Rede und Antworten des Außenministers der Russischen Föderation auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nach den Verhandlungen mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga und Außenminister der Arabischen Republik Ägypten, Samih Schukri, Moskau, 4. April 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte mich bei unseren Gästen, Vertretern der Kontaktgruppe der Arabischen Liga, die angesichts der Situation in der Ukraine einberufen wurde, bedanken.
Wir hatten ein nützliches Gespräch. Wir besprachen ausführlich die Entstehung der jetzigen Situation. Sie reifte seit vielen Jahren gemäß des Kurses unserer westlichen Nachbarn auf die Verwandlung einer Ukraine in ein wahres Anti-Russland, wovon Russlands Präsident Wladimir Putin ausführlich sprach.
Heute sprachen wir ausführlich über die Geschichte und den Verlauf dieser Ereignisse. Es wurden erneut die Ziele der Militäroperation, die in der Ukraine auf Beschluss des Präsidenten Wladimir Putin durchgeführt wird, eingehend dargelegt. Man antwortete auf viele Fragen unserer Freunde, darunter jene, welche die Aussichten auf die Regelung der jetzigen Situation betreffen, welche Forderungen es dazu gibt, und wie sie unsere bilateralen Beziehungen und das Zusammenwirken mit der arabischen Welt, mit den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas beeinflusst.
Diese Beziehungen werden nicht von der Situation selbst, sondern von absolut illegitimen, illegalen, beispiellosen Sanktionen, die der Westen gegen Russland verhängte, beeinflusst. Sie treffen stark die Weltwirtschaft, darunter die Länder, die Verbraucher der Landwirtschaftserzeugnisse, Düngemittel u.a., was direkt mit den Handels-, Investitionsverbindungen unter Teilnahme der Russischen Föderation verbunden ist.
Wir drückten unsere Dankbarkeit der Arabischen Liga für die Beschlüsse, die sie angesichts und während der ukrainischen Krise, darunter während der Plenarsitzung aller Mitglieder der Arabischen Liga in der ersten Hälfte März dieses Jahres traf, aus. Wir drückten die Bereitschaft aus, zusammenzuwirken und unsere Kollegen weiterhin über die Entwicklung der Situation darüber zu informieren, welche Aussichten es für das Erreichen der gestellten Ziele gibt.
Wir erörterten die Situation in der Region des Nahen Ostens und Nordafrikas. Wir widmeten besondere Aufmerksamkeit dem palästinensischen Problem, das seit vielen Jahren ungelöst bleibt. Wir haben eine einheitliche Position. Wir treten dafür ein, dass alle Fragen des endgültigen Statuses, darunter Jerusalem, ausschließlich via direkte Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis gelöst werden.
Wir wissen die Anstrengungen, die von Ägypten und mehreren anderen Teilnehmerstaaten der Arabischen Liga zur Wiedervereinigung der Palästinenser und Wiederherstellung der palästinensischen Einheit unternommen werden, zu schätzen. Wir denken, dass es eine prinzipiell wichtige Aufgabe ist, die von Arabern selbst abhängt.
Wir sprachen auch über die Situation in Libyen, Jemen, Syrien. Wir drückten eine Hoffnung aus, dass die Frage über die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga in der nächsten Zeit gelöst wird. Das wird die Position unserer arabischen Freunde in der ganzen Region konsolidieren.
Ich möchte mich bei Vertretern der Arabischen Liga, Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul Gheit, Außenminister der Arabischen Republik Ägypten, Samih Schukri, für ihre Teilnahme an dieser rechtzeitigen Veranstaltung bedanken.
Frage: Die russische Sonderoperation wird in den Medien von einer großen westlichen Kampagne zur Desinformation, Verbreitung von Fakes begleitet. Die letzte Episode wurden Aufnahmen aus Butscha. Worin besteht der Grund der durch die britische Seite bereitenden Hindernisse bei der Durchführung einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Situation in Butscha? Wie wird Moskau auf jegliche Versuche des Westens, einseitige Schritte außerhalb der Rahmen des Völkerrechts zu unternehmen, reagieren? Wie ist ein entsprechender Mechanismus einer entsprechenden Erörterung des humanitären Dossiers zur Ukraine, das auf Fakten und Argumenten statt Desinformation und Manipulation beruht?
