Exklusives Interview des Außenministers Russlands Sergej Lawrow mit dem Korrespondenten von Bloomberg Television, Ryan Chilcote, am 2. Juni 2015 in Moskau
Frage: Er ist die rechte Hand Wladimir Putins bei außenpolitischen Fragen und leitet den diplomatischen Korps Russlands in der Zeit, wenn sich die Beziehungen mit dem Westen auf einem historischen Tiefpunkt seit dem Ende des Kalten Krieges befinden. Herr Lawrow, ich danke Ihnen, dass Sie dem Treffen zugestimmt haben. Ich will mit der Frage über Ihr vor kurzem stattgefundenes Treffen mit dem US-Außenminister John Kerry beginnen. Ihre Verhandlungen in Sotschi dauerten mehrere Stunden. Sie beide trafen sich mit dem Präsidenten Russlands. Was bedeutete das? Der Beginn des Tauwetters in den Beziehungen zwischen Russland und den USA?
Sergej Lawrow: Ich binder Ansicht, dass ein realistisches Herangehen die Oberhand behält. Ich war ein wenig verwundert, dass den Verhandlungen Johns Kerry mit dem russischen Staatschef und meinem russischen Kollegen, die mehrere Stunden dauerten, soviel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Wenn man 2014, das Jahr der Krise in der Ukraine, betrachtet, das von einigen genutzt wurde, um zu versuchen, die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zum Scheitern zu bringen, so traf ich mich im vergangenen Jahr mit John Kerry 17 Mal, das ist mehr, als irgendein ein anderer von meinen Kollegen. Und jedes unser Treffen dauerte mehrere Stunden. Das waren sachliche Verhandlungen zu Syrien, Jemen, dem Irak, Afghanistan und natürlich der Ukraine. Der Fakt, dass die nächste Verhandlungsrunde auf russischem Boden stattgefunden hat, ist ein angenehmes Ereignis, aber eher symbolisches als prinzipielles.
Frage: Gerade danach will ich Sie fragen, weil ich der Meinung bin, dass es nicht auf die Stunden der gemeinsam verbrachten Zeit ankommt, sondern auf die Qualität des Inhalts, nicht wahr? 2009 war es zum sogenannten „Neustart” in den russisch-amerikanischen Beziehungen gekommen, der, wie Sie wissen, keine besonderen Ergebnisse gebracht hat. Ich weiß, dass Sie davon sprachen, dass was derzeit in den russisch-amerikanischen Beziehungen geschieht, kein Neustart ist. Warum?
Sergej Lawrow: Wenn man den „Neustart“ in seiner ursprünglichen Version betrachtet, so ist es nicht unsere Erfindung. Er wurde von Hillary Clinton und der Obama-Administration erfunden, weil Wladimir Putin zu ihrem Vorgänger George W. Bush sehr gute persönliche Beziehungen hatte. Ich hatte ein gutes Verhältnis zu Condoleezza Rice. Aber aus irgendeinem Grund gingen diese guten persönlichen Beziehungen nicht auf die praktische politische Ebene über. Als Barack Obama Präsident wurde, bewertete seine Administration den Zustand der bilateralen Beziehungen zu Russland neu. Sie haben entschieden, dass es viel besser ist, ein offeneres Herangehen zu haben. So kam es zum Neustart der amerikanischen Politik in Bezug auf Russland. Damals wurden die Präsidentenkommission und, wenn ich mich nicht irre, 21 Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, die sich mit allen möglichen Bereichen der menschlichen Tätigkeit befassten. Und später kam alles plötzlich zum Stehen, weil wir den Staatsstreich in der Ukraine nicht akzeptiert hatten, der aktiv unterstützt und in den USA begrüßt wurde.
Ich bin der Ansicht, dass unsere Beziehungen jetzt vollkommen realistisch sind. Präsident Putin spricht von Zeit zu Zeit mit Präsident Obama. Die Verhandlungen haben einen pragmatischen Charakter. Sie besprechen konkrete und beiderseitig vorteilhafte Richtungen der Zusammenarbeit. John Kerry und ich beschäftigen uns mit gleichem, gehen dabei aber viel mehr in Details. Ich würde es nicht als neuen Neustart bezeichnen, sondern als Bewusstwerdung der Notwendigkeit der Rückkehr zu normalen Beziehungen.
