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Rede und Antworten des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, auf einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Tätigkeit der russischen Diplomatie 2020, Moskau, 18. Januar 2021

55-18-01-2021

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Kollegen,

wir führen eine traditionelle Pressekonferenz zu den außenpolitischen Ergebnissen 2020 durch. Sie findet traditionell, aber im Onlineformat statt. Wir wählen die Form, die innerhalb des vergangenen Jahres angesichts der Covid-19-Pandemie und Einschränkungen, die fast in allen Ländern, darunter auch Russland eingeführt wurden, dominierte.

Trotz der Pandemie war die Kommunikation unseres Ministeriums auf allen Ebenen mit Ihnen und Ihren Kollegen intensiv. Ich selbst trat gerne vor Ihnen nach den Verhandlungen, die in Moskau jedoch einige Male stattfanden und noch stattfinden werden, auf. Ich trat vor Ihnen auch im Videoformat auf. Meine Stellvertreter kommunizieren regelmäßig mit Agenturen. Die offizielle Vertreterin des Außenministeriums Russlands, Maria Sacharowa, führt jede Woche ihre traditionellen Pressebriefings durch, dazwischen arbeitet sie mit den meisten von Ihnen zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass Sie sehr gut die Fakten, Informationen darüber kennen, was die russische Außenpolitik heute in der internationalen Arena vorantreibt.

Die Pandemie fügte einen ernsthaften Schaden allen Formen der Kommunikation zu. Besonders  betroffen wurden Kontakte zwischen den Menschen – kulturelle, humanitäre, Sport- und Tourismus-Kontakte. Das verursachte ernsthafte Änderungen im gesellschaftlichen Bewusstsein vieler Länder. Wir bekommen täglich Bestätigungen dafür in den Reportagen aus den europäischen und anderen Staaten. In der Russischen Föderation bemühen wir uns auch, die Unbequemlichkeiten, die durch objektive sanitäre Einschränkungen im Alltagsleben ausgelöst wurden, zu minimieren, doch bestimmte, nicht sehr positive Änderungen sind zu spüren. Sie verfolgen wohl die Diskussionen um die russische epidemiologische Politik – die Impfstoffe Sputnik V, EpiVac-Corona und den dritten Impfstoff, der demnächst kommt.

Wir bestätigen das, was Russlands Präsident Wladimir Putin im August 2020 sagte, als er die Zulassung des weltweit ersten Impfstoffs gegen Coronavirus ankündigte – wir sind maximal offen zur Kooperation bei diesen Fragen. Wir sehen ein positives Feedback auf die Vorschläge, die der Russische Fonds für Direktinvestitionen den ausländischen Partnern zur Organisierung der Lizenz-Produktion unterbreitet. Dieses Thema wird mit unseren Kollegen in Asien, im arabischen Osten, in Afrika, Lateinamerika besprochen. Russlands Präsident Wladimir Putin und die Bundeskanzlerin Deutschlands Angela Merkel schnitten vor kurzem ebenfalls die Aussichten der russisch-deutschen und russisch-europäischen Zusammenarbeit bei der Produktion und Vervollkommnung der Impfstoffe an. Ich denke, dass es ein richtiger Weg ist, der sich auf das Streben, unsere Anstrengungen zu bündeln, und die Solidarität der Menschheit stützt. Leider zeigte sich nicht überall und nicht immer solches Streben nach Solidarität, gemeinsamer Arbeit unter Bedingungen der Pandemie. Einige westliche Kollegen, vor allem die USA und ihre engsten Verbündeten, versuchten, die Situation zum Ausbau ihrer Methoden des Drucks, Erpressung, Ultimaten, illegitimer Handlungen mit der Einführung der einseitigen Einschränkungen und anderer Formen der Einmischung in die inneren Angelegenheiten vieler Länder, darunter unseres engsten Nachbarn - Belarus - , zu nutzen.

Der Westen ignorierte geschlossen die Aufrufe des UN-Generalsekretärs und Hochkommissars für Menschenrechte, die einseitigen, illegitimen Sanktionen bei den Lieferungen der Medikamente, Lebensmittel, Ausstattung, die für den Kampf gegen den Virus notwendig sind, zumindest für die Zeit der Pandemie einzustellen. Russland war bereit, solches Herangehen zu unterstützen. Präsident Wladimir Putin brachte parallel eine Initiative während des G20-Gipfels über die Schaffung der „Grünen Korridoren“ in der Wirtschaft, die frei von Sanktionen und anderen künstlichen Barrieren sind, auf. Leider blieben diese vernünftigen Aufrufe – sowohl unsere, als auch die der UN-Leiter – in der Luft hängen.

Im vergangenen Jahr feierten wir den 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und Gründung der Vereinten Nationen, Inkrafttreten ihrer Charta. Vor dem Hintergrund dieser Jubiläen lösen bei uns tiefe Beunruhigung die andauernden beharrten Handlungen der USA und ihrer meisten westlichen Verbündeten, die auf die Untergrabung der Architektur des internationalen Lebens, die sich auf die UNO, ihre Charta und Struktur stützt, sowie Vernachlässigung der klassischen Formen und Normen des Völkerrechts zugunsten der so genannten „auf Regeln ruhenden Weltordnung“ abzielen. Im Rahmen dieses Kurses, außerhalb der Vereinten Nationen und universellen Strukturen, wurden gewisse exklusive Mechanismen gebildet – Gruppen der so genannten Gleichgesinnten. Es wird versucht, die Beschlüsse dieser Gruppen einer engen Zusammensetzung allen Teilnehmern der zwischenstaatlichen Kommunikation aufzudrängen. Eine Erscheinung solcher Regeln, auf denen der Westen eine neue Weltordnung aufbauen will, ist das Konzept des Multikulturalismus, das von den deutschen und französischen Kollegen in den letzten zwei Jahren gefördert wird. Die Beschreibungen dieses Konzeptes, die in den öffentlichen Auftritten der Leiter der außenpolitischen Dienste Deutschlands und Frankreichs enthalten sind, zeigen offen, dass es sich um einen Versuch handelt, die EU und alles, was sie im Sinne der Normenbildung macht, als Ideal der Außenpolitik darzustellen. Die Aufstellung konkreter Regeln betrachtet die EU als ihr exklusives Recht und meint, dass alle Anderen diesen Normen folgen sollen. Es gibt viele Beispiele. Die EU führte bereits außerhalb der UN-Strukturen spezielle Veranstaltungen für Cybersicherheit, Meinungsfreiheit, internationales Völkerrecht, an denen einige Dutzend Länder teilnahmen. Eine bewusste Verlegung dieser Veranstaltungen außerhalb der universell anerkannten Strukturen der Vereinten Nationen sagt vieles. Es handelt sich um das Verständnis davon, dass man sich in der UNO mit den Menschen treffen muss, die andere Ansichten zur Gewährleistung der Cybersicherheit, dazu, was die Medienfreiheit ist, besonders im heutigen Leben, und wie man die gleichberechtigte Anwendung der Normen des internationalen Völkerrechts anwenden soll, haben. Ich sehe darin, wenn mich niemand vom Gegenteil überzeugen wird, die Befürchtungen der Konkurrenz und das Verständnis, dass der Westen in der modernen Welt nicht mehr alleine seine Regeln diktieren kann, wie das im Laufe von 500 Jahren war. Die Geschichte bewegt sich, entwickelt sich. Darin gibt es keine Ideologie, das ist einfach die Feststellung eines Faktes. Man soll auf die Länder achten, die jetzt ein deutlich größeres Gewicht in der internationalen Arena haben (zumal nicht vergleichbar mit der kolonialen Epoche) und Ländern, die ihre zivilisierte Identität beibehalten wollen, die im Westen nicht Ideale für ihre Gesellschaften sehen. Die Toleranz zur Vielfalt – das ist ebenfalls ein Merkmal, den der Westen sehr schnell verliert.

Es gibt Situationen, wenn ein halbes Dutzend Menschen, die ihre High-Tech-Imperien aufgebaut haben, nichts davon wissen wollen, was für Rechte es in ihrem eigenen Staat gibt. Sie bestimmen ihre eigenen Rechte selbst aufgrund der so genannten „korporativen Normen“ und legen kaum Wert auf die Verfassungen ihrer Staaten. Wir haben das in den USA deutlich gesehen. Das ruft große Besorgnisse hervor. Davon wurde in letzter Zeit viel in TV-Sendungen und in speziellen analytischen Übersichten geredet. Wir haben keinen Spaß, wenn wir diese Tendenzen im Westen beobachten, wenn die Eliten versuchen, ihre innenpolitischen Probleme zu lösen, und den innenpolitischen Kampf führen und dabei nach äußeren „Feinden“ suchen und auch finden – und natürlich in Russland, China, im Iran, in Nordkorea, Kuba, Venezuela. Diese Liste der Länder ist allgemein bekannt.

Wir sehen, wie man die gestrige Nachricht über die Rückkehr Alexej Nawalnys in die Russische Föderation aufgeschnappt hat. Die Freude dieser Kommentare, die alle völlig identisch waren bzw. sind, ist förmlich spürbar. Und diese Freude lässt sich darauf zurückführen, dass die westlichen Politiker glauben, sie könnten dadurch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der äußerst tiefen Krise ablehnen, die das liberale Entwicklungsmodell gerade erlebt.

Ich bin überzeugt, dass man nicht nach äußeren Vorwänden suchen sollte, um eigene Handlungen zu rechtfertigen oder um die Öffentlichkeit von eigenen tiefen Problemen und Krisen abzulenken. Im Gegenteil: Man sollte fair spielen und nach Möglichkeiten suchen, eigene innenpolitische Probleme durch eine gerechte und gleichberechtigte internationale Kooperation zu lösen. Jetzt ist niemand in der Lage, diese Probleme aus eigener Kraft und ohne multilaterale Formate in den Griff zu bekommen.

Die Russische Föderation bemüht sich immer darum, maximal konstruktiv in der internationalen Arena zu handeln. Wir sind überzeugt, dass man nicht miteinander streiten sollte, sondern am Verhandlungstisch Platz nehmen und gegenseitige Einwände besprechen. Wir waren immer dazu bereit: als man Russland „Einmischung“ in die Wahlen in den USA oder auch in Barcelona vorwarf, während des „Brexits“, in der Skripal-Geschichte, nach dem Abschuss der malaysischen Boeing in der Ukraine im Jahr 2014 und auch in der Situation um Alexej Nawalny. Ich kann später ausführlich Argumente anführen, die Sie ohnehin gut kennen. In allen erwähnten Fällen und auch in anderen Episoden, in denen man uns etwas vorwarf, sahen wir nie  Beweise, die diese unbegründeten Vorwürfe belegen würden. Wir hörten nur eines: „highly likely“, „niemand anders hat solche Motive“ oder „nur Ihr habt solche Möglichkeiten, und deshalb seid Ihr schuld – und deshalb müssen wir nichts beweisen“. Man führte einfach keine Fakten, auf die sich anständige Menschen bei Diskussionen immer stützen.

Wir sind daran interessiert, alle möglichen Probleme im Dialog zu lösen. Aber wir fänden es unwürdig, „die geschlossene Tür zu rammen“, die der Westen eben geschlossen hält. Ihre Regierungen verstehen und kennen alle unsere Angebote sehr gut: vom Dialog über strategische Offensivrüstungen über Probleme um die Rüstungskontrolle und Nichtweiterverbreitung und bis zum Zusammenwirken, für das wir im Kontext der Cybersicherheit, der Probleme um Nichtverbreitung von Waffen im Weltraum öfter plädierten. Es gibt jede Menge Richtungen. Und in jeder von ihnen hat die russische Seite Angebote, eine faire Kooperation über die größten Gefahren, die für alle Länder der Welt gleich sind, zu entwickeln anstatt diese Gefahren auszunutzen, um einseitige geopolitische Vorteile dank schmutzigen Konkurrenzmethoden zu bekommen. Zu den Äußerungen dieses Strebens nach dem Dialog war die Initiative Präsident Putins an die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats. Alle anderen Spitzenpolitiker der Fünfergruppe reagierten positiv auf diesen Vorschlag. Leider konnte ein solches Treffen wegen der Pandemie nicht stattfinden. Wir sind überzeugt, dass sich die Spitzenpolitiker unbedingt unmittelbar treffen sollten. Wir rechnen damit, dass ein solcher Gipfel stattfindet, sobald die epidemiologische Situation das ermöglicht.

Was die Förderung der positiven Tagesordnung angeht, so rufen wir unsere westlichen Partner auf, vernünftig zu bleiben und alle Ideen, die sie hinsichtlich der Cybersicherheit, der Medienfreiheit und aller anderen Probleme haben und im eigenen Kreis lösen wollen, unter der Ägide der UNO zu behandeln.

Wir werden solche Vorgehensweisen auch in anderen Organisationen fördern, an denen sich Russland beteiligt, unter anderem in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, in der BRICS-Gruppe, in der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und in der Eurasischen Wirtschaftsunion.

Präsident Putins Initiative, die wir voranbringen, besteht darin, im Rahmen eines gleichberechtigten kollektiven Dialogs die Große Eurasische Partnerschaft zu bilden, die für absolut alle Länder Eurasiens offen wäre. Sie umfasst die EU-Länder neben den Mitgliedern der EAWU, der SOZ und des ASEAN; sie umfasst auch solche Länder, die keiner von diesen regionalen Organisationen angehören, aber auf dem Eurasischen Kontinent liegen. Lassen Sie mich die Bedeutung der G20 hervorheben, der unter anderem die westliche G7 angehört, die nicht mehr imstande ist, im Alleingang globale Probleme zu lösen. Der G20 gehören auch die BRICS-Länder und ihre Gleichgesinnten an, die unsere gemeinsame Philosophie teilen, der zufolge man das Konfrontationsdenken aufgeben und alle in der Welt bestehenden Probleme auf Basis der Suche nach einer Interessenbalance lösen sollte.  

Wir werden heute auch über Konflikte reden, die es in der heutigen Welt immer noch gibt. Gemeinsam mit anderen Ländern arbeiten wir intensiv an der Syrien-Regelung, an der Ausführung des Libyen-Konflikts aus der Sackgasse, der ausgebrochen ist, nachdem die Nato-Länder vor knapp zehn Jahren durch ihre Aggression die libysche Staatlichkeit zerstört hatten.

Wir müssen auch über andere Konfliktherde im Nahen Osten und in Nordafrika sprechen, vor allem über den palästinensisch-israelischen Konflikt, den man versucht, völlig unverdient in den Hintergrund zu verdrängen.

Erst vor kurzem haben wir das umfassende Dokument unter dem Namen „Wichtigste außenpolitische Ergebnisse des Jahres 2020“ herausgegeben. Darin sind viele konkrete Informationen enthalten. Hoffentlich haben Sie sich damit bekannt machen können.

Heute versuchen wir, über die Probleme zu sprechen, die vor der heutigen Welt stehen und unser alltägliches Leben sehr schnell verändern.

Frage: In welcher Richtung entwickeln sich die Beziehungen zwischen Russland und Italien, besonders im Jahr der Coronavirus-Pandemie?

Sergej Lawrow: Russland und Italien haben gute Beziehungen. Italien ist eines der EU-Länder, die der Disziplin, den Prinzipien der Solidarität in der EU folgen, es nicht für zweckmäßig halten, eine aggressive Position gegenüber der Russischen Föderation einzunehmen. Indem man sich gewissenhaft einem Konsens gewisser Sanktionen anschließt, betrachtet Italien sie nicht als effektive Instrumente zur Einflussnahme auf jemanden, in diesem Fall die Russische Föderation. Italien, ohne Einsprüche seitens Brüssels verteidigt sein Recht, die bilateralen Beziehungen zu Russland zu entwickeln, und macht das aufrichtig. Solcher Kurs widerspiegelt ein richtiges Verständnis der nationalen Interessen der Italienischen Republik – Interessen von Geschäft, ihrer Staatsbürger, die an der Fortsetzung der humanitären, Sport-, Kultur- und anderer Kontakte zwischen den Menschen interessiert sind.

