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Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, in der „Regierungsstunde“ im Föderationsrat der Föderalversammlung der Russischen Föderation am 15. Dezember 2017 in Moskau

2437-15-12-2017

Sehr geehrte Frau Matwijenko,

sehr geehrte Kollegen,

ich bedanke mich bei Ihnen für die Einladung, vor Ihnen im Rahmen der „Regierungsstunde“ aufzutreten.

Im Außenministerium Russlands legt man viel Wert auf das langjährige enge und kameradschaftliche Zusammenwirken mit den beiden Häusern der Föderalversammlung und ihren Ausschüssen. Wir wissen Ihr Interesse für die Aktivitäten der außenpolitischen Behörde hoch zu schätzen. Wir begrüßen die Bemühungen der parlamentarischen Diplomatie um die Gesundung des Zusammenwirkens zwischen verschiedenen Staaten, um die Festigung der Freundschaft und Verständigung zwischen verschiedenen Völkern.

Ich möchte extra hervorheben, dass im Oktober in St. Petersburg eine Sitzung der Vollversammlung der Interparlamentarischen Union stattgefunden hat, deren Teilnehmerzahl größer als je zuvor war. Das beispiellos hohe Niveau und die Teilnehmerliste sind die Beweise für die Autorität, die die russischen Legislativorgane bei ihren ausländischen Kollegen genießen.  Ich gratuliere Ihnen zu diesem wirklich wichtigen Ereignis.

Die gut koordinierte Arbeit an der Umsetzung des von Präsident Wladimir Putin bestimmten außenpolitischen  Kurses hat heutzutage eine besondere Bedeutung. Die Welt erlebt gerade sehr schwere Zeiten. Das Konfliktpotenzial wird immer größer; alte Krisen eskalieren wieder, und es entstehen neue Herausforderungen. Sehr beunruhigend sind solche gefährlichen Tendenzen wie die Erosion der Basisprinzipien des Völkerrechts, die Versuche zur Herabstufung der Rolle von multilateralen Institutionen bzw. zu ihrer Ausnutzung in eigenen Interessen. Die Nato-Erweiterung, der Ausbau ihres Potenzials an den östlichen Grenzen, die Aufstellung von US-Raketenabwehrsystemen in Europa verletzen wesentlich das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit, wobei es sich  im Grunde um die politische Verpflichtung zum Verzicht auf die Festigung der eigenen Sicherheit auf Kosten anderer Seiten handelt. In Gefahr schweben große internationale Abkommen, insbesondere bezüglich des iranischen Atomprogramms. Ich hoffe, dazu wird es nicht kommen, aber eventuell wäre das ein ganz falsches Signal an die Länder, die mit der Regelung von Problemen im Kaspi-Raum rechnen.

Wir sagen das unseren Kollegen ganz offen und nutzen jede Möglichkeit, um unsere Position zu schildern. Davon war unter anderem die Rede vor einer Woche in einer OSZE-Außenministersitzung in Wien, bei meinen zahlreichen Kontakten am Rande der Sitzung, insbesondere bei meinem Gespräch mit dem US-Außenminister Rex Tillerson.

Der wichtigste Grund der aktuellen Spannungen besteht unseres Erachtens in der egoistischen und zynischen Politik einiger Staaten mit den USA an der Spitze. Der so genannte „historische Westen“ glaubt an seine Überlegenheit, ist daran gewohnt, dass seine Position immer richtig ist, und versucht, dem natürlichen Prozess der Etablierung einer neuen, gerechteren und demokratischeren Weltordnung zu widerstehen. Gegen die Länder, die sich das nicht gefallen lassen, werden diverse Repressalien angewandt, insbesondere Erpressung, einseitige Sanktionen, direkte Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten. Sie sehen ja selbst, dass man im Westen über die dynamische Entwicklung Russlands, über die Festigung unserer Positionen in der internationalen Arena verärgert ist und deshalb versucht, uns für unsere souveräne Außenpolitik zu bestrafen. Bei der Eindämmung unseres Landes geht es um einen sehr umfassenden Kreis von Maßnahmen – vom Wirtschafts- bzw. Energiewirtschaftsbereich  bis zu Bereichen wie Sport und Pressewesen. Die Beispiele dafür sind allgemein bekannt, und ich will jetzt keine Zeit dafür vergeuden.

Wir bemühen uns darum, unser Bestes für die Förderung unserer Souveränität und nationalen Sicherheit, für den Schutz unserer Bürger zu tun. Dabei wird diese Arbeit geführt, indem wir uns keineswegs selbst isolieren oder uns gegen die halbe Welt verteidigen. Im Gegenteil: Russland bemüht sich um die positive, vereinigende internationale Tagesordnung, tritt mit konkreten Initiativen zu Lösung von akuten internationalen Problemen auf.  Unsere faire Politik, die sich auf die Prinzipien der Wahrheit, Gutnachbarschaft und Treue dem eigenen Wort stützt, wird von vielen Ländern unterstützt, und das ermöglicht die Entwicklung eines gleichberechtigten und allseitig nützlichen Dialogs mit den meisten von unseren ausländischen Partnern.  

Besonderes Augenmerk richten wir auf die Vereinigung der Weltgemeinschaft im Kontext der Bekämpfung der Terrorgefahr in Übereinstimmung mit der Initiative des Präsidenten Wladimir Putin zur Bildung einer globalen Anti-Terror-Koalition zwecks kollektiven Widerstands diesem Übel ohne jegliche Doppelstandards.

Großenteils dank der effizienten Handlungen der russischen Luft- und Weltraumtruppen zur Unterstützung der Anti-Terror-Bemühungen der syrischen Regierung konnten die IS-Kräfte und andere extremistische Strukturen in Syrien total vernichtet werden. Die Niederschlagung der Terroristen, die Einrichtung von Deeskalationszonen im Rahmen des „Astanaer Prozesses“ schaffen Voraussetzungen für den Übergang zur nächsten Phase, nämlich zur politischen Regelung in Syrien auf Basis der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats. Zur Lösung dieser Aufgabe soll die Vorbereitung des Kongresses für syrischen nationalen Dialog auf Initiative der Präsidenten Russlands, des Irans und der Türkei beitragen, der in Sotschi stattfinden wird. Auf der Tagesordnung stehen die Vorbereitung einer neuen Verfassung, die Organisation von allumfassenden Wahlen unter der UN-Kontrolle, die Lösung von humanitären Problemen, die Entwicklung eines langfristigen komplexen Programms zum Wiederaufbau dieses Landes.

