Ansprache des Aussenministers Russlands an dem Moskauer Staatlichen Institut fuer Internationale Beziehungen (Universitaet) anlaesslich des neuen Semesterbeginns
Sehr geehrter Anatoli Wassiljewitsch,
Sehr geehrter Alexandr Nikolajewitsch,
Werte Kollegen, liebe Freunde,
ich gratuliere herzlich der Leitung, den Professoren und anderen Lehrkraeften, allen Mitarbeitern von unseren zwei diplomatischen Hochschulen, allen Aspiranten, Hoerern, und vor allem Studenten des ersten Studienjahres zum Beginn des neuen Semesters. Sie haben schwere Aufnahmepruefungen hinter sich, aber Sie erwartet wohl die gluecklichste Zeit im Leben – die Studentenzeit. Sie werden viel Neues kennen lernen, Berufs- und Lebenserfahrung bekommen. Erfolgreiches Studium oeffnet fuer Sie die breitesten Moeglichkeiten fuer eine interessante und kreative Berufstaetigkeit.
Heute kann man unsere Absolventen in der Administration des Praesidenten, im russischen Parlament, in der Regierung, in vielen internationalen Organisationen, in soliden Wirtschafts- und Finanzstrukturen treffen. Das zeugt von einem verdienten hohen Ansehen der Hochschulen selbst und von grossem Verlangen nach den Spezialisten, die sie ausbilden.
Unter den Fragen, die die russische oeffentliche Meinung und unsere internationalen Partner beschaeftigen, sind auch die Fragen, welche Aussenpolitik braucht Russland und welches Russland braucht die Welt.
Russland bedurfte eines grossen Zeit- und Kraftaufwands, um die Fehler eines tiefen und vielseitigen Umbaus des Landes gutzumachen und zu lernen, selbststaendig das Tempo und die Tiefe der Umwaelzungen zugunsten der demokratischen und marktwirtschaftlichen Grundwerte zu bestimmen, ohne die moderne Gesellschaft und der moderne Staat, die eine effektive Entwicklung und einen wuerdigen Platz in dieser Welt beanspruchen, nicht leben koennen. Seit 2000 begannen wir, unsere Schulden zu tilgen, die staatliche Machtfaehigkeit wieder herzustellen, die territoriale Integritaet unseres Landes zu festigen und es in die Reihe der zehn wirtschaftlichen Grossmaechten zu bringen.
Von dieser Position aus sehen wir heute die Welt und empfinden – zusammen mit anderen Staaten - unsere Verantwortung fuer ihre Zukunft. Die Verantwortung setzt die Faehigkeit voraus, eine Lehre aus der, unter anderem modernen, Geschichte zu ziehen, unsere eigenen und fremde Fehler zu analysieren und so zu handeln, dass sie sich nicht mehr wiederholen.
Einer der Hauptzuege der modernen internationalen Beziehungen ist die politische und intellektuelle Emanzipation vieler souveraener Staaten, die beginnen, von Anfang an, ohne vorigen Kontext des "kalten Krieges" und ganz selbststaendig ueber ihre Rolle in den internationalen Angelegenheiten nachzudenken. Dieser Prozess ist auch fuer die russische Aussenpolitik charakteristisch, aber auch nicht nur dafuer. Der fuehrende Theoretiker der SPD zu aussenpolitischen Fragen Egon Bahr charakterisierte das Wesen der heutigen Situation so: „Die Europaeer beginnen ihre eigenen Interessen zu bestimmen und gemaess ihrer eigenen Bewertung der Ereignisse zu handeln".
Wie es auch im Westen der Fall ist, entwickelt sich die gegenseitige Emanzipation in dem postsowjetischen Raum und wird hier zum wichtigsten Element des Uebergangs zu normalen zwischenstaatlichen Beziehungen, die auf nationalen Interessen, auf universellen Voelkerrechtsnormen und der Marktwirtschaft basieren. Dabei bleibt die tiefe Gemeinsamkeit von Kulturen und Zivilisationen der GUS-Staaten erhalten, was einen Grund dazu gibt, von der Festigung des gemeinsamen humanitaeren Raums der Gemeinschaft zu sprechen.