Sergej Lawrow: Was die Desinformationskampagne betrifft (leider ist sie wohl nicht die letzte, die Episode in Butscha), begleitet sie heute fast alle Konflikte. Wir haben uns daran gewöhnt. Wir wissen, wie die „Weißen Helme“ in Syrien arbeiten. Mit dem Erfolg der Regierungstruppen beim Kampf gegen Terroristen mussten ihre westlichen Schutzherren die „Weißen Helme“ evakuieren. Es wurde Jordanien überredet, einige hundert diese Leute zu nehmen. Es wurde versprochen, dass sie nach einigen Monaten zurück in die westlichen Länder – Deutschland, Kanada, Großbritannien, gebracht werden. Doch fast niemand wurde mitgenommen, weil man sich darin vergewisserte, dass diese Menschen wahre Extremisten, die mit dem „Islamischen Staat“ und anderen Terrorgruppierungen kooperieren, sind.
Schon während der Militäroperation in der Ukraine gab es viele Beispiele, als eindeutige Fakes veröffentlicht wurden. Damit wurden eine blitzschnelle propagandistische Kampagne, zornige Verurteilungen gemacht. Nach einigen Tagen, als die Wahrheit aufgedeckt wurde, wollte schon niemand im Westen zu diesem Thema sprechen. Wir werden solche Fakes zerpflücken. Anfang März dieses Jahres wurde die Situation zerpflückt, die man als eine Tragödie in der Geburtsklinik in Mariupol darzustellen versuchte.
Bereits am 30. März dieses Jahres verließen die russischen Streitkräfte im Rahmen der Umgestaltung ihrer Präsenz die Stadt Butscha. In den anschließenden drei Tagen trat der Bürgermeister dort im Fernsehen auf, sagte, dass die Stadt zu einem normalen Leben zurückkehrt. Dort tauchten die Streitkräfte der Ukraine auf, zeigten Straßen, wo es keine Leichen gab. Nach drei Tagen wurde wohl beschlossen, solche Inszenierung zu machen.
Ich möchte daran erinnern, dass wir noch gestern forderten, eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats einzuberufen. Unsere britischen Kollegen, die jetzt im Sicherheitsrat den Vorsitz haben, weigerten sich, das zu machen. Unser heutiger Versuch war ebenfalls erfolglos. Sie berufen sich darauf, dass sie morgen selbst die Erörterung der Situation in der Ukraine in allen ihren Aspekten planen. Man kennt die britische Diplomatie, und ich vermute, dass die Aufgabe darin besteht, diese konkrete Fälschung in Butscha in demagogischen Gedankenmachen über den Hintergrund der ukrainischen Krise zu verwischen. Doch wir werden heute trotzdem via unsere Ständige Vertretung in New York eine Pressekonferenz organisieren. Dort werden ausführliche Materialien vorgelegt, die den wahren Hintergrund der Ereignisse in der Stadt Butscha, die jetzt unsere westlichen Kollegen als Beweis der Kriegsverbrechen der Russischen Föderation darzustellen versuchen, zeigen werden.
Wir werden darauf beharren, dass die Verbrechen, die von den Streitkräften der Ukraine begangen wurden, geführt von nationalistischen, neonazistischen Bataillonen, nicht ohne Folgen bleiben.
Wir arbeiten mit unseren Freunden, Kollegen daran, entsprechende Normen des internationalen humanitären Rechts anzuwenden, damit diese Vorwürfe auf eindeutigen, konkreten, unwiderlegbaren Fakten beruhen. Gerade damit werden wir uns befassen – im Unterschied von jenen, die diese Fakten manipulieren.
Frage: Sie sprachen vor einigen Tagen von einem angedeuteten Fortschritt bei den russisch-ukrainischen Verhandlungen bezüglich der Neutralität der Ukraine. Angesichts der neuen Umstände wie sind die Chancen auf eine friedliche Konfliktlösung und das Erreichen der Vereinbarungen, die anschließend auf einem Gipfel von zwei Präsidenten festgelegt werden?
Sergej Lawrow: Nach der Verhandlungsrunde am 29. März in Istanbul sahen wir eine realistische Position der ukrainischen Delegation in Bezug auf die Wege zur Gewährleistung der Sicherheit der Ukraine. Den Kiewer Vertretern wurde klar, dass es in der Nato unmöglich ist, die Sicherheitsgarantien zu bekommen, und man an den Beitritt in die Allianz vergessen soll. Mehr Realismus über die Notwendigkeit, im Vertrag einen neutralen Status der Ukraine sowie einen atomfreien Status angesichts des Kokettierens mit diesem Thema, das in den letzten Monaten seitens der Anführer der Ukraine zu hören war, festzulegen.
