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Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf Medienfragen auf der Konferenz „Sicherheit der Christen, vor allem im Nahen Osten“, die am Rande der Sitzung des OSZE-Außenministerrats am 7. Dezember 2017 in Wien

2373-07-12-2017

 

Sehr geehrter Herr Moderator,

ich schließe mich den Begrüßungsworten an diejenigen an, die unsere Einladung angenommen haben. Besonders bedanke ich mich bei unseren Amtskollegen. Wir haben mit meinem ungarischen Kollegen Péter Szijjártó beschlossen, Ihre Aufmerksamkeit auf das große Problem zu richten, das mit der Verletzung der Rechte der Christen in den OSZE-Ländern und den angrenzenden Regionen verbunden ist.

Heutzutage ist für alle offensichtlich, dass die Christen in verschiedenen Erdteilen mit zahlreichen Problemen konfrontiert werden. Besonders katastrophal ist und bleibt ihre Situation im Nahen Osten, obwohl diese Region, wie Präsident Wladimir Putin vor kurzem bei einem Treffen mit den Delegationsleitern von autokephalen orthodoxen Kirchen, die „Wiege“ des Christentums ist.

Wegen der verantwortungslosen Politik einiger westlicher Länder, deren Ziel der Machtwechsel in dieser Region war, sind riesige Territorien im Nahen Osten zu einem chaotischen und instabilen Raum, zum Nest des Terrorismus und Extremismus, zur Quelle der illegalen Migration geworden. Gläubige und Geistliche werden dort von terroristischen Gruppierungen verfolgt und getötet; sie werden zu Opfern von diskriminierenden Gesetzen, müssen ihre Wohnorte verlassen. Oft werden christliche Heiligtümer völlig unbestraft geschändet und zerstört. Die Massenflucht der Christen zerstört die ethnische bzw. konfessionelle Bilanz, die in dieser Region seit Jahrhunderten bestand. Ich unterstütze voll und ganz das, was eben Péter Szijjártó gesagt hat: Man muss alles tun, damit die Christen in die Regionen zurückkehren, wo ihre Vorfahren seit vielen Jahrhunderten gelebt hatten. Präsident Wladimir Putin sagte bei dem von mir erwähnten Treffen, dass eine wichtige Rolle für die Förderung der Heimkehr der christlichen Bevölkerung die Arbeitsgruppe spielen könnte, die von der Russisch-Orthodoxen und der Römisch-Katholischen Kirche gebildet wurde. Diese Frage haben wir heute mit dem Erzbischof Paul Gallagher erörtert.

Unseres Erachtens sollte die OSZE eine prinzipielle Position zum Thema Diskriminierung der Christen im Nahen Osten einnehmen und ihre Rechte möglichst effizient verteidigen. Sehr wichtig ist der produktive Dialog der OSZE mit ihren Partnern im Mittelmeerraum: Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Marokko und Tunesien. Wie ich schon sagte, begrüßen wir den Plan Italiens zur Einführung des Postens des Sonderbeauftragten des OSZE-Vorsitzenden für Migration und die Angelegenheiten des Mittelmeerraums.

Natürlich sollte die friedliche Regelung von Krisen und Konflikten weiter gefördert werden, wonach die Heimkehr der Christen wirklich möglich wäre. aber leider gibt es immer noch sehr viele Konflikte in dieser Region. Man sollte diesen Ländern bei der Festigung bzw. beim Wiederaufbau ihrer Machtinstitutionen helfen, ihre sozialwirtschaftliche Rehabilitation fördern und gegen den Terrorismus intensiv kämpfen.  Das alles würde die Lage der Christen positiv beeinflussen und Bedingungen für ihre Heimkehr schaffen.

