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Interview des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, für TV-Sender RT, Agentur Sputnik und Internationale Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya, Moskau, 20. Juli 2022

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Frage: Sie sind gerade aus einer Reise zurückgekommen, jetzt fliegen sie wieder. Wir haben so eine „internationale Isolation“, dass Sie fast nie zu Hause sind.

Eine Frage von Followern. Wir – von Abgeordneten bis Beamten – führen mal Verhandlungen mit der Ukraine, mal führen wir sie nicht, mal sagen wir, dass es unmöglich ist, sie zu führen, mal wäre es besser, sie aufzunehmen. Hat es überhaupt einen Sinn oder ist es ein diplomatisches Dekorum?

Sergej Lawrow: In der jetzigen Situation hat es überhaupt keinen Sinn. Gestern schnitt Russlands Präsident während einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Verhandlungen mit den Anführern Irans und der Türkei dieses Thema an. Wladimir Putin erinnerte erneut daran, dass die ukrainische Führung zu Beginn der militärischen Sonderoperation um Verhandlungen bat. Wir lehnten das nicht ab. Wir kamen ehrlich zu diesem Prozess, doch bereits bei den ersten Runden in Belarus wurde gerade bei der ukrainischen Seite der fehlende Wunsch festgestellt, etwas ernsthaft zu besprechen. Dann übergaben wir ihnen unsere Einschätzung der Situation, wobei betont wurde, dass wenn Kiew ernsthaft arbeiten will, möge es etwas auf Papier für unser Verständnis geben, über welche Vereinbarungen sie sprechen wollen. Die ukrainische Seite gab ein Dokument, das wir unterstützten (gestern führte der russische Staatschef diesen Fakt nochmals an) und bereit waren, auf Grundlage seiner Prinzipien einen Vertrag abzuschließen. Mit Stütze auf ihre Logik erstellten wir ein entsprechendes Dokument, das am 15. April bei der ukrainischen Seite auftauchte. Seit der Zeit ist von ihnen nichts zu hören, doch es ist was anderes zu hören – was der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, Boris Johnson (jetzt macht er das wohl nicht mehr), EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, „Chefdiplomat“ Josep Borrell sagten: Die Ukraine muss „auf dem Kampffeld gewinnen“ und soll nicht auf Verhandlungen eingehen, weil sie „schwache Positionen an der Front“ habe; zunächst  soll sie diese Lage ändern, über russischen Streitkräften, Donezker und Lugansker Volkswehr „dominieren“ beginnen, und erst dann „aus der Position der Stärke“ mit einem Gespräch beginnen. Ich denke, dass es “zum Besten der Armen” („heuchlerisch“) ist.

Frage:  „Zum Besten der Armen“ – weil die Ukraine es nicht schaffen wird?

Sergej Lawrow: Sie wird es nicht schaffen. Sie können nie irgendwelche „Dinge“ formulieren, die ernsthafte Aufmerksamkeit der Menschen verdienen. Wir haben das verstanden. Es ist kein Geheimnis, dass Kiew von jeden konstruktiven Schritten ferngehalten wird, nicht einfach mit Waffen aufgepumpt, sondern gezwungen wird, die bekommenen Waffen immer riskanter zu nutzen. Ausländische Instrukteure und Experten sitzen dort, bedienen dieses Systeme (HIMARS u.a.).

US-amerikanische, britische (angelsächsische) „Kollegen“ sollen mit einer aktiven Unterstützung der Deutschen, Polen, Balten diesen Krieg zu einem wahren Krieg machen, Russland mit europäischen Ländern kollidieren lassen. Für Washington und London, die weit weg über dem Ozean und Meeresstraßen liegen, ist es vorteilhaft. Es leidet vor allem die europäische Wirtschaft. Es tauchten statistischen Angaben auf, laut denen 40 Prozent des Schadens wegen Sanktionen von der EU getragen werden, auf die USA entfällt weniger als ein Prozent, wenn man einen gemeinsamen negativen Einfluss der Restriktionen nimmt.

Es bestehen keine Zweifel, dass es den Ukrainern nicht ermöglicht wird, Verhandlungen zu führen, solange die Amerikaner nicht beschließen, dass sie genug angetan und für Chaos gesorgt hatten. Dann kann man die Ukraine sich selbst überlassen und sehen, wie sie es regeln wird.

Frage: Halten Sie diesen Plan für möglich? Ein „großer“ Krieg, Zusammenstoß zwischen Russland und europäischen Ländern? Das bedeutet doch de facto einen Atomkrieg.

Sergej Lawrow: Die Amerikaner denken nicht daran. In die Administration kamen ambitionierte Kerle, die neue Gipfel in ihrer Karriere erreichen wollen. Ich weiß nicht, wie sie in dieser Administration versuchen werden, solche Ziele zu erreichen. Sie gehen verantwortungslos vor, entwickeln Pläne, Schemas, die ernsthafte Risiken nach sich ziehen können. Wir sagen das öffentlich. Wir hätten auch ihnen sagen können, doch die Amerikaner wollen mit uns nicht sprechen, und wir werden nicht nach ihnen laufen. Der vorherige Dialog war nicht nutzlos, weil wir einander in die Augen blickten und eigene Herangehensweisen darlegten. Nach Beginn der militärischen Sonderoperation haben die USA ihn abgebrochen. Ich denke, dass Washington bislang nicht begriffen hat, dass sie gefährliche Spiele spielen, doch in Europa beginnen viele, das zu verstehen.

Frage: Ist es aus unserer Sicht möglich: Zusammenstoß Russlands und der USA, ein Atomkrieg?

Sergej Lawrow: Wir waren Initiatoren einiger Erklärungen (russisch-amerikanische Erklärung, Erklärung von fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats) darüber, dass es in einem Atomkrieg keine Sieger geben kann und er nie entfacht werden darf. Das ist unsere Position. Wir werden daran festhalten.

Dabei haben wir eine gebilligte Doktrin, die eindeutig erklärt, in welchen Fällen Russland gezwungen sein wird, Atomwaffe einzusetzen. Unsere Partner, Kollegen, Rivalen, „Feinde“ (ich weiß nicht mehr, wie sie sich gegenüber uns nennen) wissen das gut.

Frage: Wir halten Wladimir Selenski für einen legitimen Vertreter der Ukraine. Warum? Wir sagen berechtigterweise, dass die ganze Entwicklung in diesem Lande das Ergebnis eines Staatsstreichs, gewaltsamen Machtwechsels ist. Das ereignete sich nicht unter Wladimir Selenski, aber er wurde auch Präsident als Ergebnis der damaligen Ereignisse. Warum haben wir das von Anfang an anerkannt?

