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Rede des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf dem Treffen mit den Teilnehmern des jährlichen wissenschaftlichen Bildungsprogramms des Gortschakow-Fonds zur Unterstützung der öffentlichen Diplomatie mit dem Titel „Dialog im Namen der Zukunft: Russland und die Welt ringsherum“, Moskau, 12. Dezember 2014

2852-12-12-2014

Rede des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf dem Treffen mit den Teilnehmern des jährlichen wissenschaftlichen Bildungsprogramms des Gortschakow-Fonds zur Unterstützung der öffentlichen Diplomatie mit dem Titel „Dialog im Namen der Zukunft: Russland und die Welt ringsherum", Moskau, 12. Dezember 2014
 

 

Verehrter Leonid Wadimowitsch!

Teure Freunde!

Es freut mich, sie hier im Außenministerium der Russischen Föderation zu sehen. Wir unterstützen den Gortschakow-Fonds und die von ihm durchgeführten Programme. Ich halte Ihr Programm „Dialog im Namen der Zukunft: Russland und die Welt ringsherum" als eine der zukunftsträchtigsten, wichtigsten und edelsten Aufgaben. Ich glaube, dass die jetzige Runde Ihrer Treffen nützlich und produktiv sein wird.

Heute ist die Lage in der Welt nicht einfach und deshalb ist es schwierig, die Bedeutung solcher Treffen zu überschätzen, welche helfen, die Atmosphäre des Vertrauens und des gegenseitigen Verständnisses in den internationalen Angelegenheiten zu stärken, was besonders unter jungen Leuten wichtig ist.

Es ist angenehm, dass sich die Geografie der Projektteilnehmer ausweitet. Wie ich verstehe, befinden sich heute unter Ihnen Vertreter von Staaten nicht nur des postsowjetischen Raums, sondern auch aus Ländern Europas und Asiens. Wir begrüßen im Außenministerium aktiv die Einbeziehung der Zivilgesellschaft bei der Wahrnehmung der globalen Prozesse. Wir sind bereit, jede Ihrer Initiativen zu prüfen und zu unterstützen. Manchmal scheint der eine oder andere Vorschlag exotisch zu sein, aber ein frischer Blick schadet nie.

Am 4. Dezember legte Präsident Wladimir Putin in der Botschaft an die Föderationsversammlung der Russischen Föderation seine Einschätzungen der internationalen Lage und die außenpolitischen Prioritäten unseres Landes ausführlich dar. Heute möchte ich nur einige Momente hervorheben, welche die internationalen Beziehungen charakterisieren. Nach unserer Einschätzung geschieht gerade nichts Geringeres als ein Wechsel der historischen Epochen und dauert die Herausbildung eines neuen demokratischeren und gerechteren polyzentrischen Weltsystems weiter an. Dieser Prozess verläuft schwierig. Zu den alten ungelösten Konflikten kommen neue hinzu. So muss für die innerukrainische Krise noch immer eine Lösung gefunden werden. Diese ist das Ergebnis eines äußeren Drucks auf Kiew, damit die Wahl unter Ignorierung der östlichen nur in westlicher Richtung erfolgt. Weiterhin brodeln der Nahe Osten und Nordafrika, wo die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus zunimmt, darunter auch durch die rasche Verstärkung und ihre Umwandlung in eine echte Terrorarmee der Gruppierung „Islamischer Staat". Ein ernster destabilisierender Faktor bleibt die Praxis des Demokratieexports in verschiedene Regionen der Welt, des Regimewechsels unter der Organisierung von „bunten Revolutionen" zu diesem Zweck sowie der Anwendung anderer Methoden, um von außen souveränen Völkern Entwicklungsrezepte ohne Berücksichtigung ihrer Traditionen und nationalen Besonderheiten aufzudrängen.

Wir sind überzeugt, dass man diesen negativen Trend durchaus brechen kann, ja sogar muss. Das ist eine realistische Aufgabe, wenn wir alle den Weg eines sich gegenseitig achtenden Dialogs vertreten, wenn wir uns darauf einigen, die Eindämmungspolitik und den Glauben an die eigene Unfehlbarkeit sowie die Praxis von einseitigen Handlungen und Spielen mit einem „Nullergebnis" aufzugeben. Erforderlich sind kollektive Vorgehensweisen unter Stützung auf das Völkerrecht, die zentrale koordinierende Rolle der UNO und unter Achtung des Rechtes der Völker auf Selbstbestimmung ihres Schicksals. Die Ereignisse der letzten Zeit zeigen, dass die Vereinigung der Bemühungen es ermöglicht, sogar bei der Lösung der schwierigsten Probleme Fortschritte zu erzielen. Wir haben bereits den Erfolg der Arbeit zur Liquidierung der Chemiewaffen Syriens und den erzielten bedeutenden Fortschritt in den Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm genannt. Es gibt auch andere Anzeichen dafür, dass wir zum gegenseitigen Nutzen die Bemühungen zur Erzielung eines Ergebnisses addieren können.

