko, Maria Butina und anderer unserer Staatsbürger, die entweder durch Betrug oder als grobe Verletzung der Gesetze der Länder, wo sie gefasst wurden, entführt wurden, interessiert uns vorrangig. Heute erinnerte ich US-Außenminister Mike Pompeo an diese unseren Besorgnisse, die Aufmerksamkeit erfordern. Es ist gut, dass der Frau und Tochter Viktor Buts erlaubt wurde, zu kommen. Das ist doch ein menschlicher Akt. Doch uns erfreut nicht, dass es erstmals seit vielen Jahren stattfand, die er im Gefängnis aus unbegründeter Klage, manipulierten Verfahren sitzt. Wir werden anstreben, dass die Gerechtigkeit gewinnt.

Mit dem Fall Maria Lasarewa befasste ich mich, als ich vor kurzem in Kuwait war, darunter auf der Ebene des Emirs, Vizepremiers und Außenministers. Uns wird zugesichert, dass sie sich mit dieser Frage eng befassen. Sie haben irgendwelche eigene prozessbezogene Probleme. Für uns ist die Frage klar, man soll sie dringend lösen, wie uns von unseren kuwaitischen Freunden versprochen wurde. Sie wissen wohl, dass uns bei dieser Sache Kollegen aus Großbritannien und den USA helfen. Ich hoffe, dass solches starke, kollektive Signal ein Ergebnis bringen würde.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Wie ist das Ziel Ihres bevorstehenden Besuchs im Irak? Soviel ich weiß, wollen Sie ebenfalls das Irakische Kurdistan besuchen. Irak ist ein großer Importeur der russischen Waffen. Zudem investiert Russland in den irakischen Ölsektor. Angesichts der aktuellen Spannung in der Region will Russland die Handels- und Militärkooperation mit dem Irak erweitern?

Sergej Lawrow: Wir haben mit dem Irak sehr gute Beziehungen, gute Zusammenarbeit in vielen Bereichen, darunter in der Wirtschaft, inklusive Energie, auch im Bereich Festigung der Kampffähigkeit der irakischen Sicherheitskräfte, die weiterhin Unterstützung beim Kampf gegen Terrorismus brauchen. Terroristen im Irak wurde ein sehr ernsthafter Schlag versetzt, doch die Reste dieser Banden organisieren weiterhin Terroranschläge. Wir werden bereit sein, das zu besprechen, was im Interesse der irakischen Seite sein wird, unter Berücksichtigung davon, inwieweit unsere Unternehmen, darunter Ölunternehmen für sich Vorteile in den Projekten sehen werden, die erörtert werden können. Was den Irak-Besuch im Ganzen betrifft, nehme ich jetzt Beispiel von unseren US-Freunden – sie kündigen gewöhnlich ihre Irak-Besuche nicht an, sondern nachdem sie schon angereist sind, erzählen sie dort alles. Wollen wir also warten.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Während des Treffens des US-Präsidenten Donald Trump mit den Anführern von mehr als Dutzend lateinamerikanischen Staaten, darunter Vertreter der venezolanischen Opposition, gab es Aufrufe zur Einführung der zusätzlichen Sanktionen gegen die Regierung des Präsidenten Venezuelas Nicolas Maduro. Doch sie konnten die vermeintlichen Verbindungen zwischen dem Anführer der Opposition Juan Guaido mit den örtlichen Drogenbaronen nicht kommentieren. Wir sahen die Fotos, auf denen Juan Guaido zusammen mit örtlichen Drogenbaronen zu sehen ist. Meinen Sie, dass die UNO irgendwie reagieren soll, dass der Mensch mit solchen „Gepäck“ potentiell Präsident Venezuelas sein kann? 