Frage: Wenn man von der Notwendigkeit der Wiederherstellung normaler Beziehungen und einer normalen Realpolitik und von einer Zusammenarbeit bei den Fragen spricht, bei denen man eine gemeinsame Sprache finden kann... Sie haben gesagt, dass Syrien zu den besprochenen Fragen gehörte. In der vorigen Woche sagten Sie... Sie riefen die USA dazu auf, mit Assad in Syrien bei den Fragen des Widerstands gegen den Islamischen Staat zusammenzuarbeiten. Eine gute Idee, aber sie wurde von den USA abgelehnt. Können Sie irgendein Bereich außer den Friedensgesprächen -Polemik mal beiseitegelassen-, in dem Russland mit den USA im Kampf gegen den IS tatsächlich zusammenarbeitet?
Sergej Lawrow: Wir würden es bevorzugen, das auf kollektiver Grundlage, auf der Grundlage des Völkerrechts, mittels dem Sicherheitsrat zu machen. Als die Amerikaner ihren Kreuzzug gegen ISIS erklärt hatten, haben sie sich leider kein einziges Mal an den Sicherheitsrat gewandt. Sie haben einfach die Bildung der Koalition bekannt gegeben. Sie haben auch bekannt gegeben, dass die irakische Regierung ihr Einverständnis für die Luftschläge auf die auf ihrem Territorium befindlichen ISIS-Stellungen gegeben hat. Sie haben zudem angekündigt, dass sie das Gleiche in Syrien machen werden, ohne nach der Erlaubnis der syrischen Regierung zu fragen und sich an den Sicherheitsrat zu wenden. Ich bin der Meinung, dies war ein Fehler. Ich denke, dass diese aufgedrängte Idee in Bezug auf Präsident Assad im gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus keine positiven Ergebnisse bringt. Und wenn unsere amerikanischen Kollegen sagen, dass er als legitimer Partner nicht in Betracht kommen kann, erinnern wir sie stets daran, dass er ein ganz legitimer Partner war, als wir uns an den Sicherheitsrat für die Annahme der Resolution über die Chemiewaffen-Abrüstung Syriens gewandt hatten. Die Resolution des Sicherheitsrats, mit der Unterstützung der USA und des einheitlichen Konsens in der Organisation der Vereinten Nationen, begrüßte den Beschluss der syrischen Regierung, der Chemiewaffen-Konvention beizutreten und in dieser Frage zu kooperieren. Somit waren sie legitimiert.
Frage: Beobachten Sieirgendwelche Anzeichen... Eine Ihrer einstigen Forderungen besteht darin, dass die USA auf die Idee des Machtwechsels in Syrien verzichtet haben. Beobachten Sieirgendwelche Anzeichen, dass die USA bereit sind, Präsident Assad an der Macht zu lassen?
Sergej Lawrow: Diese Frage werden nicht die USA entscheiden. Es geht nicht darum, ob wir wollen, dass sie ihre Meinung ändern, aber wenn es geschieht, dann werden alle Fäden zusammenlaufen.
Frage: Herr Außenminister, zurück zum Thema Sotschi. Sie haben mehrere Stunden bei den Verhandlungen mit dem Präsidenten Russlands und John Kerry verbracht, und diese Frage wurde offenbar aufgeworfen. Haben Sie die Empfindung gehabt, weil, natürlich, die übrige Welt weiß...
Sergej Lawrow: Ich kann die Einzelheiten unseres Gesprächs nicht besprechen…
Frage: Warum?
Sergej Lawrow: Aus verständlichen Gründen, aber wir sind natürlich der Meinung, dass die politische Regelung einzig und allein der mögliche Weg für Syrien ist. Wir sind auch der Meinung, dass das Genfer Kommuniqué, das vor drei Jahren angenommen wurde, seine Grundlage ist. Um so mehr, dass es von der Resolution des Sicherheitsrats gebilligt und auf Basis des Konsenses übernommen wurde. Die vorliegende Resolution und die Prinzipien und das Herangehen, die in den Genfer Abkommen verankert sind, sehen die Bildung eines leitenden Übergangsorganes auf Grundlage des beiderseitigen Einverständnisses zwischen den Syrern vor.