Sergej Lawrow: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, indem er sich nach eigenen ethischen Gründen richtete, legte die Aufnahme eines Telefongesprächs mit dem Präsidenten Russlands vom Februar offen. Dort gibt es eine eindeutige Phrase von Wladimir Putin. Der französische Anführer sagte ihm, man sollte sich nicht zu sehr mit der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen befassen. Er sagte, dass Donezk und Lugansk illegitim seien, und man sollte im Kontext der angebotenen Deutungen arbeiten, damit sich Russland und Ukraine einigen, und Wladimir Selenski wolle das angeblich. Wladimir Putin sagte, dass Wladimir Selenski eine Erzeugung des Staatsstreichs ist, und das damals aufgestellte Regime nicht verschwunden ist.

Erinnern Sie sich daran, wie sich die Situation nach dem Staatsstreich entwickelte? Putschisten “pfiffen ins Gesicht” Deutschlands, Frankreichs und Polens, die eine Vereinbarung mit Viktor Janukowitsch garantierten. Am Morgen wurde sie mit Füßen getreten. Diese europäischen Länder sagten gar nichts – sie fanden sich damit ab. Vor einigen Jahren habe ich Deutsche und Franzosen gefragt, wie sie den Staatsstreich einschätzen. Was war es, als sie von Putschisten nicht forderten, zur Erfüllung der Vereinbarungen zurückzukehren? Sie sagten – „die Kosten des demokratischen Prozesses“. Das ist kein Scherz. Es ist unglaublich – das sind erwachsene Menschen, die Außenministerämter bekleiden.

Die Krim-Bewohner und der Osten der Ukraine weigerten sich, die Ergebnisse des Staatsstreichs anzuerkennen. Auf der Krim führte das zu einem Referendum über die Wiedervereinigung mit Russland, im Donezbecken – zum Verzicht, mit den neuen, illegitimen Behörden, die einen Krieg begannen, zu kommunizieren. Dann kandidierte Pjotr Poroschenko für das Präsidentenamt. Die Wahlen fanden Ende Mai 2014 statt. Frankreichs Präsident Francois Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere europäische Staats- und Regierungschefs sagten dem Präsidenten Russlands, er soll nicht im Voraus über die Nichtanerkennung der Ergebnisse der ukrainischen Wahlen sagen.  Wladimir Putin antwortete: Da Pjotr Poroschenko zu den Wahlen mit den Mottos des Friedens, Versprechen, den Krieg zu stoppen und die Rechte aller Ukrainer, darunter Donbass-Bewohner wiederherzustellen, geht, werden wir nicht gegen die Legitimität des Prozesses Einwände erheben.

Bald stellte sich heraus, dass Pjotr Poroschenko an seine Wahlversprechen blitzschnell vergaß, die Wähler betrug, ihnen und westlichen Sponsoren log, eine weitere Welle des Kriegs entfachte, die dann mit viel Mühe im Februar 2015 gestoppt wurde. Dann wurden die Minsker Vereinbarungen unterzeichnet. Vor kurzem gab er zu, dass er es nicht vorhatte, sie zu erfüllen, und nur aus dem Grund unterzeichnete, dass man wirtschaftlich und militärisch „zu Kräften kommen“ sollte, um dann „eigene Gebiete zurückzugewinnen“, darunter die Krim. Dazu hat er die Abkommen abgeschlossen.

Frage: Haben wir das nicht verstanden?

Sergej Lawrow: In meiner Wahrnehmung hoffte ich jedoch, dass es dort irgendwelches Gewissen noch gibt. Pjotr Poroschenko sagte über sein wahres Verhalten zu den Minsker Vereinbarungen. Er hatte nicht vor, das Dokument, das vom UN-Sicherheitsrat gebilligt wurde, zu erfüllen. Damit bestätigte Pjotr Poroschenko erneut, bereits öffentlich, dass er illegitimer Präsident war, der sich nicht auf völkerrechtliche Grundlagen stützt.

Wladimir Selenski kam an die Macht ebenfalls mit den Mottos über den Frieden. Er sicherte zu, dass er in die Ukraine Ruhe zurückbringen wird, dass alle Staatsbürger des Landes, die Russisch sprechen wollen, das machen können und niemand sie diskriminieren darf. Sehen Sie, was er jetzt sagt.

Im „Diener des Volkes“ spielte Wladimir Selenski einen Demokraten, der zu allen freundlich gestimmt ist. Ein Lehrer ging aus dem Volk hervor und besiegte die ganze Oligarchie, verrechnete mit IWF. Bürger wurden frei. Er ließ das korrumpierte Parlament und die Regierung auflösen. Es gibt Videos, die man nicht verheimlichen kann, wie Wladimir Selenski die Rechte der russischen Sprache, der russischen Kultur verteidigte…

Frage: Er ist Schauspieler, Herr Lawrow!

Sergej Lawrow: Ja, ein Schauspieler nach dem Stanislawski-System: Er ändert sich schnell. Nun wurde er vor kurzem gefragt, wie er sich zu den Menschen, die im Donezbecken wohnen, verhält. Wladimir Selenski sagte, dass es Menschen und „Einzelwesen“ gibt. Er sagte auch, dass wenn sich jemand als Russe empfinde, soll er „für die Zukunft seiner Kinder und Enkelkinder“ nach Russland ausreisen. Genau so sprach auch Dmitri Jarosch am ersten Tag nach dem Staatsstreich im Februar 2014: „Der Russe wird nie auf Ukrainisch denken, wird nicht auf Ukrainisch sprechen, ukrainische Helden ehren, die Russen sollen aus der Krim abhauen“.

Bei der an die Macht durch Staatsstreich gekommene Elite bildete sich ein nationaler genetischer Code. Arseni Jazenjuk nannte in einer „Periode“ zwischen Dmitri Jarosch, Pjotr Poroschenko und Wladimir Selenski die Einwohner des Donezbeckens „Unmenschen“.

Frage: Erinnern Sie sich daran, wie Pjotr Poroschenko sagte, dass ukrainische Kinder in die Schule gehen, und russische Kinder „in den Kellern sitzen“ werden? Er sagte das dem Volk, das er für eigenes Volk hielt.

Sergej Lawrow: Jetzt sagen sie, dass sie ihre Gebiete befreien werden…

Frage: Schon ohne Menschen?

Sergej Lawrow: Ich weiß nicht, wie Kiew mit diesen Menschen kommunizieren will. Sie werden doch einen Aufstand organisieren.

Frage: Welche Menschen? Man will sie doch mit HIMARS umbringen. Sie sagten über eine Hoffnung auf das Gewissen, aber man kann Andere mit eigener Elle nicht messen. Wenn Sie Gewissen haben, bedeutet es gar nicht, dass unsere „Partner“ es haben.

