INTERVIEW AUSSENMINISTERS DER RUSSISCHEN FOEDERATION SERGEJ LAWROW FERNSEHSENDERN „PERWIJ KANAL“, NTV, REN TV UND PRESSEAGENTUREN ITAR-TASS, RAMI „RIA NOWOSTI“, „INTERFAX“ HINSICHTLICH DER LAGE UM SUEDOSSETIEN
Die russische Fuehrung macht sich ernstahafte Sorgen wegen des weiteren Anstiegs von Spannungen in Suedossetien. Seit einiger Zeit wird da geschossen. Jeder mehr oder weniger ernsthafte Zwischenfall unkontrollierbaren Gewaltausbruch mit schrecklichen Folgen hervorrufen. Deshalb sind jetzt alle unsere Anstrengungen auf die friedliche Beilegung dieser Krise gerichtet.
Dabei stuetzen wir uns konsequent auf das rechtliche Vorgehen, das von allen Parteien, einschl. georgische Fuehrung, akzeptiert wurde, und gehen von der Loesung des Problems in Suedossetien ueber den gemeinsamen Mechanismus aus –den Gemischten Kontrollausschuss, dem aus georgischen, ossetischen und russischen Militaereinheiten bestehende Gemischte Friedenstruppen zugeteilt sind. Nach diesen Vereinbarungen hat jede Seite das Recht, innerhalb dieser Truppen ein Bataillon je 500 Mann einzusetzen. In Wirklichkeit verletzt die georgische Seite ihre Verpflichtungen grob und setzt in der Konfliktzone Hunderte aber Hunderte bewaffnete Personen illegal ein, die keinesfalls als Friedenwaechter betrachtet werden koennen. Sie haben keine Ausweise, und rein mathematisch uebersteigt die Anzahl der bewaffneten Personen seitens Georgiens alle abgestimmten und von Tbilissi akzeptierten Normen.
Wir beharren darauf, dass sich alle Teilnehmer von den Vereinbarungen leiten lassen muessen, nach denen dem Befehlshaber breite Vollmachten erteilt werden, unter anderem das Recht, „Aktivitaeten der militanten Gruppen entschlossen einzustellen und alle von den Parteien nicht kontrollierten militanten Gruppen aufzuloesen, alle Gruppenkonflikte unverzueglich zu regeln, unter anderem Militaerkonflikte. Massnahmen zur Einfuehrung und Unterhaltung des verstaerkten Sicherheitsregimes im Konfliktbereich, und ggf. in den angrenzenden Regionen zu treffen. Die Einschleusung von militanten Gruppen und sonstigen nicht kontrollierten Gruppen in die Konfliktzone zu verhindern, die durch ihre Aktivitaeten die Lage destabilisieren koennen." Durch diese Bestimmungen des Abkommens vom 6. Dezember 1994 werden dem Befehlshaber der Friedenskraefte breite Vollmachten, einschl. Zwangsmassnahmen, erteilt. Wobei bisher der Befehlshaber von diesen Vollmachten keinen Gebrauch gemacht hat, da alle unsere Aktivitaeten auf friedliche Konfliktregelung gerichtet sind.
In diesem Zusammenhang mochte ich das oft zur Sprache kommende Thema der Hubschrauberausstattung erwaehnen. Am 8.Juli 1992 hat der Gemeinsame Kontrollausschuss die Entscheidung getroffen, die vom damaligen Sprecher der georgischen Fuehrung General Kitowani unterschrieben wurde, nach welcher der Gemeinsamen Gruppe zwei Hubschrauber MI-8, 3 Schuetzenpanzerwagen, 3 Militaerwagen usw. zugeteilt werden sollen, wobei Hubschrauber und Material von der russischen Seite gewaehrt werden". Diese Entscheidung wurde nicht erfuellt. Es kann die Frage auftauchen, warum wir die Beschluesse von 1992, 1994 zitieren. Wir zitieren sie, weil sie ihre Geltung voll behalten, was von der georgischen Seite am 2.Juni 2004 anerkannt wurde, als der Gemeinsame Kontrollausschuss zusammengekommen ist und folgenden Beschluss gefasst hat: „Die Seiten verpflichten sich, bei der Loesung von auftauchenden Problemen Bestimmungen der Vereinbarungen ueber Prinzipien der Konfliktregelung, ueber Gruendung, Zusammensetzung und Taetigkeit der Gemeinsamen Friedenskraefte strikt einzuhalten, zu Gewaltmassnahmen, nicht zu greifen und keinen wirtschaftlichen und sonstigen Druck auszuueben. Und im selben Dokument hat sich Georgien verpflichtet, zusaetzlich eingesetzten georgischen Militaereinheiten aus dem Zustaendigkeitsbereich der Gemeinsamen Friedenskraefte unverzueglich zurueckzuziehen". Somit hat die georgische Seite alle ihre Verpflichtungen aus den frueheren Vereinbarungen und zugleich die Notwendigkeit der Ausstattung der Gemeinsamen Friedenskraefte mit den Hubschraubern bestatigt. Im selben Beschluss steht es: „Wegen Mangel an Hubschraubern koenne die Fuehrung der Friedenskraefte den Luftraum im Bereich des georgisch-ossetischen Konflikts nicht voll kontrollieren. Die Friedenskraefte sollen mit Hubschraubern ausgestattet