Die russisch-amerikanischen Beziehungen tendieren auch zu der Emanzipation. Vor allen Dingen ist es die Absicht, die Feindschaft und die sie ernaehrende Ideologie loszuwerden. Zwischen den USA und Russland bleibt eine aus der Vergangenheit geerbte gegenseitige Verbindung in Form unserer gemeinsamen Verantwortung fuer die Unterstuetzung der strategischen Stabilitaet. Aber es ist schon offensichtlich, dass das Gepaeck der Vergangenheit nicht fuer den Aufbau von modernen, stabilen und zukunftsoriertierten Beziehungen reicht. Die Globalisierung laesst uns die Notwendigkeit der Schaffung von Beziehungen der positiven gegenseitigen Abhaengigkeit, in erster Linie im Wirtschaftsbereich, sehen.
Andererseits diktieren die Freiheitsbedingungen die Notwendigkeit einer gemeinsamen Fuehrung durch die Grossmaechte der Welt. Das kann man ein „Konzert der Grossmaechte des 21. Jahrhunderts" nennen. Wir haben eine historische Erfahrung dessen, dass die Freiheit in internationalen Beziehungen nicht die Freiheit der Laender voneinander, sondern die Freiheit ist, auf der rationellen Grundlage der zusammenfallenden Interessen miteinander zu verhandeln, wie es schon in einigen Faellen sowohl unter den fuenf staendigen UN-Sicherheitsratsmitgliedern, als auch in der G8 und in anderen Formaten der Fall ist. Es ist aber evident, dass in der Epoche der Globalisierung auch die Zahl der globalen Probleme waechst, die solidarisches Herangehen an ihre Loesung, sowie auch die Zahl der Machtzentren, die diese Loesung beeinflussen, verlangen.
Daher braucht man jetzt neue, flexible Formen der kollektiven Fuehrung, die sich auf gegenseitige Interessen und Verantwortung fuer das Schicksal der Welt stuetzen. So was macht man schon in der G8, die institutionellen Dialog mit traditionellen Partnerlaendern – China, Indien, Brasilien und Mexiko - fuehrt.
Dem so genannten euroatlantischen Bereich der Welt wuerde ein dreiseitiges Verstaendis nicht schaden – zwischen den USA, Russland und der Europaeischen Union. In einigen Fragen gibt es schon eine Zusammenwirkung in solchem Format. Jetzt wurde dazu noch das Kosovo-Problem hinzugefuegt. Ich bin der Meinung, dass solche "Troika" "das Weltboot in ruhiges Gewaesser" rudern koennte.
Im Rahmen von solch einem "Dreieck" gibt es Dinge, nach denen Europa den USA naeher steht, aber nach einer Reihe strategischer Fragen hat sie mehr Aehnlichkeit mit Russland. Nehmen Sie das Problem der Gewaltanwendung oder anderer Formen der Noetigung, oder das Verhaeltnis zum Voelkerrecht.
Trotz der Unterschiede in der "Troika" muessen wir einen maximal moeglichen gemeinsamen Nenner anstreben. In jedem Fall, wenn jemand auch denkt, man komme ohne Konzeption der Eindaemmung aus, ist solches "Dreierkonzert" die beste und, was wichtig ist, die Form einer gegenseitigen Eindaemmung, die ohne Konfrontationen und viel Aufwand auskommen kann. Vielleicht ist es schon Zeit, an eine neue Definition des Transatlantismus zu denken, die dabei Russland nicht ausschliessen wird.
Wie auf jeder Entwicklungsetappe braucht die Welt wieder ein Gleichgewicht. Unter modernen Bedingungen ist solches Gleichgewicht ein unentbehrliches Element der strategischen Stabilitaet, die bei einer der Seiten die Versuchung ausschliesst, fuer die Erreichung ihrer aussenpolitischen Ziele Atomwaffen anzuwenden. Es sei nur daran erinnert, dass, als 1959 das Gleichgewicht durch die Stationierung der amerikanischen Atomraketen „Top" auf dem tuerkischen Territorium verletzt worden war, Moskau mit Stationierung seiner Raketen auf Kuba antwortete. Die Loesungsformel der Karibischen Krise, die letztendlich gefunden wurde, spricht ueberzeugend gerade von solcher Ursache-Folge-Beziehung jener Ereignisse.
Russland traegt schon mehr als 300 Jahre die Last der Aufrechterhalung des Gleichgewichts in der europaeischen und Weltpolitik. Immer wenn wir dieser Verantwortung auswichen, und so war es nach dem Krimkrieg und in der Zeitperiode zwischen zwei Weltkriegen, so wurde es von einer tiefen Erkrankung der europaeischen Politik begleitet und fuehrte den Kontinent zur Katastrophe. Die Formel des Gleichgewichts in internationalen Angelegenheiten bleibt die einzige – das ist die friedliche Koexistenz, die Stuetzung auf Voelkerrecht, kollektive Sicherheit, politisch-diplomatische Konfliktloesung. Diese grundlegenden Prinzipien sind in der UNO-Charta verankert.
