Interview des Botschafters Russlands im Iran, Lewan Dschagarjan, mit der Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya am 26. Januar 2015
Frage: Sind in diesem Jahr gegenseitige Besuche zwischen Russland und dem Iran auf höchster Ebene geplant? Sind unter anderem Besuche des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, in Teheran und des Präsidenten der Islamischen Republik Iran, Hassan Rouhani, in Russland geplant?
Antwort: Die Beziehungen zwischen Russland und dem Iran sind heute auf einem hohen Niveau wie nie zuvor. Eine Bestätigung dafür sind die Ergebnisse des vergangenen Jahres, das sich durch eine bedeutende Intensivierung der bilateralen Kontakte in allen Richtungen kennzeichnete. Es gab mehrere Besuche auf der Ebene der Parlamente, Sicherheitsräte, Außenministerien. Wir erwarten, dass diese Tendenz auch in diesem Jahr fortgesetzt wird.
Ich möchte betonen, dass sich Wladimir Putin und Hassan Rouhani 2014 dreimal am Rande verschiedener internationaler Veranstaltungen getroffen haben.
Das letzte Treffen fand im September des Vorjahres in Astrachan beim Gipfel der Kaspi-Anrainer statt. Darüber hinaus sprechen die Präsidenten regelmäßig telefonisch miteinander.
Was den Besuch Wladimir Putins in Teheran betrifft, gab der Präsident eine umfassende Antwort bei der Pressekonferenz am 18. Dezember.
Frage: Welche Ergebnisse brachten die Verhandlungen des Verteidigungsministers Russlands, Sergej Schoigu, am 20. Januar in Teheran? Welche Vereinbarungen haben die Seiten bei diesem Besuch erreicht?
Antwort: Der Verteidigungsminister der Russischen Föderation weilte vom 19. bis zum 20. Januar 2015 in der Islamischen Republik Iran zu einem offiziellen Besuch, bei dem Verhandlungen mit dem iranischen Verteidigungsminister durchgeführt wurden. Es wurde die militärpolitische Lage in Zentralasien, im Nahen und Mittleren Osten unter Berücksichtigung der Bedrohungen erörtert, die von den Terrororganisationen ausgehen, die in der letzten Zeit intensiver vorgehen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Situation in Syrien, im Irak und Afghanistan gelegt.
Es wurden nahe beieinander liegende Positionen bei den meisten Problemen der globalen und regionalen Sicherheit festgestellt, was günstige Bedingungen für die Erweiterung des Zusammenwirkens bei der Regelung von Krisensituationen schafft. Die iranische Seite äußerte Interesse am Mitwirken Russlands bei der Festigung der Kooperation im Rahmen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Laut der militärpolitischen Führung Irans sollen die regionalen Länder vollumfänglich die Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten, in Zentralasien und Transkaukasien übernehmen. Die Einmischung der USA und ihrer Verbündeten in diesen Prozess unter dem Vorwand des Antiterrorkampfes führt in der Tat zur Entstehung neuer Herde der Instabilität.
Es wurden Wege zur Entwicklung der Militärkooperation besprochen. Die iranische Seite äußerte ihr Interesse an der Umsetzung der Vorschläge der Führung des Verteidigungsministeriums Russlands zur Durchführung gemeinsamer Übungen, der Teilnahme Irans an internationalen Wettbewerben verschiedener Gattungen der Streitkräfte, der Stärkung des Zusammenwirkens bei der Gewährleistung der Sicherheit im Kaspischen Meer, die Intensivierung des gegenseitigen Besuche von Delegationen.
Nach den Verhandlungen wurde ein Abkommen zwischen der Regierung der Russischen Föderation und der Regierung der Islamischen Republik Iran über Militärkooperation unterzeichnet.
Der Verteidigungsminister Irans wurde zu einer weiteren Moskauer Konferenz für Internationale Sicherheit eingeladen. Er äußerte sein Interesse an der Teilnahme an dieser Veranstaltung.
Somit waren die Verhandlungen der Verteidigungsminister Russlands und Irans konstruktiv gewesen. Sie förderten die Schaffung von Bedingungen zur Erweiterung der bilateralen militärischen und militärtechnischen Kooperation.
Frage: Zuvor tauchten in den Medien Informationen darüber auf, dass der Iran mit den USA die Auslieferung der Nuklearstoffe nach Russland vereinbart hat. Können Sie Stellung zu diesen Berichten nehmen?
Antwort: Ich möchte betonen, dass die iranische Seite am darauf folgenden Tag diese Informationen offiziell dementiert und sie als politisch motiviert bezeichnet hat, die die Atmosphäre bei den Verhandlungen zum iranischen Atomproblem verschlechtern hätte sollen. Zudem haben die Vertreter der iranischen Führung mehrmals betont, dass Teheran seine Nuklearvorräte nicht an dritte Länder weitergeben will. Wir können zur Mitteilung der iranischen Seite nichts hinzufügen.
Frage: Russland und der Iran unterzeichneten im November mehrere Dokumente, die die Zusammenarbeit der Seiten bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie erweitern und den Bau von acht AKW-Blöcken nach russischen Entwürfen ermöglichen. Wie verläuft die Arbeit in dieser Richtung?
Antwort: Im November des vergangenen Jahres wurden in Moskau das Regierungsprotokoll und der Vertrag unterzeichnet, in denen die notwendigen rechtlichen und organisatorischen Bedingungen festgeschrieben wurden, damit unsere beauftragten Organisationen die Arbeiten zum Bau der zweiten Reihe des AKW Busher aufnehmen können. Gemäß den Bestimmungen dieses Protokolls haben wir die beauftragten Organisationen bestimmt.