Die jetzt unternommenen Bemühungen - so weit ich verstehe, sind die USA bereit, den UN-Sonderbeauftragten für Syrien, Staffande Mistura, zu unterstützen – sind auf die Schaffung von Bedingungen gerichtet, dass alle Syrer, alle Schichten der syrischen Gesellschaft am politischen Prozess teilnehmen konnten. Einige Länder wehren sich vehement gegen den Beginn dieses Prozesses, solange Präsident Assad an der Macht bleibt. Ich bin der Meinung, dass diese Frage vom syrischen Volk gelöst werden sollte. Und die äußeren Kräfte, die Einfluss auf verschiedene Gruppierungen innerhalb Syriens haben, müssen sich entscheiden, wer die größere Bedrohung darstellt: der syrische Präsident oderISIS und ihresgleichen?
Frage: Gut. Während wir hier mit Ihnen in Moskau den Islamischen Staat besprechen, findet zurzeit, wie Sie wissen, in Paris ein Treffen der Koalition zum Kampf gegen IS statt. Warum sind Sie nicht dort?
Sergej Lawrow: Wie ich schon gesagt habe, möchten wir eineKoalition sehen, deren Handlungen sicheindeutig auf das Völkerrecht stützen.
Frage: Natürlich.Aber es hat sich eine Koalition der arabischen und westlichen Länder gebildet, die an der Beilegung dieses Konflikts interessiert ist. Die Frage besteht darin, ob es um eine rhetorische Antwort geht oder Russland die Bemühungen mit anderen Ländern um die Lösung dieses Problems wirklich bündelnkann.
Sergej Lawrow: Wir sind nicht dagegen, womit sich diese Koalition befasst, ihre Tätigkeit ist doch darauf gerichtet, diese grausame Terrorgruppe zu schwächen.
Frage: Warum schließt sichRussland dann nicht der Koalition an?
Sergej Lawrow: Russland hatte doch gegen diese Gruppierung gekämpft, noch lange bevor diese Koalition ins Leben gerufen wurde. Wir lieferten der irakischen Regierung notwendige Rüstungen, als die Amerikaner das nicht tun wollten. Sie wollten sozusagen, dass die irakischen Behörden zuerst irgendwelche bestimmte Bedingungen einhalten. Dabei waren diese Bedingungen mit der Verbesserung der vor zwölf Jahren begangenen Fehler verbunden, als unter dem Vorwand des Vorhandenseins von Massenvernichtungswaffen im Irak, als Saddam Hussein entmachtet wurde und der Verwaltungschef der amerikanischen Besatzer– oder wie dort sein Amt hieß - Paul Bremer löste alle sunnitischen Strukturen im Irak auf. Was anschließend geschah, wissen Sie. Wir beliefern auch die syrische Regierung, um sowohl Syrien als auch dem Irak die Möglichkeit zu geben, gegen Terroristen vor Ort und Stelle wirksamer zu kämpfen. Alle verstehen und räumen offen ein, dass Luftangriffe allein nicht ausreichen.
Frage: Können Siediese Prognose teilen? Wenn die aktuelleKampfstrategie gegen den IS nicht funktioniert, wie weit wird diese Gruppierung kommenkönnen?
Sergej Lawrow: Sehr weit. Sie haben schon das Territorium ihrer Präsenz im Irak und in Syrien wesentlich ausgeweitet…
Frage: Könnte der IS ganz Syrien einnehmen? Ist dies möglich?