Sergej Lawrow: Das entspricht dem Niveau der bedauernswerten Auseinandersetzungen, die man in den Vereinigten Staaten mit und ohne Grund beginnt. Wer wen angerufen hat, wer wen informiert hat, wer wem darüber erzählt hat, ob man das erzählen durfte oder nicht… Ich gehe immerhin davon aus, dass sich die UNO mit ernsthaften Sachen beschäftigen sollte. Im Fall Venezuela ist die ernsthafte und wohl wichtigste Sache, die UN-Charta zu verteidigen, die von allen Ländern verlangt, die Souveränität und territoriale Einheit anderer Staaten zu respektieren, sich in ihre Angelegenheiten nicht einzumischen, keine Gewalt gegen sie anzuwenden bzw. ihnen mit Gewalt nicht zu drohen und alle Streitfragen friedlich zu regeln.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Denken Sie, dass der Dialog zwischen der Opposition und der Regierung Venezuelas immer noch möglich wäre?

Sergej Lawrow: Ich habe heute mit der Exekutiven Vizepräsidentin Venezuelas, Delcy Rodríguez, und dem Außenminister Venezuelas, Jorge Arreaza, gesprochen. Sie sind entschlossen, den Dialog mit der Opposition zu führen und nach der gesamtnationalen Verständigung suchen. Natürlich führen sie den Dialog mit dem Teil der Opposition, die dazu bereit ist. Vertreter von Juan Guaidó verändern ihre Position morgens, abends, am nächsten Tag… Am Anfang wiesen sie absolut alle Initiativen zurück. Juan Guaidó sagte, er brauche keine Initiativen – also weder von der CARICOM noch vom „Montevideo-Mechanismus“. Dann stimmte er dem Dialog seiner Vertreter mit Vertretern der Regierung – dem so genannten „Osloer Prozess“ – zu. Jetzt ist die Regierung zum „Osloer Prozess“ bereit – das bestätigten mir die eben erwähnten Regierungsvertreter. Die Capricen von Guaidó & Co. lassen sich dadurch erklären, dass er nicht selbstständig ist. Er bekommt Hinweise, was er zu tun hat, um den Anlass für eine neue Krise zu schaffen, für die Anspannung der Atmosphäre, damit die umstrittene „Monroe-Doktrin“ gerechtfertigt werden könnte, damit der „Pakt von Rio“ eingesetzt werden könnte. Die Staaten, die diesen Mechanismus einsetzten, besprechen inzwischen ernsthaft die Perspektiven für eine gewaltsame Einmischung in Venezuela. Natürlich kann ich nicht etwas für den souveränen Staat entscheiden – wir mischen uns nicht in seine Angelegenheiten ein – aber ich habe den Eindruck, dass falls das passieren würde, wäre das einfach eine Beleidigung für die Völker des ganzen Lateinamerikas. Sie würden sich dann um 200 Jahre zurück versetzen.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Es gab Informationen, dass Sie sich mit einem Vertreter der venezolanischen Opposition getroffen hätten. Stimmt das?

Sergej Lawrow: Was das Treffen mit einem gewissen Herren angeht, den Juan Guaidó auf irgendeinen Posten ernannt hat… Man hat mir erzählt, er hätte irgendwo erklärt, er hätte mit mir gesprochen. Das ist aber nichts als Fake. Leider ist es nun einmal so: Schlechte Beispiele verderben gute Sitten. Wenn "Fake News" weltweit und vor allem in den USA verbreitet werden, um diese oder jene politische Aktion zu begründen, ist das quasi ansteckend. Man lernt bei den Amerikanern, wie man "Fake News"  verbreitet, um die dann auszunutzen, um zu zeigen, dass Russland die venezolanische Regierung im Stich gelassen hätte. Das ist aber hinterlistig und gehört sich nicht für richtige Männer.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): In den USA schreiben viele Medien über eine Festigung der Beziehungen zwischen Russland und Israel. Unter anderem wurden der jüngste Besuch des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und sein Treffen mit Präsident Putin beleuchtet. Könnten Sie bitte über diese Beziehungen erzählen? Wie sehen Sie ihre Zukunft?

Sergej Lawrow: Das waren lange nicht der einzige Besuch Herrn Netanjahus und lange nicht das einzige Treffen mit Präsident Putin in diesem Jahr. Sie haben sehr gute, vertrauensvolle Beziehungen.

