la République socialiste du Viet Nam
Interview des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, für vietnamesische und japanische Medien am 16. März 2018 in Moskau
Frage: Wie schätzen Sie die Rolle und die Bedeutung Ihres bevorstehenden Besuchs in Vietnam ein? Wie ist die Rolle Russlands in der Asien-Pazifik-Region?
Sergej Lawrow: Wir haben mit unseren vietnamesischen Freunden sehr enge Beziehungen. Wir bezeichnen sie als Beziehungen der strategischen Partnerschaft. Die Anführer unserer Länder, Präsidenten, kommunizieren regelmäßig. Russlands Präsident Wladimir Putin traf sich mehrmals mit dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams, die Außenminister stehen in einem sehr engen Kontakt, ebenso wie die Leiter von fast allen anderen Behörden – Industrie- und Handelsministerien, Ministerium für Wirtschaftsentwicklung, Finanzen, Verkehr, Kommunikationen. Es gibt de facto keine einzige Abteilung unserer Regierung, die keinen Kontakt zu den vietnamesischen Partnern hat.
Der Bereich der Bildung, Kulturaustausche, humanitärer Kooperation ist traditionell sehr inhaltsreich in unserer strategischen Partnerschaft mit der Sozialistischen Republik Vietnam. Eines der kennzeichnenden Ereignisse, die wir unter anderem während meines Besuchs in Vietnam besprechen werden, ist die Vorbereitung des Kreuzjahres Vietnams in Russland und Russlands in Vietnam. Es ist für 2019 geplant, wenn wir den 25. Jahrestag des zwischenstaatlichen Vertrags über Grundlagen der Freundschaftsbeziehungen feiern werden.
Was die Asien-Pazifik-Region betrifft, versuchen wir hier zusammen mit unseren Freunden nicht nur aus Vietnam, sondern auch aus ASEAN mit Partnerstaaten der ASEAN die Tagesordnung zu stellen, die vereinigend und ausgerichtet auf die Gewährleistung einer nachhaltigen, stabilen Architektur der Sicherheit und Kooperation sein wird, damit die Lage in dieser wichtigsten Region der Welt, die jetzt das Lokomotive der Weltwirtschaft ist, wurde nicht von Vereinbarungen eines geschlossenen Block-Charakters, sondern durch einen Dialog bestimmt, an dem alle ohne Ausnahmen hier liegenden Länder teilnehmen können. Wir wissen die zentrale Rolle der ASEAN bei den Anstrengungen zur Schaffung der Bedingungen für solchen Dialog hoch zu schätzen – das Jahresforum ASEAN für Fragen der regionalen Sicherheit, Jahrestreffen der Verteidigungsminister der ASEAN unter Teilnahme der Verteidigungsminister der Partnerstaaten der Assoziation und mehrere Treffen zwischen ASEAN und individuellen Dialog-Partnern, zu denen Russland gehört.
Ich möchte auch sagen, dass ein ziemlich aussichtsreiches Format, das von Ländern initiiert wurde, die Ost-Asien-Gipfel sind. Bei solchen Gipfeln bespricht ASEAN mit ihren Hauptpartnern, darunter Russland, China, USA, Indien, Japan und mehrere andere Länder (Australien, Südkorea) seit mehreren Jahren die Notwendigkeit der Bildung eines offenen Sicherheits- und Kooperationssystems in der Asien-Pazifikregion, die sich auf das Prinzip der Gleichberechtigung aller Teilnehmer und Unteilbarkeit der Sicherheit stützen wird, damit niemand versucht, eigene Sicherheit auf Kosten der Einschränkung der Sicherheit der anderen zu gewährleisten.
Kurz gefasst, sind es die Themen, die wir viel ausführlicher, als ich jetzt darlegte, in Vietnam besprechen werden.
Frage: Wie schätzen Sie die handelswirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Vietnam sowie zwischen Vietnam und der EAWU ein? Wie sind die Aussichten der bilateralen Beziehungen zwischen Vietnam und Russland?