Sergej Lawrow: Vor kurzem haben sie die Provinz Idlib in Besitz genommen. Ihre Emissäre wurden bereits in Libyen und sogar in Nordafghanistan gesichtet, das nicht weit entfernt von Mittelasien und daher von Russland ist.Wie Sie sicherlich wissen, wollen wir nicht nur die Finanzierung des ISIS, sondern auch von Dschabhat al-Nusra und anderer ähnlicher Organisationen stoppen. Es war Russland, das die vor kurzem im Sicherheitsrat verabschiedete Resolution über die Notwendigkeit der Einstellung des Ölkaufsin den von den Terroristen kontrollierten Territorien eingebracht hat. Ich denke, dass man im Rahmen des Sicherheitsrats weiter gehen und einen Mechanismus schaffen sollte, mit dem festgelegt wird, wer dieses Erdöl kauft. Man muss nicht gegen Symptome des Übels, sondern gegen seine tiefergehenden Ursachen kämpfen. Im September 2014 schlug Russland vor, die Bemühungen unter der Ägide des Sicherheitsrats zur Durchführung einer komplexen Analyse der terroristischen Bedrohungen in der Region zu bündeln, um sich zu überzeugen, dass wir die Terroristen gleich behandeln, unabhängig davon, wo sie in Erscheinung treten. Man darf nicht die Wiederholung der Situation zulassen, als viele Länder das verhängte Waffenembargo gegen Libyen dreist umgingen und kein Hehl daraus machten, dass sie Waffen an die Aufständischen lieferten, die Gaddafi stürzen wollten. Sie versorgten diese Aufständischen mit Waffen. Und dann, schon nach einigen Wochen oder Monaten waren sie auf dieselben Aufständischen, die bewaffneten Europäer, in Mali gestoßen! Das heißt, wenn ein Vogel wie eine Ente geht und schnattert, dann ist das eine Ente.
Frage: Kehren wir zurück zu der Frage, wie stark sich die Situation verschlimmern könnte. Ich möchte von Ihnen wissen: Könnte der IS das komplette Territorium Syriens einnehmen? Was sagen Sie?
Sergej Lawrow: Wenn man weiterhin tatenlos das Geschehene beobachtet, und diejenigen begünstigt, die strikt dagegen sind, den politischen Prozess zu starten….
Frage: Was dann?
Sergej Lawrow: … solange Bashar al-Assad noch nicht abgetreten ist. Dann sehe ich der Zukunft dieser Region ohne jeden Optimismus entgegen, weil diese Menschen den Menschenhass über die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Terrorismus stellen. Das kam schon mehrmals vor. Die USA hatten Saddam Hussein gejagt und infolgedessen das ganze Land zerstört.
Frage: Sie möchten also sagen, dass…
Sergej Lawrow: Mit Gaddafi das Gleiche geschah.
Frage: Sie sagen, dass die Luftangriffe nicht effektiv sind, dass ein Bodeneinsatz weitaus mehr Ergebnisse gebracht hätte. Die Frage ist hypothetisch, aber ich weiß doch, dass Sie solche Fragen nicht mögen.
Sergej Lawrow: Meine Antwort ist ja.
Frage: Würden Sieeinen Bodeneinsatz der USA zur Wiederherstellung des Friedens im Nahen Osten unterstützen? Ja oder nein? Die Luftangriffe reichen nichtaus.
Sergej Lawrow: Und Sie meinen, dass nur die amerikanische Armee dazu fähig ist?
Frage: Ist Russland bereit, dafür seine Truppen bereitzustellen?
Sergej Lawrow: Langsam, langsam: die Amerikaner waren in Afghanistan, waren im Irak. Schauen Sie sich mal an, in welchem Zustand sich jetzt sowohl der Irak, als auch Afghanistan befinden. Ich habe gesagt, dass mir vollkommen klar war, dass die fehlende Koordinierung zwischen den Luftangriffen und Handlungen der syrischen Armee ein Fehler war und bleibt. Genau das muss unserer Meinung nach getan werden. Leider können unsere amerikanischen Kollegen aus ideologischen Gründen das nicht annehmen.
Frage: Ihre Antwort lautet also „nein“. Sprechen wir jetzt über den Iran. Der letzte Termin…
Sergej Lawrow: Nein, nein. Schauen Sie, wenn die Regierung Syriens …
Frage: … die US-Truppen nach Syrien willkommen heißt?
Sergej Lawrow: … die Koalition einlädt, zu kommen,dann werden freiwillige Kämpfer sicherlich gefunden werden.
Frage: Sprechen wir über den Iran. Die Fristen rücken näher. Russland ist ein Verhandlungsteilnehmer. Wie sehr sind Sie überzeugt, dass die Fristen eingehalten werden?
Sergej Lawrow: Wenn jeder Teilnehmer, darunter die vermittelnde Sechsergruppe und, natürlich, die Iraner, sich an den vor einigen Monaten vereinbarten politischen Mechanismen halten werden, so werden wir die bekannt gegebenen Fristen bis Ende Juni einhalten. Wenn jemand im letzten Moment versuchen wird, etwas mehr zu bekommen, als der politische Mechanismus vorsieht, so werden wir, natürlich, es bis Ende Juni nicht schaffen.