Wir betrachten unsere Beziehungen mit Israel aus strategischer Sicht. Dort gibt es schon fast anderthalb Millionen Einwanderer aus der Sowjetunion bzw. aus Russland. Wie Sie wissen, gibt es dort die Partei „Unser Haus Israel“, die sich hauptsächlich auf russischsprachige Wähler stützt. Das Schicksal dieser Menschen ist uns nicht egal. Auch Israels Sicherheit ist uns nicht egal, auch angesichts der schrecklichen Holocaust-Tragödie, die die Juden während des Zweiten Weltkriegs erleben mussten. Wir können keineswegs vergessen, was damals mit dem jüdischen Volk passierte, als dieses Volk gerettet wurde – unter anderem hat die Rote Armee viele Juden gerettet. Dass der israelische Staat nicht nur weiß, was damals passierte, sondern auch den damaligen Rettern dankbar ist, ist ein bedeutender Faktor, besonders vor dem Hintergrund, dass einige von unseren Partnern, die nicht so zivilisiert sind, Denkmäler zerstören, Grabmäler schänden, unter anderem Denkmäler von Holocaust-Opfern. Das ist ein sehr wichtiges Detail. Wenn diejenigen, die ihre Version des Zweiten Weltkriegs voranbringen und davon sprechen, wer den Krieg begonnen hat und wer schuld war, wenn sie den Kommunismus mit dem Nazismus bzw. Faschismus vergleichen – das sind eben die Leute, die Denkmäler von Holocaust-Opfern zerstören. Da können Sie selbst Schlüsse ziehen, welche Ziele diese Leute verfolgen, wo sie erzogen wurden und wie man sich zu ihnen verhalten sollte.

Übrigens wurde in der israelischen Stadt Netanya ein hervorragendes Denkmal für Sowjetische Befreiungssoldaten eröffnet, die den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Wie der israelische Premier Benjamin Netanjahu sagte, wird dort im Januar ein Monument für Opfer der Leningrad-Blockade eröffnet. Diese Veranstaltung wird dem neuen Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz gewidmet. Der 27. Januar ist der Gedenktag von Holocaust-Opfern. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Einladung zu diesen Veranstaltungen bekommen, unter anderem zur Eröffnung des Museums der Leningrad-Blockade.

Neben den geistigen und historischen Verbindungen pflegen wir auch eine erfolgreiche Wirtschaftskooperation und führen einen sehr guten, vertrauensvollen Dialog über Nahost-Probleme, unter anderem über die Situation in Syrien sowie in anderen Teilen dieser Region. Denn wir betonen immer wieder, dass bei der komplexen Lösung dieser Probleme unbedingt die Sicherheitsinteressen Israels berücksichtigt werden sollten. Das ist eine prinzipielle Frage. Aber leider können wir immer noch nicht aus der Sackgasse geraten, in die das Palästina-Problem getrieben wird. Das wird die allgemeine Situation, unter anderem Israels Interessen, negativ beeinflussen.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Heute Vormittag haben wir gehört, wie der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan die Weltgemeinschaft um Hilfe bat, vor allem nachdem der indische Ministerpräsident Narendra Modi im August die in der Verfassung verankerte Autonomie des Bundesstaates Jammu und Kashmir abgeschafft hatte. Es wurde die Warnung zum Ausdruck gebracht, dass eine gefährliche Eskalation zwischen beiden Staaten möglich wäre, die über Atomwaffen verfügen. Wie hat die Weltgemeinschaft dieses Problem in der Vollversammlung besprochen? Was könnten Sie dem Premier Imran Khan als Außenminister eines Landes sagen, dem der Vorsitz im UN-Sicherheitsrat gehört?

Sergej Lawrow: Ich traf mich gestern mit dem Ministerpräsidenten Pakistans, Imran Khan. Wir haben über das Kashmir-Problem gesprochen und die Notwendigkeit eines direkten Dialogs zwischen Indien und Pakistan hervorgehoben. Sie hatten in den 1970er- und 1980er-Jahren in Lahor und Simla entsprechende Dokumente unterzeichnet. Diese Erklärungen und Abkommen bleiben in Kraft. Wie auch die meisten anderen Staaten, plädieren wir dafür, dass die Seiten auf Basis dieser Dokumente nach akzeptablen Vereinbarungen suchen.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Bangladesch befindet sich in einer schwierigen Situation wegen der zahlreichen Rohingya-Flüchtlinge. Das Land leidet ohnehin unter wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Könnten Sie als Vermittler auftreten, um eine würdige Heimkehr der Flüchtlinge voranzubringen, wenn man Russlands enge Beziehungen mit Dakka und Naypyidaw bedenkt?