Russland wird auch weiterhin seine ausgleichende Rolle in globalen Sachen spielen. Es wird nie ein Teil von neuen "heiligen Allianzen" gegen jemanden sein. Wir sind uns der Zivilisationsdimension unserer Verantwortung unter neuen Bedingungen bewusst, und zwar des Beduerfnises, aktiv zur Unterstuetzung des Einvernehmens in Beziehungen zwischen Zivilisationen beizutragen. Das zeigt sich gut in einer erfolgreichen Entwicklung der Zusammenarbeit im Rahmen noch einer "Troika" (Russland, Indien, China), im gegenseitigen Interesse an einem Dialog im BRIC-Format, in der Vertiefung der Beziehungen Russlands zu den OIK-Laendern, zu der Arabischen Liga, der Afrikanischen Union, ASEAN, dem Mercosur und anderen Verbaenden der Entwicklungslaender. In dieser Reihe steht die Taetigkeit der SOZ, die fuer die Harmonisierung von Interessen der Staaten der breiten Eurasiatischen Region sorgt.
In der Globalisierung ist der Luxus einer "glaenzenden Isolierung" unzulaessig. Das Leben zeigt uns immer die Vorteile der kollektiven Handlungen im Rahmen der vereinbarten "Spielregeln". Der echt globale Charakter der neuen Herausforderungen und Gefahren, auf die die Menschheit stoesst und die in der Weltpolitik in den Vordergrund treten, verlangt eine globale Antwort, d.h. die Antwort der ganzen Welt, auf dem Weg der allgemeinmenschlichen Solidaritaet. Wir werden mit Gefahren konfrontiert, die nicht personifiziert oder mit konkreten Staaten assoziiert werden koennen.
Diese Philosophie liegt dem Prinzip der Nichtkonfrontation der russischen Aussenpolitik zugrunde. Wir sind keine USA-Gegner mehr, das heisst, es koennen keine Gruende fuer einen neuen „kalten Krieg" geben. Die Normalisierung unserer Beziehungen, d.h. ihre Rueckkehr zu normaler Lage, ist nur auf Grundlage der Gleichberechtigung, Beruecksichtigung von Interessen der Anderen, der gegenseitigen Vorteile, des Verzichts auf Ideologie und Messianitaet als aussenpolirtisches Instrument moeglich.
Was uns droht, das ist die getrennte Existenz des russischen und amerikanischen Faktors in der Weltpolitik. Das wuerde weder den Interessen unserer Laender, noch den Interessen der ganzen Weltgemeinschaft entsprechen. Wie das Treffen in Kennebankport zeigte, haben wir keine Systemwidersprueche. Und das ist die Gewaehr dessen, dass unsere Beziehungen eine Zukunft haben.
Ich kann nur mit denen uebereinstimmen, die glauben, dass unsere Laender mit den Ende des "kalten Krieges" "endlich die Moeglichkeit haetten, sich nicht nur auf die Loesung der akuteren Probleme der Gegenwart zu konzentrieren, sondern auch es gemeinsam zu machen".
Viele werden das Gefuehl nicht los, dass sich unsere, sowie auch andere Laender in der Vergangenheit nicht damit beschaeftigt haben, was sie haetten machen sollen. Den ideologischen Postulaten wurden reale Probleme zum Opfer gebracht (solche, wie die globale Armut), die nicht geloest, sondern in die Tiefe hinein getrieben wurden. Jetzt, wenn wir uns an diese Probleme wenden, muss man sich realistische, erreichbare Ziele setzen, alle unseren gemeinsamen Handlungen im voraus ueberlegen, mit langfristigen Kategorien denken.
Aber dazu mauss man von der oberflaechlichen Diplomatie weg gehen. Man muss zum realen Koordinatensystem der modernen Weltentwicklung zurueckkehren, auf alles Zufaellige und Unwesentliche verzichten, was unter anderem auch mit Schwierigkeiten der psychologischen Adaption an die neue geopolitische Situation verbunden ist. Russland hat immer das Verstaendnis fuer die Probleme seiner internationalen Partnern demonstriert. Aber solch ein Verstaendnis der Probleme soll nicht Zustimmung mit den einseitigen Schritten bei der Loesung dieser Probleme bedeuten.