Sehr beunruhigend ist die Situation um die Halbinsel Korea, was ich bereits erwähnte. Für den allmählichen Abbau der Spannung und den Übergang zu Verhandlungen gibt es keine Alternativen – die Versuche zur Auslösung eines „Militärszenarios“ in der  Hoffnung, die Krise durch Gewalt zu lösen, würden zu einer Katastrophe führen. Diesbezüglich gibt es viele Einschätzungen, unter anderem im westlichen Establishment. Gemeinsam mit unseren chinesischen Partnern haben wir einen „Fahrplan“ der Konfliktregelung vorbereitet, der die Situation entschärfen könnte. Die Zahl der Anhänger dieses Plans wird immer größer.

Ungeregelt bleibt der innenpolitische Konflikt in der Ukraine. Die Behörden in Kiew sabotieren den Friedensprozess und verweigern stur einen direkten Dialog mit Donezk und Lugansk. Wir rufen unsere westlichen Partner auf, die ukrainischen Behörden zu beeinflussen, damit Kiew den Minsker „Maßnahmenkomplex“ baldmöglichst praktisch umsetzt, der vom UN-Sicherheitsrat einstimmig befürwortet wurde.

Zu unseren absoluten Prioritäten gehört der Ausbau der vielschichtigen Kooperation im postsowjetischen Raum, insbesondere in der GUS, wo Russland in diesem Jahr der Vorsitz gehört, sowie in der OVKS und in der Eurasischen Wirtschaftsunion, wo wir im kommenden Jahr den Vorsitz übernehmen.

Wir bemühen uns intensiv um die Festigung der internationalen Kontakte der EAWU, um die Harmonisierung der Integrationsprozesse zwecks künftiger Bildung der Großen eurasischen Partnerschaft. Die Arbeit an der Verflechtung der EAWU und der chinesischen Initiative „Ein Gürtel, ein Weg“ geht weiter: Es sind unter anderem die Verhandlungen über ein entsprechendes Handels- bzw. Wirtschaftsabkommen zu Ende gegangen, das demnächst unterzeichnet wird. Es werden auch Gespräche über Freihandelsräume zwischen der EAWU und Ägypten, Israel, Indien, dem Iran, Serbien und Singapur geführt.

Wir bemühen uns weiterhin um die Festigung der strategischen Partnerschaft mit China. Die koordinierten Handlungen unserer Länder im Kontext der wichtigsten Probleme der Gegenwart haben ihre Effizienz bewiesen und sich als wichtiger stabilisierender Faktor in den internationalen Angelegenheiten etabliert. Unsere privilegierte strategische Partnerschaft mit Indien geht weiter. Es entwickeln sich unsere Kontakte mit den absolut meisten anderen Ländern im Asien-Pazifik-Raum, unter anderem mit Vietnam und den ASEAN-Ländern, dynamisch. Die Festigung unserer Positionen im Asien-Pazifik-Raum trägt einen wichtigen Beitrag zu den gemeinsamen Bemühungen um die sozialwirtschaftliche Entwicklung Ostsibiriens und des Fernen Ostens.

Es wurden unsere Beziehungen mit der Türkei wiederaufgenommen, was großenteils dank den persönlichen Bemühungen der Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan möglich wurde. Unser politischer Dialog und unser praktisches Zusammenwirken mit den Ländern Lateinamerikas und Afrikas werden immer intensiver.

Wir arbeiten weiterhin sehr intensiv mit unseren Partnern im Rahmen solcher Bündnisse wie BRICS, SOZ, RIC zusammen. Das jüngste Treffen der RIC-Außenminister fand erst vor vier Tagen in Neu-Delhi statt. Dabei geht es um Vereinigungen eines neuen Typs, wo es keine Führer und keine Rückständigen gibt, kein Diktat und keine Blockdisziplin. Im Gegenteil: Dort herrschen der gegenseitige Respekt, das Konsensprinzip und die Kompromisssuche, wie das die Realität des 21. Jahrhunderts verlangt. Wir fördern die weitere Entfaltung des großen Potenzials der G20, bei der es sich um einen effizienten Mechanismus zur Koordinierung der Aktivitäten im Kontext einer ganzen Reihe von wichtigen Problemen der Gegenwart handelt. Übrigens zeugt selbst die Tatsache, dass G20 gebildet wurde, von der Anerkennung der Tatsache, dass die moderne Welt polyzentrisch ist, dass  die Schlüsselprobleme in den internationalen Angelegenheiten, in der Wirtschaft und Politik ohne die neuen politischen Einflusszentren, insbesondere ohne die BRICS-Länder,  nicht gelöst werden können.

Wir werden unseren Dialog mit der Europäischen Union ausschließlich auf Basis der Prinzipien des gegenseitigen Respekts und der Interessenbilanz entwickeln.

Wie Präsident Wladimir Putin öfter betonte und erst gestern auf seiner großen Pressekonferenz sagte, ist Russland für konstruktives Zusammenwirken mit Washington offen. Aber leider sehen wir da keine Fortschritte seitens der US-Administration. Sie unternimmt beispielsweise immer neue offensichtlich antirussische Schritte. Ich meine nämlich das gegen uns gerichtete Gesetz „Über Gegenwirkung gegen Amerikas Gegner durch Sanktionen“, die Schließung des russischen Generalkonsulats in San Francisco, die Eroberung von fünf diplomatischen Objekten. Wir suchen keineswegs nach Möglichkeiten für die Vertiefung der Konfrontation, aber natürlich werden wir solche unfreundschaftlichen Handlungen nach dem „Spiegelprinzip“ beantworten.

Die Perspektiven unserer Beziehungen mit der Europäischen Union sind und bleiben die Geisel der antirussischen Politik einer kleineren Gruppe von EU-Ländern, die im Grunde im Interesse der USA – und nicht Europas – handeln. Dabei haben die von den Brüsseler Bürokraten (auf Verfügung aus Übersee) verhängten Sanktionen auch den europäischen (vor allem den deutschen) Geschäftskreisen beträchtliche Schäden zugefügt, die ihre Positionen auf dem russischen Markt teilweise verloren haben. Die Amerikaner tragen dabei keine Verluste. Noch mehr als das: Unter dem Vorwand des Kampfes gegen Russland wollen sie die Europäer zwingen, teueres amerikanisches Flüssiggas zu kaufen sowie ihre Rüstungsausgaben aufzustocken. Ob die Europäer so etwas brauchen, müssen sie natürlich selbst entscheiden. Wir werden unsererseits das Zusammenwirken so intensiv entwickeln, wie unsere EU-Kollegen dazu bereit sind. Aber unsere vielschichtige Außenpolitik wird keine Geisel der Unstimmigkeiten innerhalb der EU werden.

Wir bemühen uns weiterhin um die Verteidigung der Christen, die auf große Probleme stoßen, vor allem im Nahen Osten und in Nordafrika, wie auch der Vertreter anderer Religionen. Wir bestehen in der OSZE, wo bereits eine Deklaration „Zum Ausbau der Bemühungen um die Bekämpfung des Antisemitismus“ verabschiedet wurde, darauf, dass auch andere ähnliche Dokumente  verabschiedet werden, die die Christen und Muslime beschützen sollten.

