Gemeinsamer Artikel des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, und des Außenministers der Republik Kuba, Bruno Rodriguez Parrilla, anlässlich des 60. Jahrestags der Wiederaufnahme der russisch-kubanischen diplomatischen Beziehungen, der in der „Rossijskaja Gaseta“ und in der kubanischen Zeitung „Granma“ am 8. Mai veröffentlicht wurde
Die russisch-kubanischen Verbindungen haben eine lange Geschichte der brüderlichen Beziehungen. Die Entwicklung der Kontakte zwischen unseren Völkern geht bereits auf das 18. Jh. zurück, als der russische Arzt Fjodor Karschawin, 1782 in die Hauptstadt Kubas eintraf, wo er zwei Jahre wohnte, und in vielerlei Hinsicht die Überzeugungen übernahm, die die Kubaner anschließend zum Kampf für die Unabhängigkeit vom spanischen Metropol bewegten.
In seinen Notizen für die russische Presse drückte Karschawin neben Begeisterung vom Reichtum der Natur und Attraktivität der kubanischen Kultur die Nichtakzeptanz des grausamen Umgangs mit Sklaven aus. Während des Unabhängigkeitskriegs, nachdem sich der Befreiungsarmee drei russische Freiwillige anschlossen, floss russisches und kubanisches Blut erstmals zusammen im Namen der Freiheit.
Offizielle Kontakte zwischen Russland und der Republik Kuba begannen 1902. Damals wurde die Grundlage der bilateralen Beziehungen zwischen zwei Ländern gelegt.
Im 20. Jh., für das geopolitische Erschütterungen kennzeichnend sind, war ein Entwicklungsweg der gemeinsamen russisch-kubanischen Geschichte skizziert. In allen Zeiten herrschten gegenseitige Sympathien unserer Völker, ihr Streben nach Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, Wunsch, einen souveränen Weg der Entwicklung zu gehen. Uns vereinigen gemeinsame grundlegende Werte und Verständnis der Geschichte.
In diesem Monat, wenn wir den 75. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg feiern, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass die sowjetisch-kubanischen Beziehungen ursprünglich im Oktober 1942 unter Einfluss einer starken antifaschistischen Bewegung auf der Insel aufgenommen wurden, wo mehr als 100 Ausschüsse der Unterstützung der Sowjetunion funktionierten. Unter unsterblichen Helden, die ihr Leben zur Rettung unserer Zivilisation von Faschismus opferten, ehren wir die Kubaner, die weit von ihrer Heimat an den Fronten des Zweiten Weltkriegs kämpften. Dazu gehört der Kämpfer der Roten Armee Aldo Vivó Laurent, der am Brückenkopf „Newski Pjatatschok“ ums Leben kam, und sein Bruder Jorge Vivó Laurent, der in einer Partisaneneinheit bei Leningrad kämpfte, sowie Enrique Vilar Figueredo, der in den Kämpfen zur Befreiung Polens fiel.
Im Jahr 1952, in einer durch den Kalten Krieg geprägten internationalen Lage, beschloss der Diktator Fulgencio Batista wegen seiner politischen Abhängigkeit von den USA, die Beziehungen zur Sowjetunion zu brechen, indem man wider dem Willen des kubanischen Volkes und ungeachtet der Geschichte der Freundschaftsbeziehungen zwischen unseren Ländern in zahlreichen Bereichen vorging.
Da können solche herausragende Ereignisse wie die berühmte Wettkampf von Alexander Aljochin und Jose Raul Capablanca, die um den Schachmeistertitel 1927 kämpften, sowie die Kulturbeziehungen, deren Symbol die Reisen der wahren Botschafter der Kunst, legendären Balletttänzerinnen Anna Pawlowa und Maja Plissezkaja wurden, sowie die Auftritte von Alberto Alonso auf der Bühne des Bolschoi-Theaters erwähnt werden.
Mit dem Sieg der Kubanischen Revolution 1959 wurde die Grundlage der brüderlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern gelegt. Der Oberbefehlshaber Fidel Castro Ruz hob die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen aus der Taufe, die am 8. Mai 1960 als Zeichen der aufrichtigen Freundschaft zwischen unseren Völkern, gegenseitigen Respektes der souveränen Interessen und Gemeinsamkeit der Ansichten zur Sozial- und Wirtschaftsentwicklung stattfand.