Was soll eigentlich zum Ausgangspunkt fuer einen Weg zu den vereinbarten Handlungen sein? Hier denken wir auch nichts Neues aus. Als Bestaetigung mochte ich auf die Aeusserung von J. De Hoop Scheffer verweisen: „Aufgeschlossenheit und Ehrlichkeit sind das einzige Rezept fuer das gegenseitige Verstaendnis". Russland ist zu solcher gemeinsamen Arbeit bereit. Das erklaerte deutlich Praesident Putin in Muenchen. Fuer den Anfang muss man ehrlich gestehen, dass es wirklich Unterschiede gibt, die uns trennen. Und selbstverstaendlich soll es keine geheimen Tagesordnungen, keine Verschweigungen, keine beruechtigte "konstruktive Unbestimmtheit" geben, die die vorhandenen Diskrepanzen bei weitem nicht beseitigt, sondern als Palliation der gegenseitigen Verstaendigung und des gegenseitigen Einvernehmens dient.
Es soll auch klar sein, dass es bei aller Konfrontationslosigkeit der russischen Aussenpolitik fuer uns "rote Linien" gibt: Wenn eine reale Gefahr fuer unsere Nationalsicherheit oder die bestehende Voelkerrechtsordnung entsteht. Da koennen wir nicht umhin, zu reagieren und bis zum Ende unsere Stellungnahme zu verteidigen. Zu solchen Problemen gehoeren Plaene der Stationierung von US- Raketenabwehrsystemen in Europa und die Loesung des Kosovo-Problems. Russland feilscht nicht – und das muessen unsere internationalen Partner verstehen. Ausser den Prinzipien geht es in diesen Fragen auch um wichtige Interessen der praktischen Politik.
Russland war immer dagegen und wird gegen alles auftreten, was einseitiges oder blockpolitisches Herangehen an die internationalen Beziehungen unterstuetzen und das Prinzip der gleichen Sicherheit untergraben wuerde. Das betrifft nicht nur die Probleme der Raketenabwehr, sondern auch die Nato-Erweiterung und die Sackgassensituation im KSE-Vertrag.
Russland hat keine Angst vor der Eindaemmungspolitik sich gegenueber. Wir koennen darauf antworten, obwohl es auch nicht unsere Wahl ist. Aber es ist uns sehr schade darum, wenn jemand von unseren Partnern nicht aus dem Labyrinth der "Spiele mit Nullresultat" herauskommen kann. Es ist schade, denn die politisch-psychologische Zielsetzung auf Eindaemmung Russlands verlangt einen blockpolitischen Automatismus, eine instinktive negative Reaktion auf alles, was Moskau macht und vorschlaegt, einschliesslich Verteidigung unserer rechtmaessigen Wirtschaftsinteressen. Und das wird wieder die Weltpolitik von der Loesung realer Probleme ablenken, Vertrauen untergraben und den Bereich der Zusammenarbeit in internationalen Beziehungen verringern.
In dieser Hinsicht wird die Aufmerksamkeit von vielen auf den heutigen Stand unserer Beziehungen zu Grossbritanien gelenkt. Hier gibt es nichts Tragisches. Leider hat London mangels ueberzeugender Beweise der Schuld von A. Lugowoi die Wahl zugunsten eines sensationellen propagandistischen Spektakels getroffen.
Und wenn schon im "Fall Litwinenko" ein Thema aus W. Shakespeare angegeben wurde, so waere nun ein Zitat aus der unsterblichen Tragoedie am Platze, und zwar die Stelle, wo Hamlet sich an Guildenstern wendet: "Ihr moechtet auf mir spielen... Glaubt Ihr, ich bin leichter als eine Pfeife zu spielen? Nennt mir, welch ein Instrument Ihr wollt – Ihr koennt mich verstimmen, nicht auf mir spielen".
Es ist kaum vorstellbar, dass die britische Seite, die vor einigen Jahren den Entschluss fasste, den odiosen Personen politisches Asyl zu geben, ernsthaft darauf rechnete, dass sie fuer sich die Moeglichkeit schaffen wuerde, in der russischen Innenpolitik "die Tasten zu druecken". Aber London wurde letztendlich ohne seinen Willen zum Mittaeter in den Intrigen und Provokationen gegen Russalnd.