Sergej Lawrow: Ich schnitt schon teilweise das Thema der bilateralen Beziehungen an. Falls man ausführlicher über unser handelswirtschaftliches Zusammenwirken spricht, stieg der Handelsumsatz im vergangenen Jahr um mehr als 35 Prozent auf den historischen Höhepunkt nach 1991, als Russland zum Staat wurde, der jetzt existiert. Früher war der Handelsumsatz etwa 5 Mrd. 350 Mio. US-Dollar. Ich wiederhole, dass ist der Rekord seit 1991. Solches Ergebnis (35 Prozent) verbinden wir im bedeutenden Ausmaß mit dem Freihandelsabkommen, das Vietnam 2015 mit der EAWU abschloss, das 2016 in Kraft trat. Ich bin davon überzeugt, dass falls die Statistik der Handelsbeziehungen Vietnams mit anderen Mitgliedern der EAWU betrachtet wird, wird es dort ähnliche Angaben geben, die zeigen, dass diese Freihandelszone zum Wohle aller Teilnehmer der EAWU und natürlich auch Vietnams funktioniert.
Von den Sachen, die zusätzlich gemacht werden können, ist das die Förderung der regelmäßigen direkten Verbindungen zwischen Geschäftskreisen. Hier gibt es auch Pläne. Je mehr es solche direkte Kontakte geben wird, desto mehr gegenseitig vorteilhafte Projekte werden unsere Geschäftsleute finden. Es ist wichtig, solche Treffen, Geschäftsforen, Rundtischdiskussionen, Ausstellungen, Messen zu fördern. Besonders unter Berücksichtigung der Tatsache, dass als Zusatz zum bereits traditionell gewordenen Internationalen Petersburger Wirtschaftsforum, wohin unsere vietnamesische Freunde kommen, es jetzt auch eine neue Plattform gibt, die näher zu ihnen ist – Östliches Wirtschaftsforum, das in diesem Jahr, wie auch vor drei Jahren, im September in Wladiwostok stattfindet.
Es gibt ein weiteres aussichtsreiches potentielles Format. Wir bildeten mit vietnamesischen Freunden eine hochrangige Arbeitsgruppe unter Vorsitz der Industrie- und Handelsminister, die sich mit konkreten Investitionsprojekten befassen, bei der Erweiterung der Verbindungen zwischen den Wirtschaftsunternehmen in solchen Bereichen wie die Förderung der Kohlenwasserstoffe, Ölverarbeitung, andere Energiebereiche, Infrastruktur, Verkehr, Kommunikationen helfen. Wir haben gute Ergebnisse, zudem ist klar, dass es bei weitem keine Obergrenze ist. Es ist sehr wichtig, dass wir sehr gutes Potential haben, das sicher positive Ergebnisse in der nächsten Zukunft bringen würde.
Frage: Wir haben solchen Ausdruck gehört – „Wer nicht mit Lawrow sprechen will, wird mit Schoigu sprechen“. Zum Glück führen mit japanischen Partnern Verhandlungen sowohl Sie, als auch Sergej Schoigu im „2+2“-Format durch. Wie schätzen sie solche Art der Verhandlungen als vertrauensbildendes Instrument ein?
Sergej Lawrow: Wir möchten, dass alle unseren wichtigsten Partner daran interessiert sind, gleichzeitig mit Sergej Schoigu und Sergej Lawrow zu sprechen, denn ich bin mir sicher, dass das 2+2-Format (es wurde bei uns nicht nur mit Japan geschafft) eine sehr komplexe und produktive Besprechung der Fragen der militärpolitischen Sicherheit, Regelung verschiedener Konfliktsituationen in jeweiligen Regionen und das Treffen konkreter und operativer Beschlüsse ermöglicht. Wenn einzeln Außenminister arbeiten, brauchen sie Zeit, um Positionen abzustimmen. Wenn einzeln Verteidigungsminister sprechen, sollen sie auch dann sehen, wie dass mit der diplomatischen Tätigkeit ihrer Staaten übereinstimmen wird. Wenn sich Verteidigungs- und Außenminister an einem Tisch im 2+2-Format versammeln, ermöglicht das immer nicht nur den Meinungsaustausch, sondern auch Treffen von Beschlüssen bei mehreren Fragen ohne Verzögerungen.
Wir wissen zu schätzen, dass gerade Japan Initiator der Wiederaufnahme der Tätigkeit dieses Formats wurde. Vor einem Jahr waren wir mit Sergej Schoigu in Tokio. Wir stimmen jetzt die Fristen des Besuchs unserer japanischen Kollegen ab – Außen- und Verteidigungsminister. Wir sind damit zufrieden, dass die Zeit, als dieses Format aus bekannten Gründen eingefroren wurde, die mit den russisch-japanischen Verbindungen nichts zu tun haben, vorbei ist.