Sergej Lawrow: Das ist keine Frage, die gelöst werden kann, wenn Russland als Vermittler auftritt. Uns hat niemand darum gebeten. Es gibt das allgemeine Verständnis, unter anderem nach der Besprechung dieser Frage im UN-Sicherheitsrat, dass die Menschen heimkehren sollten. Dafür muss man aber entsprechende Bedingungen schaffen, unter anderem unter Beteiligung der UN-Verwaltung für Flüchtlinge. Man sollte direkt nach Auswegen suchen – durch den Dialog und die Vereinbarung von allen technischen Fragen. Unter anderem sollten die Orte bestimmt werden, wohin diese Flüchtlinge zurückkehren könnten. Auch Garantien für ihre Sicherheit sind erforderlich.

Wie auch in jeder anderen Situation, ist hier eine ruhige und vertrauensvolle bilaterale Arbeit nötig. Die Versuche, die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf dieses Thema zu richten (übrigens sind diese Versuche nicht immer positiv), spannen die Situation nur noch mehr an, so dass sich die Seiten kaum einigen können. Deshalb müsste der Dialog her – sonst nichts. Wir und alle anderen haben keine wunderschönen Rezepte – es gibt nur das, was ich genannt habe.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Die Türkei verhandelte mit den USA über die Einrichtung einer Sicherheitszone in Syrien. Was hält Russland davon?

Sergej Lawrow: Dieses Thema werfen wir natürlich bei unseren Verhandlungen mit den Türken und Amerikanern auf – aus einem ganz einfachen Grund: Das alles passiert auf dem Territorium Syriens. Sowohl die Türkei als auch die USA haben feierlich viele Dokumente unterzeichnet und für die Resolutionen gestimmt, in denen klar und deutlich verankert ist, dass wir alle die Souveränität und territoriale Integrität Syriens zu respektieren haben. aus dieser Sicht ist es uns natürlich nicht egal, wie dieses Thema weiter behandelt wird. 1998 hatten Syrien und die Türkei in Adana ein Abkommen getroffen, in dem Mechanismen vereinbart wurden, die für die Sicherheit in ihrem Grenzraum sorgen. Aus meiner Sicht sollte es kein Problem damit geben, auf derselben Basis (akzeptabel für die Nachbarländer, gegebenenfalls für die Türkei und Syrien) eine Vereinbarung zu treffen, die Sicherheit der Türkei zu gewährleisten. Dieses Interesse Ankaras ist durchaus begründet, denn die Türkei leidet aktuell tatsächlich darunter, dass vom Territorium, das im Moment von den USA kontrolliert wird, auf ihr Territorium Terroristen geraten.

Der dritte Aspekt dieses Problems ist ebenfalls mit der Souveränität Syriens verbunden: Großenteils geht es dabei um die Kurden. Die Amerikaner wollen sie ausnutzen, indem sie Schritte zur Schaffung von Lebensbedingungen auf diesem Territorium und zur Bildung von Verwaltungsorganen dort unternehmen. Auf dem restlichen Territorium Syriens und westlich vom Euphrat wird so etwas nicht getan. Dort antwortet man auf unsere Aufrufe zur Vorbereitung der Heimkehr der Flüchtlinge, dass zunächst der politische Prozess beginnen sollte – und erst dann könnte man schon daran denken. Und östlich vom Euphrat wartet niemand auf den politischen Prozess. Dorthin werden schon längst Gelder gepumpt, die Einwohner bekommen alle nötigen Dienstleistungen – Krankenversorgung, Wasser- und Stromversorgung, Kinder können zur Schule gehen. Und das stört übrigens die arabischen Stämme, die östlich vom Euphrat immer leben. Auf einem Teil des Territoriums, wo sie die ganze Ewigkeit leben, unternehmen die Amerikaner etwas, was sich die Araber nicht gefallen lassen. Das ist eine sehr explosive Situation.