Im Grossen und Ganzen veranschaulicht das Beispiel einiger unserer europaeischen Partner ein Problem, das viele Laender gemeinsam haben: Es ist leicht, sich mit den Angelegenheiten der anderen, als mit seinen eigenen zu beschaeftigen.
Russland ist ein offenes Land. Es ist auch fuer die Geschaeftswelt offen. Wir begruessen alle, die sich an der brerit angelegten Modernisierung unseres grossen Landes beteiligen moechten. Aber jeder Versuch, die Wirtschaftsfragen zu politisieren – auf geradem Wege oder durch untergeschobene Laender - waere gegenprodiktiv.
Mit dem Ende des "kalten Krieges" bekamen wir die volle Freiheit, uns mit unseren inneren Angelegenheiten zu beschaeftigen, mit der Modernisierung unseres Landes, der Entwicklung und Festigung unserer Positionen in der Welt, ganz entsprechend den Normen des Voelkerrechts.
Wir haben Ergebnisse unserer eigenen Analyse der Weltprobleme, die auf Fakten basiert, und auf derer Grundlage sind wir bereit, mit allen zu sprechen, den anderen zuzuhoeren, sie zu ueberzeugen, aber wir werden auch selbst immer fuer die Ueberzeugung offen sein. Das setzt ein ernsthaftes und aufrichtiges Gespraech voraus. Die Weltpolitik ist kein Klassenzimmer, wo alle unter der Gewalt des beruehmten Lehrers aus Gogol – „eines grossen Liebhabers der Ruhe und des guten Benehmens" sind.
Ich denke, dass wir europaeisch handeln, vom Standpunkt der pluralistischen politischen Kultur aus, die sich entsprechend ihrer Definition tolerant zu den Debatten verhaelt. Die Versuche der "Eindaemmung" und Durchfuehrung der Politik der "beunruhigenden Handlungen" gegenueber Russland gehoeren kaum zu dieser Kultur.
Wir sehen keine weiteren Wege fuer die Festigung des Vertrauens, das mit Recht zur groessten Aufgabe der europaeischen und Weltpolitik werden muss. Die deutsche Bundeskanzlerin A. Merkel sagte in ihrer Ansprache anlaesslich des 50. EU-Jubilaeums: „Fuer die Festigung des Vertrauens gebraucht man Jahrzehnte, und ein Augenblick reicht, um es zu untergraben". Hat man das Vertrauen – kommt alles Andere dazu.
Das Vertrauen kostet viel. Aber sein Fehlen kostet noch mehr - aus der intellektuellen, politisch-psychologischen und natuerlich finanziellen Hinsicht. Zum Beispiel koennte man die Raketenabweht ohne Untergrabung des Vertrauens in ein Projekt verwandeln, das es festigen wird. Darin besteht eigentlich der Sinn aller russischen Vorschlaege, die W.W. Putin in Kennebankport machte. Ich kann nur mit H. Kissinger uebereinstimmen, dass sie eine realistische Auffassung dessen geben, wie wir "parallele strategische Interessen" realisieren und „ein Vorfall fuer die Ueberwindung anderer globaler Herausforderungen" schaffen wuerden. Ich moechte nicht, dass alles nur mit noch einer verlorenen Moeglichkeit enden wuerde.
Vielleicht brauchen wir Pause, etwas Zeit zum Nachdenken. Aber dann lohnt es sich nicht, zu eilen und Entscheidungen zu treffen, die einen Konfrontationscharakter der Entwicklung der Ereignisse geben. – sei es die Raketenabwehr, der Kosovo und die weitere Nato-Erweiterung. Niemand wuerde wohl in wichitiger Sache des Aufbaus der europaeischen Sicherheit, die den Forderungen der Zeit entspricht, von null anfangen. In jedem Fall ist es kaum zu glauben, dass es moeglich ist, sich bei dem ganzen Spektrum der Gefahren allein seine Sicherheit zu garantieren.
Natuerlich verfolgen wir die Diskussionen zu aussenpolitischen Fragen, die zur Zeit in den USA durchgefuehrt werden. Dort sind auch Stimmen zu hoeren zugunsten "einer neuen Denkweise", "eines allgmeinen Verstaendnisses dessen, wie man der neuen Generation der Herausforderungen widerstehen soll", „einer neuen Sichtweise der Fuehrung im 21. Jahrhundert", "allgemeinder Sicherheit" , "eines Masses an Demut", der Notwendigkeit "der Ueberredung der Regierungen anderer Laender" und der Durchfuehrung von "ehrlichen Debatten". Dabei wird anerkannt, dass die Welt „revolutionaere Umwelzungen durchgemacht hat" und man daraus entsprechende Schluesse ziehen solle. Einer dieser Schluesse hat Brent Scowcroft richtig formuliert: In den internationalen Beziehungen veraendert sich kardinal selbst die Natur des Begriffs „Kraft", die immer mehr als die Faehigkeit zu kollektiven Handlungen definiert wird.