Ich rechne damit, dass auch andere Länder, mit denen wir solches Format schufen, ebenso vorgehen werden. Das sind vor allem europäische Länder – sie haben auch ein größeres Interesse an der Wiederaufnahme der Arbeit in solchem Format. Sie verstehen, dass das Einfrieren der Kooperationskanäle kontraproduktiv und negativ für jene, die sich damit befassen, ist.
Frage: Japans Premier Shinzo Abe schlug Russland seinen Plan aus acht Punkten vor, der eine bedeutende Entwicklung der Wirtschaftskooperation und Geschäftsverbindungen vorsieht. Damit bauen Russland und Japan die Atmosphäre des Vertrauens aus, festigen ihre Beziehungen. Das könnte die Lösung der schwierigsten Fragen fördern – Territorialfrage und die Frage des Friedensvertrags. Andererseits gibt es solche Sache wie der Vertrag zwischen Japan und den USA, laut dem die USA ihre Stützpunkte auf dem japanischen Territorium stationieren können. Wie sehen Sie die Existenz solcher Sachen – einerseits die notwendige Festigung des Vertrauens bei den Beziehungen zu Japan und andererseits ein Faktor des Vertrags zwischen Japan und den USA?
Russlands Präsident Wladimir Putin präsentierte am 1. März neue Waffen bei der Botschaft an die Föderalversammlung der Russischen Föderation. Er sagte, dass die neuen Waffen die Existenz der Raketenabwehr der USA sinnlos macht. Wie meinen Sie, beseitigt das die Besorgnisse Russlands wegen der Stationierung der Raketenabwehr der USA, darunter nahe Japan?
Sergej Lawrow: Was den ersten Teil der Frage betrifft, bilden tatsächlich die Grundlage der handelswirtschaftlichen und Investitionskooperation die Dokumente, die eine Vereinbarung des Präsidenten Russlands und des Regierungschefs Japans über die Aufnahme der gemeinsamen Wirtschaftstätigkeit auf den Südkurilen in die faktische Dimension bringen sollen. Doch im breiteren Sinne gibt es Dokumente mit der Liste von vorrangigen Projekten, die von Russland formuliert sind, es gibt bekannte acht Punkte, die von Japan formuliert wurden. Sie bilden bereits die Grundlage unserer ganzen Bewegung zur Entwicklung des Wirtschaftszusammenwirkens in ganz verschiedenen Bereichen.
Die meisten diesen Initiativen haben gute Ergebnisse. Wir möchten sehr, dass sie gewichtiger werden. Ich hoffe, dass das den Interessen unserer japanischen Kollegen entspricht. Zumindest der Handelsumsatz wächst sehr sicher, die nächsten Kontakte der Ministerien, Dienste, mein Besuch sind dem Aspekt gewidmet, zu sehen, welche Vorschläge wir zum weiteren Gipfel des Präsidenten Russlands und des Regierungschefs Japans vorlegen können. Jetzt widmen wir große Aufmerksamkeit bei der Erweiterung und Vertiefung der Wirtschaftskooperation der gemeinsamen Wirtschaftstätigkeit auf vier bekannten Inseln.
Was den Sicherheitsvertrag zwischen Japan und den USA aus dem Jahr 1960, wenn ich mit nicht irre, betrifft, ist Japan natürlich ein souveräner Staat, der selbstständig Beschlüsse auf Grundlage seiner Außen- und Verteidigungspolitik trifft. Das betrifft im vollen Ausmaß auch das, unter welchen Bedingungen die Allianz Japans mit den USA funktioniert. Wir können weder hier, noch in anderen Fällen diktieren – das sind nicht unsere Methoden, Forderungen und Ultimaten zu stellen. Wir sagen offen unseren japanischen Freunden, dass die Beziehungen Japans mit den USA im Militärbereich, darunter die Pläne, die bereits zum Ausbau des Asien-Segmentes des globalen Raketenabwehrsystems der USA auf japanischen Inseln neben Südkorea umgesetzt werden, die Fragen der Gewährleistung der nationalen Sicherheit Russlands direkt betreffen.
