Ansprache Außenministers Russlands Lawrow auf 18. Sitzung des Rates der Oberhäupter der Subjekte der Russischen Föderation im Außenministerium Russlands, Moskau, 13. Dezember 2011
Guten Tag, sehr geehrte Kollegen,
zunächst will ich darauf hinweisen, dass gemäß dem Rotationsprinzip jetzt unserem Rat neue Mitglieder angehören. Das sind A.Browko, S.Morosow, I.Fjodorov und A.Artamonow. Zum ständigen Mitglied des Rates ist der stellvertretende Leiter des Referates Außenpolitik des Präsidenten der Russischen Föderation F.Iljitschow geworden. Der hier anwesende W.Solozinskij wurde zum Sekretär ernannt.
Traditionsgemäß fangen mit einer kurzen Übersicht dessen an, wie die Empfehlungen der letzten Sitzung im Mai erfüllt wurden. Auf dieser Sitzung wurde die Frage nach der Einschaltung Sibiriens und des Fernen Ostens in die Integrationsprozesse im Asiatisch-Pazifischen Raum (ÀPR) erörtert.
Laut unseren Beschlüssen wurden im vergangenen Zeitraum Kontakte mit den Partner in diesen Regionen intensiviert. Das Zusammenwirken zwischen den russischen Subjekten und den Partnern in China, Indien, Japan, der Republik Korea, der Mongolei, vielen ASEAN-Staaten, anderen Staaten im APR weist positive Dynamik auf. Die Botschafter der Staaten, die zur Vereinigung gehören, haben zum ersten Mal zusammen Wladiwostok, Irkutsk, Jekaterinburg besucht. Die Teilnahme der Vertreter der APR-Länder an der internationalen Touristikmesse im Ural und am 7. internationalen Baikal-Wirtschaftsforum war sehr nützlich.
Es wurden mögliche Richtungen der Zusammenarbeit zur Entwicklung der Infrastruktur abgezeichnet. Das sind beispielsweise die Anwendung der Häfen im Fernen Osten und der Transsibirischen Eisenbahn zum Transport der Güter aus Öst- und Südostasien, der Austausch der High-Tech-Erzeugnisse, gegenseitige Investitionen in die IT-Entwicklung, in die Ausbildung des Personals und in die Entwicklung des Tourismus. Wir werden unsere Arbeit an der Einbeziehung Ostsibirien und Fernen Osten in die Tätigkeit des APEC-Forums angesichts des russischen Vorsitzes in dieser Struktur im nächsten Jahr fortsetzen.
Beim letzten Gipfel in Honolulu (USA) im November 2011 gehörten zur russischen Delegation der Gesandte des Präsidenten im Föderationskreis Ferner Osten, die Gouverneurs der Regionen Primorje und Chabarowsk. In diesem Jahr gab es positive Ergebnisse bei der Einschaltung der Regionen in die Arbeit der Regierungskommissionen Russlands mit Japan, China, Singapur und der KVDR. An der Arbeit dieser Kommissionen nahmen Vertreter der Region Chabarowsk, des Gebiets Sachalin, Tschuwaschiens, Stellvertreter des Gesandten des Präsidenten im Föderationskreis Ferner Osten teil.
Eine weitere Frage, die im Mai besprochen wurde betrifft die Einschaltung der russischen Regionen zu den Maßnahmen zur Unterstützung unserer ehemaligen Landsleute im Ausland. Es ist erfreulich, dass die Geografie der Föderationssubjekte, die heimkehrende Aussiedler im Rahmen des staatlichen Förderprogramms für die freiwillige Übersiedlung unserer ehemaligen Landsleute nach Russland bei sich aufnehmen, immer breiter wird. Heute nehmen an diesem Programm 37 Regionen teil. In den letzten Jahren wurden von diesem Programm 56 Tausend Landsleute umfasst. Im laufenden Jahr hat Russland 25 Tausend Einsiedler aufgenommen. Wir rechnen damit, dass die Zahl der Regionen, die am Programm teilnehmen, wachsen wird.