Bevor Sie gekommen sind, haben wir mit Maria Sacharowa jene, die Sie jetzt „ernsthafte Menschen“ nannten, besprochen. Natürlich machten wir uns über sie lustig, denn anders ist es nicht möglich. Zum Beispiel der letzte Kommentar der Sprecherin des Weißen Hauses Karine Jean-Pierre, die Nachfolgerin unserer „jahrelangen Lieblingsperson“ Jen Psaki ist. Sie wurde gefragt, womit sich seit zwei Tagen Präsident Joe Biden befasste. Sie sagte, dass er „über das amerikanische Volk nachdachte“. Wozu sage ich das? Alle westlichen Anführer brechen jetzt zusammen. Viele von ihnen zeigen Merkmale einer „beschränkten Adäquatheit“ und manchmal sogar „beschränkter Zurechenbarkeit“. Jetzt werden sie abgelöst werden. Haben wir Gründe zu denken, dass jene, die sie ablösen, Merkmale etwas weniger „beschränkter Adäquatheit“ zeigen werden?

Sergej Lawrow: Man kann anders sagen. Das jetzige politische Establishment, das im Westen aufgewachsen ist, gehört zur Klasse der „adäquaten Beschränktheit“: Aus eigener Sicht sind sie adäquat, doch im Sinne der politischen Erfahrung, Sichtweite sind sie beschränkte Elite.

Frage: Warum ist es so?

Sergej Lawrow: Ich weiß nicht, doch das wird von vielen bemerkt. Vor kurzem sprach darüber Henry Kissinger, als er sich an Gerhard Schröder, Jacques Chirac erinnerte. Nicht so grob, aber er gab im Ganzen zu verstehen, dass der Unterschied gravierend ist. Es gibt so ein „durchschnittliches“ Verhalten zu politischen Prozessen. Man soll Menschen wählen, die verständlich sind und in eine einfache banale Stelle schlagen werden. Es wurde „grüne Wende“ erfunden – alle werden bald ersticken, sterben, Delphine, Fische werden verschwinden, Menschen werden alleine in der Wüste bleiben. Da haben sie diese „grüne Wende“ bekommen. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte ausführlich, wie das in der westlichen Politik aufgebaut wurde, und wie das zu einer großen Niederlage führte, weil nichts kalkuliert wurde.

Ich weiß nicht, womit die Inadäquatheit verbunden ist. Vielleicht ist das Fehlen von auffallenden Leadern für jemanden bequem.

Frage: Für wen?

Sergej Lawrow: Für die Bürokraten der EU-Kommission – es sind 60.000 Personen. Das ist nicht wenig. Sie wurden ein „Ding an sich“. Nicht zufällig stellen mal Polen, mal Ungarn, mal noch jemand eine Frage: Wozu soll man diesen Menschen zuhören, darunter in den Bereichen, die nicht ihr Zuständigkeitsbereich sind. Das stimmt wirklich.

Frage: Es ist so zu sagen ein amerikanischer „deep state“ schon in Europa, oder?

Sergej Lawrow: Es ist so. Eigentlich, nicht ganz ein „deep state“, sondern Elite, europäische Kommission.

Frage: Shallow state?

Sergej Lawrow: Ja, auch hier schwingt das Pendel – von der Seite, die mit einer schnellen Integration assoziiert wurde, in eine andere Seite. Die von Brüssel aufgedrängten Forderungen, die sich nicht immer auf irgendwelche gesetzgebenden Vereinbarungen stützen, ärgern und hindern die Länder daran, eigenes inneres, nationales Leben gemäß Traditionen und eigener Religion aufzubauen. Heute appellieren sie an Budapest mit Propaganda nichttraditioneller Werte. Die Ungarn, wie auch wir und viele andere, wollen das nicht. Die EU-Kommission macht ihnen Hinweise, fordert die Änderung ihrer Position, sonst werden die bereits abgestimmten Finanzmittel nicht bereitgestellt. Ich denke, dass es traurig für die Europäische Union ist.

Frage: Aber erfreulich für uns?

Sergej Lawrow: Ich denke nicht, dass es erfreulich für uns ist. Ich denke, dass wir eine gleichgültige Position einnehmen sollen. Wir können uns nicht darüber freuen, dass Menschen in Europa frieren und schlecht wohnen werden.

Frage: Frieren – nicht. Vielleicht werden die Europäer das „Aufdrängen“, über das Sie sprechen, satt haben? Und in den Ländern werden national ausgerichtete Politiker, die über ihre Staatsbürger denken, und also nicht mit Russland streiten wollen, kommen? Es ist für kein Volk vorteilhaft, mit unserem Land zu streiten.

Sergej Lawrow: Das stimmt. Solcher Prozess der Genesung ist richtig. Menschen befreien sich von Illusionen, dass Brüssel für sie alles regeln wird, dass jeden Tag alles gleich sein wird – billige Energie, Lebensmittel, alles gut. Es ist wohl im Interesse von Europa selbst und seiner Völker, das zu machen, aber ich weiß nicht, wie diese Prozesse laufen werden.

Wir werden uns nicht freuen, aber uns auch keine besonderen Sorgen machen. Ich denke, dass wir eine distanzierte Position einnehmen sollen. Wenn sie solche Geschichte für sich machten, unter solchen Bedingungen leben, sich von natürlichen, gewinnbringenden Verbindungen, die sich im Laufe von vielen Jahrzehnten im Bereich Energie, Logistik, Verkehrskommunikationen bildeten, befreien wollen, das ist ihre Wahl. “Liebe kann man nicht erzwingen”. Dieser Prozess, wenn sie ihn abschließen (wenn sie das überhaupt machen können, denn mit dem Erhalt der Gewinne ist es nicht möglich), wird für die weitere Entwicklung der Wirtschaft Europas teuer sein. Mögen sie uns dann nicht bitten, zurück zu irgendwelchen Vereinbarungen zu kommen. Sie bewiesen ihre Unzuverlässigkeit. Wir können nicht langfristige strategische Investitionen in die Entwicklung unseres Landes und seiner Außenverbindungen mit solchen „Partnern“ planen. Wir werden andere, verständliche Partner haben. Es gab sie auch immer: im Osten, im Süden, auf anderen Kontinenten. Nun, wenn der Anteil des Westens an unseren außenwirtschaftlichen Verbindungen stark gesunken ist, wird der Anteil anderer unserer Partner dementsprechend zunehmen.