Sie haben absolut Recht. Russlands Präsident Wladimir Putin hob in seiner Botschaft an die Föderalversammlung am 1. März erneut hervor und zeigte, wie wir seit vielen Jahren, zumindest, 15 Jahren, als die Amerikaner den ABM-Vertrag aufkündigten, versuchten, sie von der Schädlichkeit diesen Schritts zu überzeugen. Dann versuchten wir, einen Mechanismus einer gemeinsamen Erörterung der Fragen des Schutzes vor ballistischen Raketen zu schaffen. Alle unseren Anstrengungen waren vergeblich. Alles, was unsere US-Kollegen machten, überzeugte uns, dass dieses globale Raketenabwehrsystem nicht zur Abwehr der Bedrohungen aus dem Iran und Nordkorea, sondern zur Einkesselung der Russischen Föderation entlang ihrer Grenzen mit diesen Systemen geschafft wird, die laut Einschätzungen unserer Militärs real darauf gezielt waren, unser strategisches Atompotential zu entwerten.
Wir sagen darüber ehrlich unseren japanischen Freunden. Wir erklären, dass zur Aufhebung der Reizfaktoren in unseren Beziehungen zu Japan, was von Präsident Russlands und Regierungschef Japans vereinbart wurde, zur Vertiefung der Kooperation, Ausbau der strategischen und freundschaftlichen Beziehungen, Bewegung zu diesem Ziel die Fragen behandelt werden sollen, die wir jetzt besprechen – wie die Aufgaben der Beseitigung der Probleme bei unseren Beziehungen damit verbunden werden können, dass das US-Raketenabwehrsystem, das eine Bedrohung für uns darstellt, sich auf dem japanischen Territorium befinden wird.
Deswegen sagen wir darüber, dass alle Sicherheitsfragen in der Asien-Pazifikregion, darunter Südostasien, Ostasien, Nordostasien nicht via Block-Herangehen, Militärallianzen, wie zwischen Japan und den USA, Südkorea und den USA (Australien ist ebenfalls an diesen geschlossenen Blockformaten beteiligt), sondern nur auf inklusiver Grundlage geregelt werden können, wenn alle interessierte Seiten sich an den Tisch setzen, ihre Besorgnisse darlegen und Verhandlungen beginnen, die einen gemeinsamen Nenner bilden sollen, damit alle Besorgnisse adäquat auf Grundlage des Gleichgewichts der Interessen geregelt werden und niemand versucht, seine Sicherheit auf Kosten der Sicherheit der Anderen zu stärken. Wir können uns irren, doch es ist das japanische souveräne Recht, Beschlüsse über Militärallianzen zu treffen. Unser souveränes Recht ist, Schlüsse zu ziehen, inwieweit diese Vereinbarungen, darunter das Raketenabwehrsystem, unsere Sicherheit beeinflusst. Ich denke, niemand soll hier Beleidigungen haben. Wir sind zum Dialog bereit, darunter zu diesem Thema. Doch anscheinend kann Japan in dieser Situation kaum für die USA entscheiden, und die USA weichen jetzt dem Dialog zur Raketenabwehr aus, sowie auch bei den meisten anderen Fragen. Vor kurzem bestätigten sie allerdings das Interesse an der Wiederaufnahme der Konsultationen zu Fragen der strategischen Stabilität mit der Russischen Föderation. Wir sind dazu bereit und werden im Kontakt mit unseren japanischen Nachbarn sie über unsere Einschätzungen davon informieren, wie sich diese Konsultationen mit Amerikanern entwickeln. Wir werden keinen Hehl daraus machen.
Frage: Ist es ein schwerer Widerspruch?
Sergej Lawrow: Hoffentlich habe ich ziemlich verständlich gesprochen. Wir respektieren das Recht Japans auf die Wahl der Methoden bei der Gewährleistung seiner Sicherheit, die Wahl der Partner, Kooperationsformen im Militärbereich mit ihnen. Wir haben natürlich ein vollständiges Recht zu beurteilen, wie diese Vereinbarungen an unseren Grenzen die Sicherheit Russlands beeinflussen.
Frage: Eine Frage über die Pläne der gemeinsamen Wirtschaftstätigkeit auf umstrittenen Inseln. In einem Interview vom 11. Februar dieses Jahres haben Sie gesagt, dass es kein Bedarf besteht, ein übernationales Organ zu schaffen. Wie soll man Ihre Worte verstehen? Wie verhalten Sie sich zur japanischen Position? Sind Sie damit einverstanden, dass spezielle Systeme geschaffen werden sollen, auf die die japanische Seite den Schwerpunkt legt? Will Russland Vereinbarungen erreichen, die darauf gerichtet sein werden, die Frage der Zugehörigkeit der Inseln nicht anzuschneiden? Zum Beispiel ähnlich wie das russisch-japanische Fischerei-Abkommen 1998, wo es einen direkten Hinweis gibt – den Positionen beider Länder keinen Schaden zuzufügen.