Wir pflegen mit den Italienern eine gute Tradition bei der Durchführung der Themenjahre. Sie sind den Themen gewidmet, die die Staatsbürger beider Länder interessieren, vor allem in der Kultur, Sprache, Literatur, Kontakte zwischen Regionen. Das ist eine sehr gute Tradition. Sie hilft in der Tat bei der Antwort auf die Fragen einfacher Menschen und der Wirtschaft, was wichtig ist.

Russland und Italien haben einen 2+2-Mechanismus, wenn die Verteidigungs- und Außenminister beider Länder sich treffen und eine Übersicht von den wichtigsten Problemen der globalen Situation, Euroatlantiks und anderer Regionen durchführen, wo die Interessen Italiens und der Russischen Föderation präsent sind.

Die Statistik darüber, welche konkrete Veranstaltungen bei uns im vergangenen Jahr stattfanden und welche geplant sind, kann man in den wichtigsten außenpolitischen Ergebnissen 2020 finden. Dort ist alles ausführlich dargelegt.

Frage: Ich bin einer der sieben Journalisten Lettlands, die im Dezember von den örtlichen Sicherheitsdiensten wegen Zusammenarbeit mit den Portalen „Sputnik Lettland“ und der Agentur Baltnews festgenommen wurden. Im Dezember gab es bei uns Durchsuchungen, es wurde Technik, Computer, Aufnahmegeräte beschlagnahmt und eine Anklage wegen Verletzung der „internationalen Sanktionen“ erhoben. Es sind fast anderthalb Monate vergangen. Wir sehen bislang keine Reaktion der internationalen Menschenrechtsorganisationen auf dieses gelinde gesagt einzigartige Ereignis, darunter seitens der Anführer, die gestern sehr aktiv auf die Festnahme von Alexej Nawalny fünf Minuten nach dem Geschehenen reagierten.

Wie denken Sie, warum wird unser, meines Erachtens, eklatanter Fall – die Festnahme von sieben Journalisten in Lettland – vom Schweigen der internationalen Organisationen begleitet wird? Kann das Außenministerium Russlands etwas zum Schutz der Journalisten, die die russischen Medien im Ausland vertreten, unternehmen?

Sergej Lawrow: Wir bemühen uns. Ich nutze dieses Wort nicht einfach so. Wir unternehmen tatsächlich ernsthafte Schritte. Wir besprechen dieses Thema auf unseren wöchentlichen Sitzungen, die ich mit meinen Stellvertretern und Mitgliedern des Kollegiums des Außenministeriums Russlands durchführe. Wir müssen nicht nur irgendwo unsere Nichtakzeptanz solcher grober Verletzungen der nationalen Gesetze und internationalen Verpflichtungen erklären, sondern auch unbedingt internationale Mechanismen einsetzen. Wir schickten entsprechende Schreiben an die UNO, OSZE, Europarat. Wir werden diese Arbeit fortsetzen.

Wenn wir unbestrittene, eindeutige Fakten der groben Verletzung der Medienfreiheit haben, auch mit Drohungen der Einleitung eines Strafverfahrens, können die Mechanismen in den Menschenrechtsformate der UNO (dort gibt es viele Berichterstatter zu vielen Aspekten der Menschenrechtsverletzung – Menschenrechtskommissar im Europarat, OSZE-Beauftragter für die Medienfreiheit), das, was mit Ihnen gemacht wird, nicht rechtfertigen. Es gibt viele solche Fälle auch um Sie herum – in den Nachbarländern des Baltikums- Sie schreiben in der Regel Briefe an uns. Doch wir wollen die Mechanismen aus den Übereinkommen einsetzen, die von einem entsprechenden Land fordern, solche Verletzung zu ändern. Diese Mechanismen sollen (sorry für ein nicht diplomatisches Wort) vom Verletzer nicht „absteigen“, solange die Verletzung nicht gestoppt wird. Unsere Kollegen aus multilateralen Strukturen sind deutlich weniger darauf gestimmt, für die Wahrheit zu kämpfen, wenn es um die Medien in der russischen Sprache geht. Obwohl im Fall Lettland die russische Sprache eine Muttersprache ist. In dieser Sprache denkt man, lebt man, sie wird fast von der Hälfte der Bevölkerung Lettlands genutzt, 40 Prozent sicher. Um einen solchen absoluten fehlenden Respekt gegenüber den eigenen Landsleuten zu zeigen, sollte man eine spezifische politische Ausrichtung haben.

Wir werden bei den internationalen Strukturen weiterhin adäquate Handlungen anstreben, doch parallel sollte man Nichtregierungsorganisationen hinzuziehen. Sie haben alle Grundlagen, sich an Gerichte zu wenden. Bei einer Ablehnung vor Gericht kann man sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden. Er schnitt bereits ein paar Mal das Thema Medien an. Solche Vorfälle hatte es früher nicht gegeben, doch vor kurzem entstanden sie bezüglich der Vorwürfe, die vom Westen gegenüber den russischen Medien formuliert werden. Deswegen sollte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Situation in Augenschein nehmen, die nicht irgendwie doppelt gedeutet werden kann. Sie ist so offensichtlich, und ich denke nicht, dass das Gericht dieses Verfahren lange behandeln sollte, bevor das Urteil gefällt wird.

Zugleich arbeiten wir mit Juristen, die auf internationale Fragen spezialisiert sind, daran. Wir werden die bei uns funktionierende Stiftung zur Unterstützung und Schutz der Rechte der im Ausland lebenden Landsleuten nutzen, die unter anderem bereit sein wird, den Journalisten zu helfen.

Ich bestätige unsere Unterstützung für Sputnik nicht einfach, weil es russische Medien sind. Die Staatsbürger jedes Landes, darunter Lettlands, haben das Recht auf alternative Informationsquellen. Der Zugang zu den Informationen wird durch zahlreiche Beschlüsse der OSZE gewährleistet. Er ist durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte garantiert. Dieses Prinzip des Zugangs zu Informationen wurde vor kurzem in den USA bei eklatantem Schweigen bzw. uneindeutigen Kommentaren seitens der US-Verbündeten mit Füßen getreten. Jetzt wird versucht, das alles zu regeln, der Zugang zu Facebook für Donald Trump soll schon wiederhergestellt worden sein (doch Twitter-Account wurde nicht wiederhergestellt). Es geht nicht um Donald Trump, sondern darum, dass der Staat bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen zur Gewährleistung des Zugangs zu Informationen gescheitert ist. Es wurde erklärt, dass es nicht die US-Regierung war, die den Zugang für jene sperrte, die von allen diesen Plattformen als Quelle der unglaubwürdigen Informationen eingestuft wurden. Die Korporationen sollten angeblich keine Pakte unterschrieben haben. Das stimmt alles nicht. In den Pakten und Beschlüssen der OSZE, die auf der höchsten Ebene angenommen wurden, die vom Westen immer wieder zitiert werden, ist die Verpflichtung des Staates festgeschrieben, auf dem eigenen Territorium jedem Lande einen freien Zugang zu Informationen zu gewährleisten. Damit genießt Sputnik unsere volle Unterstützung. Ich weiß, dass Sputnik auch unter meinen westlichen Kollegen populär ist. Sie bezeichnen solche Medien wie Sputnik, RT als wichtig, um auch eine andere Position im Vergleich zu der zu haben, die jetzt unifiziert ist und zu jedem Anlass von den westlichen Medien aufgedrängt wird.

Frage: Zum nächsten US-Außenminister wird höchstwahrscheinlich Tony Blinken ernannt, und seine Assistentin wird die allgemein bekannte Victoria Nuland sein. Was können Sie zu diesen Kandidaturen sagen? Wie ist Ihr Vorgefühl hinsichtlich der weiteren Arbeit mit ihnen?

Sergej Lawrow: Ich habe keine Vorgefühle, egal zu welchen Anlässen. Was die Erwartungen von der neuen US-Administration angeht, so wurde dazu schon so viel gesagt, dass ich jetzt keine Zeit dafür vergeuden will.

Wir kennen diese Personen. Einerseits ermöglicht das für sie (wenn sie dazu bereit sind), unsere zahlreichen Vorschläge hinsichtlich der russisch-amerikanischen Tagesordnung zu beantworten, die nach wie vor auf dem Tisch liegen bleiben, und entsprechende Verhandlungen ohne große Pausen und Vorbereitungen zu beginnen. Andererseits stellen wir uns ungefähr vor, welche Linie diese „alten neuen“ Mitglieder des außenpolitischen Teams der neuen US-Administration vertreten, zumal sie selbst kein Hehl aus ihren Absichten und Plänen machen. An ihren regelmäßigen Interviews, Artikeln und Empfehlungen verschiedener Denkfabriken in den USA, vor allem des Nordatlantischen Nato-Rats, aber auch anderer Strukturen ist zu sehen, dass man auch weiter den Weg gehen will, dem die Dominanz des amerikanischen Staates und  Lebensstils zugrunde liegen wird, ohne auf andere Länder Rücksicht zu nehmen. Auf der außenpolitischen Tagesordnung wird zweifellos die Eindämmung Russlands und Chinas stehen. Man redet bereits darüber, was man tun könnte, damit sich Russland und China nicht so eng vereinigen, dass sie stärker als Amerika selbst werden. Es lassen sich Vorschläge hören, eine Konfrontation zwischen Russland und China zu provozieren. Das gab es in der amerikanischen Politik schon seit langem.

In der russischen Richtung werden sie möglicherweise mehr oder weniger höflich sein, aber das wird an ihrer Politik im Grunde nichts ändern. In den Bereichen, in denen es für die Amerikaner nützlich ist, in denen sie ohne Russland und China scheitern werden (und das wissen sie), müssen sie diese oder jene Vereinbarungen akzeptieren. Das gilt für die Bekämpfung von Infektionen angeht (das schein ein langfristiges Thema zu sein), für den Klimawandel (da ist auch ein konkretes praktisches Zusammenwirken vieler Länder vorgesehen, auch unter Beteiligung Russlands und Chinas), für den Kampf gegen den Terrorismus, gegen andere Formen der organisierten Kriminalität (Drogenhandel, Menschenhandel). Am wichtigsten ist, dass dies die Situation (die aktuell alles andere als normal ist) im Bereich der Rüstungskontrolle betreffen sollte. Wir hören, dass die Administration Joe Bidens den entsprechenden Dialog mit uns wiederaufnehmen wolle – und auch versuchen, eine Verlängerung des am 5. Februar 2021 auslaufenden START-Vertrags zu vereinbaren. Wir werden auf konkrete Vorschläge warten. Unsere Position ist gut bekannt und bleibt in Kraft.

Wir hören von den Absichten, die Entscheidungen der scheidenden US-Administration über den Austritt aus etlichen multilateralen Vereinbarungen und Organisationen wieder außer Kraft zu setzen, unter anderem aus der Weltgesundheitsorganisation, der UNESCO, dem UN-Menschenrechtsrat.

Wir haben da keine Illusionen – wir sind ja Realisten. Wir haben zu allen für die Menschheit wichtigen Fragen der Tagesordnung unsere Initiativen, von denen manche auch umgesetzt werden. Ich erwähne dabei einmal die Arbeit der UNO im Bereich der Informationssicherheit, zwecks Bekämpfung der Cyberkriminalität, die unsere westlichen Kollegen im universalen Format nicht fortsetzen wollten und lieber in einem engen Kreis der Gleichgesinnten führen, um die schon erwähnten „Regeln“ zu bestimmen, deren Einhaltung sie dann von allen anderen verlangen wollen.

Kurz und knapp: Wir erwarten keine radikalen Veränderungen. Aber die Methoden zum Voranbringen der amerikanischen „Führung“ werden etwas anders sein.

Frage: Welcher Schritt der Administration Joe Bidens könnte Ihres Erachtens bestätigen, dass sie zu einem „Neustart“ der Beziehungen mit Russland bereit wäre? Wozu wäre Russland bereit, um ihr Interesse an der Verbesserung der Beziehungen mit den USA zu zeigen?

Sergej Lawrow: Wir müssen nichts tun, um unsere Absicht zu zeigen, gute Beziehungen mit den Vereinigten Staaten zu haben, die die beiderseitige Verantwortung der zwei größten Atommächte für die Sicherheit in der Welt auf globaler, regionaler und auf allen anderen Ebenen widerspiegeln würden. Wir haben solche Angebote gemacht. Joe Bidens Administration weiß das sehr gut.

Als Präsident Putin Joe Biden zur Wahl zum US-Präsidenten gratulierte, bestätigte er unsere Einstellung auf Kooperation an allen Fragen, die das beiderseitige Interesse widerspiegeln und eine große Bedeutung für die Geschicke der Welt haben. Sie können das gerne als Einladung zum Dialog betrachten.

Die Hauptsache ist aber, dass Russlands Angebote zu den Themen Cybersicherheit, Ermittlung der Vorwürfe, wir hätten uns in die Angelegenheiten der USA eingemischt, Kooperation im Weltraum, Rüstungskontrolle nach wie vor auf dem Tisch liegen. Erst im September 2020 lud Präsident Putin die USA (nicht den Präsidenten Donald Trump oder sonst jemanden persönlich, sondern die Vereinigten Staaten als Großmacht, die hoffentlich gewisse Merkmale der Nachhaltigkeit und Verhandlungsfähigkeit im außenpolitischen Bereich behalten wird) offen ein, ein für alle Mal unsere Beziehungen auf den Gebieten Cybersicherheit und Einmischung in die Angelegenheiten voneinander zu regeln. Dabei wurde vorgeschlagen, feierlich zu erklären, dass wir so etwas (ich meine die Einmischung in die Angelegenheiten voneinander) nie tun; den regulären Dialog über alle Aspekte der Probleme im Cyberbereich (egal ob aus der Sicht der militärpolitischen Sicherheit von Staaten oder der Nutzung des Cyberraums durch verschiedene Verbrecher – Terroristen, Kinderschänder, Menschenhändler) wiederaufzunehmen. Auf dieses Angebot haben wir aber keine Antworten bekommen, wie auch keine Reaktionen auf unsere vor zwei Jahren zum Ausdruck gebrachte Initiative, der zufolge unter den neuen Bedingungen klar und deutlich bestätigt werden sollte, was einst Michail Gorbatschow und Ronald Reagan erklärt hatten: Ein neuer Atomkrieg wäre unzulässig, denn niemand könnte ihn gewinnen, und deshalb darf er nie entfesselt werden.

Ich weiß nicht, wie der neue Beauftragte des US-Präsidenten für Rüstungskontrolle Joe Bidens Position formulieren wird, aber Marshall Billingslea, dem noch zwei Tage in diesem Amt bleiben, lässt nicht locker und gibt immer neue Interviews – und  schreibt immer neue Artikel. In einem seiner Auftritte sagte er direkt, es wäre inakzeptabel, wenn sich die neue Administration von den Russen reinlegen lassen und erklären würde, ein Atomkrieg wäre unzulässig. Es geht dabei nicht um eine Caprice Marshall Billingsleas oder eines anderen US-Politikers, der es für inakzeptabel für die USA hält, die Erklärung von der Unzulässigkeit des Atomkriegs zu unterzeichnen. Das widerspiegelt die Einstellungen, die in US-amerikanischen Doktrinen über Gewaltanwendung (insbesondere Atomwaffenanwendung) verankert werden. Senkung der Menge der Munition mit dem Vorbehalt, dass sie auf dem Schlachtfeld eingesetzt werden könnten; Weigerung, in der Doktrin festzuschreiben, dass Atomwaffen nur als Antwort auf einen Überfall auf die USA eingesetzt werden könnten – diese Nuancen sprechen für sich selbst. Uns ist es wichtig, zu verstehen, wer und wie am Ende des Tages die Position der USA im Bereich der strategischen Offensivrüstungen bestimmen wird (dabei geht es nicht nur um Atomwaffen).

