Австрийская Республика
Zusammenfassender Kommentar der Botschaft der Russischen Föderation zu einigen Artikeln in der österreichischen Presse (April-Mai 2020) anlässlich der 75. Wiederkehr der Befreiung Österreichs
In diesen Tagen feiern wir die 75. Wiederkehr des Sieges über den Faschismus, der Befreiung Europas und der Beendigung des Zweiten Weltkriegs. Trotz der Coronavirus-Pandemie hat das offizielle Österreich den 75. Jahrestag der Proklamation der Zweiten Republik und der Befreiung Mauthausens mit Kranzniederlegungen und Gedenkakten begangen. Eine Ausstellung auf dem Heldenplatz zu den Meilensteinen der Republik wurde eröffnet. Die Vergoldung der Gedenkschrift des Ehrendenkmals den für die Befreiung Wiens gefallenen sowjetischen Soldaten auf dem Schwarzenbergplatz, die im vorigen Jahr von Vandalen beschädigt worden ist, wurde wiederhergestellt.
Die Erinnerungskultur lebt also in Österreich hoch. Das betrifft aus unserer Erfahrung die meisten Österreicher, auch diejenige, die sich über die Befreiung des Landes vom Nazismus gut erinnern. Es gibt aber hierzulande leider eine Reihe von denen, die ein kürzeres Gedächtnis haben aus welchen Gründen auch immer.
Die österreichischen Zeitungen haben dem 75. Jubiläum der Befreiung Europas und der Beendigung des Zweiten Weltkriegs verschiedene Beiträge gewidmet. Die meisten davon sind (fast) objektiv. In einigen werden dagegen erstaunlicherweise Begriffe verwendet, die direkt aus dem Kalten Krieg zurückkommen: die harmlosesten Ausdrücke über die Rotarmisten sind dort „brutale Eroberer“ und „räuberische Besatzer“. Manche angeführten „Fakten“ lassen sogar die Haare zu Berge stehen. Der unvorbereitete junge, aber nicht nur Leser kann sich leicht den Eindruck gewinnen, „die russische Soldateska“ (!) habe das unschuldige Österreich brutal überfallen und die „völlig besoffene“ Russen (aber bitte, wie sonst kann ein Russe sein) hätten „gnadenlose Rache“ über die „Frauen, die als Kriegsbeute und Freiwild angesehen werden“, Kinder vergewaltigt, „Massaker“, „willkürliche Morde“, „zahllose Verschleppungen, Zerstörungen, Plünderungen und Schändungen“ verübt. Was die Hilfe der österreichischen Bevölkerung „nach dem überstandenen Krieg“ betrifft, so war sie „durch Sperrmanöver der Russen überaus kompliziert“ und „nur gelegentlich“. Es stellt sich also heraus, dass die Goebels-Propaganda von „den Russen“ (ja-ja, steht in einem Artikel in Klammern) Recht hatte. Erstaunlicherweise wurden manche Beiträge von Historikern (!) verfasst, die russische, auch ehemals geheime Unterlagen durcharbeiten könnten. Wir erfahren, dass es „in einem Krieg keine Helden sondern nur sinnlose Tode und Verbrecher“ gibt. Vor allem liest man aber über „die große Angst vor den Russen“, der „bis heute (!) lebendig ist“ und „die kollektive Erinnerung prägt“.
Was haben denn die schrecklichen Russen Österreich getan? Wir müssen hier einige Tatsachen in Erinnerung rufen. Die Rotarmisten haben am Dach des Wiener Rathauses im April 1945 nicht die sowjetische, sondern die österreichische Fahne gehisst. Sie haben die Zerstörung der österreichischen Hauptstadt, einer der schönsten Städte Europas verhütet (nächstes Mal, wenn Sie, lieber Leser, in der heimischen Zeitung sehen, dass die Wiener Innenstadt vor weiteren Zerstörungen bewahrt wurde, weil „die Wehrmacht diese kampflos geräumt hatte“ – sprich, die Nazis haben die Stadt gerettet –, suchen Sie bitte in der Wiki Lichtbilder von Köln oder Dresden und finden Sie ein Paar Unterschiede). Die sowjetischen Truppen haben zahlreiche Quartale Haus für Haus nach Sprengfallen überprüft, die Nazis vor dem Abzug miniert hatten. Noch heute findet man in Wien, z.B. am Stephansdom, Inschriften auf Russisch „Quartal überprüft“ («Квартал проверен»). Die bösen Russen haben die Wiener Bevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgt. Als die Sowjetunion in Trümmern lag, nur im April–Juni 1945 hat die sowjetische Militärmacht der Stadt Wien 46,5 Tausend Tonnen Getreide, 4 Tausend Tonnen Fleisch, 2,7 Tausend Tonnen Zucker, 2,5 Tausend Tonnen Salz, 1,2 Tausend Tonnen Fette, 230 Tonnen Kaffee (!) zur Verfügung gestellt. Die Rote Armee hat bis Juni 1946 nur in Wien 33 Brücken wiederhergestellt, die Nazis gesprengt hatten (außer Reichsbrücke, die übrigens von den Rotarmisten vor der Sprengung gerettet wurde), an fast allen wurden damals Gedenktafeln montiert. Diese sucht man aber heute vergeblich, nur wenige davon kann man in Museen finden, z.B. im Befreiungsmuseum Wien im 9. Bezirk, das 2015 anlässlich der 70. Wiederkehr der Befreiung feierlich eröffnet wurde, was aber für viele Leser immer noch unbekannt bleibt. Bereits am 30. April 1945 fand in Wien eine Besprechung des sowjetischen Militärkommandos mit städtischen Kultur- und Wissenschaftsvertretern statt, wo über die schnellstmögliche Wiederherstellung des Kulturlebens der Stadt die Rede war. Und die Fotos mit den sowjetischen Kranzniederlegungen an den Gräbern der großen österreichischen Komponisten auf dem Wiener Zentralfriedhof werden die Leser bereits gesehen haben.