Natürlich gehen wir davon aus, dass die Kurden-Frage im Rahmen der territorialen Einheit und Souveränität Syriens gelöst werden sollte. Wir glauben, dass dies Gegenstand von Verhandlungen werden sollte – und wiederum unter Beteiligung der syrischen Führung. Wir werden nicht nur daran denken, dass die Amerikaner und Türken ihre Treue der territorialen Integrität Syriens abermals bestätigen, sondern das als Kriterium für die Bewertung aller Ereignisse östlich vom Euphrat benutzen.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Der US-Beauftragte für Syrien, James Jeffrey, erklärte, die syrische Regierung würde immer noch nach dem militärischen Sieg streben, bezeichnete dann die Bildung des Verfassungskomitees in der aktuellen Phase als symbolisch. Was könnten Sie dazu sagen?

Sergej Lawrow: Ich kann nicht kommentieren, was Herr Jeffrey sagt. Wir bleiben ständig in Kontakt mit unseren US-Kollegen, aber ihre Kommentare – ob zu Syrien oder zu jedem anderen Konflikt – sind jeden Tag anders, abhängig von der Stimmung und der politischen Konjunktur.

Man warf der syrischen Regierung vor, sie wollte nicht, dass die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats verabschiedet wird. Dann warf man ihr vor, sie wäre gegen die Ergebnisse des Kongresses des syrischen nationalen Dialogs, den Russland im Januar 2018 in Sotschi unter Mitwirkung der Türkei und des Irans  organisiert hat. Die Einberufung des Kongresses wurde zum Wendepunkt bei den Bemühungen um den Übergang von Worten über politische Regelung zu realen Taten.  Gerade bei dem Kongress in Sotschi wurden die Parameter bestimmt, die zur Basis für die Bildung des Verfassungskomitees (dieser Begriff wurde ausgerechnet dort zum ersten Mal verwendet) wurden. Man behauptete, die syrische Regierung wäre gegen dieses Dokument, genauso wie sie zuvor gegen die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats gewesen wäre. Das war aber, gelinde ausgedrückt, nicht wahr, denn Damaskus befürwortete sowohl die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats als auch die Erklärung des Kongresses des syrischen nationalen Dialogs, wie auch alle weiteren Handlungen im Kontext der Tagesordnung, die vom „Astanaer Dreigespann“ bestimmt wurde.  Diese Schritte waren darauf ausgerichtet, dass in Genf ein vollwertiger politischer Prozess unter Mitwirkung der UNO beginnt.

Was will die syrische Regierung jetzt nicht? Falls Herr Jeffrey glaubt, die syrische Regierung würde auf militärischen Sieg setzen, dann weiß ich davon nichts. Sie bestätigt ehrlich alle ihre Verpflichtungen, unter anderem in den Sitzungen des UN-Sicherheitsrats, die dem Thema Syrien gewidmet sind. Wenn man in Amerika mit „auf militärischen Sieg setzen“ meint, dass die syrische Armee mit unserer Hilfe gegen die Überreste der Terroristen, darunter gegen Hayat Tahrir asch-Scham, entschlossen kämpft, die manche als „gemäßigte Struktur“ darstellen, dann ist das nichts als unfaire Entstellung von Fakten. Niemand setzte den Kampf gegen den Terrorismus der militärischen Konfliktlösung gleich. Die bewaffnete Opposition ist Teilnehmer des Astanaer Prozesses und der Vereinbarung zur Bildung des Verfassungskomitees.

Frage: Sie sprachen heute von Doppelstandards und von absichtlicher Verletzung des Völkerrechts durch manche westliche Länder. Gleichzeitig unterstützen Sie das Land Israel, das gegen das Völkerrecht verstößt, indem es seine Siedlungen auf palästinensischen Territorien baut und Menschen in Gefängnisse wirft. Sie haben gute Beziehungen mit Israel. Mahmud Abbas würde gern die Zahl der Vermittler vergrößern. Warum schlagen Sie  Ihre Hilfe nicht bei der Regelung der Palästinenser-Frage vor, indem Sie Ihre guten Beziehungen mit Israel nutzen?