Dank neuen Technologien kann das Projekt entwickelt werden, das in den USA als „Prompt Global Strike“ bekannt ist. Es sieht die Entwicklung von sehr starken und hochpräzisen strategischen Waffen ohne Atomsprengköpfe vor, die binnen nur einer Stunde jeden Ort auf der Welt erreichen könnten.

Wir haben der scheidenden Administration vorgeschlagen, sich ein neues Dokument über Rüstungskontrolle zu überlegen, den START-Vertrag zu verlängern, damit wir wenigstens ein Dokument über Rüstungskontrolle haben, und inzwischen an einem neuen Dokument zu arbeiten, das vor allem alle Waffenarten umfassen würde, die nicht nur im New-START-Vertrag erwähnt sind, sondern auch strategische Waffen, die für das Territorium unserer Länder gefährlich sein könnten.  Aus meiner Sicht ist das ein sehr verständliches Kriterium. Es ist viel wichtiger als nur die Berechnung der Zahl aller Sprengköpfe aller möglichen Arten, wozu man uns überreden wollte, indem man unseren Vorschlag ablehnte, sich auf die bestehenden akuten Gefahren zu konzentrieren, die Realität werden könnten.

Wir werden also abwarten. Joe Biden ist ein Experte für Abrüstung und Rüstungskontrolle. Ich denke, er ist daran interessiert, ein hochprofessionelles und kein propagandistisches Team auf seiner Seite zu haben.

Frage: Der Außenminister Chinas Wang Yi sagte vor kurzem, dass China und Russland weiterhin als Beispiel der Entwicklung der Beziehungen der guten Nachbarschaft und Freundschaft zwischen großen Ländern der Welt dienen, der Wiederherstellung der Weltwirtschaft einen Antrieb verleihen, die globale strategische Stabilität unterstützen werden. Welche Möglichkeiten sehen Sie zur weiteren Entwicklung der Beziehungen von zwei Ländern? Wie können Russland und China der äußeren Einmischung und Versuche, einen Keil in ihre Kooperation zu treiben, Widerstand leisten?

Sergej Lawrow: Wir haben sehr enge strategische Beziehungen mit der Volksrepublik China. Unsere Anführer sind Freunde, kommunizieren regelmäßig vertrauensvoll miteinander. In diesem Jahr waren persönliche Kontakte erschwert, doch es gab mindestens fünfmal ausführliche Telefongespräche, Videokonferenzen. Es fand ein weiteres, 25. regelmäßiges Treffen der Regierungschefs, es fanden Kontakte von allen fünf unter Leitung der Regierungschefs gebildeten Unterkommissionen statt, es wurde eine Sitzung der russisch-chinesischen interparlamentarischen Kommission durchgeführt. Wir feierten gemeinsam den 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Die Delegation Chinas mit dem Verteidigungsminister Wie Fenghe an der Spitze und die Ehrenwache-Kompanie nahmen an der Parade auf dem Roten Platz am 24. Juni 2020 teil. Wir wissen das zu schätzen.

Jetzt findet eine große Veranstaltung statt – das Jahr der russisch-chinesischen wissenschaftstechnischen und innovativen Partnerschaft. Das ist das aktuellste Thema, das unserem handelswirtschaftlichen Zusammenwirken neuen Antrieb verleihen soll. Im Unterschied von vielen Ländern haben wir es während der Pandemie geschafft, die Senkung des Handelsumsatzes zu verhindern. Er entwickelt sich ziemlich nachhaltig. Es werden große Projekte in den Infrastruktur-, Industrie-, Agrar-, Energie-, Investitionsbereichen umgesetzt.

Seit dem ersten Tag kooperieren wir eng beim Kampf gegen Covid-19 und Überwindung seiner Folgen. Als die chinesischen Freunden die Situation in Wuhan erst fixierten, wurde und effektive Unterstützung bei der Heimkehr der russischen Staatsbürger geleistet. Wir kooperieren bei der gegenseitigen humanitären Hilfe. Es gibt solche Beispiele auf beiden Seiten. Jetzt arbeiten wir an Impfstoffen. Ich bin davon überzeugt, dass wie Erfolg erreichen.

Wir kooperieren in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), BRICS. Die Volksrepublik China und die Eurasische Wirtschaftsunion unterzeichneten ein Kooperationsabkommen. Es werden Integrationsprozesse im Rahmen der EAWU und chinesischen One Road One Belt-Initiative angekoppelt. Im Dezember des vergangenen Jahres wurde ein Protokoll unterzeichnet, das unser bilaterales Abkommen über Benachrichtigung über die Starts der ballistischen Raketen und Weltraum-Trägerraketen verlängerte. Im Dezember 2020 fand das zweite Patrouillieren eines Gebiets des Japanischen und Ostchinesischen Meeres durch die Luftstreitkräfte Chinas und Weltraum- und Luftstreitkräfte Russlands statt. Das widerspiegelt einen vertrauensvollen, aussichtsreichen Charakter der russisch-chinesischen Beziehungen, unsere gegenseitige Ausrichtung auf die Gewährleistung der Stabilität in der Asien-Pazifik-Region.

Einige andere Kollegen, darunter die USA versuchen, die Spannung via Durchführung der militärischen Veranstaltungen mit einer offenen antichinesischen Ausrichtung und Isolierung Russlands als Ziel, ebenso aus der Sicht der ziemlich realen Pläne der USA, Komponente der US-Raketenabwehr in der Asien-Pazifik-Region aufzustellen.

Diese Mittel werden die Möglichkeit haben, sowohl China, als auch Russland zu erreichen.

Man kann endlos über das russisch-chinesische Zusammenwirken sprechen. Es umfasst sehr viele Bereiche – fast alle Bereiche der Tätigkeit der Menschheit und Staaten. Ich würde unsere sehr enge Koordinierung in der UNO bei vielen konkreten Fragen erwähnen. Sie ist durch die Ausrichtung Russlands und Chinas umfasst, das Völkerrecht zu verteidigen, den Zerfall der universellen Strukturen und Austausch der UNO durch gewisse äußere Formate, Partnerschaften zu verhindern, wo der Westen für sich bequeme Regel formulieren und sie dann der restlichen Welt aufdrängen will. Russland und China stehen fest am Schutz der Errungenschaften, die in der UN-Charta festgeschrieben sind und auf den Prinzipien der Gleichberechtigung, Respekt von Souveränität der Staaten, Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten, friedliche Regelung der Streitigkeiten basiert.

In diesem Jahr begehen wir den 20. Jahrestag des Vertrags über gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen der Russischen Föderation und der Volksrepublik China. Wir haben einen ziemlich großangelegten Plan davon, wie man dieses wichtige Datum feiern wird.

Frage: Vor einigen Tagen beobachtete die ganze Welt erstaunt, wie Korporationen blitzschnell Donald Trump von Sozialen Netzwerken abgeschlossen haben. Wie sind Ihres Erachtens solcher digitaler GULAG, wohin jetzt Politiker und ihre Mitstreiter, Journalisten und einfache Menschen weltweit gelangen, mit dem Begriff der „US-Demokratie“ zu verbinden? Ist es möglich, dass solche selektive Sperrung der Accounts in der Zukunft die Grundlage der internationalen Politik wird und das eine gewöhnliche Sache wird?

Sergej Lawrow: Derzeit wird in allen Kanälen, in Sozialen Netzwerken nur darüber gesprochen. Ich habe gehört, das Telegram gedroht wurde, die Möglichkeit, Dienstleistungen anzubieten, wegzunehmen. Das wird interessant sein.

Ich erwähnte bereits das Thema der Verpflichtungen der Staaten. Ich möchte daran erinnern. Die USA sind Teilnehmer der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Interessant ist (obwohl man bevorzugt, daran nicht zu erinnern), dass zwei internationale Pakte unterzeichnet wurden – Über bürgerliche und politische Rechte und Über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Mit der Unterzeichnung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (das war in den 60er-Jahren), weigerten sich die USA kategorisch, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu unterzeichnen, genau wie die Kinderrechtskonvention.

Das ist der Verzicht auf die Übernahme jeglicher Verpflichtungen, die mit der Gewährleistung eines Niveaus des Lebens der Bevölkerung und Lösung der sozialwirtschaftlichen Probleme verbunden sind. Doch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte ist ein obligatorisches Dokument für die USA. In den Schlussakten von Helsinki und einer Reihe der OSZE-Dokumente (Charta von Paris für ein neues Europa, Europäische Sicherheitscharta, die 1999 in Istanbul angenommen wurde) steht geschrieben, dass jeder Mensch das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. Dieses Recht umfasst die Freiheit, jegliche Informationen bzw. Ideen zu suchen, bekommen, verbreiten unabhängig von den Staatsgrenzen – mündlich, schriftlich, in gedruckter Form, Kunstform bzw. mit anderen Mitteln nach eigener Wahl. Unter „anderen Mitteln“ gemeint ist das prophetische Begreifen, dass die Menschen demnächst Soziale Netzwerke bekommen. Hier gibt es keine Ausnahmen. Es wurde gesagt, dass jeder Mensch das Recht auf den Zugang zu den Informationen hat. Diese Verpflichtung wurde vom Staat übernommen. Deswegen ist es lächerlich zu sagen, dass Google, Facebook und YouTube und andere Korporationen keine Verpflichtungen haben. Der Staat ist verpflichtet, für sie zu antworten, und wenn sie sich so verhalten, muss er ihre Handlungen in Übereinstimmung mit eigenen Verpflichtungen, die einen rechtlichen Charakter haben, zu bringen.

Ich weiß nicht, wie die Geschichte sich weiter entwickeln wird. Es gab viele Prophezeiungen. Es gibt staatlichen, privaten Kapitalismus. Wer wird jetzt die Spielregeln ändern? Es wurde an Karl Marx, Friedrich Engels, Wladimir Lenin, andere Theoretiker des Kapitalismus und Imperialismus  als letzte Stufe des Kapitalismus erinnert. Ich weiß das nicht. Ich weiß nur eines – wenn die USA die Befolgung der Meinungsfreiheit, der eigenen Verfassung (wir sprechen sogar nicht über internationale Pakte) durch ihre Verletzer nicht gewährleisten, dann werden die USA sich vor der Welt in einer etwas anderen Form erscheinen, als in der Gestalt des kontinuierlichen, eifrigen Kämpfers für die Demokratie.

Was die Meinungsfreiheit angeht… Wenn die UN-Vollversammlung auf unsere Initiative jedes Jahr die Resolution über Unzulässigkeit der Heroisierung des Nazismus und anderer Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung und des Fremdenhasses verabschiedet, stimmen die USA dagegen und begründen das unverhohlen damit, dass die Abstimmung für Verhinderung von Äußerung des Neonazismus eine Verletzung der ersten Klausel zur US-Verfassung bedeuten würde. Das sagen sie direkt so. Übrigens stimmt nur ein einziges Land neben den USA gegen diese Resolution: die Ukraine. Die Gründe dafür sind klar: Denn dort marschieren Neonazis frei, dort finden ihre Fackelzüge statt, und eben den äußeren Ausdrücken ist ihr wahrer Einfluss auf die praktische Politik dieses Staates spürbar. In den USA ist die Situation etwas anders, aber auch sie wollen nicht ihre erste Klausel verletzen.

Wir wollen hoffen, dass die amerikanische Gesellschaft den Eliten es nicht gestatten wird, im Kampf gegeneinander eine unverhohlene Zensur einzusetzen und dadurch die Verfassung und die internationalen Verpflichtungen auf gröbste Weise zu verletzen. Aber das ist ein Problem der amerikanischen Gesellschaft. Wenn sie dieses Problem nicht in den Griff bekommt, können wir damit nichts tun. Aber dann müssen alle auf die Folgen eines solchen Scheiterns des amerikanischen Staates gefasst sein. Und diese werden sehr ernsthaft für die ganze internationale Arena sein. Ich denke, alle verstehen das. Nicht umsonst werden schon jetzt EU-Unterlagen vorbereitet, die Maßnahmen vorsehen, dank denen gleich nach dem Amtsantritt Joe Bidens ein Dialog beginnen sollte, der alle möglichen Szenarien der weiteren Entwicklung der Situation vorsehen würde.

Da kann ich raten, darauf zu achten, wie die USA in eine Situation geraten sind, die den amerikanischen Staat zerstören könnte, wenn man sich mit privaten Korporationen, die es ja weniger als ein Dutzend gibt, nicht auseinandersetzen kann, damit sie sich wieder in die staatlichen Mechanismen, in die Gesetze und vor allem in die Verfassung integrieren.

Frage: Es gibt einen Politiker, einen russischen Staatsbürger, der erklärt hat, die russischen Geheimdienste hätten versucht, ihn zu vergiften. Alexej Nawalny präsentierte Fakten, die vorerst niemand überzeugend widerlegen konnte. Er entschied sich für die Heimkehr, wo nach seiner Vergiftung kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Das Flugzeug, an dessen Bord er sich befand, landete in einem anderen Oft als es hätte landen sollen. Die Menschen, die ihn empfangen wollten, insbesondere Journalisten, und auch Alexej Nawalny selbst wurden festgenommen. Wie sieht Russland in dieser Situation Ihres Erachtens aus? Oder spielt sein Image keine Rolle mehr?

Sergej Lawrow: Man sollte wohl an eigenes Image denken, aber wir sind kein junges Mädchen, dem ein Auftritt beim Ball bevorsteht. Wir müssen uns vor allem mit unserer Arbeit befassen, und diese besteht in der Ausübung der russischen Außenpolitik. Der „Fall Nawalny“ wurde im außenpolitischen Aspekt künstlich und völlig rechtswidrig an die große Glocke gehängt. Alle Ereignisse, die mit ihm bzw. mit seiner Rückkehr verbunden sind, gehören in den Zuständigkeitsbereich der Rechtsschutzorgane. Es gibt eine ausführliche Erklärung des Föderalen Dienstes für Strafvollzug, in der konkrete Fakten und registrierte Verstöße aufgezählt wurden und in der erklärt wurde, warum es diese Einwände gegen ihn gibt. Da sollte es keine Fragen an das Außenministerium Russlands geben. Es geht um Einhaltung von russischen Gesetzen. Falls in manchen anderen Ländern, die wir auch heute erwähnten, Erfüllung ihrer Gesetze als Nebensache im Vergleich zu geopolitischen Zielen gilt, so ist das ihr Problem. In unserem Fall haben die Rechtsschutzorgane ihre Position klar und deutlich formuliert. Und damit beschäftigten sie sich sehr lange: seit August, kurz nachdem der Blogger das Krankenhaus in Omsk verlassen hatte.

Alexej Nawalny erklärte, er würde mit reinem Gewissen heimkehren, denn er hätte Russland nie freiwillig verlassen. Dabei gab er zu verstehen, man hätte ihn dazu fast gezwungen. In Wahrheit aber war er bewusstlos, die Situation war äußerst schwierig, und es ging um Leben oder Tod eines Menschen. Auf seinen Abtransport aus Russland hatte seine Ehefrau bestanden, und dank ihr wurde er an Bord des deutschen Flugzeugs gebracht. Zudem bestanden die deutschen Behörden ziemlich aggressiv darauf, dass wir ihn ihnen überlassen. Und das haben wir auch getan.

Heute erschien eine Euronews-Reportage. Galina Polonskaja war an Bord und berichtete, dass Alexej Nawalny nach Angaben der Charité mit einem Kampf-Giftstoff vergiftet worden wäre, was später auch die OPCW bestätigte. Allerdings wurde hinzugefügt, dass die russische Regierung das widerlege. Nach ursprünglichen Angaben der deutschen Seite wurde in der zivilen Charité-Klinik (wie auch im Omsker Krankenhaus) kein Kampf-Giftstoff entdeckt. Dieser wurde später in einer Klinik der Bundeswehr entdeckt. Zunächst weigerte man sich, uns die Ergebnisse der Analysen bereitzustellen, und zwar unter dem Vorwand, wir würden dann erfahren, über welche Technologien die Bundeswehr verfügt, um Chemiewaffen zu identifizieren. Was halten Sie davon? Eigentlich sollte es dort keine solchen Technologien geben, denn während der ganzen turbulenten Geschichte um die angebliche „Nowitschok“-Vergiftung der Skripals hatte der Westen beteuert, keine solchen Kenntnisse und Technologien zu haben.