In der Position der ukrainischen Delegation tauchte deutlich mehr Verständnis für die Situation mit dem Status der Krim, der Volksrepubliken Donezk und Lugansk auf. Wie diese „Noten“ in die Sprache des Vertrags gelegt werden, das sollen wir noch verstehen. Die Kontakte werden im Videokonferenzformat fortgesetzt. Die Delegationen arbeiten ziemlich intensiv. Zumindest von unserer Seite wird solche Arbeit geführt.
Was die Chancen betrifft, es gibt immer Chancen. Ich sagte das schon mehrmals. Wir sind darauf gezielt, alle diesen Chancen umzusetzen. Die Ziele unserer Operation wurden von Russlands Präsident Wladimir Putin dargelegt. Wir arbeiten daran, dass sie im Vertrag festgelegt werden, der jetzt besprochen und vorbereitet wird. Ich hoffe, dass er letzten Endes geschaffen und in allen seinen Punkten endgültig formuliert wird.
Wladimir Putin sagte mehrmals, dass der Gipfel der Präsidenten Russlands und der Ukraine zustande kommen kann, wenn es ein Ergebnis geben wird, für dessen Festlegung er einberufen werden kann.
Frage: Wie beeinflussen die russisch-ukrainischen Verhandlungen den Verlauf der russischen Operation in der Ukraine?
Sergej Lawrow: Es sind nicht die Verhandlungen, die den Verlauf der Operation beeinflussen, sondern äußere Akteure, die versuchen, diese Verhandlungen zu stören und so lange wie möglich die Zusammenstöße auf dem Boden beizubehalten. Wir wissen, wer solche Ratschläge unseren ukrainischen Nachbarn gibt. Das wird mit nicht guten Zielen gemacht, die nichts Gemeinsames mit den Interessen des ukrainischen Volkes, der Sicherheit der Ukraine und Sicherheit in der Region der OSZE, unserer europäischen Region haben.
Ich hoffe, dass jene, die die Delegation Kiews auf den erwähnten Verhandlungen leiten, sich nach eigenen, nationalen Interessen und des eigenen Volkes richten werden. Und nicht jenen zuhören werden, die Ratschläge aus der Ferne geben, die manchmal nur sehen wollen, wie sich die Krisensituation anhäufen wird.
Frage: US-Präsident Joe Biden nannte Russlands Präsidenten „Kriegsverbrecher“ und rief dazu auf, ihn für Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen. Was bedeutet das im Kontext des internationalen Rufs Russlands?
Sergej Lawrow: Das bedeutet in erster Linie, dass viele US-Politiker, die den Irak-Krieg aus der Taufe hoben, unter bekannten Vorwänden Libyen zusammen mit Nato-Partnern zerstörten, in Syrien eingriffen, nicht ganz gutes Gewissen haben. Ich denke, sie haben auch gehört, wie die Mitarbeiter der Administration Joe Bidens dann diese Aussagen kommentierten und erklärten, dass „er nicht das gemeint hat“.
Uns interessiert, wie das russische Volk diese Situation (und jede andere) betrachtet. Inwieweit es die Aufgaben versteht, die unsere Streitkräfte lösen. Am wichtigsten ist, dass es begreift, dass es gar nicht um die Ukraine, sondern darum geht, dass der kollektive Westen, der sich endgültig und widerspruchslos unter dem Dach Washingtons zusammenschloss, ein Modell der unipolaren Welt darstellt, das es um jeden Preis aufrechterhalten möchte.
Es handelt sich darum, dass diesem „Souverän“ der unipolaren Welt alles erlaubt ist. Andere dürfen sogar nicht laut sprechen, wie sie die eigene Sicherheit gewährleisten sollen. Dieser „Souverän“ schuf um unsere Grenzen und die ihrer Konkurrenten Situationen, die jetzt geregelt werden sollen, darunter mit ziemlich harten Methoden.
Zu den jahrelangen Aufrufen, Beschwörungen, dass man die Vereinbarungen über die Unteilbarkeit der Sicherheit erfüllen soll, verhielt sich der Westen mit absolut fehlendem Wunsch, etwas zu besprechen. Diese Arroganz, die alle möglichen Ebenen überflutete, wird nicht zu etwas Gutem führen. Das ist nicht im Interesse der Völker der Welt, darunter der Länder des Westens selbst.
Wir sind zu einem fairen Gespräch bereit. Zu einem fairen Gespräch. Wir haben uns daran gewöhnt, dass unsere Partner uns gezinkte Karten geben. Das ist bereits nicht mehr ernst zu nehmen. Das ist das übliche Spiel, wobei Schuldige genannt werden und die eigene Größe bestätigt wird.