STENOGRAMM DES REDEBEITRAGES UND ANTWORTEN AUF FRAGEN DER MASSENMEDIEN DES AUSSENMINISTERS RUSSLANDS I.S.IWANOW AUF PRESSEKONFERENZ ZU ERGEBNISSEN DER VERHANDLUNGEN MIT DEM AUSSENMINISTER FRANKREICHS D.DE VILLEPIN MOSKAU, DEN 23. JANUAR 2004
Stenogramm des Redebeitrages und Antworten auf Fragen der Massenmedien des Aussenministers Russlands I.S.Iwanow auf Pressekonferenz zu Ergebnissen der Verhandlungen mit dem Aussenminister Frankreichs D.de Villepin
Moskau, den 23. Januar 2004
I.S.Iwanow:
Es ist fuer mich angenehm, Minister fuer auswaertige Angelegenheiten Frankreichs Herrn D. de Villepin nochmal in Moskau zu begruessen.
Wir unterhalten einen staendigen Kontakt, nichtsdestoweniger aber, bleibt der Besuch immer eine gute Moeglichkeit, Meinungen zu einem breiten Kreis sowohl der bilateralen, als auch multilateralen Fragen auszutauschen. Das ist besonders wichtig heute, wenn es in der Welt viele Probleme gibt, die die internationale Gemeinschaft loesen soll, und die Rolle Russlands und Frankreichs als zwei staendiger Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, als zwei wichtiger Spieler nicht nur auf der europaeischen, sondern auch auf der internationalen Arena, sehr gross ist.
Heute morgen trat Herr D. de Villepin mit einem sehr gruendlichen Vortrag ueber die Position Frankreichs zu internationalen Grundproblemen in der MGIMO(U) auf. Ich moechte noch einmal hervorheben, dass die Positionen unserer beiden Laender beim Herangehen zu globalen internationalen Problemen, sowie zu einzelnen regionalen Fragen sehr nah sind oder uebereinstimmen.
In den letzten Jahren sind die Beziehungen zwischen Russland und Frankreich, insbesondere dank den Anstrengungen der Praesidenten beider Laender, praktisch in allen Richtungen tatsaechlich vorangekommen. Wir sind damit befriedigt, dass russisch-franzoesische Beziehungen nicht nur im europaeischen Raum, sondern auch in den internationalen Beziehungen insgesamt zu einem wichtigen Faktor wurden. Sowohl Moskau, als auch Paris haben feste Absichten, den Kurs auf Entwicklung der bilateralen Zusammenarbeit, auf den Aufbau einer neuen demokratischen, gerechten, sicheren, in Interessen aller Staaten und Voelker existierenden Weltordnung fortzusetzen
Frage: Herr D.de Villepin sagte, dass bereits einige Jahre lang in Tschetschenien ein offener Krieg gefuehrt wird. Es ist bekannt, dass Frankreich den in der Tschetschenischen Republik begonnenen politischen Prozess unterstuetzt, andererseits aber hat Frankreich viele kritische Bemerkungen gemacht. Koennten Sie Erklaerungen einer Reihe von Nichtregierungsorganisationen, insbesondere, des Europaeischen Antifolterkomitees, das die Aufmerksamkeit auf offensichtliche Verletzungen der Menschenrechte in Tschetschenien lenkt, kommentieren?
I.S.Iwanow (spricht nach D.de Villepin): Vor allem kann ich mich mit der Formulierung der Frage, insbesondere damit, dass in der Tschetschenischen Republik ein Krieg gefuehrt wird, nicht einverstanden erklaeren. Es gibt in Tschetschenien keinen Krieg. Dort wird der Kampf gegen internationalen Terrorismus gefuehrt. Mehr noch, wenn Sie sich davon ueberzeugen wollen, bin ich bereit, fuer sie eine Reise in die Tschetschenische Republik zu organisieren, damit sie den echten Stand der Dinge selbst einschaetzen koennten. In der Tschetschenischen Republik ist ein sehr komplizierter Prozess der politischen Regelung gleichzeitig mit dem Kampf gegen internationalen Terrorismus im Gange.
Gestern fand eine sehr symbolische Veranstaltung statt. Zusammen mit dem stellvertretenden UNESCO-Generaldirektor in der Anwesenheit des Praesidenten der Tschetschenischen Republik, des Praesidenten der Republik Inguschetien, vieler anderer Vertreter der tschetschenischen Oeffentlichkeit, unter Teilnahme des diplomatischen Korps stellten wir das UNESCO-Projekt der Wiederherstellung des Bildungssystems in der Tschetschenischen Republik vor. Dieser Plan wurde im Laufe von zwei Jahren ausgearbeitet. Das ist ein komplexes Programm, das daruaf gerichtet ist, junge Generation der Tschetschenischen Republik auf friedliches Leben vorzubereiten. Heute, wenn sich Herr D.de Villepin fuer meine Einschaetzung der Situation in der Tschetschenischen Republik interessierte, sagte ich eindeutig, dass der Prozess der politischen Regelung, wie kompliziert er auch sein mag, einen unumkehrbaren Charakter hat. Diese Zuversicht ist mit konkreten Bestrebungen des tschetschenischen Volkes nach dem friedlichen Leben, die waehrend der in der Republik durchgefuehrten Wahlen und Volksbefragung zum Ausdruck kamen, zu erklaeren. Wir sind daran interessiert, dass Europa eine objektive Vorstellung von den sich in Tschetschenien zu entwickelnden Prozessen hat. Ich wiederhole meinen Vorschlag, fuer Sie eine Reise in die Region zu organisieren.
