Japon
Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf Medienfragen bei einer Pressekonferenz nach den Verhandlungen mit dem Außenminister Japans, Tarō Kōno, am 14. Januar 2019 in Moskau
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben unsere langen Verhandlungen mit dem Außenminister Japans, Tarō Kōno, beendet, die der Erfüllung des Auftrags des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, und des Ministerpräsidenten Japans, Shinzo Abe, zur Intensivierung der Arbeit am Friedensvertrags auf Basis der Sowjetisch-Japanischen Erklärung von 1956 gewidmet waren.
Auf Vorschlag der japanischen Seite haben wir vereinbart, dass es heute keine gemeinsame Pressekonferenz geben wird, und deshalb halte ich es für notwendig, ein paar Worte dazu zu sagen, was heute vorgegangen ist. Der Außenminister Japans, Tarō Kōno, wird mit Ihnen heute etwas später sprechen.
Wie ich schon sagte, haben wir im Auftrag unserer Leiter über die Organisation der Arbeit am Friedensvertrag auf Basis der Erklärung von 1956 gesprochen. Ich muss ehrlich sagen, dass wir wesentliche Kontroversen haben. Unsere Positionen waren von Anfang an absolut entgegengesetzt, was wir schon öfter sagten. Der politische Wille unserer Leader, die Beziehungen zwischen Russland und Japan vollständig zu normalisieren, verlangt von uns, diesen Dialog zu intensivieren.
Heute bestätigten wir unsere Bereitschaft, auf Basis der Erklärung von 1956 zu arbeiten, und das bedeutet vor allem, dass der allererste Schritt darin bestehen müsste, dass unsere japanischen Nachbarn die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs vollständig akzeptieren, insbesondere Russlands Souveränität über alle Südkurilen-Inseln. Zumal das in der UN-Charta und in vielen Dokumenten verankert ist, die im Rahmen der Beendigung des Zweiten Weltkriegs unterzeichnet wurden, insbesondere am 2. September 1945, und in mehreren späteren Dokumenten.
Wir haben unsere Freunde aus Japan darauf aufmerksam gemacht, dass das Thema Souveränität über die Inseln nicht zu besprechen ist. Das ist das Territorium der Russischen Föderation. Wir verwiesen ihnen darauf, dass diese Inseln laut japanischen Gesetzen als „nördliches Territorium“ gelten, was für die Russische Föderation natürlich unannehmbar ist.
Wir stellten eine ganze Reihe von Fragen, wie unsere japanischen Kollegen die Regelung dieses konkreten Problems angehen wollen, wie die mit japanischen Gesetzen verbundenen Fragen geregelt werden, denn in diesem Fall geht es nicht um Einmischung in innere Angelegenheiten, sondern darum, dass diese Gesetze Fragen betreffen, die unsere japanischen Kollegen mit Russland besprechen und wohl auch regeln wollen. Wir befinden uns erst am Anfang dieses Wegs.
Beide Seiten verstehen, dass wir die Qualität unserer Beziehungen kardinal verbessern müssen, um selbst besonders schwierige Fragen zu besprechen. Im Allgemeinen erleben unsere Beziehungen einen Aufschwung – sie entwickeln sich auf Gebieten wie Handel bzw. Wirtschaft, Investitionen und Kultur. Es findet gerade das hervorragende gegenseitige Jahr Russlands und Japans statt, das großes Interesse unserer Bürger und der Einwohner der japanischen Inseln hervorruft. Es haben fast 500 Veranstaltungen stattgefunden, und es finden immer weitere Veranstaltungen statt. Aber im Wirtschafts- und vor allem im Investitionsbereich könnten wir noch viel mehr tun als wir bisher getan haben. Die Vereinbarung zur Organisation gemeinsamer Wirtschaftsaktivitäten auf den Südkurilen, die vor ein paar Jahren vom Präsidenten Russlands und dem Ministerpräsidenten Japans getroffen wurde, wird umgesetzt, aber ihr Umfang ist ziemlich bescheiden und kaum beeindruckend. Es sind fünf Projekte geplant, und zwar auf nebensächlichen Gebieten. Heute haben wir unsere japanischen Kollegen darauf aufmerksam gemacht. Wir einigten uns darauf, dass die zuständigen Behörden anspruchsvollere Projekte entwickeln werden, damit die gemeinsamen Wirtschaftsaktivitäten sichtbar intensiviert werden.
