Antworten des Außenministers der Russischen Föderation S. W. Lawrow auf die Fragen von Massenmedien, Beijing, 6. Juni 2012
Frage: Was für Ergebnisse haben die bilateralen Treffen des Präsidenten der Russischen Föderation W. W. Putin im Rahmen des staatlichen Besuchs in VR China gezeitigt?
S. W. Lawrow: Das Programm des bilateralen staatlichen Besuchs des Präsidenten der Russischen Föderation W. W. Putin in die Volksrepublik China wurde vollendet. W. W. Putin hat eine Reihe Verhandlungen mit dem Staatspräsidenten der Volksrepublik China Hu Jintao, Ministerpräsidenten Wen Jiabao, Vize-Präsidenten Xi Jinping, Vize-Premierminister Li Keqiang und Vorsitzenden des ständigen Komitees des Nationalen Volkskongresses Wu Bangguo durchgeführt.
Der Besuch stellte die neue Qualität der russisch-chinesischen strategischen Partnerschaft und Kooperation fest. Beide Seiten zollten dem erzielten Niveau der bilateralen Beziehungen in allen Sphären ohne Ausnahme die höchste Anerkennung.
Ich meine, dass das Hauptgeheimnis von solcher stetigen fortschreitenden Entwicklung der russisch-chinesischen Partnerschaft an dem Systemvorgehen liege. Man abwickelt regelmäßigen politischen Dialog, alljährlich werden mehrere Spitzentreffen auf der Linie von Ministerpräsidenten und Parlamentsleitern durchgeführt. Alle diese Veranstaltungen geben den notwendigen politischen Ton für reale Projekte auf verschiedenen Gebieten an.
Die Wirtschaft ist, zweifellos, ein der Tragpfeiler von unserer Kooperation. Die Energiewirtschaft spielt eine besondere Rolle in den bilateralen ökonomischen Verhältnissen. Heute wurde das Vorhandensein von konkreten Plänen und Absichten zur Entwicklung der energetischen Zusammenarbeit, einschließlich des Erdöls, Gases, der Kohle, Kernenergetik und der zukunftsorientierten erneuerbaren Energiequellen bestätigt.
Die konkreten Projekte werden zur auf den Herbst d. J. in Russland geplanten ordentlichen Sitzung der Regierungschefs ausgearbeitet, im deren Laufe die Unterlagen zum ordentlichen Gipfeltreffen abstimmen werden; über den Termin des Gipfeltreffens soll man sich noch einigen.
Das Schwergewicht lag nicht nur auf den Energiewirtschaftsgebieten, sondern auch Spitzentechnologien, mit der Betonung auf die Notwendigkeit ihrer gemeinsamen Entwicklung, u. a. in der Luftfahrt- und Raumfahrttechnik und in der Sphäre der Informations- und Kommunikationstechnologien.
Die Aufgabe ist gestellt, und, wie ich schon gesagt habe, das Herbsttreffen der Regierungschefs Russlands und Chinas, wo die entsprechenden Zweigministerien über den Fortschritt in den gegebenen Richtungen berichten müssen, einen Meilenstein werden soll.
Zwei Außenministerien bekamen auch den entsprechenden Auftrag für die zusätzliche Anregung der zwischenregionalen Beziehungen im Rahmen der Umsetzung des Programmes für Zusammenarbeit der Regionen von Ostsibirien und Fernost der Russischen Föderation und nordöstlichem China. Präsident W. W. Putin hat heute bemerkt, dass eine besondere Rolle in diesen Plänen das in Russland neugegründete Ministerium für die Entwicklung von Fernost spielen wird.
Es wurde die Wichtigkeit der weiteren Vertiefung der humanitären Kooperation. Es ist eine gute Sitte geworden, sie durch verschiedene Veranstaltungen, z. B. gekreuzte „Jahre" zu fördern. Zuerst wurden Russlandjahre in China und Chinajahre in Russland stattgefunden, dann das Jahr der russischen Sprache in China und das Jahr der chinesischen Sprache in Russland, zurzeit wird das Jahr des russischen Tourismus in China durchgeführt, und das kommende Jahr wird Jahr des chinesischen Tourismus in Russland werden. Derartige Übereinkommen erzeugen einen guten Rahmen für den kreativen Ansatz und die Förderung der zwischenmenschlichen Kontakte – wir meinen, dass dies sehr wichtig sei. Es wird das Aktionsprogramm für die weitere Vertiefung der humanitären Kooperation für einen Zeitraum von zehn Jahren.