Und im „Fall Nawalny“ gelang es der Bundeswehr, binnen weniger Tage „Nowitschok“ oder einen ähnlichen Stoff zu erkennen (das wissen wir selbst nicht, denn man zeigte uns immerhin nichts). Auch die Franzosen und sogar die Schweden bestätigten, das wäre ein Stoff der „Nowitschok“-Gattung gewesen, obwohl er nicht einmal auf der OPCW-Liste verbotener Stoffe steht. Laut zahlreichen Verpflichtungen im Sinne der Chemiewaffenkonvention – der bilateralen und europäischen – fragten wir nach den Ergebnissen der durchgeführten Analysen. Zunächst sagte man uns, das wäre eine multilaterale Frage, und alle Materialien wären der OPCW überlassen worden. Der Generaldirektor der Organisation, Fernando Arias, versuchte zunächst, unseren Fragen auszuweichen. Dann räumte er ein, die Analysen Alexej Nawalnys bekommen zu haben, aber man könnte sie uns nicht überlassen, weil sie quasi Berlin gehören. Die Deutschen hätten den Antrag gestellt, und deshalb sollten wir auch sie danach fragen. Berlin sagte seinerseits, das wäre keine bi Frage, und wir sollten uns an die multilaterale Organisation wenden. Aus meiner Sicht ist das nichts als Schummelei. Mit der OPCW ist im Grunde schon längst alles klar: Der Westen hat sie quasi privatisiert. Jetzt versucht er, das auch mit anderen Strukturen zu tun, aber hier sind ihm wirklich große Erfolge gelungen. Erst nachdem man uns aus Berlin nach Den Haag und zurück geschickt hatte, räumte man ein, dass es auch einen anderen Grund gegeben hatte: Alexej Nawalny wollte nicht, dass diese Daten in die Hände Russlands geraten.

Vor einigen Tagen berichtete Deutschland recht frohgelaunt, es hätte alle vier Anfragen der russischen Generalstaatsanwaltschaft beantwortet. Dabei stützte sich diese Antwort voll und ganz auf eine Befragung Alexej Nawalnys und seiner Frau. Das war alles, was man uns gezeigt hat. Dabei gab es aber keine Beweisgegenstände, keine Informationen zu irgendwelchen Flaschen mit angeblichen Giftspuren, keine Kopien des toxikologischen Gutachtens, keine Bioproben und auch keine Analyseergebnisse. Alexej Nawalny behauptet, er wäre vom russischen Staat und von Präsident Putin persönlich vergiftet worden zu sein. Der Westen akzeptiert diese Behauptungen. Aber die westlichen Länder selbst zeigen uns Fakten nur in der Form, in der Alexej Nawalny selbst diese bei seiner Befragung seitens der deutschen Rechtsschutzorgane geschildert hat. Ich halte das für Respektlosigkeit gegenüber dem Prozess.

Im deutschen Parlament beantragte die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), die viele quasi für Russlands „Kreatur“ halten, bei der Bundesregierung offiziell konkrete Informationen, bekam aber keine Antworten. Dabei wurden konkrete Fragen gestellt: Wer und wo die Flasche während des Flugs aus Omsk nach Berlin gehabt hatte, ob man zu diesem Zeitpunkt gewusst hatte, dass die Organisatoren des Flugs es erlaubt hatten, die Flasche an Bord zu nehmen. Die Antwort war: Die Bundesregierung verfüge über keine solchen Informationen. Aber wieso denn? An Bord des Flugzeugs, mit dem Alexej Nawalny aus Omsk abgeholt wurde, gab es nicht nur Ärzte, sondern auch Vertreter der deutschen Geheimdienste. Das ist allgemein bekannt. Wenn sie nicht wissen, wer welche Flaschen mit an Bord genommen hatte, dann sollten sie ein schlechtes Gewissen haben.

Am Anfang erklärte man, Alexej Nawalny hätte am Flughafen von Tomsk Tee getrunken. Diese Version wurde sofort an die große Glocke gehängt. Dann wurde sie nicht mehr erwähnt, denn es stellte sich heraus, dass Nawalnys nächster Mitstreiter ihm den Tee eingegossen hatte. Dann tauchte die Version mit der Flasche auf. Dann wurde auch sie nicht mehr erwähnt. Die neue Version war der Kleidung gewidmet, dann wieder der Flasche. Erst vor kurzem wurde gesagt (einige Monate nach dem Zwischenfall, wohlgemerkt), man hätte noch früher versucht, Alexej Nawalny zu vergiften, doch damals wäre Julia Nawalnaja vergiftet worden. Wenn binnen einer so kurzen Zeit immer neue und neue „wundervolle“ Fakten auftauchen, haben wir als auswärtiges Amt nur eine Frage: Liebe Deutsche, liebe Franzosen, liebe Schweden, erfüllen Sie doch Ihre internationale Verpflichtung! Präsentieren Sie doch die Ergebnisse der Analysen, die Ihnen zufolge einen Kampfstoff enthalten, der übrigens noch nicht bekannt ist und immer noch nicht auf der entsprechenden OPCW-Liste steht! Man hatte unsere Anfragen nach dem Giftanschlag auf Alexander Litwinenko zurückgewiesen, weil die Ermittlung streng vertraulich verlief, dann auch in der Skripal-Geschichte. Allen Ländern, die auf Bitte der Briten russische Diplomaten ausgewiesen haben, wurde versprochen, entsprechende Fakten später zu präsentieren. Aber es wurde kein einziger Fakt präsentiert – alles, was mit dem „Fall Skripal“ verbunden war, ist im öffentlichen Raum geblieben. „Highly likely“ – und das war’s. Wer den Briten damals geglaubt hat, sollte sich jetzt schämen. Aber leider wird dieser Glaube aus falscher Solidarität auch weiterhin gezeigt.

Man sagt auch nichts zum Thema Einmischung in die US-Wahlen. Der frühere US-Außenminister Rex Tillerson weigerte sich, die „unwiderlegbaren Beweise“ zu präsentieren, von denen er zuvor in der Öffentlichkeit gesprochen hatte. Man sagte nur, man würde nichts präsentieren – und das war’s. dasselbe gilt auch für den „Fall Nawalny“. Wenn Sie die Wahrheit erfahren wollen, sollten Sie höflich sein und Gesetze respektieren, Ihre Verpflichtungen erfüllen und auf keine Methoden der diplomatischen Flegelei zurückgreifen, indem Sie erklären, Sie würden Russland nichts überlassen, weil es für die Vergiftung verantwortlich sei – und Punkt. So werden wir nicht sprechen. Das ist eben die außenpolitische Dimension, für die das Außenministerium im Laufe dieser ganzen Geschichte verantwortlich ist. Unsere Partner dürfen sich nicht so verhalten.

Frage: Wird Russland zusätzlich eine Anfrage nach Deutschland zum Fall Alexej Nawalny angesichts der Tatsache schicken, dass die vorherige Antwort Moskau nicht passte? Habe ich richtig aus der vorherigen Frage verstanden, dass es ohne Genehmigung Nawalnys, die Proben zu übergeben, kein Strafverfahren in Russland geben wird?

Sergej Lawrow: Bezüglich der Anfragen der Generalstaatsanwaltschaft Russlands, ist es ihre Prärogative. Ich denke, dass eine zusätzliche Anfrage geschickt werden soll, damit deutsche Kollegen sich nicht so fühlen, als ob sie ihre Funktionen bereits erfüllt haben. Das war einfach ein formales Schreiben, das für das Amt nicht würdig ist, das für juridische Aspekte der Rechtsschutzfragen zuständig ist.

Die Ärzte in Omsk, die Alexej Nawalny retteten, bevor sie ihn retteten, baten seine Ehefrau, ein Dokument zu unterzeichnen, dass sie darauf beharrt. Ihre Schlussfolgerungen und Ergebnisse der Proben wurden den deutschen Ärzten übergeben, sie gaben ebenfalls ein Beleg über Erhalt. Im August teilten die Deutschen mit, dass im Krankenhaus Charite nichts entdeckt wurde, weil es ein bürgerliches Krankenhaus ist wie auch in Omsk. Die Proben wurden in ein Krankenhaus der Bundeswehr übergeben, wo die Spuren eines Kampf-Giftstoffs entdeckt wurden. Da in Russland in den Proben Nawalnys nichts entdeckt wurde, was von einer Vergiftung mit Kampfstoff zeugen würde, gibt es nach unserer Gesetzgebung keine Gründe, ein Strafverfahren einzuleiten, egal was andere vom Gegenteil sprechen.

Falls eine Geschichte entstand, die bei jemandem Verdächtigungen auslöst, könnte man den Fall auf folgende Weise regeln. Die Deutschen sagen, dass es nicht mehr ein bilaterales, sondern ein multilaterales Problem ist und schicken uns an die OPCW. Wir schlugen dem Generalsekretär der Organisation vor, den Artikel der Chemiewaffenkonvention zu nutzen, die die Hilfeleistung durch das Technische Sekretariat dieser Struktur an ein Teilnehmerland bietet. Es wurde gesagt, nach Russland zu kommen. Sie haben doch Proben von Nawalny. Wir haben sie auch, sie werden im Krankenhaus in Omsk aufbewahrt (vielleicht wurden sie schon in ein entsprechendes Labor gebracht). In Russland gibt es ein von OPCW lizenziertes Labor. Ihre und unsere Ärzte werden zunächst die einen Proben und danach die anderen und umgekehrt analysieren. Sie werden das zusammen machen, damit es Vertrauen zueinander gibt. Das Labor eignet sich vollständig zur Durchführung solcher Veranstaltungen. Wenn man es für nötig hält, irgendwelche neue Ausstattung zu bringen – können sie das bringen, wir sind zu allem bereit. Die einzige Bedingung, dass sie das zusammen machen. Nach einigen Episoden der angeblichen Anwendung der C-Waffen in Syrien, nach Berichten des Sekretariats sagten wir direkt, dass wir nicht vertrauen. Deswegen wollen wir nach dem neu formulierten Prinzip von Ronald Reagan „Vertrauen, aber prüfen“ vorgehen.

Es wurde lange versucht, eine direkte Antwort zu vermeiden. Es wurde gesagt, dass sie international anerkannt sind, es wurde gebeten, unsere Proben zu geben, und dann “dann werden sie erzählen“. Nein, so etwas wird es nicht geben. Es wird nicht mehr Spiele in ein Tor geben. Es wird kein Vertrauen zum Krankenhaus der Bundeswehr, französischen und schwedischen Krankenhäusern und dem Krankenhaus, das die OPCW für ihre inneren Ziele ohne uns wählen wird, bevor wir uns darin vergewissern, dass diese Menschen faire Wissenschaftler, Spezialisten sind. Ich sehe nicht, wie man etwas machen kann, bevor uns die bestellten Materialien vorgelegt werden, oder ein von uns vorgeschlagene Experiment durchführt. Sie hatten wohl Angst bekommen. Das heißt, dass das Gewissen nicht rein ist. Nicht umsonst sagt die Organisation, über  die die Deutschen sagten, dass sie jetzt ihr Eigentum sei, dass es das Eigentum Berlins ist. Der Kreis hat sich geschlossen. Wie Wladimir Putin sagte, sollte man aus uns nicht Menschen mit nicht genügender Geistesentwicklung machen.

Frage: Die Hauptfrage, die die armenische Gesellschaft alarmiert, ist die Situation mit Gefangenen, die sich in Baku befinden. Wie wir verstehen, bleibt sie ohne Lösung. Aserbaidschan manipuliert mit Gefangenen. Die ganze Hoffnung der armenischen Seite ist mit den Handlungen Russlands verbunden. Was wird unternommen, um die Rückkehr der Gefangenen zu erreichen? Gibt es Verständnis über die Fristen, in denen bei dieser Frage ein positiver Beschluss erreicht werden kann? Armenien gab seinerseits alle Kriegsgefangenen aus, doch es folgte keine Antwort. Es kommt zu Prozessen, die nicht ganz in die Rahmen der Erklärungen passen, die am 9. November 2020 und am 11. Januar 2021 unterzeichnet wurden. Gibt es irgendwelche geheime Anlagen zu diesen Erklärungen, über die bislang nicht bekannt ist? Welche Fortschritte bei der Frage über den Status des Bergkarabach gibt es? Inwieweit ist sie verschoben? In Karabach wird gesagt, dass da Russland in dieser Situation so geholfen hat, wird vielleicht die Möglichkeit der Aufnahme Bergkarabachs erörtert? Wird solche Variante vorgesehen?

Sergej Lawrow: Die Frage der Kriegsgefangenen wurde tatsächlich besprochen. Das ist ein Teil der Vereinbarungen, die in der Nacht auf 10. November 2020 unterzeichnet wurden. Sie wurde in den anschließenden Telefongesprächen des Präsidenten Russlands Wladimir Putin mit dem Premierminister Armeniens Nikol Paschinjan und Präsident Aserbaidschans Ilham Alijew besprochen, in meinen Gesprächen mit den Außenministern Ara Ajwasjan und Dschejchun Bajramow. Es war ein Teil der ziemlich langen Diskussionen während des Besuchs der Präsidenten von zwei Ländern nach Moskau am 11. Januar dieses Jahres.

Wenn man das Geschehene zusammenfasst, gab es zunächst tatsächlich die größten Probleme bei Armeniern. Man brauchte vor allem, dass die beiden Länder die Listen der vermissten Menschen erstellen, die sie aus Gefangenschaft holen wollen. Aserbaidschan gab solche Listen, sie waren nicht groß. Nicht sofort, aber alle in den aserbaidschanischen Listen erwähnten Personen wurden zurückgebracht. Es gab nicht mehr solche Situationen mit Vermissten, Gefangenen, Festgehaltenen seitens Aserbaidschans. Von der armenischen Seite wurden die Listen nicht sofort und nicht gleich bereitgestellt.

Anschließend gab es Austausch der Teilnehmer der Ereignisse, die am 9. November 2020 abgeschlossen wurden. Jetzt bleibt die Hauptfrage, die bereits am Anfang Dezember 2020 entstand. Ende Dezember wurde eine Gruppe aus 62 armenischen Militärs nach Hadrut geschickt. Sie gerieten in Gefangenschaft bereits nach einer Woche. Die aserbaidschanische Seite erklärte auf der damaligen Etappe, dass da sie in dieses Gebiet nach der Erklärung über die Einstellung von Feuer und allen Kampfhandlungen verlegt wurden, müssen sie auch einzeln erörtert werden und nicht in der Reihenfolge, die von der Erklärung vom 9. November 2020 vorgesehen ist. Allerdings fördern Präsident Wladimir Putin und ich in den Kontakten mit den Kollegen die Notwendigkeit, die Erörterung dieser Frage fortzusetzen, um sie zu schließen, indem man sich nach dem „Alle gegen Alle“-Prinzip richtet. Ich sprach mit Ara Ajwasjan, indem man versuchte, die endgültigen Listen jener zu präzisieren, die jetzt fehlen. Es stellte sich heraus, dass es deutlich mehr als 62 Personen sind.  

Unsere Militärs stehen in Kontakt mit den Kollegen aus Armenien und Aserbaidschan und es werden bereits Listen mit den Namen geprüft, um zu verstehen, wo sich diese Menschen befinden können. Es gibt natürlich dieses Thema. Hätte es russische Friedenssoldaten nicht gegeben, wäre es wohl schwieriger, das zu lösen. Im Konflikt mit seinen armenischen und aserbaidschanischen Kollegen steht der Kommandeur der Friedenstruppen Generalmajor R. Muradow.