Im Rahmen der Beziehungen mit der Organisation der Islamischen Zusammenarbeit fördern wir den gegenseitig respektvollen Dialog zwischen Vertretern verschiedener Zivilisationen und Konfessionen. Wir bemühen uns um die Verteidigung von ewigen geistigen bzw. moralischen Idealen, die für alle Religionen und Kulturen der Welt gleich sind.

Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist die Verteidigung der Rechte und Interessen russischer Staatsbürger und Unternehmen im Ausland, unserer in anderen Ländern lebenden Landsleute, die Vereinigung der multinationalen und multikonfessionellen Russischen Welt. Einen wichtigen Beitrag dazu leistete die im Herbst in Moskau stattgefundene internationale Konferenz zum Thema „ 100 Jahre der Russischen Revolution: Vereinigung zu Gunsten der Zukunft“. Wir wollen auch weiterhin das Potenzial der „Soft Power“ maximal einsetzen, die Positionen der russischen Sprache und Kultur vorantreiben, den vielschichtigen Dialog mit den russischen Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftskreisen und Unternehmern fördern.

Natürlich werden wir auch künftig die Regionen, die Sie vertreten, bei der Entwicklung ihrer internationalen bzw. außenwirtschaftlichen Kontakte unterstützen. Darauf ist beispielsweise der Rat der Oberhäupter der Subjekte der Russischen Föderation ausgerichtet, der beim Außenministerium Russlands durchaus effizient arbeitet.

Alle unsere Aktivitäten verfolgen letztendlich das Ziel, günstige Bedingungen für eine friedliche Entwicklung Russlands, für das Wachstum des Wohlstands unserer Mitbürger zu schaffen. Wir gehen im Außenministerium konsequent davon aus, dass wir alle nur gemeinsam, durch vertieftes Zusammenwirken mit unseren Gesetzgebern, mit der Zivilgesellschaft die vor uns stehenden umfassenden Aufgaben lösen und würdige Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart finden können.

Wir werden auch weiterhin die Gerechtigkeit und Wahrheit verteidigen, uns um unsere Eigenständigkeit und Selbstidentität kümmern, uns auf unsere Kultur, Geschichte und geistige Basis stützen.

Vielen Dank! Ich bin bereit, Ihre Fragen zu beantworten.

Frage: Im Zusammenhang mit dem Gesetz über die Ratifizierung des russisch-kasachischen Vertrags über die Staatsgrenze ist eine Reihe von Fragen in Bezug auf das Gebiet Omsk entstanden. Was die Demarkation angeht, so gibt es in einem der Orte im Kreis Russkaja Poljana eine einzige Straße, die diesen Ort mit Omsk verbindet. Ein Teil dieser Straße (etwa zehn Kilometer) gehört jetzt Kasachstan. Für den Bau einer neuen Umgehungsstraße wären 800 Millionen Rubel nötig. Im föderalen Haushalt sind dafür keine Mittel vorgesehen, und das Gebiet Omsk könnte eine neue Straße erst in drei Jahren (bis Ende 2020) bauen.  Es gibt die Vereinbarung zur Aufrechterhaltung des Verkehrs auf diesem Abschnitt, aber nur bis zum 1. Januar 2019. Könnte man sich mit der kasachischen Seite auf eine Verlängerung dieser Vereinbarung bis zum 1. Januar 2021 vereinbaren?

Sergej Lawrow: Wir pflegen mit Kasachstan sehr gute Verbündetenbeziehungen. Als das Grenzabkommen erst vorbereitet wurde, also noch vor Beginn der Arbeiten, gab es beispielsweise Fragen über die Aufteilung der Öl- und Gasvorkommen. Und es wurde eine Vereinbarung zur Delimitation und zur künftigen Demarkation der Staatsgrenze getroffen.

Natürlich entstehen manchmal solche Fragen, von denen Sie eben reden. Wenn sie die entsprechenden Informationen bereitstellen, werde ich mich damit unbedingt befassen. Wir werden mit unseren kasachischen Nachbarn darüber sprechen. Ich denke, wir dürfen durchaus mit einer positiven Reaktion rechnen.

Frage: Ich muss ehrlich sagen, dass ich nur selten jemanden lobe, aber ich denke, dass Russland mit seinem Außenminister viel Glück hat – im Unterschied zu einigen anderen Ihren Kollegen. Wenn beispielsweise der Skandal um das Doping bei Olympischen Spielen unter Ihrer Beteiligung geregelt worden wäre, dann hätte es keine solche Schande gegeben. Und Vitali Mutko sollte als anständiger Mensch überhaupt zurücktreten.

Vor etwa einem Monat wandten wir uns an das Außenministerium mit einem Appell, der den Abriss von sowjetischen Soldatendenkmälern in Polen betraf. Wir rechneten sehr damit, dass es eine gewisse Reaktion seitens des Außenamtes geben würde. Möglicherweise verfolgte ich das in den Medien nicht aufmerksam genug. Ich wäre Ihnen aber sehr dankbar, wenn Sie diese Situation kommentieren würden. Denn dadurch wird der gegenseitige Vertrag über freundschaftliche Nachbarkooperation verletzt.

Sergej Lawrow: Wir reagierten darauf oft genug und appellierten dabei nicht nur an das Gewissen unserer europäischen Partner (das gelingt ja nicht immer), sondern auch an den Sinn des Vertrags, den Sie eben erwähnten. Unsere polnischen Kollegen deuten ihn so, dass sie angeblich nur Grabsteine pflegen – und nicht Denkmäler zu Ehren sowjetischer Soldaten. Das ist aber nicht so. Die Juristen, die diesen Vertrag analysierten, bestätigten, dass es sich dabei um absolut alle Memoriale auf dem Territorium Polens und Russlands handeln sollte, die die Geschichte Polens und seiner Bürger betreffen. Wir führen das entsprechende Gespräch mit der polnischen Seite, aber Sie verstehen wohl, dass dies im Grunde eine aussichtslose Idee ist, wenn man bedenkt, wer derzeit an der Macht in Warschau steht. Diese Kräfte sind absolut antirussisch eingestellt. Ich weiß nicht warum.

Was unsere Verkündigungen betrifft, waren sie nicht nur vom Außenministerium zu hören. Im Rahmen der OVKS haben wir eine Gemeinsame Erklärung zu diesem Thema vorbereitet und sie bei der Session des Außenministerrats der OSZE vor einer Woche in Wien verbreitet. Wir schlugen vor, entsprechende Formulierungen auch in ein gemeinsames Dokument der OSZE aufzunehmen. Unsere westlichen Partner wichen leider ab, doch das Thema bleibt sehr aktuell. Wir werden anstreben, dass nicht nur in Polen, sondern auch überhaupt, wo es Denkmäler für Helden, die Europa befreiten gibt, sie respektiert und überwacht werden.