Zu den Tendenzen in Europa. Es gibt auch vollständige Verantwortungslosigkeit darüber, was die Erklärungen für die Völker ihrer Länder über die Gründe der jetzigen Krise betrifft. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagt über das Fehlen der geringsten Zweifel daran, dass Russland die Gaslieferungen über Nord Stream aus politischen, und nicht aus technischen Gründen beschränken will. Er hat keine Zweifel! Als ob die Fakten, über die wir mehrmals berichteten, und auch Russlands Präsident Wladimir Putin sprach darüber, es nicht zeigen, wie Europa die Möglichkeiten für Nord Stream 1 systematisch und kontinuierlich reduzierte, wie es Nord Stream 2 hängen ließ, wie nachträglich Beschränkungen für die Nutzung von Nord Stream eingeführt wurden, als bereits Investitionen gemacht wurden und die Regeln der Kapitalanlagen auf dieser Etappe nicht geändert werden können. Dennoch beharrte die EU-Kommission darauf, und das wurde gemacht. Statt einer hundertprozentigen Füllung des Rohrs, beschränkten sie den Umfang um 50 Prozent.

Uns wird jetzt auch zur Last gelegt, dass wir Hunger als Waffe nutzen. Das sagte Ursula von der Leyen.

Frage: Hunger und Kälte. Erinnern sie sich daran, wir hatten einst „General Kälte“? Nun sind es „General Weizen“ und „General Heizung“.

Sergej Lawrow: Die US-Finanzministerin Janet Yellen machte vor kurzem eine pathetische Erklärung, dass die USA es weder Russland, noch China oder noch jemandem ermöglichen werden, internationale Wirtschaftsregeln zu ändern, die angeblich von der ganzen Welt gebilligt wurden. Sie sagte, dass man Russland nicht zulassen werde, die Prozesse der Wirtschaftsintegration als Waffe zu nutzen. Meines Erachtens ist es sogar stärker als andere Dinge, die wir heute hören, das erinnert an eine Agonie – sie wissen nicht mehr, wie man eigene Niederlagen erklären soll.

Frage: Sie erwähnten die grüne Wende, und wie einige Länder Osteuropas unter Druck gesetzt werden, für die auch wie für uns die LBGT-Agenda nicht nahe ist. Für Sie, als einen erfahrenen Mann, der seit Jahrzehnten viele Prozesse beobachtete, kann es vielleicht klarer und verständlicher sein, als für uns, einfache Menschen. Diese Agenda – grüne Wende, LGBT, MeToo, BLM, Canceln von Ballett in der größten englischen Tanzschule, das Verbot für Mathematik als Prüfung, weil die Minderheiten dieses Fach in einigen anderen Schulen nicht erlernen können, das Verbot, Brustmilch als Brustmilch zu bezeichnen, Mutter als Mutter zu bezeichnen. Menschen sitzen da und überlegen, können aber keine Antworten auf die Fragen finden – wozu ist das, worin besteht die Idee, für wen ist das vorteilhaft? Wie denken Sie, was steht dahinten?

Sergej Lawrow: Mit der für uns zugänglichen Analyse können wir nicht in ihren Körper ziehen und verstehen, wozu das alles notwendig ist. Man kann das nicht begreifen. Wenn ein Mensch irgendwelche Neigungen kann, warum kann er damit nicht gelassen werden? Möge er das Interesse daran haben. Wozu soll das alles zu einer Fahne der Bewegung machen?

Frage: Wozu kommt die neue Sprecherin des Präsidenten auf die Tribüne und sagt, dass sie Lesbe und schwarz ist?

Sergej Lawrow: Für mich ist es auch interessant, wie und woher der westliche politische Gedanke evolutioniert. Einige fortgeschrittene aus der Sicht der Nichtakzeptanz des Imperialismus und Kolonialismus Philosophen denken, dass die Goldene Milliarde oder jene, die sie anleiten und politische Fragen lösen, die Bevölkerung der Erde reduzieren wollen, weil das Ganze nicht für alle ausreichen wird. Das Ganze ist wenig und alle sind viel. Wie Michail Schwanezki scherzte, „es muss weniger von uns geben“. So was war es auch in der Sowjetunion. Damals fehlten uns Lebensmittel und Waren. Jetzt ist eine der Erklärungen, die ich in irgendwelchen westlichen Quellen las, gerade so. Das ist schrecklich.

Frage: Es ist nicht sehr logisch, denn die Goldene Milliarde damit die Goldene Milliarde kürzt, und sich Afrika hingegen mehrt. In Nigeria, das jetzt mit uns befreundet sein will, gibt es sieben Menschen pro eine Frau.

Sergej Lawrow: Nein. Alle diesen Gewohnheiten werden da ständig ausgestrahlt.

Frage: Bis sie da gelangen… Sehen Sie die ganze Hollywood-Elite an. Jedes zweite Kind ist bereits Transgender, oder noch so etwas, nichtbinär, also sie werden keine Enkelkinder mehr haben. Sie haben mit sich selbst begonnen. Das stimmt.

Sergej Lawrow: Vielleicht ist es auch ein Teil des Plans – weniger teilen. Ich sagte sofort, dass ich das nicht klar und vernünftig erklären kann. Ich habe wohl Ihnen eine der Verschwörungstheorien dargelegt.

Frage: Vor Beginn der Sonderoperation und jetzt meint man, dass der Westen ohne uns nicht auskommen wird. In vielerlei Hinsicht ist es tatsächlich so. Wir sehen das an einer teilweisen Aufhebung von Sanktionen. Es ist nicht klar: War das in dieser Woche angenommene Paket ein Komplex neuer Restriktionen oder Aufhebung der alten Restriktionen? Uns was, wenn sie jedoch auskommen werden? Welche Aussicht sehen Sie? Kann der Westen vollständig auf unsere Energieträger in Zukunft verzichten? Nicht in diesem Winter, im nächsten oder übernächstem? Nord Stream 2 nicht starten? Auf Ressourcen von Nord Stream 1 verzichten? Gibt es solche Wahrscheinlichkeit? Wie schätzen Sie sie ein?

Sergej Lawrow: Was ist ein weiteres angekündigtes Paket der Beschränkungen: Sanktionen oder Ausnahmen von Sanktionen – beides, weil der Westen bereits alle möglichen Bereiche ausschöpfte, in denen er bereit war, uns Schaden zuzufügen. Gerade jetzt müssen sie dort schon überlegen, was sie antaten und wie das sich auf sie auswirkt. Nun machten die Westler, wie ich verstehe, Präzisierungen, die es ermöglichen werden, den Export russischer Lebensmittel zu bedienen. Im Laufe von vielen Monaten wurde uns gesagt – Russland sei schuldig an der Lebensmittelkrise, weil Lebensmittel und Düngemittel nicht von Sanktionen betroffen sind, deswegen soll unser Land nicht ausweichen und muss handeln – denn niemand hindert daran. Wir erklärten lange, dass die Lebensmittel und Düngemittel zwar nicht von Sanktionen betroffen sind, wurden aber Fracht, Versicherung, Einfahrt unserer Schiffe, die diese Waren befördern, in ausländische Häfen zur Abholung der Frachten sofort in das erste bzw. zweite Sanktionspaket des Westens aufgenommen. Uns wird einfach offen gelogen, indem gesagt wird, dass es keine Wahrheit ist und alles nur von uns abhängt. Das ist nicht sauber.