Frage: Wurden waehrend der Verhandlungen konkrete Schritte zur Realisierung der "road map" besprochen?
I.S.Iwanow: Ich moechte vor allem sagen, dass die Positionen Russlands und Frankreichs hinsichtlich der nahoestlichen Regelung uebereinstimmen. Wir sind der Meinung, dass die „road map" heutzutage ein von der internationalen Gemeinschaft gebilligter konkreter Plan ist, der in der Praxis realisiert werden soll. Seine Realisierung soll zur Existenz von zwei Staaten unter Bedingungen der Sicherheit und des Friedens fuehren. Leider ist die Verwirklichung dieses Plans heute in die Sackgasse geraten. Eine gemeinsame Aufgabe nicht nur Russlands und Frankreichs, sondern der ganzen internationalen Gemeinschaft besteht gegenwaertig darin, die Realisierung dieses Plans durchzusetzen. Deswegen fuehren wir intensive Beratungen nicht nur mit Konfliktseiten, sondern auch mit anderen Teilnehmern der internationalen Gemeinschaft durch, um den Beginn der Verwirklichung dieses Plans zu erreichen. Vom Standpunkt Russlands aus ist es prinzipiell wichtig, Abkommen oder Vereinbarung zwischen den Seiten ueber die Feuereinstellung zu erzielen und einen direkten Dialog zwischen den Premiereminister Israels A.Scharon und dem PNA-Premiereminister A.Kuria ueber konkrete Schritte der Realisierung der „road map" zu beginnen. Waehrend meiner Verhandlungen mit dem PNA-Aussenminister Herrn Schaas, erklaerte er die Bereitschaft der palaestinensischen Seite dazu. Wir werden auch mit der israelischen Seite Verhandlungen fuehren, um sie zu diesen Vereinbarungen zu bewegen.
Frage: Russland ratifizierte das Kyoto-Protokoll und den Vertrag zum Internationalen Gericht bis jetzt nicht. Diese Frage befindet sich im Mittelpunkt der Konzeption Frankreichs und der Eurounion bezueglich der kollektiven Sicherheit. Was koennen Sie in dieser Hinsicht sagen?
I.S.Iwanow: Russland trat und tritt fuer die Staerkung der vielseitigen Mechanismen in allen Bereichen auf. Gerade im Rahmen der vielseitigen Mechanismen und vor allem im Rahmen der UNO sollen prinzipiell wichtige Fragen der Gegenwart geloest werden.
Was die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls angeht, so wird diese Frage von verschiedenen Aspekten, darunter auch vom Standpunkt der moeglichen Folgen der Ratifizierung des Protokolls fuer das wirtschaftliche Wachstumstempo Russlands untersucht. Diese Frage kennzeichnet die Beziehungen zwischen Russland und der Europaeischen Union nicht, diese Frage hat einen viel breiteren Charakter. Ich glaube, es waere ungerecht zu behaupten, dass Russland den Schluessel zur Erfuellung des Kyoto-Protokolls in seinen Haenden hat. Es gibt eine Reihe von Laendern, die dieses Protokoll auf Grund dieser oder jener Umstaende nicht ratifizierten. Gleichzeitig moechte ich noch einmal betonen, dass wir bei der Beschlussfassung ueber die Ratifizierung vor allem von unseren eigenen nationalen Interessen ausgehen werden, dabei aber die Meinung unserer Partner und in erster Linie der Europaeischen Union beruecksichtigen werden.
Die Frage ueber das Internationale Gericht wird auch von entsprechenden Behoerden betrachtet.
Frage: Besprachen Sie die Situation im Irak? Behandelten Sie die Moeglichkeit des Hinschickens der russischen und der franzoesischen Truppen nach Irak? Kann man an den politischen und der oekonomischen Fragen vor der Machtuebergabe an die Iraker mitwirken?
I.S.Iwanow (spricht nach D.de Villepin): Russland ist bereit, am Prozess der Situationsregelung im Irak teilzunehmen. Es muessen dazu selbstverstaendlich entsprechende Bedingungen geschaffen werden. Vor allem ist es eine vollstaendige Wiederherstellung der Souveraenitaet Iraks und die Bildung unabhaengiger demokratischer Regierung im Lande. Notwendig ist es, in erster Linie das ganze UN-Potential einzusetzen und internationale Teilnahme am Regelungsprozess zu intensevieren. Und von diesem Standtpunkt aus, denken wir, waere die Durchfuehrung einer internationalen Konferenz, die gestatten wuerde, alle Aspekte der Situationsregelung im Irak zu untersuchen, ein entsprechendes Programm, das eine notwendige internationale Unterstuetzung bekommen koennte, auszuarbeiten, sowie die Interessen der regionalen Stabiliatet in einem breiten Kontext zu betrachten, von einer wichtigen Bedeutung.
Frage: Wie schaetzen Sie die letzten Erklaerungen des US-Staatssekretaers C.Powell in bezug auf Syrien ein?
I.S.Iwanow: Herr C.Powell wird am Montag Moskau besuchen. Danach werden wir die Pressekonferenz durchfuehren und diese Frage beantworten.
23. Januar 2004