Frage: Am 4. Oktober 2016 wurde in der Hauptstadt Kasachstans, Astana, im Rahmen des XIII Forums der zwischenregionalen Zusammenarbeit zwischen Russland und Kasachstan ein Zwischenregierungsabkommen über die Aufrechterhaltung des Umweltsystems des Wasserbeckens des grenzübergreifenden Flusses Ural unterzeichnet. In welcher Frist wird die russisch-kasachische Kommission zu dieser Frage gebildet?

Sergej Lawrow: Ich bin mir sicher, dass die Fristen von diesem Abkommen vorgesehen sind. Unsererseits wurde bereits der Kovorsitzende ernannt. Das ist der stellvertretende Minister für Naturressourcen und Umwelt. Ich weiß bislang nicht, ob der Kovorsitzende von Kasachstan ernannt wurde, doch ich werde das prüfen und diese Bitte an das Naturschutzministerium übergeben, das für diese Frage in erster Linie zuständig ist.

Frage: Heute gibt es eine gewisse Gemeinschaft zwischen Russland, der Türkei und dem Iran sowie jenen, die sich ihnen anschlossen. Kann sie sich in der Zukunft in eine ernsthafte politische Struktur verwandeln, die auf Grundlage ihrer Interessen kommunizieren wird? In Ihrem Auftritt haben Sie erwähnt, dass mehrere Energieunternehmen von Sanktionen betroffen wurden. Anschließend, wenn es zu solcher Gemeinschaft kommen wird, könnten unsere Unternehmen im Rahmen solcher „östlichen Bruderschaft“ gefördert werden.

Sergej Lawrow: Ich würde sagen, dass wir eine Drei als Format des Zusammenwirkens zu Syrien gefunden haben und ziemlich erfolgreich die Möglichkeiten umsetzen, die jedes unserer drei Länder hat. Wie Russlands Präsident Wladimir Putin bereits mehrmals sagte, haben wir keine hundertprozentige Übereinstimmung der Ziele und Interessen, doch von der Vielfalt der Herangehensweisen jedes Landes zu Aspekten der Situation in Syrien stützen wir uns auf hundertprozentige Solidarität bei der notwendigen Bekämpfung des Terrorismus, Aufrechterhaltung der territorialen Integrität, Souveränität Syriens, Gewährleistung der Harmonie aller seiner ethnokonfessionellen Gruppen.

Solche Gemeinsamkeit der Interessen gewährleistet eine kontinuierliche effektive Arbeit im Rahmen des Astana-Prozesses, erstmals in der Geschichte fand in solcher Zusammensetzung (Russland-Iran-Türkei) der Sotschi-Gipfel statt. Auf diesem Gipfel wurde, wie Sie wissen, eine Initiative der Einberufung des Kongresses des syrischen nationalen Dialogs vorangebracht.

Ich werde jetzt nicht prognostizieren, inwieweit notwendig und zweckmäßig die Bildung einer ständigen, bürokratisierten Struktur mit einem Sekretariat und Apparat ist. Anscheinend soll die Zeit dafür kommen. Doch im Ganzen sind die heutigen Probleme in der Welt so, dass sie nicht statische bürokratisierte Bildungen, sondern flexible Koalitionen erfordern, die auf moderne Herausforderungen schnell und effektiv reagieren lassen.

BRICS ist doch auch keine Organisation, sondern eine Vereinigung, die kein Sekretariat hat, jedoch via das Land, das den Vorsitz hat, funktioniert. Natürlich sind Russland, die Türkei und der Iran nicht auf dem Niveau der Kooperation wie BRICS-Länder. Doch das ist auch eine flexible Vereinigung.

Wir haben tatsächlich zusätzliche gemeinsame Wirtschafts-, Energie und Finanz-Interessen, weil alle drei Länder aus verständlichen Gründen nicht von dem jetzigen Währungs- und Finanzsystem abhängen wollen, das von den USA kontrolliert wird. Mit der Kontrolle versuchen sie, alle anderen mit ihrer dominierenden Lage zu erpressen. Das gefällt niemanden, darunter auch China. Deswegen versuchen wir, in unseren Wirtschaftsbeziehungen mit der Türkei und mit dem Iran nach solchen Formen zu suchen, darunter gegenseitiger Zahlungen, die sich auf nationale Währungen stützen. In diesem Sinne wird die Energiekooperation auch unabhängiger von der Konjunktur sein, die aus Washington aufgedrängt wird.

Frage: Von Präsident Wladimir Putin wurde die Aufgabe gestellt, die Arbeit zur Erhöhung des Beitrags der Tourismusbranche zum BIP des Landes auf zehn Prozent zu erhöhen. Ohne Lösung der Visumsfragen, besonders beim Einreise-Tourismus (er bringt den größten Teil der Einnahmen), ist es sehr schwer, diese Aufgabe zu erfüllen. Solche Arbeit erfolgt in Wladiwostok, wir sind dafür dankbar. Seit 8. August dieses Jahre erhielten mehr als 5000 Menschen bereits Visa. Mit dieser Arbeit beginnt auch Kaliningrad. Wie schätzen Sie diesen Prozess ein?

Sergej Lawrow: Wir schätzen ihn auch wie Sie positiv ein. Der Übergang zum elektronischen Visum war das Ergebnis einer ernsthaften ressortübergreifenden Arbeit. Gar nicht das Außenministerium alleine löst solche Fragen. Das ist auch der Grenzdienst des FSB Russlands, Föderaler Zolldienst.

Ich denke, dass es auf dieser Etappe eine optimale Lösung ist, wenn für den ganzen freien Hafen von Wladiwostok, für die ganze Region ein elektronisches Visum eingeführt wird, was bereits von Staatsbürgern einer bedeutenden Zahl der Länder genutzt wird, obwohl auch nicht aller, darunter nicht aller jener, die für die Region interessant wären. Dieselbe Situation ist in Kaliningrad zu erkennen, wo es eine Liste der Länder gibt, deren Staatsbürger einfach mit einem elektronischen Visum kommen können, doch darin sind nicht alle Länder enthalten. Hier spielt schon das Prinzip der Gegenseitigkeit seine Rolle. Ich denke, dass Russland nicht einseitig vorgehen soll, wenn wir in einige Länder nach sehr strikten Verfahren reingelassen werden.

Es gibt auch Fortschritt in Bezug auf die Schengener Regeln, in deren Rahmen es sehr breite Möglichkeiten bis zur Bereitstellung von fünfjährigen mehrfachen Visa im Laufe von weniger Tagen gibt. Mehrere Länder der EU, darunter Italien, fördern gerade solches Herangehen. Wir antworten ihnen  natürlich mit Gegenseitigkeit. Doch wir können nicht völlig zu Visumsfreiheit mit jenen übergehen, die die Einreise mit Visumsforderungen einschränken, obwohl wir bereit sind, mit jedem Land der EU entsprechende Vereinbarungen abzuschließen.