Ich habe die Behauptung nicht verstanden, als ob die Prozesse auf dem Boden den Vereinbarungen vom 9. November 2020 und 11. Januar dieses Jahres nicht ganz passen, und ob es in diesem Zusammenhang geheime Protokolle und Anlagen gibt. Worin besteht das konkret? Ich denke, dass die Erklärung vom 9. November 2020 ziemlich effektiv umgesetzt wird, das ist auch die Einschätzung von Ilham Alijew und Nikol Paschinjan. Außer der aus oben erwähnten Gründen ungelösten Frage über Kriegsgefangenen, die in der jetzigen Redaktion am Anfang Dezember 2020 entstand, ein Monat nach der Unterzeichnung der Vereinbarungen. Es wird die Frage nach dem Mandat der Friedenssoldaten gelöst. Sie soll der Gegenstand einer dreiseitigen Vereinbarung sein, darüber wurde in Moskau am 11. Januar gesprochen. Es gibt keine geheimen Anlagen. Ich sehe nicht, welche Themen geheim sein können.

Was den Status von Bergkarabach betrifft, wurde er in den Vereinbarungen vom 9. November 2020 nicht erwähnt. Das wurde bewusst gemacht. Das Territorium, wo die russischen Friedenssoldaten aufgestellt sind, ist ein Verantwortungsbereich der Friedenstruppen Russlands. Gerade davon gehen wir in unseren Kontakten mit Jerewan und Baku aus. Jetzt werden Details bearbeitet, die mit der Organisierung der Verkehrsverbindung, Versorgung des Zuständigkeitsgebiets der Friedenssoldaten, humanitärer Unterstützung für die zurückgekehrten Menschen (bereits 50.000) zusammenhängen. Dort funktioniert seit langem das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und macht das weiter, indem man die Handlungen mit den russischen Friedenssoldaten koordiniert. Internationale Organisationen, darunter UNESCO, das UN-Flüchtlingshochkommissariat, wird jetzt das Format einer Mission mit Baku und Jerewan abstimmen. Es gibt Fragen, die vor allem mit den Widersprüchen um den Status verbunden sind. Weil das Problem von Bergkarabach widerspruchsvoll ist, wenn man die Positionen Jerewans und Bakus nimmt, wurde von drei Anführern beschlossen, diese Frage umzugehen, sie für die Zukunft zu überlassen.

Damit sollen sich unter anderem die Kovorsitzenden der Minsker Gruppe der OSZE befassen. Jetzt nahmen sie ihre Kontakte mit den Seiten auf, wollen nochmals in die Region fahren. Die Fragen von Status werden doch leichter gelöst, je schneller auf dem Boden die Zusicherungen erfüllt werden, die aus Baku und Jerewan zu hören waren, dass am wichtigsten ist, ein Alltagsleben aller ethnischen und religiösen Gemeinden, die in Karabach koexistierten, aufzunehmen, ein friedliches Leben wiederaufzunehmen.

Bezüglich eines exotischen Vorschlags, Bergkarabach in Russland aufzunehmen. Wie ich verstehe, ist die Unabhängigkeit Karabachs von niemandem anerkannt, darunter Republik Armenien. Wir haben gar keine solchen Gedanken. Wir gehen davon aus, dass alle Fragen dieser Region zwischen den sich hier befindlichen Ländern, vor allem zwischen Armenien und Aserbaidschan gelöst werden sollen. Wir sind bereit, bei der Suche nach einer Lösung, die den Frieden und Stabilität in dieser Region gewährleisten wird, zu helfen. Das wichtigste ist, die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, die hier immer lebten und in  Zukunft leben sollen.

Frage: Aserbaidschan äußerte Protest gegen einen Besuch von armenischen Offiziellen in Bergkarabach. Warum erhalten armenische Offizielle bei den Reisen nach Bergkarabach keine Genehmigungen von der aserbaidschanischen Seite? Wie werden die russischen Friedenskräfte diese Frage regeln? Wird Aserbaidschans diesbezüglicher Protest berücksichtigt?

Sergej Lawrow: Alle Vereinbarungen, vor allem die vom 9. November 2020, sehen vor, dass die Seiten einverstanden sind, dass die Verbindung zwischen Armenien und Bergkarabach durch den Latschin-Korridor gesichert wird, der von den russischen Friedenskräften kontrolliert wird. Die Verbindung zwischen Armenien und Bergkarabach stellte niemand infrage. Im Laufe all der Verhandlungen, die Jahrzehnte lang dauerten, wurde nie die Frage aufgeworfen, dass Armenien und Karabach voneinander abgeschnitten werden sollten. Gerade deshalb wurde der Latschin-Korridor konzeptionell von niemandem abgelehnt. Er ist und bleibt der Gegenstand der gegenseitigen Verständigung, auch unsere aserbaidschanischen Kollegen akzeptieren ihn.  Und genauso wird neben Latschin-Korridor, der eine neue Route haben wird, die zuverlässige und permanente Verbindung zwischen den westlichen Teilen Aserbaidschans und der autonomen Republik Nachitschewan aufrechterhalten. Das sieht die Vereinbarung der Spitzenpolitiker Armeniens, Aserbaidschans und Russlands vor. Alle sind einverstanden, dass die Verbindung zwischen den Armeniern in Karabach und in Armenien weiter bestehen sollte, und ich sehe keine Gründe, warum die Kontakte auf dieser Ebene behindert werden sollten.

Armenische offizielle Vertreter beteiligen sich an der humanitären Förderung Bergkarabachs, was keine negativen Emotionen in Baku hervorruft. Es wäre merkwürdig, wenn die Situation anders gewesen wäre. Dass manche armenische Offizielle in Karabach ziemlich politisierte Erklärungen machen, provoziert Spannungen. Meines Erachtens sollte man so etwas lieber vermeiden. Bevor der 44-tägige Krieg begann, waren wir schon Augenzeugen davon gewesen, dass emotionale Erklärungen, die aus Karabach bzw. bezüglich Karabachs zu hören waren („neuer Krieg, neue Territorien“) – dass all dies Realität wurde. Worte werden zu materieller Kraft. In diesem Fall wurden die Worte, die von beiden Seiten ausgesprochen wurden, zu einer sehr negativen materiellen Kraft. Deshalb legen wir so viel Wert auf die Förderung der Kontakte zwischen der Führung Aserbaidschans und Armeniens, auf die Förderung der vertrauensvollen Atmosphäre. Das war einer der wichtigsten Aspekte des Treffens, das in Moskau unter Beteiligung des Präsidenten Wladimir Putin und der Spitzenpolitiker Aserbaidschans und Armeniens stattfand. Ich hoffe, dass die Emotionen diesmal im Hintergrund bleiben werden.

Es ist nicht gerade der beste Zeitpunkt dafür, das Thema Status Bergkarabachs zur höchsten Priorität zu machen. Das ist ein Thema für die Zukunft. Ich garantiere, dass der Zuständigkeitsbereich der russischen Friedensstifter (und dieser Status wurde vorerst praktisch so bestimmt) eine Form ist, die die Interessen sowohl der aserbaidschanischen als auch der armenischen Seite sichern wird. Zu dieser Frage werden wir später zurückkehren. Es gibt die Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe, aber die Hauptsache ist, dass die Diskussionen zwischen Armenien und Aserbaidschan über Karabachs Status künftig konkret, ruhig, rechtlich bleiben und dass sie sich auf die gute Nachbarschaft stützen, die wir alle in der Region wiederherstellen müssen.

Frage: Ihr griechischer Amtskollege Nikos Dendias bezeichnete Russland vor kurzem als einzige Großmacht, die Griechenlands Recht auf den zwölf Meilen großen Raum des Hoheitsgewässers anerkennt. Trotz solcher positiven Momente entwickeln sich die russisch-griechischen Beziehungen eher schmerzhaft. Zum ersten Mal seit vielen Jahren lassen sich in Griechenland und auch in Zypern die Stimmen hören, Russland würde im Mittelmeerraum destruktiv handeln. So offen reden US-amerikanische Diplomaten. Andere behaupten, dass Moskau seine historischen Partner im Stich lassen und seine Politik im Interesse seines Bündnisses mit der Türkei ändern würde. Stimmt das etwa? Wäre eine Zusammenarbeit zwischen Griechenland, Zypern und Russland unter den aktuellen Bedingungen möglich? Oder sind die Interessen unserer Länder unterschiedlich?

Sergej Lawrow: Sie haben gesagt, man sage in Griechenland und Zypern, Russland würde eine destruktive Rolle in der Region spielen, und ergänzt, dass davon amerikanische Diplomaten reden. Wenn das US-Diplomaten in Griechenland und Zypern sagen, dann sagen sie das auch in jedem anderen Land. Also sollten Sie sich gar nicht wundern. Amerikanische Diplomaten, egal in welchen Ländern, genieren sich nicht, ein Mikrofon in die Hand zu nehmen und zu erklären, dass die Länder, in denen sie als Botschafter fungieren, ihre Kontakte mit der Russischen Föderation einstellen sollten. Manchmal wird gleichzeitig auch China erwähnt, wie das der US-Außenminister Mike Pompeo sagte, als er durch Afrika reiste und von den Afrikanern verlangte, mit Russland und China nicht zu handeln, weil die Russen und Chinesen angeblich ihre eigenen Interessen verfolgen, während die USA mit Afrika angeblich altruistisch handeln. So einfach sind heutzutage diplomatische Manieren geworden.

Ich habe vor kurzem Griechenland und Zypern besucht. Vor relativ kurzer Zeit telefonierte ich mit dem zyprischen Außenminister Nikos Christodoulides. Ich sehe keine Gründe, aus denen man diese Länder überzeugen könnte, Russland wäre ihr Gegner und würde eine feindselige Politik ihnen gegenüber ausüben. Man versucht, sie davon zu überzeugen, aber vernünftige Politiker sehen den ganzen Hintergrund, der darin besteht, dass die Russische Föderation einfach als Feind dargestellt wird, dass man erklärt, unsere Präsenz auf dem Balkan würde die Fortschritte dieser Länder auf dem Weg in die Nato und ihre euroatlantische Integration behindern.

Da gibt es keine Diplomatie – das ist nichts als grober öffentlicher Druck. In solchen Ländern wie Zypern und Griechenland sind nicht alle in der Lage, auf solche Aufrufe offen zu reagieren, denn man hat ja Angst, den „großen Bruder“ zu kränken. Es gibt keine tiefe Abneigung zwischen jemandem in Russland, Griechenland und Zypern.

Wir haben sehr warme und enge Beziehungen – eine geistige Verbindung. Diese geistige Verbindung zu zerstören, versuchen dieselben amerikanischen Kollegen, die den Ökumenischen Patriarch Bartholomäus I. gezwungen haben, den Weg der Spaltung zu gehen und die jahrhundertelangen Traditionen des orthodoxen Christentums zu verletzen – den Weg zu gehen, den die Orthodoxen als „Papismus“ bezeichnen. Dieser wurde von der östlichen orthodoxen Kirche immer abgelehnt. Es ist ja kein Zufall, dass es in der orthodoxen Welt keinen Analog für den Papst gibt.  Es gibt den Ökumenischen Patriarch, der bis zuletzt als erster unter den Gleichen galt. Unter dem groben und unverhohlenen Druck Washingtons ist er den Weg der Spaltung in der Ukraine gegangen, dort die marionettenhafte so genannte Orthodoxe Kirche der Ukraine gegründet, die Kirche betrogen, indem er die ihr versprochenen Rechte beschränkte. Jetzt versucht er gemeinsam mit den Amerikanern, auch andere orthodoxe Kirchen zu „bearbeiten“, auch die Kirche von Griechenland, den Vorsteher der Zyprischen orthodoxen Kirche, um auch weiter den Weg zur Vertiefung dieser zerstörenden antikanonischen Handlungen gegenüber dem östlichen orthodoxen Glauben zu gehen. Die „Büchse der Pandora“, die Bartholomäus geöffnet hat, hat bereits zur Spaltung der Zyprischen orthodoxen Kirche und zu „Schwankungen“ in anderen Kirchen geführt. Die Mission, mit der ihn die Amerikaner beauftragt haben (und sie machen kein Hehl daraus, dass sie unter dem Motto der „Religions- und Glaubensfreiheit“ vorgehen), besteht darin, den Einfluss der orthodoxen Kirche in der heutigen Welt zu untergraben. Eine andere Erklärung für die Handlungen dieses Mannes sehe ich einfach nicht.

Was die Streitigkeiten angeht, die Sie indirekt erwähnt haben, als sie von der Anerkennung der Zwölf-Meilen-Zone des griechischen Hoheitsgewässers durch Russland sprachen, so geht es nicht darum, dass Russland das anerkannt hat, sondern darum, dass dies aus dem universalen Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 hervorgeht. Dieses Übereinkommen, die alle (außer den USA) unterzeichnet haben, bestimmt, dass ein Staat das Recht hat, die Größe seines Hoheitsgewässers bis zwölf Meilen bestimmen darf.

Als Griechenland das verkündete, sagten wir genau das, was ich eben gesagt habe: Das ist eine völlig legitime Entscheidung. Eine andere Sache ist allerdings, dass ein von einem Staat erklärtes Hoheitsgewässer den Interessen eines Nachbarlandes widersprechen könnte. Falls festgestellt werden sollte, dass diese Interessen aus der Sicht des Seerechtsübereinkommens legitim sind, muss man im Dialog nach einer Lösung bzw. Interessenbalance suchen. Wir plädieren dafür, dass alle Probleme um die ausschließlichen Wirtschaftszonen sowohl Griechenlands als auch Zyperns im Dialog geregelt werden.

Ich habe gehört, dass mein griechischer Amtskollege Nikos Dendias ein Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu vereinbart hat, das Ende Januar stattfinden soll. Meines Erachtens ist das ein richtiges Format, in dem man solche Fragen besprechen sollte. Natürlich will niemand, dass es im Östlichen Mittelmeerraum zu irgendwelchen Gewaltaktionen kommt. Was uns angeht, so könnten wir unsere guten Beziehungen mit den in diese Streitigkeiten verwickelten Ländern nutzen, wenn wir da nützlich sein könnten. Wir wären dazu bereit, falls wir entsprechende Bitten erhalten.

Frage (inoffizielle Übersetzung aus dem Englischen): Sie sprachen von der strategischen Partnerschaft und von hervorragenden Beziehungen zwischen dem Ministerpräsidenten Indiens, Narendra Modi, und Präsident Putin. Wie sehen Sie die Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und Indien in der sich wandelnden geopolitischen Situation, besonders im Kontext der Sanktionsdrohungen einiger Länder gegenüber Indien und Russland, unter anderem wegen der Lieferungen von Luftabwehrsystemen S-400?

Sergej Lawrow (Übersetzung aus dem Englischen): Die Partnerschaft zwischen Russland und Indien heißt etwas anders. Sie haben sie „strategisch“ genannt – das war die ursprüngliche Variante. Einige Jahre später schlug die indische Seite vor, sie als „privilegierte strategische Partnerschaft“ zu bezeichnen, und noch einige Jahre später, als Herr Modi zum Regierungschef wurde, nannten wir sie „besonders privilegierte strategische Partnerschaft“.

Es bestehen Möglichkeiten für die weitere Verbesserung unserer Beziehungen, die schon jetzt durchaus gut sind. Indien ist unser naher strategischer und privilegierter Partner. Nehmen Sie einmal die Wirtschaft, den innovativen Bereich, die High-Tech-Branche, unsere Kooperation auf dem militärischen und technischen Gebiet. Indien ist einer von unseren nächsten Partnern in all diesen Fragen. Wir koordinieren unsere Handlungen in politischen Fragen in solchen Organisationen wie UNO und BRICS. Wir haben viel dafür getan, dass Indien und Pakistan sich der SOZ anschließen, wo eine Konstellation entstanden ist, die diese Organisation repräsentativ genug macht, damit sie konstruktive, stabilisierende Ideen für die Eurasische Region und den Asien-Pazifik-Raum im Allgemeinen voranbringen kann.