Offensichtlich sind Probleme auch in einer ganzen Reihe von EU-Staaten, wo sich im Grunde der Verzicht auf die christlichen Wurzeln  beobachten lässt. Die Verdrängung der Traditionen und Symbole des Christentums aus dem Gesellschaftsraum führt zur Zerstörung der europäischen kulturellen bzw. zivilisatorischen Identität. Beunruhigend sind die Zwischenfälle, bei denen christliche Werte unter dem Vorwand der „Meinungsfreiheit“ geschändet werden, wenn den Menschen die ultraliberale Vorstellung vom „Säkularismus“ aufgezwungen wird, wenn der Säkularismus aus dem Prinzip der Trennung der Kirche vom Staat in den Kampf gegen die Religion und fast in den kriegerischen Atheismus verwandelt wird.

Sehr bedrohend wird allmählich die Verfolgung der kanonischen orthodoxen Kirche in der Ukraine. Dort werden Kirchen von Extremisten geschändet und erobert, wobei die offiziellen Behörden versuchen, ihr „Recht“ auf die Einmischung in die Angelegenheiten der Kirche legislativ zu untermauern und die Aktivitäten der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats zu beschränken.

Ich muss sagen, dass auch Vertreter anderer traditioneller Konfessionen in Europa diskriminiert und verfolgt werden. Es ist unzulässig, den Islam und den Terrorismus einander gleichzusetzen sowie die Gefühle von gläubigen Menschen zu beleidigen – besonders wenn das öffentlich in den Medien getan wird. Beunruhigend sind auch die immer häufigeren Zwischenfälle, die mit dem Antisemitismus, mit der Heroisierung der Nazis und ihrer Mithelfer verbunden sind, die für den Holocaust verantwortlich waren.

Wir halten es für notwendig, die Instrumente von OSZE im Bereich Gewährleistung der religiösen Toleranz zu festigen. Auf dem Ministertreffen in Basel 2014 nahmen wir eine Erklärung zum Kampf gegen Semitismus an und beschlossen, indem das auf Papier geschrieben wurde, ähnliche Erklärungen zum Schutz der Christen und Muslime zu verabschieden. Leider wurde weder in Belgrad 2015, noch in Hamburg 2016 und hier in Wien ein Konsens wegen einer politisierten Position einiger Staaten erreicht, die in solchen Dokumenten, die wir hier vereinbarten, die fehlende politische Korrektheit sehen. Wir hoffen, dass der italienische Vorsitz der OSZE in der Zukunft diese Aufgabe lösen kann und wir damit unsere Verpflichtungen erfüllen können, die vor drei Jahren übernommen wurden.

Auf dieser Etappe schlagen wir den OSZE-Instituten vor, sich aktiver der Verteidigung der Rechte der Christen anzuschließen. Wir schlagen vor, im Programm der Organisation für das nächste Jahr einzelne Konferenz zu diesem Thema vorzusehen. Wir rechnen mit der Erhöhung des Profils persönlicher Vertreter des Vorsitzes zu verschiedenen Aspekten der Toleranz.

Wir sehen keine Widersprüche zwischen dem Schutz der Gläubigen und den Menschenrechten. Zugleich können wir nicht zustimmen, wenn unter einem Menschenrechtsvorwand versucht wird, die grundlegenden Normen von Moral und Sittlichkeit zu revidieren, Herangehensweisen aufzudrängen, die den Grundlagen des Christentums, anderer Religionen widersprechen. Solcher Kurs ist nicht nur für die Gesellschaft zerstörerisch, sondern auch antidemokratisch, weil er oft trotz des Willens der Mehrheit umgesetzt wird.

Im Rahmen des UN-Sicherheitsrats führen wir in den letzten drei Jahren zusammen mit unseren Kollegen aus Vatikan, dem Libanon, Armenien und Ungarn regelmäßig Veranstaltungen zum Schutz der Christen durch. Wir halten das für eine sehr wichtige Initiative unserer ungarischen Kollegen, zu dieser wichtigen Arbeit auch die OSZE anzuschließen, die Aufmerksamkeit aller Länder dieser gesamteuropäischer Organisation auf die Notwendigkeit zu lenken, etwas zu unternehmen und nicht nur zu jammern.