Bis 2013 verlief bei uns ein sehr intensiver Prozess der Vorbereitung eines Abkommens über Visumsfreiheit zwischen Russland und allen Ländern der Schengener Zone als Zusatz zum Abkommen über Vereinfachung der Visumsregeln, die seit langem funktionierte und bis heute funktioniert. Wir wollten vollständig zur Visumsfreiheit für viele Kategorien der Staatsbürger übergehen, vor allem Sportler, Touristen, Wissenschaftler, Geschäftsleute. Das Abkommen war bereit. Wir führten bereits entsprechende Expertenkonsultationen durch, die der EU ermöglichten, sich darin zu vergewissern, dass wir nur biometrische Pässe haben werden, dass wir mit ihnen arbeiten können und die notwendige Ausstattung haben werden. Zudem wurde ein Abkommen zu Readmission abgeschlossen, um die Befürchtungen der EU zu beseitigen, dass unsere Staatsbürger zu einem ständigen Aufenthalt bleiben werden (wie jetzt die Ukrainer, die es wohl rund eine Million Menschen gibt). Wir haben alles vereinbart.

Alle Fragen, die bei der EU entstanden, wurden geregelt, was in Brüssel bestätigt wurde. Das war lange vor den ukrainischen Ereignissen, vor der Einführung der Sanktionen gegen Russland durch die EU, die Washington folgte. Danach versuchten sie alles so darzustellen, als ob sie die Arbeit an diesem Dokument als Antwort auf ukrainische Angelegenheiten einfrieren ließen. In der Tat wurde das eingefroren, weil einige russlandfeindlich gestimmte Länder in der EU sagten, dass sie aus politischen Gründen die Unterzeichnung des Abkommens über Visumsfreiheit mit Russland nicht unterstützen werden, solange keine Visumsfreiheit für die Ukraine, Moldawien und Georgien bereitgestellt wird. Verstehen sie, dass reine Politikasterei die Verabschiedung dieses Abkommens verhinderte.

Doch unser Ziel ist, den Kreis der Länder zu erweitern, mit denen wir solche Abkommen haben. Wir haben bereits Visumsfreiheit mit fast allen Staaten Lateinamerikas (außer einem Land), mit sehr vielen Ländern in Asien, darunter die Republik Korea. Wir sind bereit, solches Abkommen mit Japan abzuschließen, haben ein sehr günstiges Regimes mit China. Wir sehen das Ziel, doch hoffentlich verstehen alle, dass solches Land wie Russland nicht einseitig, ohne Gegenseitigkeit sich öffnen kann.

Frage: Auf der Krim meinten wir immer und meinen weiter, dass die Ukraine ein wohlständiger Staat nur beim Ausbau absolut freundschaftlicher Beziehungen zur Russischen Föderation sein kann. Es ist klar, dass sich die Ukraine jetzt unter äußerer Steuerung der Staaten befindet, die keine Freundschaft zwischen der Ukraine und Russland wollen. Doch gibt es vor dem Hintergrund der nicht ganz überzeugenden Ergebnisse Kiews bei seinen europäischen Bestrebungen Merkmale dafür, dass selbst seine jetzige Führung die notwendige Normalisierung der Beziehungen zu Russland begreift?

Sergej Lawrow: Ehrlich gesagt, sehe ich keine Merkmale dafür. Ich stimme Ihnen dabei zu, dass sich das Land unter äußerer Steuerung befindet, jedoch mit einem Bemerken – wir wissen sehr gut, dass solche Länder wie Frankreich und Deutschland, die am Normandie-Format teilnehmen, andere Länder der EU und selbst die USA bei ihren Diskussionen offen zugeben, dass dieses ukrainische Regime bereits als „Schwanz, der mit dem Hund wedelt “ vorgeht.

Das, was jetzt in Kiew selbst in Bezug auf den durch Washington empfohlenen und aufgedrängten Mechanismus zur Bekämpfung der Korruption organisiert wurde, heiß einfach Ignorieren eigener Verpflichtungen. Da unsere westlichen Partner öffentlich die dortige demokratische Revolution unterstützten, können sie nun nicht ihre Worte zurücknehmen und sagen, dass es ein weiteres gescheitertes Experiment Saakaschwilis war.

Der Präsident der Ukraine, Pjotr Poroschenko, nutzt das und wird das solange machen, bis der Westen Kräfte findet zu sagen, dass er kein Recht hatte, als er die Maidan-Revolution provozierte, wobei der legitim gewählte Präsident gestürzt wurde, als an die Macht Radikalen gelassen wurden, die die russische Sprache angriffen, als sie auf die Worte von Dmitri Jarosch schwiegen, der zwei Tage nach dem Staatsstreich sagte, dass die Russen auf der Krim nie Schuchewitsch und Bandera respektieren werden und es keine Russen auf der Krim geben soll. Sie haben als ob nicht verstanden, dass diese Worte nicht einfach in die Luft gesagt wurden. Das waren Worte, die an einem schicksalhaften Zeitpunkt gesagt wurden. Die Krim-Einwohner und die Einwohner der Ostukraine konnten das nicht unbemerkt lassen.

Leider habe ich in diesem Zusammenhang pessimistische Stimmung dazu, wie genau die jetzige ukrainische Führung die Zukunft ihres Staates im Kontext der Beziehungen zu Russland einschätzt. Die Bevölkerung betrachtet viel realistischer diese Sachen und versteht, dass die zeitweiligen Menschen, die das eigene Land und die Beziehungen zum Westen erschöpfen wollen, nicht die Interessen des ukrainischen Volkes vertreten.

Frage: Herr Lawrow, wir verstehen die ganze Schwierigkeit Ihrer Arbeit. Vielen Dank für den Dienst zum Wohle Russlands. Wir sehen, wie die USA mit schönen Worten über Demokratie Bürgerkriege entfachen, wobei ganze Staaten zerstört werden. Dabei wird nach „Brennstoff“ im Opfer-Land gesucht. Vielleicht ist die Zeit für uns gekommen, am Kampf der Afrikaner teilzunehmen, sich mit der Reservation der Indianer in Amerika um ihre Rechte und Demokratie zu befassen? Ich denke, dass viele Frauen in Russland ihr Goldschmuck für diese edle Sache opfern werden. Vielleicht werden die USA dann keine Zeit haben, sich mit anderen Staaten zu befassen und endlich auf sich selbst konzentrieren?