Leider versuchen sie (die Westler) bis heute in ihre Spiele den UN-Generalsekretär Antonio Guterres einzubeziehen, der sich um die Lebensmittelkrise Sorgen machte und nach Russland kam. Auf dem Treffen mit dem Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, trat er mit einem Paketdeal auf. Es gibt russisches Getreide, das von künstlichen, illegitimen Beschränkungen befreit werden soll, und es gibt ukrainisches Getreide, das „entmint“ werden soll. Antonio Guterres schlug vor, dass er von Europa und den USA die Aufhebung aller Hindernisse auf dem Wege des Exports des russischen Getreides erreichen wird, und Russland würde mit ihnen, Türken, Ukrainern beim Entminen der Schwarzmeerhäfen zur Ausfuhr von Getreide dort kooperieren. Wir antworteten, dass die Schwarzmeerhäfen im Prinzip auch ohne uns entschärft werden können, aber wenn es solchen Wunsch gibt, können wir darauf eingehen. Generalsekretär warb für dieses Paket.

In der vergangenen Woche kamen unsere Kollegen nach Istanbul, um dieses Schema zu vereinbaren. Es wurden Basisprinzipien vereinbart, laut denen das ukrainische Getreide ausgeführt wird, doch als die russische Delegation an den zweiten Teil des Paketdeals erinnerte, weigerten sich die Ukrainer kategorisch, und die UN-Delegation schwieg einfach beschämend.

Gestern wurde ein Signal an den Generalsekretär gesendet, dass es seine Initiative war. Als Antwort schlug Antonio Guterres vor, zunächst die Frage mit dem ukrainischen Getreide zu lösen, und dann mit dem russischen. Das ist unfair. Die Menschen, die sich mit Großpolitik befassen, sollen sich so nicht verhalten. Dieser Fakt bedeutet nur eines – der Generalsekretär wird unter riesengroßen Druck gesetzt, vor allem durch die Amerikaner, Briten, die im UN-Sekretariat um Antonio Guterres auf den Posten der Stellvertreter dominieren und diese „privatisierte“ Struktur in eigenen Interessen nutzen. Das ist traurig.

Frage: Wie kann dieser Druck technisch ausgeübt werden? Um das einfachen Menschen zu erklären – wenn du so nicht machst, werden wir dich … hinter Gitter stecken? Was werden wir machen?

Sergej Lawrow: Ich denke nicht, dass irgendwelche persönliche Methoden der Erpressung angewendet werden. Wenn eine Abstimmung in der UN-Generalversammlung läuft, kommt man auf die Botschafter und sagt, dass zur Abstimmung eine Resolution gegen Russland eingereicht wurde, wobei dabei zum Beispiel an ein Konto über Manhattan und Tochter an Stanford erinnert wird. Ungefähr so.

Frage: Es ist ungefähr gleich.

Sergej Lawrow: Kann sein. Hier geht man natürlich nicht so frech vor. Die Mitarbeiter des UN-Sekretariats (die überwiegende Mehrheit stammt aus westlichen Ländern, weil die Zahl der delegierten Sekretariat-Mitarbeiter vom Beitrag jedes Staates abhängt) gehen in den meisten Fällen nicht ganz neutral vor, wie es die UN-Charta und die Verordnung über das Sekretariat der Organisation erfordert. So ist das Leben. Ich stelle das fest. So war es immer.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage denke ich, dass sich die Westler jetzt bemühen, ihre Fehler auf keinen Fall zu zeigen. Die regierenden Parteien werden mit allen möglichen Mitteln machen – sie haben keinen anderen Weg, doch es gibt noch Opposition. In Österreich sind bereits Stimmen zu hören (FPÖ, die in Brüssel nicht sehr beliebt ist). In anderen Ländern steht die Opposition auf, die fragt, wozu sie das machen, warum man nicht sehen und sich einigen kann. Viele bekommen Fragen.

In den Schwellenländern gibt es keine solche Wahrnehmung, dass Russland eine rote Linie überschritten hat. Dort erinnert man sich daran, was die Amerikaner im Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien, Jugoslawien 1999 machten. Keine Warnungen, dass US-Interessen beeinträchtigt werden können, keine Aufrufe zu etwas…

Frage: Keine acht Jahre Versuche, eine Einigung zu erreichen…

Sergej Lawrow: 10.000 Kilometer von der eigenen Küste entfernt bombardierten die USA diese Länder, vernichteten sie. Europa wagte es nicht, zu reagieren, was schlecht ist.

Frage: Ohne Schutz der US-Bevölkerung, die in diesen Gebieten wohnt…

Sergej Lawrow: Ja. In diesem Fall ist die Situation ganz anders. Das ist eine reale Bedrohung, die nicht ausgedacht ist, um über den Ozean eigene imperialistische Fangen auszudehnen, eine Bedrohung an unseren Grenzen. Wir warnten seit vielen Jahren, dass man nicht aus der Ukraine Anti-Russland machen, dieses Land in die Nato implementieren, direkte Bedrohungen für unsere Sicherheit schaffen soll. Alle verstehen das sehr gut.

Zurück zu Europa: Ich denke nicht, dass es in europäischem Interesse ist, alle Verbindungen mit uns vollständig zu brechen und zu Flüssiggas zu wechseln, das die Amerikaner ihnen…

Frage: Aufdrängen wollen.

Sergej Lawrow: Ich wollte ein weniger schönes Wort sagen, doch „aufdrängen“ passt.

Es wird ihre Wahl sein. Renommierte Wissenschaftler schreiben, dass das ganze Wirtschaftsleben, der ganze Wohlstand der letzten Jahrzehnte Deutschlands vor allem mir den russischen Energieträgern zu zugänglichen, günstigen und prognostizierbaren Preisen verbunden war. Ja, Flüssiggas ist eine mehr flexible Ware. Nach dem „Ende“ des Rohres soll man Gas kaufen, und Flüssiggas kann umgeleitet werden. Doch das ist auch ein Nachteil. Als in Asien die Nachfrage stieg, lenkten die Amerikaner ihr Flüssiggas dorthin, weil es dort teurer ist. Das alles kann nicht nur mit höheren Preisen, doch auch mit dem Mangel an Lieferungen auf einer bestimmten Etappe verbunden sein. Doch wenn sie das machen werden, werden wir keine besonderen Probleme bekommen.

Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, dass im Zusammenhang davon, was sie mit Nord Stream 2 machen (wir sind immer bereit, sie einzuleiten, sie steht unter Druck), sind bereits in der jetzigen Situation 50 Prozent der Menge, die für diese Gaspipeline bestimmt ist, für unseren inländischen Verbrauch reserviert – sowohl für Heizung als auch für die Chemieindustrie und andere industrielle Zwecke.

