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Ansprache Aussenministers der Russischen Foederation Sergej Lavrov auf der feierlichen Versammlung anlaesslich des Tages diplomatischer Mitarbeiter

254-08-02-2005

Geehrte Kollegen, Freunde,

zunaechst moechte ich Ihnen zu unserem Berufsfest gratulieren – zum Tag der diplomatischen Mitarbeiter.

Die Tatsache, dass es dieses Fest im russischen Kalender gibt, zeugt von der breiten oeffentlichen Anerkennung des Diplomatenberufs sowie von der Bedeutung, die die Fuehrung unseres Staates unserer Arbeit beimisst. Sicherlich soll dieser Tag uns erneut an die ungeheure Verantwortung erinnern, die wir vor dem Staat und der Oeffentlichkeit, vor allen russischen Buergern tragen. Deshalb nutzen wir diese Feier als Anlass, uns an die Vergangenheit zu erinnern und ueber die Gegenwart und die Zukunft unseres dipolmatischen Dienstes nachzudenken.

Wir koennen auf die reiche jahrhundertelange Geschichte der russischen Diplomatie stolz sein. Dieser Dienst galt immer als Dienst fuer Russland und hatte immer eine grosse Anziehungskraft fuer kreative allseitig gebildete und ihrem Land restlos ergebene Menschen, die bereit waren, sehr professionell und selbstlos seine Interessen auf dem internationalen Schauplatz zu verteidigen. Hervorragende Diplomaten Panin, Besborodko, Rumjanzew, Gortschakow haben nicht nur in der russischen, sondern auch in der Weltgeschichte eine tiefe Spur hinterlassen. Nicht zufaellig waren auch hervorragende russische Kuenstler Puschkin, Gribojedow, Tjutschew und viele andere im diplomatischen Dienst taetig. Viele glaenzende russische Diplomate gab es auch im 20.Jahrhundert.

Ende des 19.Jahrhunderts hat einer der ersten Historiker der russischen Diplomatie Tatischtschew geschrieben: „Es irren sich diejenigen stark, die glauben, dass die Aussenpolitik einer Grossmacht eine Zufallssache ist, dass sie willkuerlich ist und vom menschlichen Willen abhaengt. Im Gegenteil, sie ist Ergebnis der gesamten Geschichte des Staates und kann erst dann fruchtbar und erfolgreich sein, wenn sie durch die Auftraege gefoerdert und gefuehrt wird, die aus ihrem jahrzehntelangen historischen Erfahrung geschoepft sind".

Historische Erfahrungen der russischen Diplomatie bestimmen in hohem Masse den Charakter und die Ausrichtung unserer Arbeit heute. Dem modernen aussenpolitischen Konzept Russlands zugrunde liegt das noch von Kanzler A.Gortschakow bestimmte Prinzip der Unterstellung unserer Aussenpolitik den Interessen der sozial-wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, des Wohlstands ihrer Menschen. Zu den besten Traditionen unserer Vorgaenger gehoerten immer der aufgeklaerte Patriotismus, hohe professionelle Kultur, tiefes Verstaendnis nationaler Interessen, das Koennen, diplomatische Aktivitaeten mit realen Moeglichkeiten und Ressourchen des Landes in Zusammenhang zu bringen. Diese Traditionen haben einen unvergaenglichen Wert, und wir muessen sie wahren und foerdern.

Aber die Kontinuitaet ist fuer uns nicht gleich Wiederholung. Das ist die Basis, auf der unser diplomatischer Dienst aufgebaut werden muss, um den Anforderungen der Zeit gerecht zu sein. Die moderne Diplomatengeneration lebt und arbeitet in der Zeit der riesigen Wandlungen in Russland und auf dem internationalen Schauplatz. Die Globalisierung hat die Zusammengehoerigkeit der Staaten stark erhoeht. Sie stehen vor neuen gemeinsamen Drohungen und Herausforderungen, ihre internationale Beziehungen und Zusammenarbeit haben sich unendlich erweitert. Vor unseren Augen geht der komplizierte widerspruchsvolle und langsame Prozess der Gestaltung eines neuen Systems der internationalen Beziehungen vor. Davon, wie dieses System aussiet, wird die Zukunft der Welt und unseres Landes stark abhaengen.

Somit stehen vor unserem diplomatischen Dienst verantwortungsvolle Aufgaben, besonders im Hinblick darauf, dass Russland in die Weltpolitik und Weltwirtschaft immer tiefer integriert wird und aktives Teilnehmer der Behandlung aller bedeutenden internationalen Probleme ist. Grosse Wandlungen gibt es auch in unserer nehen Umgebung. Komplizierte Prozesse gehen in den frueheren sowjetischen Staaten, in Europa, in Asien vor. Und sie beruehren Russlands Sicherheitsinteressen und Interessen seiner sozial-wirtschaftlichen Entwicklung. Das ist eine weitere berufliche Herausforderung an unsere Diplomatie, an die breit angelegte Aussenpolitik Russlands.