Heute wurde die stetig aufstrebende rüstungstechnische Zusammenarbeit, sowie Teamarbeit unserer Militärangehörigen. Im Anschluss an das vor einiger Zeit stattgefundene Manöver der Landtruppen von China und Russland wurde im laufenden Jahr die Flottenübung unserer Länder erstmals durchgeführt.
Die Chefs der zwei Staaten haben bemerkt, dass die strategische Partnerschaft Russlands und Chinas auch das Zusammenwirken in der internationalen Arena im vollen Umfang betrifft. Man besprach die Koordinierung unserer Aktivitäten im Rahmen von VN, „G-20", BRICS, SOZ, im Asiatisch-Pazifischen Raum, wo wir die russisch-chinesische Initiative über die Bildung der auf der Egalität und anderen fundamentalen Grundsätzen des Völkerrechts basierenden Sicherheitsarchitektur im APR weiterfördern werden.
Abgestimmt sind weitere Handlungen angesichts der verschiedenen Krisensituationen, die heute eine besondere Beachtung in der Welt finden. Wir haben uns verabredet, Verfahrensweisen bei den Problemen von Nahem Osten und Nordafrika, einschließlich der Situation in und um Syrien, Fragen des iranischen Atomprogrammes, des Atomproblems der Koreahalbinsel, der Lage in Afghanistan und anderer aktuellen Themen weiter zu koordinieren. Beide Seiten betonten ausdrücklich, dass dieses Zusammenwirken besonderen Wert hat – nicht nur dadurch, dass es das billige Ermessen einer konkreten Krise zu suchen hilft, sondern auch infolge seiner Orientierung auf die Sicherung der Rechtherrschaft in den internationalen Angelegenheiten sowie auf die Förderung eines rechtsgleichen, ausgeglichenen, stabilen und multipolaren Weltbaues.
Frage: Wurden die weiteren russisch-chinesischen Manöver besprochen?
S. W. Lawrow: Wir haben uns abgestimmt, diese Praktik fortzusetzen.
Frage: Wurde im Laufe der stattgefundenen Treffen die iranische Problematik beurteilt?
S. W. Lawrow: Betreffend Irans, haben wir uns geeinigt, auf der Basis der von der Gruppe „5 + 1" (wo Russland und China Mitglieder sind) geförderten Anschauungsweisen, u. a. uns zum nächsten Treffen von „Sechser" mit den Vertretern Irans vorzubereiten, das am 18. - 19. Juni in Moskau stattfinden wird.
Frage: Sind Sie schon weiter bei der Gas-Frage?
S. W. Lawrow: Es sind die Auftrage erteilt, die konkreten Vorschläge über die Lösung entsprechenden Erdöl- und -gas-Fragen zum nächsten Treffen der Regierungschefs von Russland und China im Herbst des laufenden Jahres zu erarbeiten.
Frage: Was wartet die russische Seite von dem Treffen der „Sechs" mit den iranischen Vertretern in Moskau, mit Rücksicht auf den relativen Misserfolg der Verhandlungen in Bagdad und Istanbul, sowie Erklärungen von USA über die Beabsichtigen, den Sanktionen-Druck auf Teheran zu verstärken?
S. W. Lawrow: Wir bereiten uns zum Treffen in Moskau vor und wollen den konstruktiven Gespräch fortsetzen. Dieses Treffen ist nicht nur (und nicht so sehr) für die russische Seite wichtig, sondern für die Gruppe „5 + 1" im Allgemeinen, für Iran und für die ganze Weltgemeinschaft. Der Übergang der Situation von dem Verhandlungsfahrwasser zum Format der Gewalt- und Sanktionsaktionen ist niemandem zugunsten.
Wir betrachten zusätzliche Sanktionen als leidbringende. Die Sanktionen gegen Iran sind schon nicht nur durch den VN-Sicherheitsrat, sondern auch einseitig durch einige Staaten eingeführt, und dies, unserer Meinung nach, zersetzt die Teamarbeit. Russland tritt irgendwelchen weiteren einseitigen Zwangsmaßnahmen entgegen.