Sergej Lawrow: Anscheinend wird es für uns nicht vorteilhaft sein, mit solchen Sachen zu befassen, sowohl aus der Sicht unserer orthodoxen und muslimischen (in den Gebieten, wo Muslime wohnen) Moral, als auch aus der Sicht unserer pragmatischen Interessen. Weil ich denke nicht, dass wir davon profitieren werden, dass große Länder in innere Revolutionen abstürzen werden. Doch dass die Geschichte der Eroberungen, Kriege und Siege jetzt sehr aktiv genutzt wird, nicht nur um das Gedenken an verschiedenen Ereignissen zu bewahren, sondern auch als Instrument zur Durchführung antirussischer Politik – das ist ein Fakt.

Wie Sie wissen, ist der Zweite Weltkrieg das populärste Thema: wer ihn begann, wie seine Ergebnisse sind, ob die Beschlüsse des Nürnberger Tribunals ewig und unantastbar sind. Wir sind bereit, darüber zu diskutieren. Doch unsere westlichen Partner werden verwirrt, wenn man sie einfach an ein Ereignis 15 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert. Ich meine die Dekolonisierung und überhaupt alles, was der Kolonialismus in der modernen Welt machte. Uns wird daraufhin gesagt, dass wir uns mit der Propaganda befassen. Also die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs revidieren ist keine Propaganda, und auf die Frage antworten, wie sie die koloniale Epoche und ihre Folgen einschätzen - das wollen sie nicht machen. Das ist doch auch mit der Skizzierung der Grenzen im Nahen Osten und in Nordafrika verbunden, die jetzt in ganze ethnokonfessionelle Gruppen „zerschnitten“ werden, was in vielerlei Hinsicht zum Abzugshacken dieser Konflikte wird. Deswegen meine ich, dass das Gespräch zu diesen Themen offen, fair sein soll.

Jedes halbes Jahr treffe ich mich mit den Botschaftern der ganzen Europäischen Union. Sie schnitten das Thema Krim an. Ich erklärte, dass jene, die sehen wollen, wie jetzt die Bewohner der Krim wohnen, ob dort die Menschenrechte verletzt werden, alle Möglichkeiten haben, das zu machen. So reiste der Vertreter des Europarats Gerard Studman auf die Krim und machte einen fairen Bericht. Viele Parlamentarier reisen auf die Krim, viele ausländische Beobachter waren beim Referendum anwesend. Deswegen entstehen hier keine Fragen.

Ich fragte bei der EU, wie sie sich zur Situation mit Übersee-Gebieten eines ihrer Mitglieder in Frankreich verhalten. Als die Komoren im Rahmen der Dekolonisierung auf Beschluss der UNO und bei Zustimmung Frankreichs über ihr Schicksal abstimmten – unabhängig werden oder in Frankreich als Übersee-Gebiet bleiben – stimmten alle für die Unabhängigkeit außer der Insel Mayotte ab. Die Bedingung des Referendums war, dass der Beschluss mit einer einfachen Mehrheit getroffen wird – falls alle Restlichen für Unabhängigkeit sind, wird auch Mayotte Teil der unabhängigen Komoren. Franzosen sagten „Nein“, es wurde anders vereinbart, doch da die Bevölkerung sich so benehmen will, dann behalten sie ihre Herrschaft über Mayotte bei. Es gab mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, die von Frankreich forderten, die Ergebnisse des Referendums so anzuerkennen, wie sie vor der Abstimmung konzipiert worden waren. Doch Franzosen ignorierten das. Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde Mayotte ein Übersee-Gebiet, souveräner Teil der Französischen Republik. Ich führte dieses Beispiel an, um zu verstehen, wie sich die EU zum Respekt verhält. Weil in Bezug auf die Krim gesagt wurde, dass das Referendum eilig durchgeführt wurde. Doch das Referendum zu Komoren wurde nicht eilig durchgeführt, weil die UNO dort Vorbedingungen abstimmte. Die Botschafterin Frankreichs in Russland, Sylvie Bermann sagte, dass man zwei unvergleichbare Sachen vergleicht. Ich verstehe nicht, warum unsere westlichen Partner es nicht mögen, ehrlich und offen ihr Verhalten und das Verhalten Russland in der internationalen Arena zu vergleichen.

Ich würde nicht unseren Frauen empfehlen, sich auf ihr Edelschmuck zu verzichten, um das was sie sagten, zu machen.

Frage: Sie haben mehrmals betont, dass Soft Power derzeit einer der wichtigen Bestandteile der diplomatischen Beziehungen ist. Ihnen ist auch sehr gut bekannt, dass 135 Freundschaftsgemeinschaften heutzutage keinen Versammlungsort haben, wo sie ihre juristische Adresse registrieren können. Es gab die Verordnung von Boris Jelzin von 1992, und damals funktionierte das Haus der Freundschaft auf Basis der Rossotrudnitschestwo, aber seit 1994 gibt es diese Plattform nicht mehr. Es gibt mehrere Briefe von Ihnen an die Regierung der Russischen Föderation und den Bürgermeister von Moskau. Hochrangige Moskauer Beamten sagen zu mir immer, wenn das Außenministerium Russlands der Ansicht ist, dass es notwendig ist, so warum kann es selbst nicht zwei bis drei Räume für das Haus der Freundschaft zur Verfügung stellen?

Sergej Lawrow: Zwei bis drei Räume sind natürlich kein Problem. Ich glaube nicht, dass das ausreicht. Wir alle haben in Erinnerung, wie das Haus der Freundschaft war, wo er sich befand und wie schön es war. Leider kann man sich einen angemessenen Ersatz nur schwierig vorstellen. Die Rossotrudnischestwo belegt übrigens die Räume, die man auch versucht hat, für andere Zwecke umzugestalten. Bis dahin haben wir das verhindert. Die Sanierung unseres rechten Seitenflügels nähert sich ihrem Ende, und die Rossotrudnitschestwo soll planmäßig da einziehen. Ich hoffe sehr, dass zumindest einer der Räume, die sie jetzt belegen, einschließlich dazu verwendet werden kann. Ich vermerke mir das. Diese Frage steht nicht an der Tagesordnung. Zuerst muss die Sanierung abgeschlossen werden.

Frage: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der Beziehungen mit den Ländern des Nahen Ostens?