Unter diesen Bedingungen stellt unseren wichtigsten Orientierungspunkt die vom Praesidenten Wladimir Putin gestellte Aufgabe, die diplomatische Arbeit moeglichst eng mit der Loesung der Fragen der Sicherheit und des wirtschaftlichen Aufschwungs des Landes zu verbinden, diese Arbeit realen Beduerfnissen und Interessen der Menschen nahe zu bringen. Heute haben wir dank dem stabilen wirtschaftlichen Wachstum mehr Moeglichkeiten und Ressourcen, um internationale Positionen unseres Landes zu festigen. Aber im beruflichen Sinne erleichtert es unsere Arbeit nicht, es erschwert sie. Wir muessen neue Griffe und Verfahren lernen, insbesondere um unsere Wirtschafts- und Handelsinteressen wahrzunehmen.

Wir tragen Verantwortung fuer die objektive, nicht voreingenommene Wahrnehmung Russlands weltweit. Jetzt ist es besonders wichtig, wegen der Aktivierung der internationalen Kreise, die starkes Russland nicht sehen wollen, die es versuchen, durch uns Propagandafeldzuege des „Weltherrschaftsstrebens" und der „Abkehr von der Demokratie" zu beschuldigen, um ihren Unwillen zu verschleiern, unsere legitimen Interessen wahrzunehmen. Verantworliche westliche Politiker verstehen natuerlich ganz gut, dass die Konfrontation mit Russland niemandem Nutzen bringen wird. Vieles haengt jedoch auch von unserer Faehigkeit ab, gekonnt und wuerdig unsere Rechte zu wahren, ein guenstiges internationales Klima um unsere Innen- und Aussenpolitik zu schaffen.

In den letzten Jahren – vor allem dank unserem Praesidenten Wladimir Putin – stuetzt sich unsere Aussenpolitik auf die breite und feste Unterstuetzung der russischen Oeffentlichkeit. Aber diese Unterstuetzung ist keinesfalls etwas Festes. Sie muss durch praktisches Tun gerechtfertigt werden. Unsere Gesellschaft muss die Ergebnisse der Diplomatenarbeit sehen. Dies betrifft unsere wirtschaftliche Taetigkeit, Bemuehungen um den Schutz der Rechte unserer Landsleute im Ausland und Sicherung von guten Bedingungen fuer die Teilnahme russischer Buerger am internationalen Austausch. Dabei muessen wir mit dem Parlament, mit den wissenschaftlichen und oeffentlichen Kreisen, russischen Geschaeftsleuten und Massenmedien eng zusammenarbeiten.

Unser Erfolg bei der Loesung dieser Aufgaben haengt in hohem Masse von der Entwicklung und Vervollkommnung unseres diplomatischen Dienstes, insbesondere seines Personals, ab. Mit der Erhoehung des oeffentlichen Prestiges unseres Berufs kommen zu uns immer mehr junge Menschen, der natuerliche Prozess des Generationswechsels laeuft also glatt ab. Bestimmt werden wir auch kuenftig unser Personal sehr sorgfaeltig auswaehlen. Der Massenzufluss von Hochschulabsolventen erfordert ihre fortwaehrende berufliche Ausbildung, obwohl sie gute theoretische Kenntnisse haben. Zu den nuetzlichen Massnahmen in diesem Bereich gehoert das Nachwuchswettbewerb fuer die beste Informationsstudie anlaesslich des 250.Jahrestages N.Rumjanzews. Wir werden noch die Gelegenheit haben, den Siegern zu gratulieren, jetzt moechte ich aber unserem Nachwuchs wuenschen, sich aktiver einzuarbeiten, keine Angst vor der Initiative zu haben und an die Sache kreativ heranzugehen.

Es ist aeusserst wichtig, die Atmosphaere der Kameradschaftlichkeit, der gegenseitigen Hilfe, des aufmerksamen Verhaltens gegenueber die Menschen ungeachtet ihrer Dienststellen und Grade, der staendigen Aufmerksamkeit gegenueber unseren Veteranen zu festigen. Das ist eine unserer wertvollsten Traditionen. Nur aufgrund dieser Tradition koennen wir wirklich kompetente moderne denkende Diplomaten erziehen, die fuer das Wohl des Landes und der Gesellschaft hingebungsvoll arbeiten.

8.Februar 2005