INTERVIEW DES AUSSENMINISTERS RUSSLANDS I.S. IWANOW, WELCHES IN DER “ROSSIJSKAJA GAZETA” UNTER DEM TITEL „HOCHDRUCHGEBIET“ AM 24.JULI 2002 VEROEFFENTLICHT WURDE
Zu Gast in der Redaktion ist der Aussenminister Igor Sergejewitsch Iwanow, der ueber die Suche nach einem Kompromiss bei der Loesung des Problems Kalinigrad spricht.
Gestern hat sich der Aussenminister der Russischen Foederation, Igor Sergejewitsch Iwanow, bei einem „Business Fruehstueck" in der "Rossijskaja Gazeta" eingefunden. Eine erhoehte Aufmerksamkeit unserer Leser, die Fragen an Igor Sergejewitsch Iwanow gerichtet haben, wurde durch die Situation hervorgerufen, die sich zwischen Russland und der EU rund um das Kalinigrader Gebiet herausgebildet hat. Heute beginnen in Bruessel Konsultationen auf der Expertenebene zwischen Russland und der Eurounion ueber dieses Problem. Das war auch der Ansatzpunkt fuer das Gespraech mit dem Minister.
Frage: Was wird bei den Konsultationen zur Diskussion stehen und wie sehen die Ausgangspositionen der Seiten aus?
Antwort: Jede der Seiten wird ihre Ueberlegungen hinsichtlich der Frage ueber einen Ortswechsel derjenigen zum Ausdruck bringen, die das Kalinigrader Gebiet besuchen oder beziehungsweise aus dem Kalinigrader Gebiet in einen anderen Teil des Territoriums Russlands verreisen moechten. Wir wollen uns ein Bild davon machen, was unsere europaeischen Partner konkret beunruhigen kann. Wenn das Fragen sind, die mit der Sicherheit, illegaler Migration, Besonderheiten des Visa-Regimes verbunden sind, sind wir bereit, mit unseren europaeischen Kollegen eng zusammenzuarbeiten, um diese Besorgnisse auszuraeumen. Heute sprechen wir darueber, dass wir einen einheitlichen Wirtschaftsraum, einen einheitlichen europaeischen Raum im Bereich der Sicherheit errichten sollen. Und wenn wir ueber einen einheitlichen Raum sprechen, dann schliesst dies selbstverstaendlich eine Errichtung von kuenstlichen Barrieren auf dem Wege der Kooperation aus. Davon, wie gross das Verstaendniss unserer europaeischen Partner fuer die Loesung einer konkreten einzelnen Frage sein wird, wird in vielerlei Hinsicht abhaengen, wie wir auch andere Probleme gemeinsam loesen werden, die eine Kompromisssuche erfordern.
Praesident Putin hat unterstrichen, dass wir bereit sind, nach solch einem Kompromiss zu suchen, welcher alle Umstaende beruecksichtigen, was aber am wichtigsten ist, keinerlei Schwierigkeiten fuer die Buerger Russlands mit sich bringen wuerde. Andererseits muessen wir jene Realitaeten und Rechtsakte in Betracht ziehen, die in der Europaeischen Union existieren.
Es ist wichtig, dass jede der Seiten eine hoechst konstruktive Herangehensweise an den Tag legt und sich von strategischen Interessen leiten laesst. Die von Vertretern einzelner Staaten gemachten Erklaerungen zeugen davon, dass gerade eine solche Linie in der Position der europaeischen Laender zu dominieren beginnt. Wir rechnen darauf, dass solche Herangehensweise auch in Bruessel bestimmend sein werde. Die Verhandlungen zwischen Russland und der EU ueber diese Frage beginnen im September, dann wird es nun moeglich sein, die Ausgangspositionen sowohl der einen, als auch der anderen Seite praeziser zu formulieren.
Frage: Was versteht man unter einem maximal erleicherten Regime des Ortswechsels?
Antwort: Auch heute sollen sich die Buerger Russlands, die in ein Auto steigen und ueber Litauen in Richtung Kalinigrader Gebiet fahren, das litauische Visum besorgen. Es ist von Bedeutung, dass der Mensch, der hin und zurueck faehrt, keine Hindernisse beim Ortswechsel zu spueren bekommt. Der Gedanke, welcher von Praesident Russlands und einer Reihe europaeischer Staatschefs formuliert wurde, besteht darin, dass es keine kuenstlichen Hindernisse und Schwierigkeiten fuer den Verkehr zwischen den Einwohnern Kaliningrads und dem uebrigen Teil Russlands geben soll. Ringsherum werden wir unsere Positionen aufbauen.
Frage: Soweit man beurteilen kann, wird Russland in dieser Frage von vielen Staaten unterstuetzt?