Sergej Lawrow: Wie ich schon sagte, haben all diese „Spielchen“ um das Palästina-Problem: das Versprechen zu einem „Jahrhundert-Deal“, Angebot von Hilfen für 50 Milliarden Dollar, damit die Flüchtlinge nicht nach Palästina zurückkehren, der Versuch, die arabischen Länder zur Normalisierung der Beziehungen mit Israel zu überreden und dann das Palästina-Problem zu lösen (was der Arabischen Friedensinitiative unmittelbar widerspricht) – das alles hat die palästinensisch-israelische Regelung in die Sackgasse getrieben.

Wir sind überzeugt (das sagte ich schon in meiner Rede in der Vollversammlung), dass es den Interessen Israels oder sonst von jemandem widersprechen würde. Denn nur eine Zwei-Staaten-Lösung, nur die Bildung des palästinensischen Staates (was vor 70 Jahren versprochen wurde) könnte den Frieden und die Stabilität in dieser ganzen Region ermöglichen, das Problem entschärfen und die Möglichkeiten für die Extremisten beschränken, junge Araber in ihre Reihen zu rekrutieren. Wir sagen das den Israelis ganz offen. Aber leider neigen sie nach wie vor zur Linie der Amerikaner und ziehen es vor, sich damit selbst zu beschäftigen.

Ich traf mich hier, in der UN-Vollversammlung, mit Abu Mazen. Er äußerte keine Einwände gegen das Vorgehen Russlands: Er sagte nicht, Russland würde viel zu wenig tun, um dieses Problem zu lösen, um den Prozess aus der Sackgasse zu führen. Was alle Verpflichtungen, den ganzen Komplex von Schwierigkeiten angeht, die die aktuelle Phase der palästinensisch-israelischen Regelung bestimmen, so wäre der am meisten offensichtliche, der allererste und einfachste Schritt paradoxerweise wie Wiederherstellung der palästinensischen Einheit.

Ja, sowohl die Fatah als auch die Hamas haben äußere Anhänger, und das sind nicht dieselben Länder. Aber das sind immerhin Palästinenser – auf beiden Seiten. Sie sollten ihre Reihen vereinigen, die Einheit der Palästinensischen Nationalen Administration wiederherstellen, Wahlen durchführen und zusammenwirken – das würde die Positionen der Palästinenser bei den Verhandlungen und auch in der internationalen Arena im Allgemeinen wesentlich stärken. Das hängt nur von ihnen und den Arabern ab – und von niemandem sonst.

Die Unfähigkeit dazu ist ein Vorteil für die Kräfte, die behaupten, es wäre unklar, mit wem man verhandeln könnte, weil es dort kein einheitliches Team und keine einheitlichen Unterhändler gäbe. Das ist natürlich nicht sehr korrekt, aber ich beschreibe Ihnen einfach, wie die Kräfte, die keine Regelung wollen, die Situation wahrnehmen. Russland organisierte schon mehrere Treffen unter Beteiligung der Fatah, der Hamas, der Organisation „Islamischer Dschihad“ (dazu kamen etwa zwölf bis 15 Organisationen) und versuchte, ihnen eine Plattform zu bieten, damit sie im Dialogformat vereinbaren könnten, wie sie die Einheit ihrer Reihen wiederherstellen könnten. Es wurden verschiedene Erklärungen vereinbart – aber weiter ging es vorerst nicht. Aber ich denke, dass dies ein enorm wichtiger Teil der Arbeit in der palästinensischen Richtung ist. Wir unterstützen intensiv die Bemühungen der Länder, die gemeinsam mit uns die palästinensische Einheit fördern wollen. Da kann ich unter anderem die Bemühungen Ägyptens und einiger anderen Länder hervorheben.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Im Vorfeld Ihres Treffens mit US-Außenminister Mike Pompeo wurden in einigen Medien Ihre Erklärungen zitiert, dass man eine Gegenreaktion auf die verweigerte Visaausstellung für einige Mitglieder Ihrer Delegation erwarten sollte, deren Sinn vorerst nicht erläutert wurde. Ist das immer noch akut?