Zur Erfüllung des Vertrags für ingenieurtechnische Untersuchungen und das Sammeln der Ausgangsdaten für die Plattform des AKW Busher-2 begannen unsere Spezialisten im Januar 2015 die Arbeiten auf einer Plattform für die neuen Blöcke.
Im August soll die Etappe der ingenieurtechnischen Untersuchungen beendet werden, wonach die Ausgangsdaten für den Start der Projektplanungen erhalten werden.
Die russische Seite ist am Beginn von umfangreichen Arbeiten zur Umsetzung des Hauptvertrags für Busher-2 im Herbst dieses Jahres interessiert. Wir gehen davon aus, dass dies den Interessen der beiden Seiten entspricht.
Frage: Welche Kooperationsrichtungen würde Russland bei der Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen den Iran in erster Linie entwickeln? Werden bereits irgendwelche Varianten angesichts der Tatsache ausgearbeitet, dass das Abkommen der Sechsergruppe und des Irans beim Nuklearprogramm in die Endphase gedrungen ist?
Antwort: Wir haben nie die Kooperation mit dem Iran in den wichtigsten Richtungen des außenwirtschaftlichen Zusammenwirkens gestoppt (dazu gehört auch die Kooperation in den Bereichen Energie, Industrie, Verkehr, High-Tech und Landwirtschaft), auch in der Zukunft werden sie Priorität haben. Das zeigen konkrete Vereinbarungen, die bei der in Teheran am 8. und 9. September 2014 stattgefundenen 11. Sitzung der Ständigen Russisch-iranischen Kommission für handelswirtschaftliche Kooperation geschlossen wurden.
Zudem besuchte der Wirtschaftsminister Russlands, Alexej Uljukajew, den Iran am 29. und 30. November 2014. Die Seiten besprachen die Möglichkeiten zur Erweiterung des gegenseitigen Handels im Ganzen sowie die Aufnahme der Zusammenarbeit in der Eurasischen Wirtschaftsunion, es wurde ein Memorandum zum Zusammenwirken bei der Förderung der handelswirtschaftlichen Beziehungen unterzeichnet.
Aus meiner Sicht ist die Dynamik der Entwicklung unserer Beziehungen positiv, es ist eine positive Stimmung zu erkennen. Zugleich haben die einseitigen Sanktionen der USA und der EU gegen die Finanz-, Öl- und Gasbereiche der iranischen Wirtschaft den Handelsumsatz zwischen Russland und dem Iran wegen der Verschlechterung der Bedingungen der gegenseitigen Abrechnungen negativ beeinflusst. Bei der Aufhebung der Sanktionen erwarten wir die Rückkehr zu den Kennzahlen, die mit den früheren vergleichbar bzw. höher sind.
Ich möchte noch auf einen wichtigen Aspekt eingehen – die Erweiterung der zwischenregionalen Kooperation. Im April 2014 besuchte der Gouverneur des Gebiets Astrachan, Alexander Schilkin, die iranischen kaspischen Provinzen Gilan und Mazandaran. Im Mai besuchte eine Delegation des Gebiets Swerdlowsk Hamadan. Im Oktober wurde eine handelswirtschaftliche Mission der Geschäftskreise des Gebiets Omsk in Teheran umgesetzt. In diesem Bereich steckt ein großes Potential unseres bilateralen Zusammenwirkens.
Frage: Wie hat sich der Export von iranischen Produkten nach Russland im vergangenen Jahr geändert?
Antwort: Nach Angaben des Föderalen Zollamtes der Russischen Föderation ging der Export von iranischen Produkten nach Russland im vergangenen Jahr auf 319,2 Millionen US-Dollar zurück. In einer ähnlichen Periode 2013 exportierte der Iran Produkte im Gesamtwert von 382 Millionen US-Dollar nach Russland. Der Rückgang machte also 16,4 Prozent aus. Doch bei einzelnen Positionen ist ein bedeutender Anstieg zu erkennen. Die Lieferungen von pharmazeutischen Produkten stiegen um 83 Prozent, von Kunststoffen und deren Erzeugnisse um 23,6 Prozent, verschiedener Lebensmittel um 94 Prozent, Gemüse um 5,6 Prozent, Verarbeitungsprodukte von Gemüse, Obst und Nüsse um 5,8 Prozent.
Frage: Welche Exportrichtungen will der Iran in diesem Jahr entwickeln?
Antwort: Der Iran bezeichnet Russland als einen der wichtigsten Handelspartner und den russischen Markt als einen der aussichtsreichsten beim Verkauf eigener Waren und Dienstleistungen. Irans Regierung richtet großes Augenmerk auf die Entwicklung der handelswirtschaftlichen Beziehungen zu Russland. Im September 2014 wurde zur Förderung des Exports von iranischen Produkten nach Russland ein Stab unter der Schirmherrschaft des Landwirtschaftsministeriums der Islamischen Republik Iran, des Ministeriums für Industrie, Bergbau und Handel der Islamischen Republik Iran und der Handels- und Industriekammer Irans eingerichtet. Beim Zusammenwirken der Kontrollbehörden Russlands und des Irans wurden Schwierigkeiten beseitigt, die die Lieferungen von Lebensmitteln, darunter Fisch und Meeresprodukte, einschränkten. In der nächsten Zukunft können die Lieferungen von Milch- und Fleischprodukten aufgenommen werden. Die iranischen Delegationen sind zu ständigen Teilnehmern der größten russischen Messen geworden.