Sergej Lawrow: Erstens haben sich unsere Spitzenpolitiker, Präsidenten und Ministerpräsidenten, wie ich schon sagte, bei ihrem Treffen in Japan im Dezember 2016 darauf geeinigt, gemeinsame wirtschaftliche Aktivitäten auf diesen Inseln zu entwickeln. Damals wurde auch eine kurze Erklärung vereinbart, in der die Reihenfolge dieser Aktivitäten bestimmt wurde. Es geht darum, dass zunächst die Liste von wichtigen gemeinsamen Projekten festgelegt werden sollte, die Moskau und Tokio unterstützen werden. Dann sollte angesichts des Umfangs dieser oder jener Projekte beschlossen werden, auf welcher juristischen Basis sie umgesetzt werden. In den Vordergrund sollte nicht der juristische Aspekt, sondern vor allem die Wirtschaftskooperation gestellt werden. Wenn die endgültige Liste der vereinbarten Projekte groß sein wird (vorerst werden fünf sehr wichtige, konkrete, aber nicht besonders große Projekte diskutiert – auf Gebieten wie Kultur Tourismus) und unsere japanischen Freunde Möglichkeiten für die Umsetzung dieser Projekte (aufgrund der ihnen im Sinne der russischen Gesetze zugänglichen Privilegien) sehen (bei den Privilegien geht es vor allem um die Gebiete der beschleunigten sozialwirtschaftlichen Entwicklung und den Freien Hafen Wladiwostok), werden diese Vergünstigungen auch angewandt. Falls der Umfang der aktuell diskutierten Wirtschaftsprojekte so sein wird, dass zusätzliche Vergünstigungen nötig wären, wären wir bereit, ein spezielles Regierungsabkommen zu unterzeichnen, so dass zusätzliche günstige Bedingungen für die Umsetzung der Wirtschaftsprojekte im Rahmen der gemeinsamen Aktivitäten entstehen. Wir sehen keine Notwendigkeit darin, ein übernationales Gremium zu bilden. Wie gesagt, gibt es das aktuelle Regime, das Vergünstigungen im Rahmen des Freien Hafens Wladiwostok vorsieht (es geht um gut 15 Häfen auf der ganzen fernöstlichen Küste Russlands), und das Regime der beschleunigten sozialwirtschaftlichen Entwicklung. Sollten dermaßen umfassende Projekte entstehen, dass dies alles nicht genügt, wären wir bereit, mit unseren japanischen Freunden ein Regierungsabkommen zu unterzeichnen.
Wir gehen davon aus, dass die japanische Seite solche Vereinbarungen, die für sie aus juristischer Sicht unannehmbar wären, nicht erfüllen würden. Aber es ist noch zu früh, darüber zu sprechen. Bevor wir etwas juristisch ausfertigen, müsste es etwas geben, was ausgefertigt werden könnte. Wir haben das vorerst nicht vereinbart. Vorerst stehen fünf ziemlich interessante, aber nicht allzu große Projekte auf der Tagesordnung.
Frage: Was erwarten Sie vom bevorstehenden Treffen der Spitzenpolitiker der USA und Nordkoreas? Könnte die Entlassung des US-Außenministers Rex Tillerson diesen Prozess beeinflussen? Hat sich Russlands Position zur Nordkorea-Frage irgendwie verändert? Russland und Japan gehören zu den Teilnehmern der Sechser-Verhandlungen. Wird Russland mit Japan an der Wiederherstellung dieses Formats zusammenarbeiten?
Sergej Lawrow: Erstens begrüßen wir diese Bewegung, die im Vorfeld der Olympischen Spiele in Pyeonchang begann und jetzt unabhängig von den Paralympics weiter geht. Diese Bewegung hat begonnen, und zwar weil die Seiten die Verantwortung spüren und den mit der Olympia verbundenen „Waffenstillstand“ nutzen, und einander sehr positive Signale schicken. Wir begrüßen die bevorstehenden Kontakte und wünschen dem bevorstehenden koreanisch-koreanischen Gipfel viel Erfolg, der laut unseren Kollegen im April stattfinden wird. Wir verbinden eine große Hoffnung damit, dass sich Kim Jong-un und Donald Trump bereit erklärten, sich persönlich zu treffen. Falls dieses Treffen wirklich stattfindet, würden wir uns sehr freuen.