Wir sprachen auch darüber, dass eine ganze Reihe von großen Verträgen, die gerade besprochen werden, schon seit vielen Jahren nicht umgesetzt werden können. Unter anderem geht es um die Notwendigkeit, offizielle Verhandlungen über ein Präferenzabkommen im Handels- und Investitionsbereich zu beginnen; um Beratungen über die möglichst umfassende Anwendung des Regierungsabkommens über Zusammenwirken bei friedlicher Verwendung der Atomenergie; um ein Abkommen über friedliche Weltraumforschung und -nutzung; um den russisch-japanischen Vertrag über soziale Versorgung und natürlich um die Überwindung von Hindernissen auf dem Weg zur Abschaffung der Visapflicht.
Wir machten unsere Kollegen darauf aufmerksam, dass Russland in den letzten Jahren viele Initiativen zum Ausdruck brachte, die auf die Liberalisierung der Reiseordnung für eine ganze Reihe von Kategorien von Bürgern: für Unternehmer, Touristen, Teilnehmer von sportlichen bzw. kulturellen Austauschen – ausgerichtet waren. In einigen Fällen sollte die Visapflicht absolut abgeschafft werden – das ist unser globales Ziel. Unseres Erachtens gibt es keine Gründe, warum Russland und Japan die Visapflicht nicht abschaffen könnten – angefangen beispielsweise mit visafreien Reisen für Einwohner der Inseln Sachalin und Hokkaido.
Der dritte Bereich, in dem unser Zusammenwirken ausgebaut werden sollte, ist die Außenpolitik, unser Zusammenwirken in der internationalen Arena.
Wir prüften heute die Positionen unserer Länder zu den wichtigsten Fragen der globalen und regionalen Tagesordnung. Wir verzeichneten, dass unsere Positionen in der UNO nicht immer übereinstimmen, genauer gesagt, öfters nicht damit übereinstimmen, was die Abstimmung Japans zu russischen Initiativen betrifft. Das widerspiegelt nicht das Vertrauensniveau, das der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, und der Premier Japans, Shinzo Abe, erreichen wollen.
Wir haben es vereinbart, dass unsere Stellvertreter, wie das auch von unseren Anführern vorgesehen wurde, als sie die Intensivierung der Arbeit am Friedensvertrag auf Grundlage der Erklärung 1956 vereinbarten, konkrete Kontakte fortsetzen und die Positionen voneinander präzisieren werden. Zum nächsten Treffen zwischen dem Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, und dem Premier Shinzo Abe, das in diesem Monat erwartet wird, werden wir berichten, wie ihre Aufträge erfüllt werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den ich erwähnen soll, betrifft das Zusammenwirken im Sicherheitsbereich. Die Erklärung 1956 wurde zu Bedingungen abgeschlossen, als Japan keinen Vertrag über Militärallianz mit den USA hatte. Der Vertrag wurde 1960 geschlossen, danach wichen unsere japanischen Kollegen von der Erfüllung der Erklärung 1956 ab. Jetzt, wenn wir zum Gespräch auf Grundlage der Erklärung 1956 zurückkehren, sollen wir berücksichtigen, dass sich die Situation seit dieser Zeit, was militärische Allianzen Japans betrifft, kardinal änderte. Heute wurden wir bei Verhandlungen auf die Handlungen aufmerksam, die die USA zum Ausbau ihres globalen Raketenabwehrsystems auf dem japanischen Territorium unternehmen, die auf die Militarisierung dieses Teils der Welt gerichtet sind, sowie die Handlungen, die die USA formell mit der Notwendigkeit der Neutralisierung der nordkoreanischen Atombedrohung rechtfertigen, die aber in der Tat Risiken für die Sicherheit der Russischen Föderation und Chinas schaffen.