Im Oktober Fand die Weltkonferenz der Aussiedler aus Russland statt, die dem Status der russischen Sprache in den Aufenthaltsländern gewidmet wurde. Bald wird die Arbeit an der Gründung des Fonds für die Förderung und den Schutz der Rechte der Aussiedler aus Russland abgeschlossen. 2012 soll er mit der Arbeit beginnen. Die Regierung der Russischen Föderation hat den neuen Plan für die Arbeit mit den Aussiedlern aus Russland für 2012-2014 genehmigt. Dieser Plan sieht die Bereitstellung von mehr als 1 Mrd. Rubel als Hilfe für die Erhaltung des russischen ethnokulturellen Raums im Ausland, als humanitäre Hilfe und für die Unterstützung der Jugend vor.
Wir werden heute die Problematik der Zusammenarbeit Russlands mit den EU-Ländern bezogen auf die regionale Dimension behandeln. Der Vize-Minister für regionale Entwicklung M.Trawnikow wird einen Vortag halten. Es werden auch S.Morosow und A.Browko auftreten.
Zu Beginn der Diskussion will ich darauf hinweisen, dass Russland und die Europäische Union strategische Partner sind, und das ist in unseren gemeinsamen Dokumenten verankert. Am 14. und 15. Dezember des laufenden Jahres wird in Brüssel der nächste Gipfel Russland-EU für die Förderung unseres Zusammenwirkens stattfinden.
Wir empfinden die Schwierigkeiten nach, mit denen die Länder der Eurozone zusammengestoßen sind. Wir hoffen, dass die erreichten, wenn auch kompromisshafte, aber doch auf den Ausgang aus der Krise ausgerichteten Beschlüsse realisiert werden. Wir hoffen, dass diese Schwierigkeiten unseren europäischen Partnern helfen werden, Stereotype zu überwinden und auf die Möglichkeiten zu erblicken, die außerhalb des Markts der Europäischen Union vorhanden sind, dabei meine ich auch das Potential der Russischen Föderation bzw. ihrer Regionen. Nach dem Beitritt Russlands zur WTO werden solche Möglichkeiten bestimmt noch breiter.
Wir verstehen, dass es viele Fragen geben wird in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaftszweige, die für allen Nutzen bringen wird. Wir werden vor allem unsere Interessen wahrzunehmen, dabei aber auch die Möglichkeiten nicht versäumen, die gemeinsame Projekte mit der Europäischen Union bieten. Wir werden danach streben, im neuen Grundabkommen über strategische Partnerschaft zwischen Russland und EU das gleichberechtigte gerechte Herangehen festzulegen, dessen Text noch Gegenstand der Verhandlungen bleibt. Neben diesem Dokument steht auf der Agenda des Dialogs zwischen Russland und der Europäischen Union das aussichtsreiche Thema Partnerschaft für Modernisierung. Die Visafreiheit bleibt unsere Hauptpriorität.
Neben diesen Hauptrichtungen der Zusammenarbeit sind wir auch an der Entwicklung der Partnerschaft mit der EU auf den Gebieten interessiert, an denen Subjekte der Russischen Föderation unmittelbar beteiligt sind. Das ist eine der Säulen für unsere Austausche mit der Europäischen Union.
Es ist zu betonen, dass russische Regionen nicht nur an den Beziehungen im handelsökonomischen Bereich, sondern auch auf solchen Gebieten, wie Tourismus, Sport, Kultur, Kontakte der wissenschaftlichen und Studentengemeinschaften und der Partnerstädte aktiv beteiligt sind. In diesen Bereichen wirken unsere Ministerien mit den Subjekten der Russischen Föderation eng zusammen. Russische Botschaften und Konsulate sind immer auf die Erweisung der Hilfe für russische Regionen zur Entwicklung dieses Zusammenwirkens ausgerichtet.
Einen besonderen Platz in diesen Fragen nimmt die grenznahe Zusammenarbeit ein. Nach dem Inkrafttreten des Abkommens über die Realisierung im Zeitraum 2009-2013 der fünf Programme, an denen Regionen Russlands, Finnlands, Schwedens, Norwegens, Lettlands, Estlands, Litauens und Polens teilnehmen, wurde sie auf ein qualitativ neues Niveau erhoben. Der Gesamthaushalt dieses Großprojekts Russlands und der EU beträgt 437 Mio. Euro, von denen 103 Mio. Euro russischer Beitrag ist. Wir sind an der möglichst effizienten Umsetzung dieser Programme interessiert, denn sie sind auf die Förderung des Wohlstands der Bewohner der jeweiligen russischen Regionen unmittelbar ausgerichtet.