Sergej Lawrow: Positiv. Ich versuche, detailgetreu zu erklären. Unsere Beziehungen gehen sehr lang zurück, seit der Zeit, als im Nahen Osten Unruhen, Kampf um Unabhängigkeit und verschiedene Kriege begonnen haben. Als Sowjetunion waren wir auf der Seite der Araber in ihrem Krieg gegen Israel, obwohl die Sowjetunion das erste Land war, das die Unabhängigkeit und Souveränität Israels kurz nach seiner Bildung anerkannt hatte. Später, nachdem sich die Beziehungen mit Israel zum Ende der Sowjetzeit normalisiert hatten, schlug das moderne Russland einen Weg ein, was in der Konzeption der Außenpolitik von 2000 als „Multivektoren-Kurs“ bezeichnet wurde (diese Aufgabe bleibt auch in der letzten Verfassung der Konzeption der Außenpolitik bestehen) – die Beziehungen mit allen auf gleichberechtigter und beiderseitig vorteilhafter Grundlage aufzubauen, die daran interessiert sind. Seit dieser Zeit konnten wir eine Partnerschaft fast mit allen arabischen Ländern bilden, darunter mit denen, die miteinander nicht sehr gute Beziehungen haben, und mit Israel. Parallel bauten wir die Beziehungen mit solch einem wichtigen Land für die Region auf, wie der Iran. Heute haben wir fast mit allen Ländern des Nahen Ostens sehr gute und enge politische, handelswirtschaftliche sowie kulturelle und humanitäre Beziehungen.

Ich glaube, dass es hier einen sehr großen Faktor jener Linie gibt, die wir in der Weltarena durchsetzen, wenn wir um die Gerechtigkeit kämpfen, immer die Treue für gesagte Worte bewahren, unsere Politik nicht je nach Konjunktur - ganz gleich ob international oder innenpolitisch - gestalten. Als der sogenannte „arabische Frühling“ begonnen hat, und wir dagegen entschieden eintraten, was die westlichen Länder, zum Beispiel in Libyen und später in Libyen begonnen haben zu machen. Uns wurde gesagt (erinnern Sie sich, was Barack Obama gesagt hat?), dass Russland auf der „falschen“ Seite der Geschichte stehen bleibt und es von den arabischen Völkern verdammt wird, weil es die Diktatoren unterstützt, die sie erwürgen. Nicht im Geringsten. Weder im Irak (das alles hat noch mit dem Irak begonnen, als wir gegen die Aggression eintraten), noch in Libyen und in Syrien, oder sonst noch irgendwo gibt es keine politische, ethnische Konfessionsgruppe unter der Bevölkerung, die Russland als Feind wahrnehmen würde. Es gibt Einzelgänger, ähnlich wie diejenigen, die bis vor kurzem den radikalen Flügel der syrischen Opposition leiteten, Migranten, die mit fremdem Geld leben. Das ist ihre Arbeit, mit den Ultimaten aufzutreten, andernfalls, wenn die Regelung stattfindet, werden sie ihre Arbeit verlieren. Deshalb glaube ich, dass in vieler Hinsicht dies das Ergebnis jener Linie ist, die der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, seit seiner ersten Amtszeit durchsetzt, – der Multivektoren-Charakter und die Transparenz in Bezug auf alle, die bereit sind, mit uns Geschäfte auf gute und ehrliche Art und Weise zu führen.

Frage: Russland hat seine Bewerbung um die Ausrichtung der World Expo 2025 in Jekaterinburg vorgestellt. Jetzt ist das entscheidendste Moment gekommen – die Förderung der Bewerbung, Lobbyismus der Interessen Russlands in den Mitgliedsstaaten des Bureau International des Expositions. Eine wichtige Rolle kommt natürlich dem Außenministerium zuteil. Ich möchte von Ihnen hören, inwiefern aktiv heute das Hauptquartier des Ministeriums ist? Sind die Botschaften unseres Landes diesem Prozess beigetreten?

Sergej Lawrow: Die Botschaften sind sofort diesem Prozess beigetreten, als Jekaterinburg seine Bewerbung vorgelegt hatte. In meinen Treffen mit dem Minister eines beliebigen Landes ist dieses Thema ein obligatorisches Thema, wir erinnern unbedingt an unsere Anfrage. Ich kann sagen, dass das auch ein unabdingbarer Bestandteil aller Materialien ist, die für den Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, im Rahmen seiner internationalen Kontakte vorbereitet werden. Er schneidet immer dieses Thema an. Bis zur Abstimmung bliebt es weniger als ein Jahr (wenn ich mich nicht irre, ist das der Herbst 2018). Unsere Mitbewerber sind Paris, Osaka und Baku. Sie führen natürlich auch ihre Arbeit zur Förderung ihrer Bewerbung durch. Es ist noch schwierig, irgendwelche Prognosen zu machen, aber diese Arbeit steht bei uns unter ständiger Kontrolle.

Frage: Die syrische Militärkampagne ist zu Ende gegangen. Unsere Militärangehörigen haben riesige Erfahrungen im Zusammenwirken mit verschiedenen Unterabteilungen der syrischen Truppen und Kampfunterabteilungen des Iraks, Irans und der Türkei gesammelt. Das Außenministerium Russlands und unsere Diplomatie haben riesige Erfahrungen in der Bildung der Vereinigung von politischen Kräften im Astana-Format gesammelt. Ich glaube, dass dies ein riesiger Verdienst auch von Ihrer Seite ist. Aber der Terrorismus ist nicht verschwunden, er wechselt einfach das Land – er migriert in den Irak. Wir sehen und erhalten Informationen von unseren afghanischen Partnern, dass es im Norden Afghanistans IS-Lager gab. Wie arbeitet das Außenministerium der Russischen Föderation auf dieser Richtung mit den Partnern aus Afghanistan? Wie sehen wir für uns selbst eine potentielle Bedrohung, die sich in Afghanistan ansammelt?

Sergej Lawrow: Diese Bedrohung sehen wir ganz deutlich nicht nur in Afghanistan, sondern auch in anderen Teilen der Region und außerhalb seiner Grenzen. Wie Sie absolut richtig gesagt haben, wurde die ISIS in Syrien im Sinne der Liquidation von Herden, die die IS-Kämpfer dort geschaffen und in denen sie ihr Regime ausgerufen haben, besiegt. Aber dort gibt es natürlich immer noch irgendwelche vereinzelte Kleingruppen, sie werden auch vernichtet, darin gibt es keine Zweifel. Die meisten sind ins Ausland gegangen, darunter via den Irak, obwohl wir die Amerikaner und ihre Koalition mehrmals darum gebeten haben, dies zu verhindern. Es gab eine Episode, als IS-Kämpfer aus Syrien in den Irak flohen, in dem wir aber keine Vollmachten für unsere Luftwaffe haben. Ihre Vollmachten haben dort jedoch die Amerikaner. Wir haben ihnen die Informationen übergeben und gesagt, dass sie diese Gruppe liquidieren müssen. Sie haben gesagt, dass sie das nicht tun werden, weil das schon Kriegsgefangene sind. Sie verfügen daher über den Status, der durch die Genfer Konventionen geschützt ist. Das ist natürlich eine absolut unannehmbare Position, aber leider dringt sie in die US-amerikanische Herangehensweise sehr tief durch. Die Amerikaner haben noch zur der Amtszeit von Barack Obama eine Konzeption des Kampfs gegen den gewalttätigen Extremismus erdacht, die im Prinzip sehr einfach ist. Der Extremismus bildet sich dort, wo es ein diktatorisches Regime gibt, das die Zivilgesellschaft erwürgt. Um die extremistischen Erscheinungsformen zu verhindern, soll die Weltgemeinschaft durch den Kopf der diktatorischen Regimes die Zivilgesellschaft erziehen, wie die Demokratie im Staat organisiert werden soll. Klar, worum es sich dabei handelt. Aber diese Konzeption hat noch eine Aufgabe, wie wir jetzt verstehen. Bei ihrem Begriff „gewalttätige Extremisten“ versuchen sie diese Personen nicht als Terroristen darzustellen, sondern sie zu einer besonderen Kategorie zu zählen, damit es in der Zukunft oder sogar schon jetzt es möglich wäre, mit diesen Begriffen spielend, die einen den Terroristen gleichzumachen, die vernichtet werden sollen, und die anderen zur Kategorie der gewaltsamen Extremisten zu zählen, mit denen eine Erziehungsarbeit durchgeführt werden kann. Das ist eine gefährliche Tendenz, der wir strengstens entgegenwirken. Unsere Herangehensweise ist bekannt, und sie bleibt unveränderlich.