Diese Verbindungen festigten sich kontinuierlich und erreichten das Niveau der strategischen Partnerschaft, die wir mithilfe eines aktiven politischen Dialogs auf der höchsten Ebene und Gemeinsamkeit der Positionen zu den wichtigsten Fragen der internationalen Tagesordnung zusammenschlossen.
Die gegenwärtige Geschichte unserer Länder wurde von Persönlichkeiten des globalen Ausmaßes geschrieben. Der Anführer der kubanischen Revolution Fidel Castro Ruz kam erstmals nach Russland im Rahmen seiner historischen Reise durch die Republiken der Sowjetunion 1963. Diesem Ereignis gingen die Reisen in den Jahren 1960 und 1962 des damaligen Ministers der Revolutionskräfte, Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas, Raul Castro Ruz, voraus. Diese Besuche blieben im Gedächtnis der Einwohner der beiden Länder und eröffneten Türe für intensive Austausche auf allen Ebenen in den nachfolgenden Jahren.
Die Gründer der Gesellschaft der Freundschaft Kubas und der Sowjetunion – der erste sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin und Comandante Ernesto “Che” Guevara spielten eine wichtige Rolle bei der Festigung der Verbindungen zwischen zwei Völkern.
Russland und Kuba sind mit den Ergebnissen der regelmäßigen Kontakte auf der höchsten Ebene befriedigt. Ihr neustes Beispiel ist der Besuch des kubanischen Präsidenten Miguel Diaz-Canel Bermudez 2019 nach Moskau, der ein brüderliches Treffen mit seinem russischen Kollegen, Wladimir Putin, und anderen angesehenen Vertretern des politischen und handelswirtschaftlichen Bereichs abhielt. Zudem sollte der Besuch des damaligen Ministerpräsidenten der Russischen Föderation, Dmitri Medwedew, im Oktober 2019 in Havanna erwähnt werden.
Darüber hinaus werden die regelmäßigen Kontakte zwischen den Parlamenten fortgeführt. In diesem Sinne nimmt der jüngste Besuch der Vorsitzenden des Föderationsrats, Walentina Matwijenko, die die russische Delegation beim Feiern des 500. Jahrestags Havannas, in Kuba einen besonderen Platz ein.
Unsere Staaten bemühen sich um die Umsetzung der bilateralen Tagesordnung, vor allem durch die Kooperation im Rahmen der Regierungskommission für bilaterale Handels- und Wirtschaftskooperation und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit. Es wird eine intensive Arbeit an der Förderung von gemeinsamen Projekten auf solchen Gebieten wie Energiewirtschaft, Hüttenindustrie, Verkehrswesen, Informations- bzw. Telekommunikationswesen, Weltraumforschung, Klimaschutz, Biotechnologien, Gesundheitswesen, Pharmazie geführt, die unter anderem zur effizienten Teilnahme Russlands an der Umsetzung des Plans zur sozialwirtschaftlichen Entwicklung Kubas bis 2030 beitragen. Diese Verbindungen entwickeln sich auf einer beiderseitig nützlichen Basis und sind auf die Verbesserung der Lebensqualität unserer Bürger ausgerichtet.
Neben diesen bilateralen Projekten werden auch die kulturellen bzw. humanitären Verbindungen sowie die Kontakte zwischen den Völkern unserer Länder intensiv erweitert. Als krasses Beispiel dafür dient der Abschluss des Wiederaufbaus der Kuppel des Nationalen Kapitols in Havanna zum 500-jährigen Jubiläum der kubanischen Hauptstadt. Russland und Kuba setzen auch diverse Projekte um, beispielsweise die Anwendung der Arznei Eberprot-P bei der Behandlung des diabetischen Fußgeschwürs, wobei vor allem die Aktivitäten des Russisch-kubanischen medizinischen Zentrums in Nischni Nowgorod erwähnenswert ist, wie auch die gemeinsame Arbeit in anderen Regionen, insbesondere in St. Petersburg, Tula und Tscheljabinsk.