Frage: Ihre Worte klingen viel weniger konkretals früher.
Sergej Lawrow: Nein, ich habe gesagt, dass wenn sich alle daran halten werden, was im Rahmen des politischen Mechanismus vereinbart wurde, der in Lausanne genehmigt wurde, dann ist es vollkommen möglich, das Ende Juni fertig zu bekommen.
Frage: Gut. Und was passiert, wenn es nicht klappt? Worin besteht die Gefahr einer solchen Entwicklung der Ereignisse?
Sergej Lawrow: Wir stellten die Qualität und den Inhalt der Vereinbarung immer über die Fristen. Und wenn die Minister entschieden haben, dass die Frist auf Ende Juni festgelegt werden soll, wurde ganz deutlich gesagt, dass wir kein Ultimatum an uns selbst stellen.
Frage: Allem Anschein nach besteht das Hindernis darin, dass die USA und die Europäische Union die Durchführung des Inspektionsprozesses bis zur Aufhebung der Sanktionen fordern, die sie in Bezug auf den Iran verhängt haben. Befürworten Sie die Prüfung bis zur Aufhebung der Sanktionen?
Sergej Lawrow: Absolut. Wir befürworten den Inspektionsprozess, der sein muss....
Frage: Sie sind also mit den Iranern nicht einverstanden, die die unverzügliche Aufhebung der Sanktionen fordern?
Sergej Lawrow: Also, hier gibt es zwei verschiedene Momente. Das eine betrifft den Inspektionprozess. Der Iran sagt: Sie können prüfen. Die IAEA kann beliebigen Ort inspizieren, der mit seinem Nuklearprogramm verbunden ist. Einige Teilnehmer aus dem Westen behaupten, dass für die Prüfungen nicht nur nukleare, sondern auch die militärischen Objekte geöffnet werden müssen. Sie sollten sie untereinander ausmachen. Wir sind bereit, zu helfen, aber wir sind nicht der Meinung, dass alle militärischen Objekte für die Inspektion geöffnet sein müssen, weil das zur Sicherheit des Irans gehört, und die Spezialisten wissen, welche Orte die IAEA auf der ständigen Grundlage inspizieren muss.
Der zweite Problemblock besteht darin, wie die Sanktionen aufgehoben werden:alle auf einmal oder schrittweise. Wir sind der Meinung, dass ab dem Zeitpunkt, an dem der Sicherheitsrat das Abkommen insgesamt billigt, alle Sanktionen, die von der UNO verhängt wurden und nicht mit den Risiken der Verbreitungverbunden sind, aufgehoben werden. Die Sanktionen, die mit den Risiken der Verbreitung verbunden sind, können in der zweiten Etappe aufgehoben werden, wenn die IAEA den ersten Bericht nach zwei oder mehreren Monaten vorlegen wird. Aber mit den Parametern dieses Deals sollten sich die Spezialisten befassen.
Frage: Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Es herrscht die Meinung vor, dass die Europäische Union sie bei einem entsprechenden Treffen verlängern wird. Besteht die Möglichkeit, dass es nicht dazu kommt?
Sergej Lawrow: Wir denken nicht daran. Wir konzentrieren uns darauf, diesen Umstand zu nutzen, um unsere Wirtschaft zu diversifizieren.Angesichts dessen gehen wir seit langer Zeit praktisch vor, weil uns klar ist, wie die amerikanischen Sanktionen funktionieren - erinnern Sie sich an die Jackson-Vanik-Klausel? Sie wurde aus einem Grund eingeführt, aber wurde drei Jahrzehnte beibehalten, nachdem dieser Grund verschwunden war. So, wir...
Frage: Könnten Sie den Terminus „sehr lange“ konkretisieren? Wie lange werden Ihrer Meinung nach diese Sanktionen bestehen bleiben?
Sergej Lawrow: Wir denken nicht daran. Wir konzentrieren uns...
Frage: Nein, Sie denken. Sie haben sie eben gerade mit der Jackson-Vanik-Klausel verglichen.