Es war gestern sehr merkwürdig, im UN-Sicherheitsrat die Situation zu beobachten, als Russland und China für die Billigung der Erklärung des Vorsitzenden des UN-Sicherheitsrats plädierten, wobei die bereits getroffenen Vereinbarungen zum koreanisch-koreanischen Gipfel unterstützt werden könnten. Auch ein Treffen der Staatsoberhäupter Nordkoreas und der USA würde bedeuten, dass der UN-Sicherheitsrat diese Bewegung von der militärischen Spannung zur politischen Regelung fördern würde. Aber diese Erklärung wurde von der US-Delegation blockiert. Deshalb ist es schwer zu sagen, wer konkret entscheidet, in welche Richtung die Probleme der Halbinsel Korea gelöst werden könnten. Im Grunde ist das nicht unsere Sache. Ob der frühere US-Außenminister Rex Tillerson, sein Nachfolger Mike Pompeo oder CIA-Chefin Gina Haspel für diese Politik zuständig sein wird – das hat US-Präsident Trump zu entscheiden. Wir werden die Gestaltung der US-Position beobachten. Möglicherweise wird es dabei mehrere Positionen geben – da kann ich nicht raten. Wir werden schon sehen, wie Washington handeln wird und wer dabei gewinnt. Selbst als Präsident Trump sagte, er wäre bereit, sich mit Kim Jong-un zu treffen und alle Probleme zu lösen, erklärten Vertreter der US-Administration sofort, man sollte Pjöngjang weiterhin unter Druck setzen. So etwas ist in der Diplomatie nicht angebracht. Wenn ein Treffen vereinbart wird, versuchen die Seiten, diese Vereinbarung aufzubewahren, und versuchen nicht, Aktionen zu provozieren, die als Provokationen wahrgenommen werden könnten. Wie gesagt: Das ist die Angelegenheit der US-Administration. Wir beobachten die Situation und sind an friedlicher Regelung und der Verhinderung eines katastrophalen militärischen Szenarios auf der Halbinsel Korea interessiert. Wir grenzen an Nordkorea. Mehrere unsere Städte und Industrieobjekte liegen in der Nähe. Sollte es zu Kriegshandlungen kommen, würde uns das keineswegs passen. Deshalb plädieren wir mit China bekanntlich dafür, dass sich die Seiten auf den politischen Prozess, auf die Regelung konzentrieren. Wir verhandeln darüber regelmäßig mit allen Ländern, natürlich auch mit Japan, die an den Sechser-Verhandlungen teilnahmen und hoffentlich auch teilnehmen werden. Wir haben regelmäßig Beratungen zwischen Diplomaten, die für diese Richtung zuständig sind. Ich hoffe, dass die „Friedensparteien“ bei der Korea-Regelung in allen Hauptstädten siegen werden.
Frage: Sie sagten, Russland hätte keine Motive gehabt, und nannten die Vorwürfe Großbritanniens gegen Russland „Unsinn“. Welche Schritte könnte Russland in dieser Situation unternehmen? Was könnte Russland dafür tun, dass die Wahrheit herausgefunden wird?
Sergej Lawrow: Russland kann nicht nur vieles tun, sondern tut auch viel mehr als jemand sonst, unter anderem auch als das Vereinigte Königreich. In Großbritannien erklärte man, dieser Zwischenfall (als der Mann und seine Tochter entdeckt wurden) wäre die Folge einer Vergiftung. Dann ermittelte man selbstständig die Situation und beschloss, dass dieser Giftstoff in der Sowjetunion hergestellt worden wäre, und die Russen hätten ihn, weil sie die sowjetischen Chemiewaffenvorräte nicht vernichtet hätten. Und deshalb konnten die Briten keinen anderen Schluss ziehen als den, dass Russland dies getan hätte - entweder im Auftrag der Staatsführung oder wegen mangelhafter Kontrolle über die Chemiewaffen.