Wir werden uns ohne ernsthafte Verluste umorientieren. Ich habe keine Zweifel daran. Wir haben Käufer, Nachfrage, letzten Endes auch Bedarf innerhalb des Landes – Gasifizierung und Entwicklung der Chemieindustrie.

Frage: Und Tausende Dörfer ohne Gas…

Sergej Lawrow: Ich sage gerade – Gasifizierung.

Deswegen wird es ihre Wahl sein. Ich möchte nochmals sagen – wir sollen jetzt nicht (Gott sei Dank versucht auch niemand das zu machen) irgendwelche Schemas entwickeln, die von der Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit und Wunsch ausgehen werden, zur Situation vor einem halben Jahr zurückzukehren, als man alle diesen Ketten wiederherstellen konnte. Ich denke, dass man mit ihnen Schluss machen soll und neue Ketten aufbauen, die zuverlässiger sein werden. Damit befassen wir uns jetzt. Darunter der Nord-Süd-Korridor aus Sankt-Petersburg in den Indischen Ozean, aus Indien nach Wladiwostok. Es gibt mehrere Projekte mit einem hohen Niveau der Umsetzung. Wenn Europa auf einer Etappe plötzlich sagen wird, dass sie zu hart waren und an der Wiederherstellung in den Wirtschafts- und Handelsbereichen interessiert sind, sollten sie nicht abgestoßen werden. Man soll sehen, inwieweit es für uns gewinnbringend ist, und erst dann reagieren.

Frage: Sie haben uns einmal betrogen und werden auch zweites Mal betrügen – so wird bei uns gesagt. Wir sagten über die Diversifizierung unsere Kooperationsrichtungen. Wir sprachen lange und viel über den Osten (China, Indien). Jetzt fliegen Sie nach Afrika, also in den Süden. Was werden Sie dort machen? Was erwarten Sie davon? Und was sollen wir davon erwarten?

Sergej Lawrow: Wir haben mit Afrika lange gute Beziehungen bereits seit der Zeit der Sowjetunion. Die Sowjetunion war Pionier, Leader der Bewegung, die im Ergebnis mit Entkolonisierung endete. Wir leisteten Unterstützung für den nationalen Befreiungskampf, dann – Wiederherstellung der unabhängigen Staaten, Aufstieg der Wirtschaft. Es wurden viele hunderte Unternehmen, die die Grundlage der Wirtschaft vieler afrikanischer Länder bilden, gebaut. In der UNO waren wir an der Spitze der Bewegung, dass die Entkolonisierung als ein unabdingbarer Teil des Völkerrechts und Lebens gestaltet wurde.

Dann gab es eine Periode, als die Sowjetunion zerfiel und die Russische Föderation entstand.  Es gab sehr akute Probleme. Nicht in Afrika, sondern viel näher. Vor allem innerhalb unseres Landes.

Wir bauen bereits seit vielen Jahren unsere Positionen wieder auf. Die Afrikaner antworten mit Gegenseitigkeit. Sie sind daran interessiert, dass wir zu ihnen kommen. Wir belehrten sie nicht, halfen ihnen immer, die Aufgaben zu lösen, die ihnen ermöglichen, in ihrem Land so wie sie wollen zu wohnen.

Frage: Sie denken gerade, dass wir sie belehrt haben, aber im guten Sinne des Wortes.

Sergej Lawrow: Nein. Wir halfen ihnen, die Aufgaben zu lösen, die sie selbst vor sich stellten. Darum geht es. Wir sagten ihnen nie – seid ihr nicht befreundet mit Amerika oder noch jemanden. Wir lesen bis heute keine Leviten, im Unterschied von Amerikanern, die bei Reisen in Afrika ständig sagen – „Kommunizieren sie nicht mit Chinesen, mit Russen. Sie richten sich immer nach eigenem Nutzen, auch wenn sie mit ihnen handeln“.

Wir haben jedes Jahr gegenseitige Besuche. Jede bzw. jede zwei Jahre besucht der Außenminister afrikanische Länder. Wir bemühen uns das so zu machen, um möglichst viele Länder innerhalb von zwei bzw. drei Jahren zu umfassen. In diesem Jahr werden es Ägypten, Äthiopien, Uganda und Republik Kongo sein. In allen diesen Ländern haben wir gute Traditionen und Wirtschaftsbasis.

Ägypten ist unser erster handelswirtschaftlicher Partner in Afrika. Der Umfang – fast fünf Mrd. Dollar. Es wird das erste AKW gebaut. Es wird die Bildung der russischen Industriezone an der Küste des Suezkanals abgeschlossen. Die Geschichte wird noch aussichtsreicher im Kontext der Beschlüsse, die von der Afrikanischen Union im vergangenen Jahr getroffen wurden, über die Schaffung der Afrikanischen Festlands-Freihandelszone sein. Jetzt werden konkrete Kriterien und Tarife, die den Inhalt dieser Zone bilden, abgestimmt (es wird einige Zeit in Anspruch nehmen). Für Russland als wachsenden Partner Afrikas wird es vorteilhaft und nützlich aus der Sicht des Ausbaus unserer Mengen im Handel und in Investitionen sein. Wir müssen jetzt mit unseren Kollegen die Vorbereitung auf den zweiten Russland-Afrika-Gipfel durcharbeiten. Der erste Gipfel war in Sotschi im Jahr 2019. Der zweite Gipfel wird für das nächste Jahr geplant.

Frage: Zum Beispiel in Odessa.

Sergej Lawrow: Nein, wohl nicht in Odessa. Wir werden das später sagen. Doch parallel zum Gipfel wird das Wirtschaftsforum stattfinden, es wird Rundtischdiskussionen über Handel, Energie, Cyberangelegenheiten, Landwirtschaft, Weltraum, Atomenergie geben.

Man soll unsere Mengen ausbauen. Afrika – das sind 1,4 Mrd. Menschen. Das ist vergleichbar mit China, Indien. Das ist ein sehr starker Teil der modernen Welt. Das ist wohl der aussichtsreichste Markt. Deswegen bauen weitsichtige Unternehmen, Staaten eine langfristige Strategie in Bezug auf Afrika. Das ist Kontinent der Zukunft. Wir haben ein sehr gutes politisches Fundament unserer Beziehungen und ein gutes Verständnis, ausgehend davon, dass bei uns studierten und studieren weiterhin Tausende Afrikaner, die Posten in ihren Regierungen bekleiden. Wir sollen dieses Kapital (menschliches, politisches) in die wirtschaftliche Form bringen.