Dank der geographischen Nähe unterhalten nordwestliche russische Regionen zu unseren europäischen Nachbarn besonders aktive Beziehungen. Zu den Führern gehört das Gebiet Kaliningrad. Morgen werden wir einen wichtigen Schritt zur Förderung der Kontakte der Bewohner dieser Region mit den EU-Staaten tun. Am 14. Dezember dieses Jahres beginnt der Besuch des polnischen Außenministers Radoslaw Sikorski in der Russischen Föderation, in dessen Verlauf wir das Abkommen über gegenseitige visafreie Reisen der Bewohner des Gebiets Kaliningrad und der angrenzenden Gebiete Polens, u.a. Danzigs, Sopots u.a. unterzeichnen werden.
Ich hoffe, dass es zu einem Pilotprojekt, zu einem Prüfstein wird, um die Möglichkeit der erleichterten Visaformalitäten zwischen Russland und dem Schengener Raum praktisch zu prüfen.
Die Bedeutung der Entwicklung der regionalen Zusammenarbeit im Nordwesten wächst angesichts der aktiven Förderung des Plans der Bildung von vereinigten Energiemärkten der Baltischen Region durch die Europäische Union. Es handelt sich um ein EU-Projekt, das unserer Ansicht nach, Interessen des Gebiets Kaliningrad nicht ganz berücksichtigt. Nach einigen Prognosen wird durch die Realisierung dieses Plans die Sicherheit der Arbeit der Energiesysteme des Pskower, Nowgoroder, Leningrader, Sankt Petersburger und Kaliningrader Gebiete verringert. Deshalb wurde im Gebiet Kaliningrad das Projekt des Baltischen Atomkraftwerks gestartet, wodurch in der Region eine Art baltischer Energiering geschaffen werden soll, um negativen Einfluss der Pläne der Europäischen Union auf russische Regionen nicht zuzulassen.
Es ist zu betonen, dass unsere Föderationssubjekte an der Tätigkeit der europäischen Regionen aktiv teilnehmen, und das ist eine interessante und aussichtsreiche Form des interregionalen Zusammenwirkens. Russische Subjekte sind heute in sieben europäischen Regionen vertreten. Neulich wurde beschlossen, dass auf der Tagung des Kongresses der regionalen Behörden des Europarates im März des nächsten Jahres eine Präsentation der europäischen Region Jaroslawl mit den Gebieten Kursk und Sumy stattfinden wird. Das ist die erste russisch-ukrainische Veranstaltung solcher Art im Rahmen des Zusammenwirkens mit der Europäischen Union. Wir sind überzeugt, dass die regionale Komponente unserer Partnerschaft immer mehr benötigt sein wird.
Wir wollen natürlich, dass die Zusammenarbeit zwischen Russland und der Europäischen Union auf den Prinzipien der Achtung von Interessen der Seiten und der subregionalen Organisationen beruht, die unter Russlands Mitwirkung in unserem gemeinsamen geopolitischen und wirtschaftlichen Raum arbeiten. Wenn also die Europäische Union eigene Strategien entwickelt – die Baltische, Arktische, oder auch die Schwarzmeerstrategie – werden wir darauf bestehen, dass dabei die Prärogative der schon seit langem bestehenden Strukturen beachtet werden. Ich meine den Rat der Ostseestaaten, den Euro-Arktischen Barentsrat, den Arktischen Rat und die Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation. Diese Organisationen verfügen über ihr eigenes Wert und haben eigene Programme. Wenn sie auch den Willen äußern, mit den Außenakteuren zusammenzuarbeiten, sollen sie dabei doch nicht zu den Auftragnehmern der Strategien der Europäischen Union werden.
Wir bitten bei der Entwicklung der Programme diesen Faktor bei der Ausarbeitung der gemeinsamen Pläne der Föderationssubjekte mit den EU-Partnern berücksichtigen. Andererseits, wenn es um die gleichberechtigte gegenseitig achtende Zusammenarbeit geht, die Interessen der Seiten berücksichtigt, gibt es immer Mehrwert. Es gibt solche Beispiele. Es ist zu sagen, dass zur Zeit 18 Projekte ausgewählt sind, die auch zur Tätigkeit der im Baltikum funktionierenden Organisationen und zur Baltischen EU-Strategie gut passen werden. Mit gutem Willen kann man also immer gegenseitig akzeptable Lösungen finden.