werden. Unter diesem Beschluss steht auch die Unterschrift des Staatsministers der georgischen Regierung G.Haindrawa. Sie bestaetigt sowohl die Notwendigkeit der Ausstattung der Friedenskraefte mit Hubschraubern, als auch die Gueltigkeit aller frueheren Vereinbarungen. Alle Erklaerungen der georgischen Seite, sie habe zwei LKW's mit den Hubschrauberausstattungen aufgehalten, da es nicht jeweiligen Beschluss gaebe, ist nichts anderes als Versuch die Weltoeffentlichkeit, unter anderem die OSZE, zu taeuschen, deren Sprecher sich im Konfliktbereich aufhalten und die strikte Einhaltung aller geltenden Vereinbarungen kontrollieren. Da OSZE-Inspektoren in dieser Region nicht ausreichen, haben sie keine Moeglichkeit ihre Leitung in Wien vollstaendig darueber zu informieren, was im Konfliktbereich in Wirklichkeit vor sich geht. Die bisher eingegangenen Informationen waren lueckenhaft, denn sie stuetzten sich auf die Behauptungen der georgischen Seite, die mit dem wirklichen Stand der Dinge nur wenig gemeinsames hatten. Deshalb haben wir den OSZE-Inspektoren in Suedossetien unsere Hilfe angeboten, damit sie die Ortschaften besuchen koennten, wo sich die nicht legitimen georgischen Militaergruppen aufhalten, und sich ueberzeugen, dass es Verstoesse seitens Georgiens gibt.
Verstaendlicherweise erregt die Praesenz der Militaereinheiten rechtsmaessige Besorgnisse der ossetischen Seite. Die Bevoelkerung Suedossetiens befuerchtet, es werde eine Militaeroperation vorbereitet. Agressive Verkuendungen der georgischen Fuehrung koennen diese Befuerchtungen nicht aufloesen. Nicht zu sprechen von den Beschuldigungen Russlands des herrschsuechtigen Gebarens. Das einzige, von dem wir uns leiten lassen, ist wie gesagt, das Voelkerrecht, in unserem Fall sind es die Vereinbarungen, die auch die georgische Seite unterzeichnet hat und die von OSZE gutgeheissen wurden.
Die Verantwortung fuer diese Situation traegt Tbilissi. OSZE als Einrichtung, die die geltenden Vereinbarungen betreut hat, muss alles tun, damit die georgische Fuehrung ihre Verpflichtungen nicht verletzt. Und Russland geht seinerseits nur von der Notwendigkeit aus, zu erfuellen, was unterzeichnet und abgestimmt wurde. Wir gehen ausschliesslich von der friedlichen Konfliktrgelung aus. Wir sind bereit, den Gemeinsamen Kontrollausschuss auf der hohen Ebene dringend einzuberufen. Aber zur Beilegung des Konflikts reichen Sitzungen allein nicht aus. Die georgische Seite muss auf grobe Verletzungen ihrer Verpflichtungen im Konfliktbereich verzichten, und gemaess der Unterschrift ihres Sprechers unter dem von mir zitierten Dokument zwei LKW's mit Hubschrauberausstattung zurueckgeben. Diese Ausstattung wurde fuer Gemischte Friedenskraefte geschickt, und sie muessen unverzueglich zurueckgegeben werden.
Zum Schluss ist zu sagen, dass das Verhalten Georgiens zu seinen sonstigen Verpflichtungen zur Normalisierung der Lage und Aufloesung von legitimen und rechtsmaessigen Befuerchtungen der Bevoelkerung Suedossetiens nicht beitragen wird. Es ist ein beunruhigender Trend: Tbilissi erfuellt die Vereinbarungen nicht, unter denen die Unterschrift der georgischen Vertreter steht. In diesem Zusammenhang ist zu erwaehnen, dass am 6.-9-Juli in Tbilissi Kontrollausschuss der Parlamentarischen Vollversammlung des Europarates mit dem Sprecher dieser Einrichtung Herrn M.Jorsch an der Spitze verweilte. Sie haben auch Adscharien besucht. Im Anschluss an seinen Besuch erklaerte der Missionschef bzw. Sprecher der Parlamentarischen Vollversammlung: Es sei der georgischen Fuehrung gelungen, bestimmten Fortschritt zu erreichen, vor allem im Bereich der Wahldurchfuehrung, des Gerichtssystems, der Bekaempfung der Korruption, trotzdem erfuelle die georgische Fuehrung nach wie vor Empfehlungen der Parlamentarischen Vollversammlung nicht, z.B. ueber die Ratifizierung von dem georgischen Parlament der Europaeischen Charta der oertlichen Selbstverwaltungen sowie ihre Empfehlungen ueber die Rueckkehr der Meschetiner Tuerken.
All dies ruft ernsthafte Besorgnisse hervor, und wir sind ueberzeugt, dass angesichts der unbestreitbaren Tatsachen Tbilissi alle notwendigen Massnahmen treffen muss, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, die im Rahmen des Voelkerrechts erreicht und von der internationale Gemeinschaft gutgeheissen wurden.
11.Juli 2004