Frage: Welche Beziehungen haben wir mit unseren „Ex“ (ich verstehe, dass  die Ex selten Freunde bleiben, aber das passiert doch manchmal)? Gibt es unter unseren Ex wahre Freunde, darunter Belarus? Was ist wirklich mit Kasachstan (wir sehen dort verschieden ausgerichtete Signale)? Gibt es kein Gefühl, dass wir an einigen Dingen ein wenig selbst schuld sind? Dass wir sie selbst verpasst, Europa, Amerika, sogar der Türkei übergeben haben. Wie denken Sie?

Sergej Lawrow: Es gab solche Periode. Die Sowjetunion existierte nicht mehr. Es wurden die Belowescher Vereinbarungen unterzeichnet. Natürlich wurden die Länder, die in die Belowescher Heide nicht eingeladen wurden, gekränkt. Hier gibt es keine Zweifel. Ich verstehe sie. Dann wurde versucht, diese Situation zu ändern (dieses Unbehagen zu beseitigen so zu sagen). Bis Ende 1991 wurde in Almaty ein Sondertreffen organisiert. Doch Nachgeschmack blieb. Am Wichtigsten war, dass es ein Ereignis war, auf das Ereignis folgten Prozesse.

In den ersten Jahren danach, als alle unabhängig, souverän wurden, widmete unsere Führung nicht viel Aufmerksamkeit dem Aspekt, dass eine Abkühlung in den Beziehungen zu unseren Nachbarn, engsten Verbündeten, Mitstreitern nicht zugelassen werden soll. Tausende, viele hunderte Jahre wohnte man zusammen. Ich erinnere mich daran. 1992 bis 1994 war ich stellvertretender Außenminister, bis ich zur Arbeit nach New York ging. Ich befasste mich mit internationalen Organisationen, doch auf einer Etappe bat mich Andrej Kosyrew, sich mit der GUS zu befassen. Ich machte das nicht lange. Die Situation war nicht sehr optimistisch (es ist klar, dass es nicht das Außenministerium war, das die Fragen darüber löste, wie man die Politik in diesem Raum aufbaut – das wurde in der Präsidialadministration beschlossen). Alle dachten damals – wohin werden sie verschwinden? Wir wohnten die ganze Zeit zusammen – eine Sprache, gleiche Universitären, gleicher Geschmack. Es hieß also – „wir leben ja so weiter“. Die Wirtschaft wurde natürlich in diesen langen Jahrzehnten und Jahrhunderten so verflochten, dass sie nicht getrennt werden konnte.

Doch der Westen saß nicht einfach so. Das stimmt. Und nicht nur der Westen. Wenn man sich Zentralasien ansieht, dort gibt es sehr viele „Zentralasien-Plus“-Formate. Plus USA, plus EU, plus Japan, plus China, plus Türkei, plus Indien. Und auch das „Plus-Russland-Format“. Denn obwohl wir die GUS, EAWU, SOZ, OVKS haben, gab es keine solche Struktur, wo alle fünf zentralasiatischen Länder und Russland zusammen sind. Jetzt gibt es solche Struktur.

Das ist nicht nur der Bereich der außenpolitischen Dienste, sondern auch unserer wirtschaftlichen Strukturen. Das ist ein wichtiger Prozess. Die Wasserwirtschaft, Energie – alles war einheitlich. Jetzt versuchen unsere westlichen „Partner“ gerade in diese Bereiche einzudringen. Die EU und USA bieten ihre Programme an, die bereits für sie, Außenakteure Prozesse im Bereich Wasserwirtschaft, Energie, die sich auf das sowjetische Erbe stützt, anpassen werden. So schlagen wir es unseren Partnern vor. Sie sind damit einverstanden, aber der Westen versucht umfassend, diesen natürlichen Prozess zu brechen und in unsere Angelegenheiten mit unseren „Ex“, wie Sie sagten, einzudringen. Andrej Wosnesenski sagte einst: „Kehren sie nicht zu den ehemaligen Geliebten zurück“. Damit beginnt das Gedicht. Doch es endet mit den Worten: „Sie können das sowieso nicht vermeiden“.

Frage: Die trendige Dichterin Vera Poloskowa hat solche Zeilen: „Sie ist mit allen ihren Ex so befreundet, als ob sie sie niemals verraten haben“.

Sie sowie das Außenministerium sagten, dass Sie vor Beginn der militärischen Sonderoperation davon nicht gewusst hatten. Zumindest, lange Zeit vor Beginn der Operation. Vielleicht ist es nicht so, aber so war der Eindruck. Kann ich Sie fragen, wie Sie darüber erfahren haben? Welche Gefühle hatten Sie? Ich erinnere mich gut daran, welche Gefühle ich mit Tigran Keossajan in der Nacht zu Hause, als wir darüber erfuhren, hatten. Es ist interessant, wie Ihr Gefühl war. Was denken Sie über die Menschen, die man jetzt „erschrockene Patrioten“ nennt, die ausreisten, die erschrocken sind, die sich „schämen“ u.a.?

Sergej Lawrow: In Bezug darauf, wann ich darüber erfahren habe, ist es nicht mein Geheimnis.

Frage: Das ist also kein Staatsgeheimnis?

Sergej Lawrow: Es ist kein Staatsgeheimnis, aber nicht mein Geheimnis. Ich würde dieses Thema mit Ihrer Erlaubnis nicht anschneiden.

Was meine Gefühle betrifft, als alles schon bekanntgegeben wurde – die Unvermeidlichkeit. Keine Freude. Es ist schwer, sich zu freuen, wenn Kampfhandlungen bevorstehen, wenn Staatsbürger deines Landes gehen, um die Gerechtigkeit zu verteidigen, und das Leben riskieren. Es ist das Gefühl der Unvermeidlichkeit und sogar das Gefühl der Erleichterung. Wir konnten seit vielen Jahren die Frage dieser Menschen, nicht nur aus Donezbecken, sondern auch vieler unserer Staatsbürger nicht beantworten: „Wie lange?“. Wie lange kann man es erlauben, den gesunden Verstand, das Volk, die Resolution des UN-Sicherheitsrats, all das, was damit verbunden war und was frech sabotiert wurde, bespotten.

Frage: Was denken Sie über jene, die sich schämen, der Russe zu sein?

Sergej Lawrow: Bei uns läuft jetzt eine große Diskussion über ausländische Agenten, inwieweit es richtig war, ein neues Gesetz auszuarbeiten, das von jemandem als erweiternd bezeichnet wird, und sich Frage stellt – richtig/falsch.