Ich habe versucht, den Kreis der Fragen zu skizzieren (wir haben jedes von diesen Themen viel ausführlicher besprochen), die wir mit japanischen Freunden durcharbeiten, klären und dann versuchen sollen, allgemeine Herangehensweisen zu jeder dieser Fragen zu erreichen. Ich bin davon überzeugt, dass solche qualitative Verbesserung unseres Zusammenwirkens, sein Übergang in die Phase der vertrauensvollen Partnerschaft das Ziel fördern wird, das von Präsident Russlands Wladimir Putin, und Premier Japans, Shinzo Abe, gesetzt wurde. Sie äußerten sich für die Suche nach solcher Lösung zum Friedensvertrag, die eindeutig unterstützt und durch die Völker unserer Länder eindeutig akzeptiert wird. Das ist eine sehr nicht einfache Aufgabe, doch wir haben Geduld und Bereitschaft, sich zum allgemeinen Verständnis zu bewegen.
Frage: Hat der Außenminister Japans Taro Kono heute die Erklärung des Sonderberaters für Außenpolitik des Vorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei, Katsuyuki Kawai, darüber kommentiert, dass Tokio mit der Unterstützung Washingtons bei der Frage Abschluss eines Friedensvertrags mit Moskau rechnet, sowie Erklärung von Shinzo Abe darüber, dass nach der Übergabe der Insel Schikotan an die japanische Seite die örtlichen Einwohner nicht wegfahren müssen. Wie ist die Position unseres Landes?
Sergej Lawrow: Wir haben heute bereits entsprechende Erklärung zu den Äußerungen des Premiers Shinzo Abe darüber gemacht, dass die russischen Staatsbürger auf den Inseln bleiben können, nachdem sie der Souveränität Japans unterstellt werden. Vor einigen Tagen, gleich nach dem Auftritt von Shinzo Abe, den sie erwähnten, wurde in das Außenministerium der Botschafter Japans eingeladen. Wir haben die vollständige Inakzeptanz solcher Herangehensweisen ausgedrückt, die dem Verständnis und den Vereinbarungen völlig widersprechen, die zwischen den Anführern Russlands und Japans darüber erreicht wurden, wie unser weiterer Dialog zum Problem des Friedensvertrags aufgebaut werden soll.
Was die Äußerungen von Katsuyuki Kawai betrifft, dass die USA an einem Vertrag zwischen Russland und Japan interessiert sein sollen, weil das den „Block“ zur Abschreckung Chinas festigen würde, ist es eine empörende Äußerung. Heute haben wir das offen gesagt. Unsere japanischen Kollegen machten darauf aufmerksam, dass diese Person kein Vertreter der Exekutive ist, er ist Berater des Vorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei. Das stimmt anscheinend. Das Problem besteht nur darin, dass der Vorsitzende der Liberaldemokratischen Partei der Premier Shinzo Abe ist. Wir haben eine sehr ernsthafte Warnung über die Unannehmbarkeit dieser Äußerungen abgegeben. Wir fragten, inwieweit selbstständig Japan bei der Lösung aller Fragen bei einer solchen Abhängigkeit von den USA sein kann. Uns wurde zugesichert, dass Japan Beschlüsse ausgehend von den eigenen nationalen Interessen treffen wird. Wir möchten sehr, dass es so wird.
Frage: Ich hätte eine Frage bezüglich der Anerkennung der Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs. Sie haben gesagt, dass Japan zunächst diese Ergebnisse annehmen soll. Inwieweit sind Sie heute mit der Antwort der japanischen Seite auf diese Frage zufrieden?
Sergej Lawrow: Ich habe unsere Position zu den Ergebnissen des Zweiten Weltkriegs ausführlich und umfassend dargelegt. Ich erinnerte daran, dass es neben des Vertrags von San Francisco, anderen Dokumenten und Erklärung 1956, die zusammen mit dem Vertrag von San Francisco eine Einheit bildet und einen endgültigen Strich unter dem Zweiten Weltkrieg macht, gibt es noch solches wichtige Dokument wie die UN-Charta. Sie enthält Artikel 107, der die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs in der Form anerkennt, in der sie von Alliierten als unerschütterlich gestaltet wurden. Wir haben heute unsere japanischen Kollegen nochmals daran ausführlich erinnert. Ich habe keine Einwände gehört.