Gemeinsam mit unseren indischen Freunden besprachen wir auf dem Niveau der Präsidenten, Ministerpräsidenten, Minister, Experten und Berater sowohl praktische Dinge als auch konzeptuelle Fragen, die unter anderem von der neuen Konzeption der „Indopazifischen Strategie“ hervorgeht. Wie denken nicht, dass dies nur ein neuer Begriff ist. Wenn Sie sich das aus geografischer Sicht ansehen, dann verweist der Teil „Indo-“ auf alle Länder, die an den Indischen Ozean grenzen. Aber Ostafrika (wie man uns sagte) wurde nicht in die „Indopazifische Strategie“ aufgenommen. Wie auch die Persische Golfregion. Und was wurde aufgenommen? Wie US-Außenminister Mike Pompeo vor kurzem sagte, bilden die USA, Australien, Indien und Japan das „Gestell“ der freien Indopazifischen Region. Die Australier, Japaner und Amerikaner bringen dieses Format voran und sagen offen, es sei wichtig, die Stabilität im Ostchinesischen Meer zu fördern, um China einzudämmen.

Ich habe das mit meinem guten Freund, dem Außenminister Indiens, Subrahmanyam Jaishankar, und anderen indischen Kollegen besprochen und verstanden, dass sie klar und deutlich verstehen: Manche Länder wollen die „Indopazifische Strategie“ ausnutzen, damit sie nicht inklusiv wird und eine gewisse Konfrontation vorsieht. Unsere Kollegen aus den ASEAN-Ländern sind derselben Meinung. Sie sind darüber beunruhigt, dass solch aggressive Aufdrängung bzw. Förderung solcher Konzeptionen die zentrale Rolle des ASEAN im Asien-Pazifik-Raum und in verschiedenen Formaten zerstören könnte, insbesondere in der Ostafrikanischen Gemeinschaft, in deren Mittelpunkt der ASEAN seit vielen Jahren steht.

Meines Wissens wird diese Frage in Indien intensiv debattiert. Indien will diese indopazifische Kooperation konstruktiv einsetzen. Ich habe diese Frage so ausführlich beantwortet, weil meine früheren Kommentare dazu in indischen Massenmedien diskutiert worden waren, die gegenüber der Regierung Indiens kritisch eingestellt sind. Ich möchte, dass man meine Worte richtig deutet: Russland ist ein Freund von Indien. Wir tun unser Bestes, um zu garantieren, dass Indien und China – zwei unsere großen Freunde  und Brüder – miteinander in Frieden leben.

 Das ist das politische Prinzip, das wir nicht nur im Kontext der SOZ und der BRICS voranbringen. Wir haben auch das spezielle dreiseitige RIC-Format: Russland, China und Indien. Es wurde in den 1990er-Jahren gegründet und funktioniert immer noch. Das vorerst letzte Treffen auf der Ministerebene fand im September 2020 in Moskau statt. Wir haben eine gemeinsame Erklärung vereinbart, in der die Aufrechterhaltung des Friedens und der Stabilität in Asien und der ganzen Welt anerkannt und die Kooperation zwischen den drei Ländern bestätigt wurde.

Ich freue mich, dass wir neben dem politischen Dialog zwischen unseren drei Ländern auch viele andere Formate haben, die menschliche Kontakte vorsehen, insbesondere unter Beteiligung der wissenschaftlichen Kreise, junger Menschen usw. Wir sind weise genug, um einzusehen, ob diese Strategie eher spaltend oder eher vereinigend ist. Unsere sehr nahe Partnerschaft mit Indien wird darunter keineswegs leiden. Der maximal aufrichtige und ehrliche Dialog selbst über solche Fragen, bei deren Besprechung wir nicht immer Berührungspunkte finden, ist der Schlüssel zur Entwicklung unserer Partnerschaft.

Frage: Eine Frage zur Situation in Nordostasien. Japan beunruhigt es sehr, dass Nordkorea seine atomare Stärke festigt. Das zwingt Japan dazu, Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, also das System der Raketenabwehr zu erwerben. Russland teilt wohl nicht unsere Besorgnisse, sondern sieht hingegen in unseren Anstrengungen, eigene Sicherheit zu festigen, eine gewisse Bedrohung. Die Situation wird durch die Absicht der USA zugespitzt, die Mittelstreckenraketen in der Asien-Pazifik-Region zu stationieren. Einige Medien teilten mit, dass Russland und China die Möglichkeit erörtern, gemeinsame Gegenmaßnahmen im Falle solchen Schritts seitens der USA zu erörtern. Stimmt das? Es entsteht der Eindruck, dass sich in der Region zwei Militärblöcke bilden – USA, Japan und Südkorea auf der einen Seite und Russland und China auf der anderen Seite. Ich denke, dass es sich zwischen Japan und Russland jetzt relativ gute Nachbarschaftsbeziehungen bildeten. Wie können wir die Verschlechterung der Beziehungen bzw. sogar Konfrontation vermeiden angesichts der jetzigen Situation in der Region? Halten Sie es für möglich, unsere positiven Beziehungen vor dem Hintergrund der Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und den USA beizubehalten?

Sergej Lawrow: In den letzten anderthalb Jahren ist das Bleiben von Schwierigkeiten bei den Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea, Südkorea und Nordkorea  offensichtlich. Wir gehen davon aus, dass sich die Seiten jeglicher rascher praktischer Schritte im Militärbereich enthalten werden, die zur Eskalation der Spannung um die Koreanische Halbinsel führen würden. Die Seiten verzichten nicht auf die zuvor übernommenen Verpflichtungen. Am Anfang des vergangenen Jahres bestätigten Nordkorea und danach auch Südkorea ihren Wunsch, die Vereinbarungen zu erfüllen, die von den Anführern von Nord und Süd bereits 2018 erreicht wurden. Viele wurden auf die Militärparade anlässlich eines weiteren Jahrestags in Nordkorea aufmerksam. Im Ganzen werden keine Handlungen unternommen, die in der Praxis real eine materielle Grundlage für Eskalation bilden werden.

Wir werden abwarten, wie die Administration von Joe Biden die Politik in dieser Richtung aufbauen wird. Wir sind daran interessiert, dass es auf der Halbinsel einen festen Frieden gibt. Zusammen mit unseren chinesischen Kollegen haben wir eine Roadmap unserer gemeinsamen Vision der Bewegung zum Frieden bereits 2017 vorbereitet. Wir besprachen sie auch mit anderen Teilnehmern der sechsseitigen Verhandlungen, darunter Japan und die USA, natürlich Nordkorea und Südkorea. Auf Grundlage der gemeinsamen Positionen und auf Grundlage dieser Roadmap bereiteten wir zusammen mit unseren chinesischen Partnern einen Aktionsplan vor, den wir vorschlagen können, sobald die Möglichkeit entsteht, die Kontakte wiederaufzunehmen. Ich möchte nochmals unseren aufrichtigen Wunsch ausdrücken, hier das Erreichen eines festen Friedens und Einigung zu fördern.

Was unsere Beziehungen mit Japan betrifft, halten wir sie für gutherzig. Es gab immer freundschaftliche Verbindungen, Sympathien beim russischen Präsidenten und seinen japanischen Kollegen, Premierministern. Ich bin mir sicher, dass auch mit dem Premier Yoshihide Suga persönliche Kontakte aufgestellt werden.

Was die militärische Situation in der Region betrifft – ja, wir machen zusammen mit China gemeinsame Arbeit, darunter in Form der Militärübungen. Die russisch-chinesischen Übungen ist nicht etwas prinzipiell Neues. Sie fanden mehrfach im bodengestützten Format, im Format der SOZ, im bilateralen Format statt. Jetzt fanden Übungen der  Weltraumkräfte statt. Sie sind nicht gegen Japan gerichtet, sondern sollen die Kampfbereitschaft der Fliegerkräfte prüfen, die die Sicherheit der Grenzen der Russischen Föderation und der Volksrepublik gewährleistet. Was bedroht diese Sicherheit? Es gibt viele Drohungen, darunter auch jene, die Sie erwähnten – die Pläne der USA, in Japan und in Südkorea die Raketenabwehrsysteme und bodengestützte Mittel- und Kurzstreckenraketen zu stationieren, die durch den von Amerikanern zerstörten Vertrag verboten waren.

Wir übergaben Tokio eine Liste mit unseren konkreten Besorgnissen im Sicherheitsbereich, die die Möglichkeit der Fortsetzung der konstruktiven Verhandlungen um das Thema Friedensvertrag direkt betreffen. Bislang haben wir keine Antwort bekommen. Doch auch die Schaffung der US-Raketenabwehr auf dem japanischen Territorium, und die Möglichkeit der Stationierung der bodengestützten amerikanischen Kurz- und Mittelstreckenraketen in Japan gehören zu diesen Besorgnissen. Bezüglich der Raketenabwehr sichern unsere japanischen Kollegen uns zu, dass sie einfach die existierenden Systeme Aegis Ashore kaufen, doch sie selbst kontrollieren werden, die Amerikanern werden mit der Steuerung dieser Systeme nichts zu tun haben. Bei allem Respekt gegenüber unseren japanischen Freunden, ist das unmöglich.  Die US-Kontrolle über diese Systeme kann nicht vermieden werden. Was Kurz- und Mittelstreckenraketen betrifft, habe ich gehört, dass die japanische Regierung von dieser Idee der USA nicht begeistert ist, versucht aber, die Verhandlungen über die Stationierung der bodengestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen in die Dimension der seegestützten Stationierung zu bringen. Das würde kaum das Wesen der Sache ändern, weil die Stationierung der Kurz- und Mittelstreckenraketen im Japanischen Meer selbst auf Schiffen bedeuten würde, dass diese Raketen einen bedeutenden Teil der Russischen Föderation erreichen können.

Wir sind zur Fortsetzung des Dialogs bereit, doch wir möchten auf die Besorgnisse im Sicherheitsbereich, von denen die japanische Seite genau Bescheid weiß, eine Antwort bekommen. Neben einer materiellen Form der Waffen, die in Japan in einer gewissen Form stationiert werden sollen, gibt es auch eine militärpolitische Dimension – Union Japans mit den USA, laut der sie ihre Waffen in jedem Teil des japanischen Territoriums stationieren können. Sowie wir verstehen, bestätigte Tokio mehrmals, darunter im vergangenen Jahr, seine volle Anhänglichkeit an diese militärische Union, wobei die Amerikaner ihre Hauptverbündeten genannt wurden. Das alles geschieht in der Situation, wenn die USA Russland ihren Hauptgegner und sogar Feind nennen, wie vor kurzem Mike Pompeo sagte. Wenn japanische Freunde eine Union mit dem Land aktiv bestätigen, das Russland als Feind betrachtet, schafft das natürlich eine sehr spezifische Situation, die man offenbar klären sollte.

Frage (übersetzt aus dem Spanischen): Ich bin Journalist des öffentlichen Fernsehens in Argentinien, Buenos Aires. Es gibt ein Thema, das für unsere Region Lateinamerikas und besonders die Argentinische Republik wichtig ist, und zwar die Souveränität über die Malwinen.  Ich möchte sofort Sie fragen, wie ist die Position der Russischen Föderation dazu, sowie über die Änderungen, die der Austritt Großbritanniens aus der EU nach sich ziehen wird?

Sergej Lawrow: Wir unterstützen alle Resolutionen der UN-Vollversammlung über die Malwinen. Wir stimmen für sie seit der ersten Minute, als dieses Thema in der UNO auftauchte, und werden weiterhin die Erfüllung dieser Resolutionen in der Praxis anstreben. Es gibt solches Thema wie Doppelstandards. Das Problem der Malwinen existiert seit langem. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beharrte sehr hart darauf, dass die Einwohner der Malwinen (die von London Falklandinseln genannt werden) das Recht auf die Selbstbestimmung haben. Wir erinnerten die Engländer daran, als sie im März 2014 bezüglich des Referendums auf der Krim „alarmiert“ waren. Wir fragten sie: „Die 10.000 Meilen von England entfernten Malwinen haben also das Recht auf die Selbstbestimmung, und den Krim-Bewohnern, die das ganze Leben in unserem Land waren, wurde dieses Recht verweigert?“. Die Antwort war sehr einfach: „Das sind zwei verschiedene Sachen“. Das wird ihrem Gewissen überlassen. Wir sind davon überzeugt, dass der Streit via Dialog gelöst werden soll, wie das auch in der Resolution der UN-Generalversammlung vorgesehen ist.

Frage: Am 12. Januar 2021 fand in Berlin das erste in diesem Jahr Treffen der Berater der Anführer des Normandie-Quartetts statt. Wie der Stellvertretende Leiter der Administration des Präsidenten der Russischen Föderation, Dmitri Kosak, sagte, wurden Beschlüsse zu keinem Punkt erreicht. Wie sehen Sie einen Ausweg aus der Sackgasse, wo sich die Regelung der ukrainischen Krise erwies?

Sergej Lawrow: Wir sehen keinen anderen Weg außer Erfüllung der Minsker Vereinbarungen. Womit befassten sich jetzt die Berater der Anführer des Normandie-Formats? Sie versuchten immer wieder eine Roadmap der Bewegung zu diesem Ziel zu erstellen. Das wir an der Erstellung bzw. am Versuch, eine Roadmap zur Erstellung, teilnehmen, ist ein großes Zugeständnis von unserer Seite. Es gibt auch ein Zugeständnis seitens Donezk und Lugansk, mit denen wir vor jedem Treffen im Normandie-Format unsere Aktionen koordinieren. Das Normandie-Format ist nur die Begleitung der wichtigsten Arbeit. Die wichtigste Arbeit läuft in der dreiseitigen Gruppe, wie sie von den Ukrainern genannt wird. Wir nennen sie Kontaktgruppe. Doch man kann auch dreiseitige Gruppe sagen angesichts der Tatsache, dass es dort drei Seiten gibt – Kiew, Donezk und Lugansk. Russland und die OSZE sind Vermittler. Eine Roadmap, deren Erstellung vor drei bzw. vier Jahren von Deutschen und Franzosen vorgeschlagen wurde, tauchte jetzt erneut auf. Auf der damaligen Etappe bestand die Idee darin, die Bewegung auf der Sicherheitsbahn zu synchronisieren – Trennung der Kräfte, Abzug der schweren Waffen, Gewährleistung der Passierstellen auf solche Weise, damit sie für Zivilisten bequem funktionieren, Maßnahmen im Bereich politische Regelung – Fortschritte bei der Frage des Statuses, Vorbereitung der Wahlen, Amnestie u.a.  Damals wurde das nicht geschafft, weil die ukrainische Seite kategorisch gegen solche parallele Bewegung war und sagte, dass man zunächst alle Sicherheitsfragen lösen soll und man erst dann über die politische Füllung nachdenken wird. Daran stolperte einst auch das Thema Wahlen.

Gemäß den Minsker Vereinbarungen (wenn man sie ohne Politisierung und ideologische Barrieren) liest, soll man zunächst einen speziellen, besonderen Status von Donezbecken gewährleisten und erst dann auf Grundlage dieses Statuses die Wahlen durchführen. Die Ukraine sagte aber: „Machen wir es umgekehrt – zunächst Wahlen und dann, abhängig davon, wer gewählt wird, wenn das Ergebnis uns gefällt, werden wir den Sonderstatus gewähren. Wenn das Ergebnis uns nicht gefällt – werden wir ihn nicht gewähren.“

Dann wurde ein Kompromiss unter Teilnahme des Präsidenten Wladimir Putin, der Anführer Frankreichs, Deutschlands, der Ukraine – die so genannte Steinmeier-Formel erreicht, die die Durchführung der Wahlen und Bereitstellung des speziellen Statuses für diese Region synchronisieren würde. Das alles wurde im Dezember 2019 auf dem Gipfel in Paris bestätigt. Präsident Wladimir Selenski verpflichtete sich, diese Formel in der Gesetzgebung zu verkörpern.

Aus den Pariser Beschlüssen wurde nicht vieles genommen. So fand an einigen Abschnitten die Trennung der Kräfte und Mittel, ein kleiner Austausch von Gefangenen, Festgehaltenen statt. Die Versuche, einen weiteren Austausch abzustimmen, die diese Monate andauerten, scheiterten wegen der Position der Ukraine, die noch mehr irgendwelche künstliche Forderungen stellten.