Was Afghanistan angeht, so sind wir darüber besorgt, dass an den Grenzen mit unseren Nachbarn - verbündeten Ländern in Zentralasien IS-Kämpfer ihre Präsenz ausweiten. Vor allem in Afghanistan strömen sie in den Norden. Das bringt auf den Gedanken, dass Zentralasien ihr nächstes Ziel ist. Im OVKS- und SOZ-Rahmen, nicht nur mit der Teilnahme der Außenministerien, weil das ein komplexes Problem ist, sondern auch mit der Teilnahme der Gewaltorgane, Nachrichtendienste und Verteidigungsministerien erarbeiten wir entsprechende Pläne für den Kampf gegen die Terrorbedrohung. Außerdem gibt es die Kontaktgruppe „SOZ-Afghanistan“, die im Oktober dieses Jahres in Moskau zusammengerufen wurde. Anfang kommenden Jahres wird sie in China zusammengerufen. Eines der wichtigsten Themen der Tagesordnung wird der Kampf gegen Terrorbedrohung sein. Ein ähnlicher Mechanismus wurde in der OVKS ins Leben gerufen, in der es auch eine Arbeitsgruppe für Afghanistan gibt, vor allem mit dem Visier auf die Annahme der Vorsichtsmaßnahmen, um zu verhindern, dass diese Bedrohung in die Russische Föderation gelangt. Wenn wir darüber sprechen, wer dieses Problem innerhalb Afghanistans lösen wird, so sind das afghanische Sicherheitskräfte, die Streitkräfte Afghanistans. Wir helfen ihnen aktiv bei der notwendigen Ausrüstung.

Leider konnten die Amerikaner, die sich seit 2001 in Afghanistan an der Spitze der Nato-Koalition (120.000 Militärangehörige) befinden, den Terrorismus nicht besiegen. Sie konnten nicht nur die Drogenproduktion stoppen, die den Terrorismus nachspeist, sondern auch beobachteten seine stürmische Zunahme. In diesem Jahr ist die Heroinproduktion und die Opiumernte auf Rekordhoch. Sie weigern sich, sich damit zu beschäftigen. Aber beim Anti-Terror-Kampf kann es keine Ausreden geben, das steht im Mandat der NATO-Kräfte. Jedes Mal, wenn wir uns dafür interessieren, was sie in diesem Zusammenhang machen, bekommen wir keine klaren Antworten. Außerdem hatten wir ein sehr großes Projekt des Rates Russland-NATO zur Lieferung, Reparatur und Wartung der Hubschrauber unserer Produktion in Afghanistan auf die Geldmittel, die alle Mitglieder des Rates Russland-NATO sammeln, da diese Hubschrauber eine optimale Waffe im Kampf gegen Terroristen sind. Die Afghanen wissen selbst, wie damit umzugehen. Sie sind sehr anspruchslos.

Dieses Programm war sehr erfolgreich. Als die NATO alle Kommunikationskanäle nach dem Staatsstreich in der Ukraine, den sie unterstützt hat, geschlossen hatte, setzten wir dieses Programm schon im bilateralen Format mit Afghanistan fort. Die Afghanen waren damit sehr zufrieden. Vor kurzem fingen die USA an, darauf zu bestehen, dass Afghanistan auf diese Hubschrauber verzichtet und stattdessen die US-amerikanischen kauft. In derselben Zeit fingen die Amerikaner an, auch darauf zu bestehen, dass etwa 50.000 Kalaschnikow-Gewehre mit Munition, die den afghanischen Sicherheitskräften als Geschenk überlassen wurden, außer Dienst genommen werden müssen, und dass Afghanistan stattdessen US-amerikanische Gewehre kauft. Außer den Fragen, die entstehen, was mit diesen 50.000 Gewehren (wir haben diese Frage den Afghanen bereits gestellt) zu machen ist, entsteht auch eine andere Frage – worauf ist der Wunsch zurückzuführen, im Grunde die Fähigkeit der afghanischen Armee, die Waffen zu nutzen, an die sie sich gewöhnt hat, unterminieren und neue aufzudrängen, an die man sich noch gewöhnen muss? Darauf gibt es keine Antworten. Außerdem versuchen die Amerikaner uns einfach aus Liebe zu dieser „Kunst“ Schwierigkeiten zu bereiten.

***

Frage: Wie sieht es mit der Perspektive aus, bei der Krim-Konfrontation als Sieger hervorzugehen?

Sergej Lawrow: Die Situation hat sich normalisiert. Sie normalisierte sich für uns, als die Krimeinwohner abgestimmt haben. Diejenigen, die das nicht als objektive Realität und historische Gerechtigkeit akzeptieren können, müssen sich selbst „normalisieren“. Ich hoffe, dass die Erkenntnis noch kommt. Wenigstens diejenigen von unseren westlichen Kollegen, die auf die Krim kommen, werden sich vor Ort der ganzen Verlogenheit der Propaganda darüber bewusst, dass dort die Menschen unterdrückt und Menschenrechte verletzt werden. Wir haben eine sehr ehrliche Position – kommen Sie und schauen Sie sich selbst alles an.

Frage: Ich möcht Ihnen einen Dank aussprechen. Gestern fand die Pressekonferenz des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, statt, auf der keiner der ausländischen Korrespondenten eine Frage über die Krim gestellt hat. Ich glaube, das ist Ihr Verdienst. Ich glaube, dass sie die Position des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, der die Krimfrage für abgeschlossen erklärt hat, vernommen haben.

Sergej Lawrow: Ja, vor allem haben sie die Position des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, dazu vernommen, und richtig gemacht.

 

 


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