Russland kann aus seiner Geschichte lernen, was die geopolitische Einsamkeit ist, was es bedeutet, wenn du mit besten Absichten die Welt veraendern moechtest und die anderen entweder dich nicht verstehen oder deine Methoden nicht annehmen.
Ich bin ueberzeugt, dass die Welt ein dispositionsfaehiges Russland braucht, das vor allen Dingen im Stande ist, fuer sich selbst zu sorgen. Das Russland, das die Balance der europaeischen und globalen Politik halten hilft und seinen intellektuellen und praktischen Beitrag zur Loesung aller Probleme, auf die die Menschheit stoesst, leistet. Gerade solch ein Russland wird jetzt aufgebaut. Es ist schon unmoeglich, diesen Prozess zu unterbinden. Weil in erster Linie die Russen selbst es nicht zulassen werden.
Wir verfolgen natuerlich die Reaktion der auslaendischen Massenmedien auf eine schnelle Wiedergeburt unseres Landes als eines der fuehrenden Staaten der Welt. Wir verstehen, dass bestimmte politische Kreise im Westen auf solche Entwicklung der Ereignisse nicht gefasst waren und keine Varianten der Handlungen haben. Aber es bedeutet nicht, dass man einen neuen Mythos ueber die "russische Gefahr" erfinden muss. Alles, was wir machen, wird im strengen Rahmen des Voelkerrechts getan. Laut einer Meinungsumfrage, die im Juni von der Firma Harris Interactive in westlichen Grossmaechten durchgefuehrt wurde, wird Russland nicht als eine Gefahr fuer die Welt empfunden. Auch in Russland selbst unterstuetzen 84% aller von der amerikanischen Firma Pew Research Center Befragten den aussenpolitischen Kurs des Landes.
Wir verstehen, dass solch eine Unterstuetzung nicht ein fuer allemal gegeben wird. Man muss sie jeden Tag mit praktischen Taten verdienen, auf dem Niveau der hohen Standards sein, die der Praesident festlegt. Und hier wird vieles von der Entwicklung und Vervollkommnung des russischen diplomatischen Dienstes und seinem Kaderpotential abhaengen.
Die ueberwiegende Mehrheit der diplomatischen Mitarbeiter des Aussenministeriums absolvierte das Institut fuer internationale Beziehungen (MGIMO) oder die Diplomatische Akademie. Nur in diesem Jahr wurden an dem Aussenministerium und in seinen Auslandsvertretungen 82 Absolventen der oben genannten Hochschulen eingestellt, 37 von ihnen haben ein Diplom mit Auszeichnung bekommen.
Wer von ihnen diesem Beispiel folgen und fuer sich eine diplomatische Laufbahn waehlen wird, denen mochte ich Folgendes sagen: Auf diesem Weg wird es keine wolkenlosen Werktage und keine sorgenlosen Ruhetage geben. Umgekehrt ist das Schicksal eines Diplomaten ein unruhiges Leben mit unzaehligen Reisen, staendiger Spannung aller Kraefte, unerwarteten Veraenderungen, eine Notwendigkeit, immer mit der Zeit Schritt zu halten. Eins garantiere ich Ihnen: Langweilig wird es nicht sein.
In diesem wird am MGIMO das so genannte "diplomatische Modul" organisiert. In spezielle Gruppen werden Studenten aufgenommen, die sich nach Studiumabschluss an der Arbeit im Aussenministerium orientieren. Das Ministerium verbindet besondere Hoffnungen mit dieser neuen Ausbildungsform der Jungspezialisten und wird selbstverstaendlich an der Arbeit des Moduls teilnehmen, wo aeltere Diplomaten und praktische Spezialisten, die sich an der Ausarbeitung und Realisierung des aussenpolitischen Kurses des Landes beteiligen, als Lektoren auftreten werden.
Erlauben Sie mir, allen Anwesenden einen guten Anfang des neuen Studien- und wissenschaftlichen Jahres und Erfolg im Studium und schoepferische Kraft zu wuenschen.
3. September 2007