Allerdings müsste jeder von diesen Vorwürfen bestätigt werden. Doch niemand legt jegliche Beweise auf den Tisch. Als im britischen Parlament diese Frage behandelt wurde, verlangte der Vorsitzende der Labour Party, Jeremy Corbyn, die Ergebnisse der Ermittlung zu veröffentlichen. Aber auch er bekam die Absage. Also stellen sich gewisse Fragen auch bezüglich der „traditionellen“ Demokratien.
Was den Rest angeht, so erwarten wir vom Vereinigten Königreich, dass es einen offiziellen Antrag stellt und entsprechende Prozeduren im Sinne der Chemiewaffenkonvention einleitet. Und man sagt uns, die Erklärung der Premierministerin Theresa May im Parlament und die Vorladung unseres Botschafters zum Außenminister Boris Johnson – das wäre der offizielle Antrag. Aber das ist gar nicht so – das ist eine absolut analphabetische Erklärung. Im Sinne der Konvention sollte das Land, auf dessen Territorium etwas passiert ist, was ermittelt werden muss, dies offiziell, schriftlich tun. Ich habe keine Zweifel daran, dass unsere britischen Kollegen alles genau wissen – dort sitzen immerhin sehr kluge Menschen. Dass sie sich weigern, den Antrag offiziell zu stellen und eine arrogante und sogar hysterische antirussische Rhetorik führen, bedeutet, dass sie sehr gut verstehen, dass sie keinen formellen Anlass haben, den juristischen Weg zu gehen. Sie versuchen, auf den Russland-Hass zurückzugreifen – in der Hoffnung, dass die westliche Welt, wie auch in mehreren anderen Fällen, sich in eine Reihe hinstellen und sie unterstützen werden, zumal die USA bereits erklärten, sie tun das voll und ganz.
Wir präsentierten viele Fakten, die sich nicht ignorieren lassen, die unter anderem in den letzten 15 Jahren in westlichen wissenschaftlichen Fachmagazinen veröffentlicht worden waren, die der Arbeit mit Giftstoffen gewidmet waren, die in Großbritannien als „Nowitschok“ bezeichnet werden. Als diese Chemiewaffen in Russland vernichtet wurde, wurden die Arbeiten daran laut westlichen Medienberichten in den USA, in Großbritannien, Tschechien und Schweden fortgesetzt. Alles begann noch 1991 bzw. 1992, als sich die Sowjetunion auflöste, wobei die Labore, wo Giftstoffe aus der „Nowitschok“-Kategorie produziert wurden, neben Russland auch in den Baltikum-Ländern und Usbekistan geblieben waren. Das Labor in Usbekistan wurde ausgerechnet unter Mitwirkung von US-Spezialisten liquidiert. Also ist es jetzt schwer zu sagen, wer wo zu was gesehen – oder auch mitgenommen hat. Aber Fakt ist, dass der Chemiker Wil Mirsojanow, der aus der Sowjetunion in die USA emigrierte (und er war nicht allein – es gab noch zwei oder drei solche Chemiker) und einige Dokumente in den Westen ausführte. Wir stellten alle diese Fakten bereit. Und dass jemand jetzt diese Fakten widerlegt, lässt gewisse Fragen entstehen.
Und noch ein Fakt: Sergej Skripal und seine Tochter sind am Leben geblieben. Hoffentlich werden sie auskuriert – und dann könnten sie etwas über diese Situation erzählen. Aber das will niemand abwarten – alles wurde schon entschieden, und man wird uns nichts zeigen, wie unsere britischen Kollegen sagten. Sie behaupten, alles zu wissen, und wir sollten ihnen zufolge nur zugeben, dass wir dafür verantwortlich sind – und dafür würde man uns bestrafen. Das ist die buchstäbliche Übersetzung aus dem Englischen, was dort gesagt wurde.
Dabei sagen sie auf die Frage, wie sicher sie davon sind, dass dies wirklich so ist (diese Frage wird übrigens nicht von uns, sondern von westlichen Experten gestellt), dies wäre „sehr wahrscheinlich“ („highly possible“) gewesen. Da aber die englische Sprache durchaus flexibel ist, ist es kaum seriös, uns absolut provokant zu beschuldigen und unsere Diplomaten auszuweisen, nur weil das „highly possible“ ist.