All das wird man in der heurigen österreichischen Presse vergeblich suchen. Geschweige denn die Gründe, warum eigentlich diese Russen nach Österreich kamen und die Österreicher 41 Tage Schrecken des Krieges „durchhalten mussten“. Inzwischen traten nach dem Anschluss ca. 700 Tausend Österreicher (viele davon begeistert) der NSDAP bei, mehr als 1,2 Millionen dienten in der deutschen Wehrmacht, die meisten auf der Ostfront. Was haben sie dort eben getan? Gerade die österreichischen Divisionen haben zum Beispiel am 22. Juni 1941 in den ersten Reihen die Brester Festung gestürmt sowie bei Moskau, Leningrad, Stalingrad, Kiew, Minsk, Murmansk, auf der Krim und im Kaukasus den Vernichtungskrieg gegen die sowjetische „Untermenschen“ verpflichtend geführt. Was der österreichische Anteil an den NS-Gewaltverbrechen und insbesondere an den Wachmannschaften in Vernichtungslagern sowie in SS- und Waffen-SS-Verbänden betrifft, so fehlen die genauen Ziffern bis heute. Kein Interesse? Gegen die Schätzungen von manchen westlichen Historikern, wonach 40 Prozent der KZ-Mannschaften gebürtige Österreicher gewesen seien, wehren sich die heimischen Sachkundigen vehement. So oder so, haben die Österreicher zweifelsohne ihren schrecklichen „Beitrag“ zum Hitler-Feldzug gegen die Sowjetunion geleistet. Das multinationale sowjetische Volk hat im Zweiten Weltkrieg 26,6 Millionen Menschenleben verloren, davon mehr als 15 Millionen Zivilisten (das müssen wir betonen: 15 Millionen Frauen, Kinder und alte Leute – fast zweimal so hoch wie die heutige Bevölkerung Österreichs!). 1710 Städte und 70 Tausend Dörfer sind von den Nazis vernichtet worden, viele davon samt der ganzen Bevölkerung. 25 Millionen Menschen blieben ohne Unterkunft. Fast 32 Tausend Industriebetriebe, 100 Tausend Kolchosen, 40 Tausend Krankenhäuser, 84 Tausend Schulen und Hochschulen, 427 Museen wurden zerstört. Der Gesamtschaden betrug 679 Milliarden Rubel (in den Preisen von 1941). Wie viele Österreicher kennen diese Zahlen oder haben überhaupt etwas davon gehört?
Welche „Angst vor den Russen“ hatten doch die Österreicher damals? Dies verrät uns z.B. Arnold Schwarzenegger in seinem Buch „Total Recall. Die wahre Geschichte meines Lebens“. Die Generation seines Vaters „war besiegt und geschlagen worden und hatte Angst, dass es noch nicht vorbei war, dass die Russen eines Tages kommen und sie zwingen würden, Moskau oder Stalingrad neu aufzubauen.“
Warum bemüht man sich in diesem Jubiläumsjahr das Land, das im Laufe des Krieges fast kaum sein richtiges Schrecken geschweige denn Hunger kannte (zur Erinnerung: alleine bei der Leningrader Blockade sind 632 253 Menschen verhungert) und die völlig verdiente Besatzung durch Alliierte wegen den barbarischen Verbrechen seiner Nazi-Soldaten bekommen hatte, so fleißig die andere Seite der Medaille zu vergessen? Sind 75 Jahre umsonst vergangen? Haben die Österreicher wirklich bis heute „den Angst vor Russen“ (wie eine Autorin in der «Presse» betont), indem sie ihre erschreckende Rolle in den grausamen Verbrechen gegen das multinationale sowjetische Volk vergessen haben? Und sollen die Russen damit einverstanden sein?
Die verkehrte Logik der AutorInnen solcher Artikel führt in die Sackgasse. In wie weit bewusst? Wir sind weit davon entfernt, irgendwelche unbequeme Momente unserer gemeinsamen Geschichte totzuschweigen. Aber wir erwarten, dass von ihnen mindestens objektiv und faktenbasiert berichtet wird, und nicht aufgrund der nicht genauer genannten fragwürdigen „Schätzungen“, welche manche AutorInnen sich erlauben. Auch im Interesse vor allem der jüngeren Generationen. Wenn man schon von Verbrechen der Soldaten der Befreiungsmächte auf österreichischem Boden berichtet, so darf man nicht vergessen zu erwähnen, dass diese von sowjetischen wie auch anderen alliierten Befehlshaber auf härteste, bis hin zur Hinrichtung, bestraft wurden.
Es ist das Gebot der Stunde, der größten humanitären Katastrophe der Menschheitsgeschichte zu gedenken und zu reflektieren, was wir daraus gemeinsam lernen könnten. Für den Sieg über den Nazismus – die Pest des XX. Jahrhunderts sind auf dem österreichischen Boden 26 000 Rotarmisten gefallen. Die haben mit eigenen Leben für den Respekt und die Verehrung durch kommende Generationen mehr als bezahlt. Gerade in Zeiten der Krise ist das Zusammenrücken wichtig.