Sergej Lawrow: Nein, nein, nein, ich habe gesagt, dass wir unsere Lehren aus der Jackson-Vanik-Klausel gezogen haben, und haben verstanden, dass die Sanktionen jahrzehntelang anhalten können, so dass wir uns einfach auf die Restrukturierung unserer Wirtschaft und die Organisierung unseres Lebens unter den Umständen konzentriert haben, wenn wir insgesamt mehr Partner aus den Ländern Lateinamerikas und Asiens als Europas und des Westens haben.
Frage: In allen bisherigen Verhandlungen zur Ukraine, an denen der Präsident Russlands teilnahm, nahmen auch die Kanzlerin Deutschlands und der Präsident Frankreichs teil. Allerdings saß Präsident Obama nicht am Verhandlungstisch. Denken Sie, dass dies dem Friedensprozess in der Ukraine helfen kann?
Sergej Lawrow: Sie meinen die Präsenz der Amerikaner am Verhandlungstisch?
Frage: Ja.
Sergej Lawrow: Ich habe darüber mit John Kerry gesprochen. Ich bin der Meinung, dass John Kerry und sein Team verstehen, dass der Prozess sehr fragil ist. Die Kontaktgruppe, die Unterabteilungen auf vier Gebieten, das Normandie-Format - sehen Sie, wenn jeder Teilnehmer der Kontaktgruppe und des Normandie-Formats für eine Änderung des Teilnehmerbestandes der Verhandlungen eintreten wird, so werden wir uns dem nicht widersetzen. Aber ich denke, dass die Amerikaner verstehen, dass der Prozess so fragil ist, dass eineneue Person...
Frage: ... den Prozess zum Scheitern bringen kann?
Sergej Lawrow: ... diesen Prozess ins Wanken bringen kann. Da die Amerikaner zweifelsohne großen Einfluss auf die Kiewer Behörden und auf ihr Verhalten haben, haben wir beschlossen, dass Moskau und Washington aufbilateraler Grundlage regelmäßig kommunizieren werden, Meinungen austauschen und sehen werden, wie wir die Seiten bezüglich der vollen und allseitigen Umsetzung der Minsker Abkommen beeinflussen können..
Frage: Erlauben Sie mir eine Frage zur FIFA. Russlands Präsident zufolge sind die Vorwürfe gehen die FIFA in Wirklichkeit gegen den Chef des Weltfußballverbandes, Joseph Blatter, gerichtet und verfolgen das Ziel, die Weltmeisterschaft 2018 in Russland 2018 zum Scheitern zu bringen. Denken Sie das auch? Ist das gegen Russland gerichtet?
Sergej Lawrow: Er hat etwas anderes gesagt. Er hat unterstrichen, dass er nichts Sachliches zu den erhobenen Vorwürfen sagen kann.
Frage: So.
Sergej Lawrow: Es kann vieles passieren, aber der Zeitpunktder in der Schweiz vorgenommenen Schritte spricht für sich …
Frage: Meinen Sie die Bestechungs- und Korruptionsvorwürfe?
Sergej Lawrow: Ja. Er hat gesagt, dass er nichts von diesen Vorwürfen weiß, dass er nicht weiß, ob sie gerechtfertigt sind oder nicht. Die Ermittler und das Gericht sollen das entscheiden. Er hat etwas anderes gesagt: der Zeitpunkt, an dem diese Vorwürfe erhoben wurde…
Frage: Natürlich.
Sergej Lawrow: … wurde offenbar so gewählt, um die Wahl des FIFA-Chefs zum Scheitern zu bringen. Ich denke nicht, dass es gegen die Austragung der Weltmeisterschaft in Russland gerichtet ist. Dem ist nicht so.
Frage: Denken Sie?
Sergej Lawrow: Ja.
Frage: Viele sprechen von Katar. Denken Sie, dass es daran liegt. Die Frage besteht darin, ob sie der Meinung sind, dass es sinnlos ist,über verschüttete Milch zu weinen, weil…
Sergej Lawrow: Ich würde das nicht behaupten... Ich weiß es nicht. Ich bin über die Durchführung der Weltmeisterschaft in Russland und nicht in Katar besorgt.
Frage: Klar.
Sergej Lawrow: Mich geht das nichts an, was in Katar geschieht.
Frage: Das ist klar. Kann man sagen, dass Russland mehr Chancen hat, die Weltmeisterschaft auszutragen, als sie zu gewinnen?