Die Volksrepubliken Donezk und Lugansk sagten bei unserer Unterstützung, dass in der nächsten Zeit im Sinne des guten Willens ein Teil der ukrainischen Staatsbürger an Kiew einseitig übergeben wird, die auf ihrem Territorium festgehalten werden. Sollen zumindest die ukrainischen Behörden das Gefühl des Schams bekommen, dass der Alle-gegen-Alle-Austausch, wie früher vereinbart wurde, aus den Gründen verzögert, die mit humanitären Gründen nichts zu tun haben. Und jetzt, wenn sich die Berater der Anführer trafen, wurde ein weiterer Versuch unternommen, eine Roadmap zu machen. Wenn man versucht, die Minsker Vereinbarungen als Vereinbarungen einer indirekten Handlung darzustellen, wollen wir jeden Schritt, der dort vorgesehen ist, entziffern. Die Ukraine hat eine absolut obstruktive Position eingenommen.

Ein Beispiel. In den Minsker Vereinbarungen heißt es, dass man die Kräfte und Mittel auf eine bestimmte Distanz von der Kontaktlinie abziehen soll. Überall. Vor dem Normandie-Gipfel in Paris im Dezember 2019 stimmten die Experten eine Schlusserklärung der Anführer ab, dort gab es auch einen Punkt über die Trennung der Kräfte und Mittel zu einer bestimmten Frist entlang der ganzen Kontaktlinie. Sie wurde bereits von Experten, Ministern, Beratern visiert. Präsident Selenski sagte, dass er darauf nicht eingehen kann, sondern bereit ist, nur der Trennung an drei neuen Passierstellen an der Kontaktlinie zuzustimmen. Die Anführer Deutschlands und Frankreichs waren erschüttert. Die Ukraine erzählt ja allen, dass für sie am wichtigsten die Lösung des Sicherheitsproblems auf dem Boden ist. Und plötzlich sagte der Präsident, mit dem so viele Hoffnungen auf die Bewegung zum Frieden verbunden waren und der das Motto über die Aufstellung des Friedens im Donezbecken zum wichtigsten Punkt in seiner Wahlkampagne machte, „Nein, ich werde die Kräfte und Mittel nicht abziehen, ich kann das nur in drei Dörfern machen“. Das bringt schon zu einem gewissen Gedanken. Man kann lange das bedauern, doch der Hauptgrund besteht in der Unfähigkeit bzw. fehlendem Wunsch Berlins und Paris, ihre Schützlinge in Kiew dazu zu bewegen, mit der Untergrabung der Minsker Vereinbarungen aufzuhören.

Präsident Selenski sagt, die Minsker Vereinbarungen seien für die ukrainische Seite nur dafür nötig, die Russland-Sanktionen weiter in Kraft bleiben zu lassen, und andernfalls wäre er daraus schon ausgestiegen, und Paris und Berlin schweigen schon wieder. Kiews Vertreter in der Kontaktgruppe, Ex-Präsident Leonid Krawtschuk, erklärte seinerseits, die Minsker Vereinbarungen wären das größte Hindernis auf dem Weg zur Regelung des Donbass-Problems. Das bedeutet nur eines: Kiew wird dadurch behindert, seine Ordnung dort gewaltsam zu etablieren. Ein anderes Mitglied der Kiewer Delegation in der dreiseitigen Gruppe, Alexej Resnikow, erklärte, die Minsker Vereinbarungen mögen nicht schlecht sein, aber sie seien nicht juristisch verbindlich, sondern lediglich eine Art politische Wunschäußerung… Das ist ja die absolute Unwissenheit. Die Minsker Vereinbarungen wurden vom UN-Sicherheitsrat in einer einstimmig gebilligten Resolution befürwortet und sind damit Teil des Völkerrechts. Und noch sagte er, dort sollte man „einige Dinge vertauschen“, wobei die Hauptsache sei, „zunächst die ukrainischen Grenzschutzkräfte einzuführen“, damit sie die ganze Grenze an Russland unter ihre Kontrolle nehmen und dadurch die Volksrepubliken Donezk und Lugansk „einkesseln“. Und nachdem die ukrainischen bewaffneten Strukturen sie eingekesselt haben, könnten dort nach seinen Worten die Wahlen stattfinden. Also will man gewisse Generalgouverneure ernennen und alle jetzigen Spitzenfiguren hinter Gittern werfen, weil man sie alle „Terroristen“ nennt.

Für mich ist im Moment am wichtigsten, zu verstehen, was die Franzosen und Deutschen denken. Auf unsere zahlreichen Aufrufe (unter anderem schrieb ich persönlich entsprechende Briefe an sie), die Kiewer Unterhändler bei den Verhandlungen mit den Donbass-Vertretern in die Schranke zu weisen, treten sie  einfach „in den Schatten“ und sagen nichts in der Öffentlichkeit. Falls es die Einstellung gibt, der zufolge das Land (genauer gesagt, die ukrainische Führung) nicht gekränkt werden darf, mit dem eine der Hoffnungen auf Russlands Eindämmung verbunden ist, dann sollten sie uns das direkt sagen. Dann werden wir uns unsere Handlungen in dieser Richtung anders überlegen.

Frage: Eine Frage von der Nachrichtenagentur SANA und vom syrischen Volk, das die ganze Zeit wegen aggressiver Handlungen Israels leiden muss (das nach wie vor unsere Städte und Dörfer mit Bomben bewirft und in letzter Zeit seinen Handlungsraum in Syrien erweitert hat), wie auch wegen der aggressiven Sanktionen der USA und ihrer Verbündeten. Können Sie bitte diese Situation kommentieren?

Sergej Lawrow: Wir brachten unsere Einschätzung der Ereignisse in Syrien schon öfter zum Ausdruck. Alle haben die einstimmig verabschiedete Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats unterzeichnet, die verlangt, die Souveränität, territoriale Einheit, politische Unabhängigkeit der Syrischen Arabischen Republik zu respektieren. Was die Vereinigten Staaten in Syrien tun, ist ein gröbster Verstoß gegen diese Resolution. Eine genauso grobe Verletzung dieser Resolution ist auch Washingtons Vorgehen zwecks Behinderung der Versorgung Syriens mit humanitären Hilfsmitteln, wobei sie auf alle möglichen Mittel (unter anderem auf Erpressung und Ultimaten) zurückgreifen. Die Resolution 2254 verlangt, das syrische Volk mit humanitären Gütern zu versorgen. Die USA tun ihrerseits alles, und das zu behindern bzw. zu verhindern. Sie haben enorm scharfe Sanktionen ausgerufen – den umstrittenen „Caesar Act“. Unter anderem wurde selbst internationalen Organisationen verboten, an der Konferenz für Heimkehr syrischer Flüchtlinge teilzunehmen, die im November 2020 in Damaskus stattfand. Dennoch nahmen etwa 20 Länder, insbesondere fünf arabische Staaten, daran teil, die die Angst vor dem amerikanischen Hegemon überwinden konnten. Und inzwischen haben die USA, die es allen Ländern verbieten, selbst humanitäre Güter nach Syrien zu befördern, große Gebiete östlich des Euphrats besetzt. Sie beuten gnadenlos die syrischen Kohlenwasserstoffe, die syrischen nationalen Schätze aus, die sie stehlen und verkaufen – und mit den dadurch erlösten Geldern finanzieren sie ihre „Strohmänner“, insbesondere die kurdischen Separatisten, indem sie ihnen vom Dialog mit Damaskus abraten und ihre separatistischen Stimmungen fördern. Das ruft große Probleme hervor – auch in der Türkei. Am wichtigsten ist aber, dass dies auf dem Territorium Syriens passiert, wo sich die Amerikaner und ihre westlichen Verbündeten ohne jegliche Einladung aufhalten.

Wir brachten unsere Position zu diesem Thema schon häufiger zum Ausdruck. Unter anderem tat das unser Präsident. Ja, wir haben Kontakte mit den USA auf dem Niveau der Militärs, aber nicht weil wir die Legitimität ihres Aufenthalts dort anerkennen, sondern weil sie binnen gewissen Rahmens handeln sollten. Wir können sie nicht einfach wegjagen, denn wir wollen keine Konfrontationen mit ihnen. Und da sie nun einmal schon da sind, führend wir den Dialog mit ihnen – zum Thema „Deconflicting“, wobei wir darauf bestehen, dass sie gewisse Regeln einhalten. Unter anderem verweisen wir ihnen auf die Unzulässigkeit der Gewaltanwendung gegen Objekte des syrischen Staates.

Was Israel angeht, so pflegen wir enge Kontakte mit Tel Aviv. Präsident Putin besprach dieses Thema mit dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, und zwar häufiger. Wir heben die Frage von der Notwendigkeit der Einhaltung der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats und auch der Libanon-Resolution hervor. Sie wird von den Israelis auch verletzt, wenn sie den syrischen Luftraum  für Schläge gegen Objekte auf dem libanesischen Territorium nutzen. Das ist eine wichtige Frage in unseren Beziehungen. Wenn Israel auf Gefahren für seine Sicherheit reagieren muss (was seine Vertreter ja behaupten), die vom syrischen Territorium ausgehen, dann sagten wir unseren israelischen Kollegen schon öfter: „Wenn Sie solche Gefahren sehen, stellen Sie bitte entsprechende Informationen uns zur Verfügung.“ Wir wollen gar nicht, dass syrisches Territorium gegen Israel eingesetzt wird – oder auch zur Arena für eine Konfrontation zwischen dem Iran und Israel wird (das würden sich wohl viele wünschen). Meine lieben israelischen Kollegen, wenn Sie über Fakten verfügen, die davon zeugen, dass von einem Teil des syrischen Territoriums eine Gefahr für Ihren Staat ausgeht, dann teilen Sie diese Informationen sofort uns mit. Wir werden alle Maßnahmen ergreifen, um diese Gefahr zu neutralisieren. Vorerst haben wir darauf keine konkrete Antwort bekommen, bestehen aber weiterhin darauf.

Frage: Ich möchte wieder die Ereignisse in den USA ansprechen, wenn Sie erlauben. Denn sie waren immerhin enorm dramatisch, vor allem in Washington. Wir alle haben noch die Bilder aus dem Kapitol in der Erinnerung. Wir erinnern uns noch an den Gewaltausbruch dort. Es ist aber auch interessant, was darauf folgte, wie die Reaktionen auf all diese Ereignisse waren. Denn in den USA greifen jetzt viele auf die Rhetorik zurück, die wir gut kennen.  Es geht darum, Trump-Anhänger aus der Republikanischen Partei zu verdrängen, de facto eine Art Lustration durchzusetzen usw. Sie sprachen bereits davon, dass manchen Personen und sogar dem Präsidenten der Zugang zu Informationsplattformen verwehrt wurde. Erinnert Sie das nicht an gewisse Ereignisse? Und auch angesichts der Tatsache, dass viele in Amerika immer noch glauben, Donald Trump wäre vor vier Jahren mit Russlands Hilfe an die Macht gekommen – erwarten Sie im Kontext der jüngsten Ereignisse keine neuen Schläge gegen Russland im politischen und im Informationsraum? Danke!

Sergej Lawrow: Wir haben dieses Thema heute schon erwähnt. Die Frage, ob mich das nicht an gewisse konkrete Dinge erinnert, werde ich nicht beantworten, denn jeder kann sich ja an verschiedene Dinge erinnern. Die Menschheit erlebte in verschiedenen Zeiten Perioden von verschiedenen Repressalien. Ich glaube nicht, dass die Menschen ein so schlechtes Gedächtnis haben, dass sie solche historischen Perioden so schnell wieder vergisst. Zwar ist das menschliche Gedächtnis ziemlich kurz, aber wir haben immerhin Geschichtslehrbücher, und junge Menschen sollten auf Basis der historischen Wahrheit unterrichtet werden. Andernfalls könnte die nächste Generation entscheiden, dass es in der Vergangenheit nichts außer Twitter, Facebook, YouTube und anderer Plattformen gegeben hätte, dass diese Plattformen die allerletzte Wahrheit ausmachen. Mir (wie auch allen normalen Menschen) macht es absolut keinen Spaß, die Probleme zu beobachten, die in den Vereinigten Staaten gerade ausgebrochen sind.

Jemand hat wohl die Versuchung, zu sagen: „Die Amerikaner hatten die ganze Welt – und auch uns – belehrt, in die Ecke getrieben, also sollen sie sich jetzt mit all dem auseinandersetzen, was sie angerichtet haben.“ Das ist aber ein viel zu großes Land dafür, dass wir es vernachlässigen, denn egal was dort passiert, wird das Folgen haben. Wenigstens weil diese Internet-Riesen globale Korporationen sind. Und im Unterschied zu den globalen Korporationen der Vergangenheit, als Ford und andere Hersteller ihre Produktion in verschiedene Entwicklungsländer verlegten, werden heutzutage Gedanken produziert. Ein Klassiker sagte ja: „Ein ausgesprochener Gedanke ist eine Lüge“. Das passt durchaus für die Beschreibung der Risiken, mit denen wir konfrontiert werden.

Wenn wir uns an die Geschichte und Gewohnheiten, Manieren der außenpolitischen Handlungen der USA erinnern, heißt es immer – „Amerika ist Nummer Eins“, „Amerika muss dominieren“, „US-Demokratie ist ein Vorbild für alle Anderen“, „Demokratie soll überall aufgestellt werden“. Im Nahen Osten wurde und wird weiterhin versucht, die Demokratie des US-Musters trotz aller zivilisatorischen Traditionen, Kultur der Region zu implementieren. Ebenso wurde in Afghanistan, im Irak und nun in Libyen versucht, indem Traditionen, Geschichte, ethnokonfessionelle Aspekte eines jeweiligen Landes vollständig ignoriert werden. Selbst in solchem europäischen Land wie die Ukraine wurde die Macht auch gewechselt. Wo aus den von mir aufgezählten Ländern (wie auch in jedem anderen Land, wo die Amerikaner die Demokratie aufsetzten) lebt man besser? Es gibt keine solchen Länder.

In den letzten Jahren sagte US-Präsident Donald Trump, dass es unter ihm keine Kriege geben wird. Tatsächlich begann niemand neue Kriege. Doch das „Eindringen“ in die inneren Angelegenheiten anderer Länder verlief ziemlich aktiv. Es werden immer weniger physische Methoden der Einmischung und immer mehr die Sozialen Netzwerke genutzt. Der Schwerpunkt auf NGOs, „Erziehung“ der gegenüber dem Westen loyalen und gehorsamen Opposition. Das alles wird mit einem starken Anstieg der Stärke der Sozialen Netzwerke, ihrer Möglichkeiten begleitet. Jetzt steht vor dem US-Staat eine Frage darüber, ob man sie unter Kontrolle nehmen oder ihre Regelungsnormen, die die liberale Ideologie, liberale Weltanschauung widerspiegeln, beibehalten soll. Es gibt keine Beschränkungen der Freiheit „ihrer Meinung“, und „ihre Meinung“, die in korporativen Normen ausgedrückt ist, lässt ihr Recht beibehalten, die Meinungsfreiheit der Anderen zu beschränken. Das ist ein ernsthaftes Dilemma, und ich wünsche den Amerikanern aufrichtig, es zu klären. Das ist doch ihr Land, wo sie leben.

Das betont erneut, dass man multilaterale Beschlüsse treffen soll. Jene, die seit Jahren, Jahrzehnten die Diskussionen über Demokratisierung der Lenkung des Internets bremsen, und jene, die versuchen, die russische Initiative zu verhindern, die bereits in der Resolution der UN-Generalversammlung über die Abstimmung der Regeln eines verantwortungsvollen Verhaltens im Cyberraum und gleichzeitig im Entwurf des Übereinkommens über Kooperation im Bereich Bekämpfung der Informationskriminalität umgesetzt ist, werden hoffentlich diese Prozesse anders betrachten. Das betrifft insbesondere das Thema Demokratisierung der Steuerung von Internet. Wir besprechen es seit vielen Jahren in einer speziellen Einrichtung der UNO – Internationale Verband für Elektroverbindung. Fast alle sind bereit, nach allgemein annehmbaren Formen zu suchen. Die Amerikaner sind kategorisch dagegen.