Sergej Lawrow: Ich sagte das vorgestern in einer Sitzung der Konferenz für Förderung des Inkrafttretens des Atomwaffenteststopp-Vertrags und gab Kommentare für Journalisten ab. Sowohl gestern als auch heute sprach ich mit US-Außenminister Pompeo über dieses Thema. Ich muss Sie abermals darauf aufmerksam machen, dass ich keine Zweifel habe, dass weder er noch US-Präsident Donald Trump davon nichts gewusst und so etwas nicht verfügt hatten. Mein Amtskollege hat das bestätigt.

Natürlich werden wir das keineswegs ohne Antwort lassen. Wir werden diese Situation nächstes Mal berücksichtigen, wenn in New York oder sonst wo in den USA internationale Veranstaltungen ausgetragen werden. Wir werden mehrmals überprüfen, welche Hinweise die zuständigen Beamten von ihrer Leitung bekommen – gegebenenfalls vom US-Außenminister. Über konkrete zusätzliche Maßnahmen will ich im Moment nicht sprechen.

Aktuell haben wir leider viele Probleme mit den Amerikanern. Wir wollten nie nach dem Prinzip „Auge für Auge, Zahn für Zahn“ handeln. Aber wir konnten nicht das ohne Antwort lassen, was damals die Obama-Administration angerichtet hat, als sie absolut räuberisch unser diplomatisches Eigentum auf dem US-Territorium eroberte. Wir sind genauso in Bezug auf einen Teil des US-Eigentums bei uns vorgegangen. Aber so etwas in einem Land zu tun, wo Privateigentum in der Verfassung und auch in vielen Gesetzen als „heilig“ bezeichnet wird – aus meiner Sicht war das einfach unwürdig seitens der USA als Großmacht mit großen demokratischen Traditionen. Hinzu kam, dass Yahoo News auf einmal daran erinnerte, dass Barack Obama unser Eigentum uns weggenommen hatte, und eine „Sensation“ veröffentlichte: Angeblich wären unsere Ferienhäuser bei Washington und New York „Spione-Nester“ gewesen. Das alles war unanständig.

Natürlich wollen wir, dass sich diese Situation wieder normalisiert – jedenfalls wenn es um normale Arbeitsbedingungen für unsere Diplomaten in den USA und für US-Diplomaten in Russland geht. Nicht alles hängt von uns ab, aber wir werden nach Maßnahmen suchen, um das anzuspornen.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Beim traditionellen Conference-Call erklärte der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, Russland möchte nicht, dass die Stenogramme der Telefonate der Präsidenten Putin und Trump veröffentlicht werden. Machen Sie sich darüber Sorgen? Und machen Sie sich Sorgen über die aktuellen turbulenten innenpolitischen Prozesse in den USA?

Sergej Lawrow: Wissen Sie, meine Mutter hat mir beigebracht, dass es unanständig ist, fremde Briefe zu lesen. Ich bin gewohnt, davon auszugehen. Zumal es um Briefe von zwei Personen geht, die von ihren Völkern auf die Führungsposten gewählt wurden. Es gibt Traditionen und Anstandsnormen, unter anderem auch diplomatische, die ein gewisses Niveau der Vertraulichkeit und Absprachen bei solchen Fragen vorsehen. Ich sage nichts dazu, wer  und wie die Entscheidung zur Veröffentlichung der Aufnahme des Telefonats der Präsidenten der USA und der Ukraine, Donald Trump und Wladimir Selenski, getroffen hat. Es gibt die diplomatische Praxis. Und wenn man jede Frage an die Öffentlichkeit trägt und herumbrüllt, dass wenn diese oder jene Administration dieses oder jenes Zettel, das für ihre Verwandten oder Partner bestimmt war, nicht zeigt, man würde diese Administration dann in Stücke  zerreißen – ist das etwa Demokratie? Wie kann man überhaupt unter solchen Bedingungen arbeiten? Deshalb werden wir dem Wortlaut und dem Geist der Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen folgen, in denen alles geschrieben steht. Ich kann den Medien, die so gerne wissen wollen, ob sie noch etwas veröffentlichen könnten, empfehlen, sich an diese wichtigen Dokumente  zu wenden, die die diplomatischen Beziehungen regeln.

 

 

 

 

 

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