Sergej Lawrow: Ja, da muss ich Ihnen zustimmen. Aber solange man das nicht probiert, wirdeinem das nicht klar werden.
Frage: Wird Russland weiterhin FIFA-Präsident Joseph Blatter unterstützen, selbst wenn eine Klage gegen ihn erhoben wird? Es scheint so, dass es nicht die letzten Festnahmen seitens derUSA sind.
Sergej Lawrow: Wir haben uns hier nicht zum Rätselraten getroffen. Bei diesen Wahlen hat Russland Joseph Blatter unterstützt.
Frage: Alles klar.
Sergej Lawrow: Im Gegensatz zu den vielen FIFA-Exekutivkomitee-Mitgliedernhaben wir kein Hehl daraus gemacht.
Frage: Russlands Sportminister könnte für die Schweizer Ermittler von Interesse sein. Wird er kooperieren?
Sergteej Lawrow: Ich denke nicht, dass er für irgendjemand von Interesse sein könnte.
Frage: Wenn die Schweizer Behörden mit dem Sportminister der Russischen Föderation reden wollen, wird er….
Sergej Lawrow: Wenn sie mit ihm reden wollen, müssen sie sich wenden…
Frage: Über offizielle Kanäle?
Sergej Lawrow: Ja, über offizielle.
Frage: Und wenn das geschieht, wird Russland mit den Ermittlern zusammenarbeiten?
Sergej Lawrow: Das entscheidet die Generalstaatsanwaltschaft. An ihr müssen die entsprechenden Fragen gerichtet werden.
Frage: Was halten Sie von den Vermutungen, dass Russland den Zuschlag für die Austragung der Weltmeisterschaft nicht einfach so bekommen hat? Werden wir im Laufe der Ermittlungen erfahren, dass die russische Seite tatsächlich Schmiergelder gezahlt hat?
Sergej Lawrow: So etwas kann ich nicht voraussehen, weil wir bis dato irgendwelche begründete Beweise oder etwas, was der Wahrheit nahe kommt, nicht gesehen haben.
Frage: Alle reden jetzt viel über die Situation Griechenlands in Westeuropa.
Sergej Lawrow: Weshalb?
Frage: Ist Russland besorgt, was in Griechenland derzeit geschieht?
Sergej Lawrow: Zwischen Griechenland und Russland existieren hundertjährige geistige, kulturelle und historische Beziehungen. Unsere Religion, das orthodoxe Christentum, kam aus Byzanz. Tausend Jahre später hatte Russland die heutige griechische Staatlichkeit anerkannt, was bedeutet, dass wir eine lange Geschichte der Beziehungen haben. Natürlich wünschen wir dem Volk Griechenlands alles Beste.
Frage: Was würden Sie jetzt den Griechen empfehlen: in der Europäischen Union zu bleiben oder nicht?
Sergej Lawrow: Die für die Amerikaner charakteristische Denkweise hat einen unheilbringenden Einfluss auf Sie ausgeübt. Sie wollen immer die Menschen belehren, was sie tun sollen.
Frage: Nein, nein. Sollte Russland das nicht machen, was denken Sie?
Sergej Lawrow: Was würden Sie…
Frage: Würde Griechenland ein EU-Austritt guttun?
Sergej Lawrow: Was würden Sie dem ukrainischen Volk empfehlen: der Europäischen Union und NATO beizutreten oder nicht?
Frage: Darüber wird meiner Meinung nach weniger gesprochen…
Sergej Lawrow: Ganz und gar nicht.
Frage: Vom Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union und NATO wird viel weniger gesprochen, und das halten Sie offenbar für einen Ihrer Erfolge.
Sergej Lawrow: Nein. Ich wollte einfach sagen, dass die Amerikaner alle ausnahmslos ständig belehren, was gemacht werden soll.
Frage: Das heißt, dass Russland Griechenland nichts zu empfehlen hat?
Sergej Lawrow: Die Griechen sollen selbst entscheiden. Wir wünschen ihnen das Beste im Verlauf der Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank und, natürlich, mit Deutschland und Frankreich.
Frage: Herr Außenminister, ich danke Ihnen, dass Sie die Zeit gefunden haben, sich mit mir zu treffen.
Sergej Lawrow: Ich danke Ihnen auch.
Frage: Es war wie immer eine Freude, mit Ihnen zu sprechen.