Ich sehe mir Talk-Shows an, darunter jene, wo Sie teilnehmen, wo Diskussionen laufen, die für jeden Menschen verständlich sind: „Sie reisten aus, was soll man mit ihnen weiter machen?“, „Wenn sie zurückkehren, wie soll man sich zu ihnen verhalten?“, „Sollen sie reingelassen werden?“. Ich habe keine eigene Position. Jeder Mensch ist der Herr seines Schicksals. Das stimmt natürlich. Doch jeder soll Gewissen haben. Und jeder Mensch lebt mit seinem Gewissen. Ich gehe davon aus.  Was ich nicht akzeptieren kann – das sind Publikationen (ich muss wegen des Amtes einige Ressourcen lesen, die bei uns als ausländische Agenten eingestuft sind) und sie beschreiben da mit so viel Vergnügen die unüberwindbaren (aus ihrer Sicht) Probleme, mit denen die Russische Föderation konfrontierte. Mit so viel…

Frage: Schadenfreude.

Sergej Lawrow: Ja, es wird Zusammenbruch vorhergesagt. Jemand schrieb, dass Russland Tod aus der Sicht der hohen Technologien droht, weil es weder Gehirne, noch organisatorische Strukturen habe. So was über das eigene Land schreiben!

Einige andere machen es auch. Wenn Roskosmos als Antwort auf die Sanktionen den Amerikanern sagte, dass wenn sie selbst nicht wollen, werden wir ihnen und Briten keine Triebwerke übergeben, weil sie Sanktionen gegen unsere Korporation einführten. Es heißt, dass sie mit Roskosmos nicht kontaktieren dürfen. Eine weitere Webseite eines ausländischen Agenten berichtete darüber, dass unsere Korporation alle denkbaren Verpflichtungen verletzte, ein unfairer Partner sei und jetzt niemand mit ihr kommunizieren werde. Wir sagen – „Doppelstandards“. Hier sind sie. Hier soll man sogar nicht nach irgendwelchen komplizierten Konstruktionen suchen.

Ich gehe davon aus, dass diese Menschen mit sich alleine bleiben und selbst verstehen sollen. Wie man sich zu ihnen verhalten soll – das ist eine andere Sache. Ob ihre ehemaligen Bekannten mit ihnen kommunizieren werden, inwieweit der Staat die Beziehungen zu ihnen wiederaufnehmen wird – das ist eine andere Frage. Am wichtigsten ist – sie mit ihrem Gewissen alleine zu lassen.

Frage: Ihr Glaube daran, dass jeder Mensch Gewissen hat, störte Sie bereits mit Pjotr Poroschenko und den Minsker Vereinbarungen. Vielleicht sollen Sie einfach nicht mehr daran glauben? Leider hat nicht jeder Mensch Gewissen.

Uns alle interessiert, wann „das“ zu Ende geht. Wir alle wollen, dass die militärische Sonderoperation schnellst möglich zu Ende geht. Damit Menschen nicht mehr ums Leben kommen – unsere Kämpfer, friedliche Einwohner, die von ihrer ehemaligen Ukraine jeden Tag beschossen werden, die sie bis heute de jure als ihre bezeichnet. Wann wird das enden? Wir wissen nicht. Ich werde Sie danach nicht fragen. Es ist offensichtlich, dass Sie mir keine Antwort geben können.

In Ihrer Vorstellung, wo soll das enden? Wir sprechen jetzt nicht darüber, dass Wladimir Putin uns ursprünglich die Ziele erklärte, und damit die künftigen Ergebnisse dieser Operation: Demilitarisierung, Entnazifizierung. Das ist klar. Und wo geografisch? Wo wäre es für uns vernünftig, richtig und gut?

Sergej Lawrow: In Bezug auf Vorhersagen habe ich mich an einen komischen Fakt erinnert. Der Außenminister der Ukraine Dmitri Kuleba sagte vor einigen Tagen, dass Wladimir Selenski eine Deadline für den EU-Beitritt festlegte, er werde sie aber nicht nennen, weil viele in der EU Angst bekommen können und ihren Beitritt zur EU bremsen werden.

Wir haben keine Deadlines. Was die militärische Sonderoperation und geografische Koordinaten betrifft, sagte der Präsident Wladimir Putin eindeutig (Sie haben ihn zitiert): Entnazifizierung, Demilitarisierung, im Sinne, dass es keine Bedrohungen für unsere Sicherheit, militärische Bedrohungen aus der Ukraine gibt. Diese Aufgabe bleibt bestehen. Als in Istanbul ein Treffen der Verhandlungsteilnehmer stattfand, waren dort die bestimmten geografischen Aspekte besprochen. Unsere Bereitschaft, den ukrainischen Vorschlag anzunehmen, stützte sich auf die Geografie vom Ende März 2022.

Frage: Also die Volksrepublik Donezk und Lugansk?

Sergej Lawrow: Ungefähr so. Jetzt ist die Geografie anders. Das sind bei weitem nicht nur die Volksrepubliken Donezk und Lugansk, das Gebiet Saporoschje und mehrere andere Gebiete. Dieser Prozess dauert an, kontinuierlich und beharrlich. Während der Westen mit kraftlosem Ärger, mit dem Wunsch, die Situation maximal zu verschlechtern, die Ukraine mit immer mehr weitreichenden Waffen aufpumpt. Die HIMARS-Systeme. Der Verteidigungsminister Alexej Resnikow prahlt damit, dass sie bereits 300-km-Geschosse bekamen. Es heißt, dass geografische Aufgaben von der jetzigen Linie noch weiter verschoben werden. Wir können nicht zulassen, dass in dem Teil der Ukraine, der von Wladimir Selenski oder jener, der ihn ablösen wird, kontrolliert wird, sich Waffen befinden, die eine direkte Bedrohung für unser Territorium und die Republiken, die ihre Unabhängigkeit und den Wunsch erklärten, ihre Zukunft selbstständig zu bestimmen, darstellen.

Frage: Wie funktioniert es technisch? Das ist unser Territorium. Das ist das Territorium der Republiken, die uns beitreten werden. Es ist ja offensichtlich, dass sie uns bereits beigetreten sind. Cherson, das Gebiet Saporschje. Sie, Diplomaten, können so nicht sagen. Ich bin Journalistin. Ich nenne Dinge bei ihren Namen. Weiter sind die Gebiete, die von Wladimir Selenski kontrolliert werden. Sie berühren sich doch. Also es soll zwischen ihnen irgendeine Pufferzone, diese 300 km, geben, oder man soll überhaupt bis an Ljwow gehen.

Sergej Lawrow: Es gibt eine Lösung dieses Problems. Die Militärs kennen diese Lösung.

Frage: Es ist aber ein Geheimnis, oder? Wie denken Sie, gibt es eine Chance, dass wir weggehen werden, ohne es abzuschließen? Das befürchten sehr unsere Follower, Zuschauer.

Sergej Lawrow: Ich sehe keine Gründe, um das, was Präsident Wladimir Putin am 24. Februar dieses Jahres sagte und was er nochmals vor einigen Tagen bestätigte, zu bezweifeln – Alle Ziele bleiben bestehen. Und sie werden erfüllt werden.

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