Antwort: Die russische Position stoesst auf ein immer groesseres Verstaendnis. Sehr wichtig ist die Meinung, die von Praesident Frankreichs, J. Chirac, geaeussert wurde, weil die Position der Europaeischen Union ausgehend von der Position eines jeden Staates formuliert wird, und der Einfluss Frankreichs in Europa, in der Europaeischen Union bedeutend ist. Deswegen ist es wichtig, dass der Praesident eine klare und deutliche Position in dieser Frage eingenommen hat. Wir rechnen darauf, dass auch andere Laender in dieser Weise verfahren werden, dann wuerde es einen guenstigen Hintergrund fuer den Verhandlungsablauf schaffen. Das schwerste Hindernis bildet die Buerikratie der EU-Struktur selbst und nicht die der einzelnen Staaten, die der Union angehoeren. Internationale Strukturen besitzen eigene Besonderheiten. Wir wissen sehr gut auch aus eigener Erfahrung, dass buerokratische Institutionen in der Lage sind, entweder sehr schnell ueber eine Frage zu entscheiden, oder ueberhaupt nichts zu loesen. Darum ist es sehr wichtig, dass sich diejenigen, die die Politik der Europaeischen Union ausarbeiten, Klarheit ueber ihre Position in dieser Frage verschaffen. Als ein Beispiel dafuer, wie man einem komplizierten aussenpolitischen Problem beikommen hann, moechte ich die Verhandlungen ueber die Bildung des Russland-NATO-Rates anfuehren. Sie kamen ziemlich schwierig bis zu dem Zeitpunkt voran, als Spitzenvertreter der fuehrenden Staaten ihre politische Sicht hinsichtlich einer Loesung des Problems bestimmt haben. Nachdem ein Brief von T. Blair eingetroffen war, in welchen Parameter eines kuenftigen Mechanismus in den Beziehungen zwischen Russland und der NATO praezise umrissen wurden, als Ministerpraesident Kanadas und dann Ministerpraesident Italiens ihre Initiativen unterbreitet haben, hat sich der Verhandlungsprozess selbst viel schneller entwickelt.
Frage: Wenn man die juengste Ernennung von Dmitrij Rogozin zum Sondervertreter des Praesidenten der RF fuer Probleme des Gebiets Kaliningrad mitberuecksichtigt, wie werden die Funktionen des Aussenministeriums und des Sondervertreters bei den Verhandlungen zwischen Russland und der Eurounion aufgeteilt?
Antwort: Das Problem des Gebiets Kaliningrad ist sehr vielschichtig, und an seiner Loesung beteiligen sich verschiedene Ressorts wie z.B. die Regierung, die ueber ein Zielprogramm fuer dessen Entwicklung verfuegt, sowie die Staatsduma. Selbstverstaendlich sollten daran auch Parlamentsmitglieder aktiv teilnehmen. Deswegen werden wir im engen Kontakt mit dem Sondervertreter arbeiten. So war es in der Frage einer Regelung in Pridnestrowje (einem Dnestr-Gebiet) der Fall, als Ewgenij Maximowitsch Primakow in einer bestimmten Etappe die Funktionen eines Sondervertreters des Praesidenten innehatte. Jeder wird seine Fragen zu loesen haben. Das Aussenministerium wird Verhandlungen ueber Probleme fuehren, welche in den Zustaendigkeitsbereich des diplomatischen Dienstes fallen. Es gibt Fragen, die mit der Loesung sozial-wirtschaftlicher Probleme zusammenhaengen. Dafuer ist die bilaterale Kommission zustaendig, die unsererseits von W.W. Christenko geleitet wird. Darum glaube ich, dass alle zu tun haben werden.
Frage: Ob es wegen der Probleme des Gebiets Kalinigrad und der Beziehungen zur EU notwendig sein wird, unsere Gesetzgebung zu novellieren? Sind wir dazu bereit? Haben wir mit diesen Laendern die Extraditionsfragen abgestimmt?
Antwort: Je liberaler das Visa-Regime ist, desto groesser sollte natuerlich die Kooperation zwischen den Laendern und entsprechenden Organen sein, die die Sicherheit gewaehrleisten. Deshalb erhebt sich die Frage ueber die Unterzeichung eines Abkommens ueber die Readmission (d.h. ueber die Verpflichtung, bei sich Personen aufzunehmen, welche die Grenze in dieser oder jener Richtung illegal ueberschritten haben – Anm. der Redaktion). Und solche Frage wird von unseren vor allem europaeischen Partnern tatsaechlich aufgeworfen. Bei uns verlaeuft derzeit eine interdisziplinaere Abstimmung ueber einen typisierten Readmission- Entwurf. Heute werden diese Fragen praktisch von allen EU-Laendern unter Beruecksichtigung des Kampfes gegen die illegale Migration gestellt. Es ist eine andere Frage, wann wir vom organisatorischen und finanziellen Standpunkt aus dazu bereit sein werden. Hier gibt es viele Fragen, die man bei Beruecksichtigung der Dimensionen unseres Landes sowie des Umstands loesen muss, dass bedeutende Abschnitte unserer Grenzen faktisch offen sind. Man kann das aber nicht umgehen.