Ich bin mir sicher, dass die OSZE alle Möglichkeiten zur Förderung in ihrem Raum der traditionellen sittlichen Ideale, die für die wichtigsten Weltreligionen und Kulturen gemeinsam sind, Nichtzulassung der zwischenzivilisatorischen und zwischenkonfessionellen Brüche hat. Ich denke, dass diese Möglichkeiten nur aktiv und richtig genutzt werden sollen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Frage: Heute ist in Russland und in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion Verdrängungen der Gruppen der Christen „Zeugen Jehovas“ zu erkennen.

Beispielsweise in Aserbaidschan gibt es sogar Gewissensgefangenen, die wegen ihrer Religion festgenommen wurden. Diese Vertreter einer kleinen Gruppe der Christen werden sogar in Russland verfolgt.

Das Oberste Gericht der Russischen Föderation verbot diese Organisation. Wie meinen Sie, soll man über die Sicherheit der Christen im Nahen Osten und die Verfolgungen dieser Gruppe in Russland und in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion sprechen?

Sergej Lawrow: Was die „Zeugen Jehovas“ betrifft, ist in Russland die Tätigkeit der Organisationen verboten, die ihre Anhänger direkt aufrufen, die russischen Gesetze zu verletzen. Die Sekte befasste sich gerade damit. Sie wurden gewarnt, sie haben das nicht gehört und zogen ihre Anhänger in die verfassungswidrige Tätigkeit ein. Hier gibt es keine Fragen.

Bevor Vater Stephan antwortet, würde ich sagen, dass man in Bezug auf zwei Gesetze, die jetzt der Obersten Rada in der Ukraine vorgelegt wurden, nicht nur die Russisch-Orthodoxe Kirche ansehen muss, deren Interessen direkt diskriminiert werden. Alle OSZE-Mitglieder sollen jene zur Verantwortung aufrufen, die sich in das Kirchenleben grob einmischen wollen, um noch eine Kirche gegenüber anderen religiösen Gemeinden zu diskriminieren. Ich denke, dass Vater Stephan eine Ergänzung machen wird.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Was die Christen im Nahen Osten betrifft, wohnten sie dort bereits 1400 Jahre vor der Entstehung von Islam. Dann wohnten sie mehrere Jahrhunderte in einen und denselben Ländern mit Muslimen. Islam hat nichts gegen andere Religionen, ob es Christen, Juden oder Jesiden sind. Gerade deswegen sind wir so stolz auf die Präsenz der christlichen Minderheiten in unserer Region. Jetzt kämpfen Christen, Muslime, Juden und Jesiden gegen einen Feind in der Region – es handelt sich um Terroristen, Radikalen und Extremisten, die unsere gemeinsamen grundlegenden Werte beanspruchen. Die Vereinigung unserer Anstrengungen ist einer der Wege zur Lösung dieses Problems. In Syrien und im Irak konfrontierten Christen mit Gewalt, doch auch Muslime wurden nicht weniger betroffen, die in diesen Ländern wohnen.

Sergej Lawrow (übersetzt aus dem Englischen): Ich denke, dass wir bei der Lösung der Fragen verschiedener Religionen im Nahen Osten nicht daran vergessen sollen, was heute schon erwähnt wurde – die Spaltung im Islam. Vor 15 Jahren, als auf Initiative des Königs Abdullah II. die Erklärung von Amman verabschiedet wurde, spielte Jordanien eine sehr wichtige Rolle bei dieser Frage, wobei die Verpflichtung übernommen wurde, die Solidarität zwischen Muslimen unabhängig davon zu fördern, um welchen Zweig von Islam es sich handelt.

Ich denke, dass die Analyse der aktuellen Situation in der Region und die Wiederherstellung der Sicherheit eine langfristige Aufgabe ist. Doch wir alle wären glücklich, hätte der Zusammenschluss im Islam geholfen, die Situation in der Region zu verbessern.

 

 

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