Gestern fand in Den Haag eine Sitzung des OPCW-Exekutivrats statt. Wir schlugen abermals vor, die in der Chemiewaffenkonvention verankerten Prozeduren einzusetzen. Der britische Vertreter erklärte aber arrogant, Großbritannien müsse das nicht tun (ich weiß nicht, warum) – und werde das auch nicht tun. Im Grunde hat es als Mitglied des Chemiewaffenübereinkommens die Möglichkeit, zu sagen, dass es sich an dieses Gremium nicht wenden will. Aber es hat sich doch daran gewandt! Und wenn man sich an diese Organisation schon gewandt hat, dann muss man die Punkte des Übereinkommens einhalten, die es vorsehen, dass sich Großbritannien an uns mit dem entsprechenden Antrag wenden soll, weil es vermutet, dass der Giftstoff bei uns hergestellt wurde. Und dann sollten wir gemeinsam mit OPCW-Experten die Zusammensetzung dieses Stoffs analysieren. Und dann hätten wir im Sinne des Übereinkommens zehn Tage Zeit, um die Antwort darauf zu geben. Noch mehr als das: Sollte unsere Antwort der britischen Seite nicht gefallen, könnte sie sich dann eine außerordentliche Sitzung des OPCW-Exekutivrats einberufen, der die entsprechende Entscheidung treffen würde. Aber die Briten wollen nichts davon tun – und das sagten sie auch ins Mikrofon. Und wenn jemand angesichts dieses Verhaltens Londons wagt, zu sagen, sie wären mit London solidarisch, dann ist das nichts als Profanation und Verhöhnung der gesunden Vernunft.
Es gibt auch andere Mittel: Wenn sich die Briten die OPCW und die Konvention nicht gefallen lassen, dann gibt es noch das Übereinkommen des Europarats zur gegenseitigen Hilfe bei der Ermittlung von Strafverfahren von 1959. Dann könnten sie auf dieses Übereinkommen zurückgreifen. Aber bei der pathetischen Rhetorik der Briten geht es nur darum, dass sie weder uns noch jemandem die Beweise zeigen wollen. Sie glauben, dass ihre Handlungen keineswegs angezweifelt werden können, und verlangen, Russland zu bestrafen. Aber das ist doch lächerlich.
Sie erwähnten eben, dass wir keine Motive hatten. Ehrlich gesagt, hatten wir wirklich keine Motive. Im Grunde kann man in keiner Situation vermuten, Russland würde sich mit so etwas beschäftigen. Aber selbst wenn man der perversen Logik unserer westlichen Kollegen folgt, wer würde denn glauben, dass Russland kurz vor seiner Präsidentschaftswahl und im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft solche Probleme provozieren würde? Da gab es gar keine Motive. Gewisse Motive haben diejenigen, die uns unter Druck setzen wollen und immer wieder Vorwände (außer Doping usw.) ausdenken, um uns die Organisation der Fußball-WM zu erschweren. Das ist allgemein bekannt. Aber wenn man daran denkt, welche Motive die konservative britische Regierung hat (das klang indirekt auch in Kommentaren vieler westlichen Experten), versteht man wohl, dass London in eine sehr schwere Situation bei den Brexit-Verhandlungen geraten ist – und diese Regierung verliert die Popularität. Und die britischen Bürger verstehen, dass die Regierung Brüssel nicht aushandeln kann, was sie ihren Wählern versprochen hatte. Und die Provokation um Sergej Skripal könnte die öffentliche Meinung ablenken. Der zweite Grund wäre (das ist zwar meine subjektive Meinung, aber ich kenne immerhin die Briten), dass sie keineswegs in Vergessenheit geraten wollen, dass sie die Führungsrolle spielen wollen. In diesem Fall entschieden sie sich für den Russlandhass, denn es bleiben immer weniger Kontexte, in denen sie die Führungsrolle spielen können. Wie gesagt: Wir sind für den Dialog offen, was wir auch im OPCW-Exekutivrat in Den Haag erklärten. Wir schlugen vor, alle Möglichkeiten zu nutzen, die sich im Sinne des Übereinkommens des Europarats bieten. Wir schlugen gestern im UN-Sicherheitsrat vor, die Erklärung seines Vorsitzenden zu verabschieden, die alle Seiten zur Zusammenarbeit im Interesse der Wahrheit aufrufen würde. Diese Erklärung wurde von unseren britischen Kollegen blockiert – und das beweist abermals das, was ich eben sagte: Sie wollen nicht, dass die Wahrheit herausgefunden wird – sie wollen, dass alle daran glauben, was sie behaupten. Ich glaube nicht, dass ihnen das gelingt.