Bezüglich der Ereignisse, die uns zu dieser Situation brachte, sollte man sich daran erinnern (darüber wurde viel gesprochen), wie Soziale Netzwerke die Abstimmung bei den Präsidentschaftswahlen in den USA begleiteten und die Bildung der öffentlichen Meinung bei sich und in der Welt „in ein Tor“ gewährleisteten.

Jetzt sprechen viele darüber, was von Anfang an offensichtlich war, jedoch gedämpft wurde. Zwei Monate vor den Wahlen wurden in einigen US-Bundesstaaten Zettel zur Abstimmung per Post verschickt. Es wurden 95 Mio. Wahlzettel verschickt. Zwei Drittel von ihnen wurden ausgefüllt. Ein Drittel wurde einfach aufgedrängt, doch die Menschen reagierten nicht. Diese Veranstaltung zur gewaltsamen Verbreitung der Wahlzettel passte nicht ganz den US-Wahlnormen. Wenn mehr als 40 Prozent der Stimmen bei den Wahlen für die beiden Kandidaten sind, sind die Stimmen per Post eine ziemlich ernsthafte Sache. Ich wiederhole nochmals – jene, die die Zettel bekamen, konnten sie per Post schicken, zu den Wahllokalen kommen und sie dort abgeben, auf eine andere Weise schicken. Das wurde innerhalb einiger Wochen gemacht. Das alles wurde durch Soziale Netzwerke als eine normale Praxis eingestuft und von den Menschen unterstützt, die unsere Abstimmung zu den Änderungen zur Verfassung der Russischen Föderation hart kritisiert hatten. Die „Abstimmung auf Baumstümpfen“ tritt in den Hintergrund im Vergleich dazu, was mit dem Mechanismus der Abstimmung in den USA gemacht wurde. Eine entscheidende Rolle bei der Beleuchtung spielten die Sozialen Netzwerken. Sie spielten auf der Seite einer Partei und verheimlichten das nicht sowie den Wunsch, dass im Lande ein System aufgestellt wird, wenn nur diese Partei eine Regierungspartei wird. Das ist das Problem der US-Gesellschaft, ihr Wahlsystem und wie sie politische Debatten bei sich organisieren. Der Kampf gegen Andersdenken ist offensichtlich. Also das, gegen das die westlichen Kollegen immer auftraten, und zwar gegen den Kampf gegen Andersdenken. Jetzt ist diese Flagge in festen Händen. Sie wird kaum jemandem in der nächsten Zukunft übergeben.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Ich möchte über Alexej Nawalny präzisieren. Die Deutschen sagten, dass ihnen die Proben von Gewebe und Blut übergeben wurden, die für Beginn einer strafrechtlichen Untersuchung erforderlich sind. Wir verstehen nicht, was sie daran hindert. Was die Festnahme betrifft, wird jetzt mitgeteilt, dass in diesen Minuten eine Gerichtssitzung stattfindet. Das stimmt mit angenommenen Verfahren nicht überein. Warum gelten hier besondere Regeln und nicht jene, die für die russischen Staatsbürger gewöhnlich sind?

Sergej Lawrow: Ich weiß nicht, woher Sie Informationen bekommen haben, dass Deutschland uns die Proben seines Gewebes, Biomaterialien übergeben hat. Das stimmt nicht. In dem Antwortschreiben, das von den deutschen Behörden uns vor drei Tagen geschickt wurde, indem man sich eindeutig auf die Rückkehr Nawalnys am 17. Januar vorbereitete, steht nur geschrieben, dass es Angaben angeführt werden, die von Alexej Nawalny selbst und seiner Frau Julia bekommen wurden. Wir haben nicht nur keine Biomaterialen bzw. Flaschen, sondern keine Ergebnisse der Blutproben, toxikologischen Befund! Wir haben nichts davon. Wenn Ihnen gesagt wurde, dass uns die Kleidung, Flaschen, seine Biomaterialen übergeben wurden, das heißt, dass Sie betrogen wurden.

Was die Verfahrens-Seite des Falls betrifft, wiederhole ich, dass im Krankenhaus in Omsk (Zivilkrankenhaus) Biomaterialien, Proben genommen wurden. In diesen Bioproben wurde nichts entdeckt, was an einen Kampf-Giftstoff erinnert. Im Krankenhaus Charite (auch ein Zivilkrankenhaus, wie die deutsche Seite berichtete) wurde bei ihm ebenfalls kein Kampf-Giftstoff entdeckt. Das Omsker Krankenhaus und Charite sind Zivilkrankenhäuser. Die Deutschen, wie sie selbst sagten, übergaben die in Charite gemachten Proben an ein Krankenhaus der Bundeswehr, wo die Militärs, die wohl über entsprechende Kenntnisse verfügen, einen verbotenen Kampf-Giftstoff einer neuen Modifikation entdeckten. Woher die Bundeswehr und die Deutschen im Ganzen diese Kenntnisse haben – das ist eine interessante Frage. Wir stellten sie in den Appellen, die von der Generalstaatsanwaltschaft Russlands an das Bundesjustizministerium Deutschlands geschickt wurden. Das soll man noch klären.

Vor kurzem wurde in Deutschland, wie auch in Großbritannien nach dem Skripal-Fall, uns einstimmig gesagt, dass keine Studien zu den so genannten Nowitschok-Stoffen geführt wurden, und sie auch keine entsprechenden Marker und Technologien haben sollen, die es Deutschland, Frankreich und Schweden innerhalb drei bis fünf Tagen ermöglichen würden zu bestimmen, dass es gerade Nowitschok einer neuen Modifikation ist.

In unserer juridischen Praxis ist es so, dass man zur Einleitung eines Strafverfahrens eine Behauptung, Begründung in Form eines Beweises davon, dass dieses Verbrechen verübt wurde bzw. es einen Versuch des Verbrechens gab, geben soll. Da es darin, was unsere Ärzte bei Alexej Nawalny genommen haben, kein Kampf-Giftstoff entdeckt wurde, bitten wir ja, uns die in Deutschland, Frankreich, Schweden, OPCW gemachten Proben bereitzustellen. Ich hoffe, dass Sie gehört haben, dass ich ausführlich über unseren Vorschlag an diese Organisation erzählte, eine gemeinsame Untersuchung zu machen. Ich kann nicht daran glauben, dass die westlichen Kollegen so arrogant sind, dass sie es für möglich halten, von Russland Erklärungen zu fordern, ohne uns Beweise vorzulegen. Sie (ich meine den Westen), wie sie sagen, haben Beweise dafür, dass er vergiftet wurde, und das nicht in Zweifel steht. Doch wenn uns gesagt wird, dass diese Beweise nicht bereitgestellt werden, lassen sie uns bitte zumindest Skeptizismus dazu, was um Alexej Nawalny vor sich geht, haben.

Wenn Sie nichts zu verheimlichen haben, wenn Sie keine Angst haben, die Wahrheit auf den Tisch zu legen und uns diese Fakten zu präsentieren, dann warum tun Sie das denn nicht? Wenn wir sie sehen, wenn bestätigt wird, dass es einen Versuch zu seiner Vergiftung mit Kampfgiftstoffen gab, wird bei uns ein Strafverfahren eingeleitet. Im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens, das im Sinne unserer Strafprozessordnung eingeleitet wurde, wurden keine Gründe für ein Strafverfahren herausgefunden. Ich verstehe, dass Sie viele Dinge heimlich machen. Ich erwähnte schon, dass die Ermittlung des Giftanschlags auf Alexander Litwinenko auf einmal beschloss, den Prozess hinter geschlossenen Türen verlaufen zu lassen, und viele Dinge sind vertraulich geblieben. Wir erhielten auch keine Angaben zum „Fall Skripal“, wie auch niemand von den Nato- und EU-Verbündeten der Briten. Genauso war das auch mit der malaysischen Boeing (Flug MH17).

Indem die Niederländer uns beschuldigten, organisierten sie den Gerichtsprozess so, dass dabei 13 Augenzeugen Aussagen machten, von denen zwölf anonym geblieben sind. Sie weigerten sich, die Namen von zwölf der insgesamt 13 Augenzeugen zu nennen. Sie sollen lieber zunächst bei den britischen bzw. europäischen Ordnungskräften nachfragen, warum sie solche Verfahren hinter geschlossenen Türen durchführen, was sie möglicherweise verbergen und wovor sie möglicherweise Angst haben. Dann wäre ich bereit, Ihre Fragen zu beantworten, wenn Sie von ihnen vernünftige Antworten bekommen haben.

Frage: Das vergangene Jahr war für alle schwierig, auch für die russische Diaspora im Ausland. Angesichts dessen interessieren wir uns als NGO, die Massenmedien unserer Landsleute, insbesondere unabhängige russischsprachige Internet-Journalisten und Blogger, vereinigt, wie Sie die Jahresergebnisse in diesem Aspekt der russischen Außenpolitik einschätzen. Wie haben sich Ihres Erachtens die Organisationen russischer Landsleute gezeigt? Welche guten Nachrichten erwarten uns im neuen Jahr?

Sergej Lawrow: Wir legen sehr viel Wert auf die Arbeit mit allen unseren Landsleuten, auch mit Massenmedien. Das ist eine der wichtigsten Richtungen im Sinne der außenpolitischen Konzeption der Russischen Föderation, die in einer neuen Fassung im Jahr 2016 von Präsident Putin gebilligt wurde. Natürlich hat die mit der Pandemie verbundene Spezifik auch unsere Kontakte beeinflusst. Die meisten geplanten Veranstaltungen wurden in diesem Jahr vor allem online durchgeführt, aber manche wurden doch unmittelbar durchgeführt.

Ich kann gleich als erstes die Kampagne zur  Ausführung der Russen nach Hause  hervorheben, als im Grunde die globale und allgegenwärtige Quarantäne ausgerufen wurde. Wie sich unsere Landsleute, die in entsprechenden Ländern leben, gezeigt haben, verdient das höchste Lob. Natürlich gab es dabei sehr viel Hektik, die auch nachvollziehbar war. Flüge wurden festgelegt, dann aus objektiven Gründen abgesagt, aber manchmal waren die Gründe auch subjektiv. Die Menschen, die zu Flughäfen kamen, mussten irgendwo übernachten. Unsere Landsleute empfingen sie, beherbergten sie bei sich, stellten ihnen Verkehrsmittel zur Verfügung, liehen ihnen Geld, versorgten sie mit Lebensmitteln und individuellen Schutzmitteln. Sie organisierten Informationsverbreitung in sozialen Netzwerken, in speziellen Unterstützungsgruppen. Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern dieser Aktion, die wir unter dem Hashtag #WirHaltenZusammen organisiert haben. Volontäre unter unseren Landsleuten wurden mit speziellen Medaillen „Für selbstlosen Beitrag zur Organisation der Gesamtrussischen Aktion zu gegenseitiger Hilfe „#WirHaltenZusammen““ und mit Ehrenurkunden des Präsidenten der Russischen Föderation ausgezeichnet.

Was die traditionellen Arbeitsformen angeht, so gab es bei uns den Globalen Koordinierungsrat russischer Landsleute. Es fanden Online-Sitzungen statt, und bald wird seine neue Besetzung für die nächsten vier Jahre bekanntgegeben. Es gibt themenbezogene Gruppen, insbesondere Handels- und Wirtschaftsstrukturen, deren Ziel ist, die Entwicklung von Gründerzentren für junge Landsleute zu fördern. Meines Erachtens ist das eine sehr nützliche Initiative. Natürlich werden wir sie unterstützen.

Was unsere Beteiligung an der Lösung der Probleme unserer Landsleute angeht, so verlangt vor allem die Situation in der Ukraine und den Baltischen Ländern unsere Aufmerksamkeit, wenn es sich um den Rechtsschutz für ihre russischsprachigen Einwohner handelt. Unter der Ägide des Außenministeriums und der Organisation „Rossotrudnitschestwo“ funktioniert der Fonds zur Unterstützung und Verteidigung der Rechte unserer Landsleute im Ausland. Dieser Fonds hat 49 Menschenrechtsstrukturen in mehr als 30 Ländern gegründet. Es geht dabei um Zentren für rechtliche Unterstützung, um Beratungsstellen, um regelmäßige rechtliche Rubriken in Massenmedien russischer Landsleute, wobei sehr nützliche Beratungen organisiert werden.

Ich möchte mich mit Ihrer Hilfe bei allen Menschen bedankten, die sich an den Aktionen zum 75. Jahrestag des Sieges beteiligten: „Unsterbliches Regiment“, „St.-Georgs-Band“, „Gedenkkerze“ in Israel. Alle diese Aktionen riefen bei unseren Landsleuten großes Interesse hervor, die das Gedenken an ihre Väter und Großväter keineswegs aufgeben wollen. Im September fand bei uns im Gebiet Orenburg das Internationale Jugendforum „Eurasia Global“ statt. Noch wurde die interaktive Plattform „Junge Landsleute“ gestartet – das war auch ein wichtiges Novum. Immer intensiver arbeiten auch die Globale Allianz der russischsprachigen Mitbürgerinnen und deren Abteilung „Allianz der Unternehmerinnen“. Auch die Regierungskommission für die Angelegenheiten der Landsleute, an deren Spitze stehe, arbeitet weiter. Wir haben unseren Arbeitsplan, dem zufolge zum zentralen Ereignis dieses Jahres der 7. Weltkongress der Landsleute in Moskau werden soll, der im vierten Quartal stattfindet. Ich hoffe, dass wir uns bei dieser Veranstaltung treffen können.

Wenn es auf dem Niveau der Massenmedien, mit denen Sie als Vertreter der Media-Allianz der russischen Gemeinschaften Kontakte pflegen, gewisse diskriminierende Handlungen der Gastgeberländer gibt, dann wären wir natürlich bereit, sie entsprechend zu unterstützen. Wir sprachen heute darüber, wie russische Massenmedien in einigen Ländern diskriminiert werden. ich kann nicht ausschließen, dass die Medien unserer Landsleute einem negativen Einfluss ausgesetzt werden. Falls die Maßnahmen, die Sie selbst ergreifen können, erschöpft sind, könnten wir Ihnen rechtliche und anderweitige Unterstützung leisten.

Frage: Haben Sie vor, sich impfen zu lassen? Wenn man den immer größeren Umfang der Impfung in allen Ländern der Welt bedenkt, wann könnte die traditionelle und gewöhnliche Außenpolitik im Offline-Format zurückkehren? Wann treffen wir uns unmittelbar? Die G7 plante ein Gipfeltreffen, an dem sich die Spitzenpolitiker unmittelbar beteiligen würden. Wie ist Ihre Prognose: Wann finden die ersten internationalen Verhandlungen auf hoher bzw. höchster Ebene im traditionellen Format statt?

Sergej Lawrow: Was das höchste Niveau angeht, so ist für Veranstaltungen unter Beteiligung des Präsidenten das Präsidialamt der Russischen Föderation zuständig. Da will ich nichts voreilig sagen.

Was die Ministerebene angeht, so gehen wir Schritt für Schritt in diese Richtung. Ich habe im Herbst 2020 einige Besuche abgestattet, unter anderem Griechenland und Serbien. Ich habe auch einige Gäste bei uns empfangen: den Außenminister der Türkei, Mevlüt Çavuşoğlu. Bald kommen Vertreter von einigen anderen Ländern und internationalen Organisationen zu uns. Wir tun das Schritt für Schritt und unter Berücksichtigung aller Sicherheitsmaßnahmen und des Gesundheitszustandes jedes Teilnehmers dieses Prozesses. Ich habe Antikörper, denn ich habe die Corona-Infektion in leichter Form überstanden. Ich hörte gestern, dass Experten selbst Menschen, die krank waren, empfehlen, sich impfen zu lassen. Ich werde also meinen Arzt konsultieren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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