In den letzten Jahren interessieren sich immer mehr Russen für die Schönheiten Kubas, so dass die Zahl russischer Touristen auf der Insel 100 000 im Jahr übertroffen hat.
Die Regierungen unserer Länder halten auch die politischen Beratungen zwischen den Außenministerien für sehr nützlich, bei denen die Seiten die Meinungen über akute Themen der internationalen Tagesordnung austauschen. Wir plädieren gemeinsam für die Einhaltung der in der UN-Charta verankerten Völkerrechtsnormen, wie auch für den Respekt für Souveränität und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten von Staaten. Wir arbeiten im Schulterschluss am Aufbau eines gerechteren und demokratischeren Systems der internationalen Beziehungen, das allen Staaten gleiche Möglichkeiten für nachhaltige Entwicklung bieten würde.
Die von den Präsidenten Putin und Díaz-Canel im Rahmen des Moskau-Besuchs des kubanischen Spitzenpolitikers im Jahr 2018 unterzeichnete Gemeinsame Erklärung über gemeinsame Vorgehensweisen in den internationalen Angelegenheiten dient als Beweis für unsere Treue der Gestaltung einer multilateralen und multipolaren Weltordnung, die die Diversität von politischen, sozialwirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungsmodellen widerspiegeln, Frieden und Sicherheit in der Welt, die globale und regionale Stabilität, die souveräne Gleichheit von Staaten, die Gerechtigkeit und den Respekt für die Menschenrechte und -freiheiten garantieren würde.
Unsere Länder lehnen jegliche Versuche vehement ab, die Geschichte umzuschreiben, Völker zu spalten, „Bunte Revolutionen“ aufzuzwingen und „ungünstige“ Regierungen zu entmachten. Wir verurteilen es, wenn fremde Ideologien aufgedrängt werden, wenn die Wahrheit im Interesse der Einmischung in innere Angelegenheiten entstellt wird.
Das russische Volk ist immer solidarisch mit der Insel der Freiheit im Kampf um die unverzügliche und bedingungslose Abschaffung der seit mehr als 60 Jahren dauernden Blockade Kubas seitens der USA. Wir halten einseitige Sanktionen, jegliche Ansprüche auf eigene „Auserwähltheit“ und globale Herrschaft, wie auch die Vernachlässigung der Völkerrechtsprinzipien für unzulässig.
Die Tatsache, dass in der 74. Tagung der UN-Vollversammlung die Resolution „Notwendigkeit der Einstellung der Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade Kubas seitens der USA“ verabschiedet wurde, hat abermals bestätigt, dass die ganze Weltgemeinschaft diese kriminelle und unfaire Politik praktisch einstimmig ablehnt.
Die Regierung und das Volk Kubas verurteilen ihrerseits die aggressive Politik Washingtons gegenüber Russland, unterstützen seine Aufrufe zum Dialog als Mittel für Überwindung von Kontroversen und lehnen Zerstörungsmaßnahmen ab, deren Ziele den Interessen des russischen Volkes widersprechen.
In der neuen internationalen Situation, die durch die SARS-COV-2/Covid-19-Pandemie ausgelöst wurde, zeigen sich Russland und Kuba überzeugt, dass die aktuelle Situation Kooperation und Solidarität verlangt und dass die internationalen Bemühungen im Interesse der Entwicklung bzw. des Austauschs mit Forschungsergebnissen, mit Erfahrungen verschiedener Länder bei der Vorbeugung der Corona-Infektion, beim Schutz der am meisten anfälligen Bevölkerungskategorien und bei der sozialen Versorgung die Dauer der Pandemie kürzen und die Sterblichkeit beeinträchtigen könnten. Die Regierungen beider Länder sind auch davon fest überzeugt, dass die UNO und die Weltgesundheitsorganisation die Führungsrolle in dieser Frage spielen sollten.
Russland und Kuba gucken mit Optimismus in die Zukunft ihrer Beziehungen und setzen die Arbeit daran fort, ihre Souveränität und ihr Recht zu verteidigen, ihre Sicherheit zu gewährleisten und ihr eigenes Schicksal selbst zu bestimmen. Dafür haben wir alle Mittel, Ressourcen und die Überzeugung, dass der von uns gewählte Weg richtig ist.