Auf dem Verhandlungstisch liegen die konkreten Vorschläge. Sie sind auf der durch Russland vorgeschlagenen Vorgehensweise basiert, die sich auf die Gliederungs- und Reziprozitätsgrundsätzen stützt. Dieser Vorgehensweise nach, warten wir auf den ersten Schritt Irans und werden wir als Gruppe „5 + 1", als Vertreter der Weltgemeinschaft bereit sein, auf Grund der Gegenseitigkeit zu antworten und entgegenzukommen, vor allem in Hinsicht auf die Aversion der neuen Sanktionen und das „Einfrieren", Linderung der aktuellen Sanktionen. Das ist die allgemeine Betrachtung des vor uns stehenden Problems. Sie wurde durch „Sechs" genehmigt, und die konkreten Vorschläge auf dieser Basis sind zu Iranern übermittelt. Diese Vorschläge werden im Laufe des Treffens in Moskau abgehandelt.
Ich möchte nicht, die vorangehenden Treffen in Bagdad und Istanbul als erfolgslosen kennzeichnen, denn wir viel erreicht haben, erneuernd den fast für zwei Jahre unterbrochenen Verhandlungsprozess. Wir haben allen Grund zur Annahme, dass wenn wir alle nach bestem Wissen und Gewissen Verhandlungen führen würden, ohne die nationalen engegoistischen Ziele zu verfolgend, die keine Anknüpfungspunkte mit dem Problem der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen haben, so können wir weitere Treffen verabreden. Natürlich wird es bei den Verhandlungen in Moskau nicht gelingen, alle Probleme in einem Zuge zu lösen.
Frage: Wie betrachten Russland und China die Regelung der syrischen Krise?
S. W. Lawrow: Wir haben die Beabsichtigung bestätigt, unsere Aktionen hinsichtlich Syriens zu koordinieren, und wir sind eins darüber geworden, dass die Umsetzung des Plans von Kofi Annan und der Resolution des VN-Sicherheitsrates heute den kategorischen Vorrang hat. Wir ablehnen die Versuche, die Sache so hinzustellen, ob diese Resolutionen schon unverbindlich seien, wie die syrischen Oppositionellen, vertreten durch „Freie syrische Armee" und „Syrischen Nationalrat" vor kurzem erklärten. Wichtig ist Verständnis dafür, dass Opposition bunt zusammengewürfelt ist, und es verschiedene Gruppen dazwischen gibt. Dabei treten diejenigen, die sich in Syrien befinden, strikt gegen externen Eingriff, doch die außer dem Territorium Syriens befindlichen Oppositionsgruppen rufen die Weltgemeinschaft immer öfter, das Regime von Bashar al-Assad zu zerbomben und zu wechseln. Das ist ein gefährlicher Weg, der die Region zur Katastrophe führe.
Ich hoffe, dass die Förderer solcher Oppositionsgruppen dies verstehen, und von unbesonnenen Rufen sie abhalten werden. Russland legt Gewicht auf die Erfüllung des Plans von Kofi Annan, der Resolutionen des VN-Sicherheitsrates, die diesen Plan genehmigen. Wir meinen, dass das Treffen der auf verschiedene Oppositionsgruppen reell beeinflussenden Staaten notwendig ist. Sie sind nicht so zahlreich. Es handelt, natürlich, um ständige Mitglieder des VN-Sicherheitsrates, die führenden Länder der Region, Türkei. Man soll nicht auch Iran, Arabische Liga, Organisation für Islamische Zusammenarbeit vergessen. Ich meine, dass die Europäische Union ihren Beitrag dazu leisten könne.
Solches Treffen könne, zum Unterschied von den Tagungen der „Gruppe der Freunden Syriens", die ausschließlich auf die Förderung des „Syrischen Nationalrates" und seiner radikalen Anforderungen gerichtet sind, auf folgende abzielen: alle ausländischen Aktoren (auf der ersten Etappe – ohne Syrer) sollen sich darüber einigen, dass an der Umsetzung des von allen genehmigten Plans von Kofi Annan ehrlicherweise, ohne dualen Standard zu arbeiten; alle Teilnehmer würden auf die entsprechenden syrischen Seiten „drücken", für die jeder von uns von Einfluss ist, um diese zu überzeugen, jegliche Gewalt einzustellen und sich an den Verhandlungstisch zu setzen, laut dem Punkt des obigen Plans über die Notwendigkeit des Anfang des politischen Dialogs zwischen der Regierung und allen Oppositionsgruppen.
Lassen wir in dieser Richtung gehen. Ich weiß nicht, ob alle dafür bereit sind, an wem es liegt. Doch Russland und China zeigen das klare Verständnis darauf, dass ein solcher Schritt prinzipiell wichtig auf heutiger Etappe wäre, da viele Interessenten durch Wörter und Wühltätigkeit die Erfüllung des Plans von Kofi Annan durchkreuzen wollen.