Es entstand eine reale Chance zur Sicherung des Friedens in der Ukraine. Mit Mühe aber letzten Endes doch halten die Feuerpause und der Waffenstillstand an. Wir haben eine gemeinsame Basis für eine konstruktive Vorwärtsbewegung auch in anderen Fragen, darunter der wirtschaftliche Wiederaufbau des Donbass und die Herstellung eines politischen Dialogs, der letzten Endes zu einer Verfassungsreform in der Ukraine unter Teilnahme aller Regionen und politischen Kräfte des Landes führen muss – eine solche Verpflichtung haben die Kiewer Machthaber schon im April dieses Jahres auf sich genommen. Jetzt müssen wir einen Weg zur Wiederaufnahme der Arbeit der Kontaktgruppe finden, an der Vertreter der ukrainischen Führung, der Führer der ausgerufenen Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie Russlands und der OSZE teilnehmen. In diesen Tagen wird der Zeitplan zur Abhaltung der Minsker Treffen ausgearbeitet. Wir unterstützen aktiv die Erzielung eines Einvernehmens in kürzester Zeit.

Wenn wir über den weiteren geopolitischen Raum sprechen und die Ursache für die Ukrainekrise berücksichtigen, müssen wir insgesamt das Gespräch über die allmähliche aber stetige Bildung eines einheitlichen wirtschaftlichen und humanitären Raums vom Atlantik bis zum Stillen Ozean beginnen, in welchem das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit gilt – wenn kein Staat seine eigene Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer stärkt. Solche Vorschläge haben wir schon lange der internationalen Staatengemeinschaft zur Beurteilung vorgelegt. Der Präsident Russlands, Wladimir Putin, hat das Wesen unserer Position mehrmals erklärt. Erst vor Kurzem, nämlich am 4. und 5. Dezember, bekräftigten wir auf der OSZE-Außenministerratssitzung unsere Bereitschaft zu einem ernsthaften Gespräch über dieses Thema und verspürten wachsendes Interesse an dieser Frage von Seiten mehrerer europäischer Staaten.

Wir erstreben nicht und werden niemals den Weg der Selbstisolierung gehen. Wir sind an der Entwicklung der Beziehungen mit möglichst vielen Staaten im Osten, Westen und Süden interessiert. Diese Beziehungen müssen sich stützen auf die Prinzipien der Gleichberechtigung, der gegenseitigen Achtung und Interessensberücksichtigung. Die Beispiele für diese unsere Linie sind zahlreich, darunter auch die unlängst erfolgten Besuche des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, in Usbekistan und Indien.

Wir sind ausgerichtet auf die Intensivierung der gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit mit den GUS-Ländern in verschiedenen Formaten. Mit 1. Jänner 2015 beginnt die Eurasische Wirtschaftsunion Russlands, Weißrusslands und Kasachstans zu arbeiten, der sich Armenien anschließen wird und der auch Kirgisien beitreten möchte (die Vereinigung ist offen auch für unsere anderen Nachbarn und Partner). Wir sehen dieses Projekt als organischen Teil von Prozessen, die in Europa, wo die Integration in erster Linie auf den Strukturen der Europäischen Union basiert, und in der Asiatisch-pazifischen Region vor sich gehen, welche zur Lokomotive für die wirtschaftliche Entwicklung der Welt wurde und in der zahlreiche perspektivische Integrations- und andere Vereinigungen aktiv sind. Als ersten Schritt zur Harmonisierung dieser Prozesse schlugen wir vor, einen Dialog über die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion zu beginnen. Ein solcher Vorschlag wurde von Präsident Putin bereits im Jänner dieses Jahres in Brüssel auf dem Treffen mit den politischen Führern der Europäischen Union gemacht.

Außerdem gibt es in der GUS den Vertrag über eine Freihandelszone, der am 18. Oktober 2011 unterzeichnet und jetzt schon von vielen ratifiziert wurde und in Kraft tritt. Dieser ist ein effektives Instrument zur Aktivierung der Handels- und Wirtschaftskooperation auf dem Gebiet der Gemeinschaft. Wir vertiefen die Kooperation auch im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, welche uns helfen soll, gemeinsam und effektiv auf die Herausforderungen und Bedrohungen der modernen Zeit zu reagieren.

Der Präsident Russlands, Wladimir Putin, hat mehrmals betont, dass für uns die Zusammenarbeit in der Asiatisch-pazifischen Region strategischen und prioritären Charakter für das gesamte 21. Jahrhundert hat. Russland wird als pazifischer Staat das enorme Potential der stürmischen Entwicklung dieser Region nutzen, darunter auch zur Lösung unserer Aufgaben bei der Entwicklung des Fernen Ostens und Ostsibiriens. Ich betone, wir wollen das nicht als Alternative zu den Kontakten mit der EU und dem Westen insgesamt machen, sondern als Ergänzung zu diesen.

Wir lassen uns von den gesamtplanetarischen Interessen leiten, wenn wir aktiv an der Arbeit von verschiedenen multilateralen Formaten teilnehmen, wie etwa der UNO und ihrem Sicherheitsrat sowie der „Gruppe der Zwanzig". Ich möchte auch BRICS und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit erwähnen, deren Gipfeltreffen im Jahr 2015 in Russland in der Uralstadt Ufa stattfinden werden.

Das ist ein kurzer Überblick über die Prioritäten unserer Außenpolitik. Mit Interesse warte ich auf Ihre Fragen und Kommentare. Nehmen wir alle an einem interaktiven Gespräch teil. Sie werden bald die Verantwortung für die Entwicklung Ihrer Länder übernehmen. Für uns sind solche Treffen höchst nützlich.

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