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Interview des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, für YouTube-Kanal „Solowjow Live“, Moskau, 27. Dezember 2021

2701-27-12-2021

Wladimir Solowjow: Wir sind jetzt wie Vögel mit drei Flügeln. Das Außenministerium geht bei uns in drei Richtungen vor: die erste Richtung - die Kommunikation mit US-Partnern, die zweite Richtung – die Nato und die dritte Richtung – die Europäer, egal wie sie sich selbst nennen (die OSZE ist etwas mehr als einfach Europäer). Was ist jetzt am wichtigsten in diesem schweren Dialog, den wir mit absolut untypischen für die traditionelle russische Diplomatie Methoden begannen? Wie es sich herausstellte, sind sie sehr effektiv. Welche Richtung ist am wichtigsten?

Sergej Lawrow: Am wichtigsten ist, wie das Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, dass es kein Plaudern geben soll, damit unsere Vorschläge in endlosen Diskussionen nicht durch Plaudern verwischt werden, womit der Westen bekannt ist und womit er sich befassen kann. Damit es ein Ergebnis aller diesen diplomatischen Anstrengungen gibt. Dabei soll es ein Ergebnis in einem bestimmten Zeitabschnitt sein. Wir stellen keine Ultimaten, doch endlose Verhandlungen, bei denen der Westen wieder etwas doppelsinnig zu versprechen beginnt und dann wieder unbedingt betrügen wird, das brauchen wir nicht. In diesem Zusammenhang sind die USA unser wichtigster Verhandlungspartner. Gerade mit den USA werden wir die wichtigste Verhandlungsrunde durchführen, die sofort nach den Neujahrsferien stattfindet.

Via den Generalsekretär der Nato und Vorsitzenden des Russland-Nato-Rats, Jens Stoltenberg, schlug die Nato (es ist ja klar, dass auf Initiative der USA) vor, gleich danach, einen Tag später, eine Sitzung des Russland-Nato-Rats durchzuführen. Diese organisatorische Struktur widerspiegelt die Projekte, die wir einbrachten und zur Erörterung der Amerikaner und der Nato vorlegten.  Gemeint wird der russisch-amerikanische Vertrag über Sicherheitsgarantien und das Russland-Nato-Abkommen über die Beschränkung der Risiken und Bedrohungen im europäischen Schauplatz (hoffentlich, nicht Kriegsschauplatz). Dort gibt es äußerst konkrete Vorschläge. Sie haben diese Dokumente gesehen. Sie sind darüber, wie wir uns eine weniger gefährliche als jetzt Gestalt der Streitkräfte auf der Seite der Nato und auf der Seite der Russischen Föderation und unserer Verbündeten vorstellen.

Wladimir Solowjow: Wer wird diese Verhandlungen führen?

Sergej Lawrow: Die Verhandlungen werden von der ressortübergreifenden Delegation unter Teilnahme des Außenministers, der Militärs geführt. In Bezug auf die USA gibt es kein Missverständnis. Was die Nato betrifft, sie wurde gewarnt, dass weil sie seit 2014 fast alle militärischen Veranstaltungen einfrieren ließ und sich nur mit sporadischen Anrufen an den Generalstabschef begrenzte, wird das Gespräch den Sinn nur unter einer direkten Teilnahme der Militärs haben. In unserer Delegation werden Militärs auf einem hohen Niveau vertreten. Wir baten sie, zu bestätigen, ob wir sie richtig verstehen, dass von ihrer Seite dasselbe gemacht wird. Wir warten auf die Antwort.

Wladimir Solowjow: Die Nato verhält sich ja überhaupt sehr merkwürdig. Wir kommunizieren mit ihnen de facto gar nicht. Sie wiesen unsere Vertreter aus. Kontakte wurden fast vollständig ruiniert. Was sich Jens Stoltenberg erlaubte, zu sagen, löste eine internationale Krise aus. Er sagte, dass sie bei Bedarf bereit wären, die atomare Infrastruktur der Nato östlich Deutschlands zu stationieren. Darauf reagierte der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, wonach gegen ihn Ansprüche erhoben wurden.

Sergej Lawrow: Ja, Jens Stoltenberg hat einen „nordischen“ Charakter. Ohne zu komplizierte Formulierungen in seinen Aussagen. Das stimmt.

Wladimir Solowjow: Wie soll man mit ihm kommunizieren?

Sergej Lawrow: Diese Kommunikation wird nicht mit ihm erfolgen. Ich möchte nochmals sagen, dass wir einen Vertrag zwischen Russland und der Nato vorschlugen. Es heißt nicht unbedingt, obwohl auch nicht verboten, dass dieser Vertrag im Russland-Nato-Rat vorbereitet wird. Als Verhandlungspartner wird nicht Jens Stoltenberg auftreten, der de facto die wichtigste administrative Person des Nato-Sekretariats ist. Das werden die wichtigsten Mitglieder der Allianz sein, vor allem die USA. Nicht umsonst reagierte US-Präsident Joe Biden in einem der ersten Tage nach dem Einreichen unserer Initiative darauf. Er erwähnte den Kreis der Verhandlungsteilnehmer: „USA plus die vier führenden westlichen Staaten“. Darauf reagierten schon andere Nato-Mitgliedsstaaten und sogar die Ukraine, die sagte, dass sie an diesen Verhandlungen unbedingt teilnehmen soll. Für uns ist nicht die Form, in der die Kontakte mit der Nato geführt werden, sondern das Wesen der Verhandlungen wichtig. Vor allem die Notwendigkeit der professionellen und verantwortungsvollen Gespräche auf der Ebene der Militärs.

Wladimir Solowjow: Die Nato sieht von außen als eine sehr vage Struktur aus. Sie sagen: Was wollen sie von uns? Wir brauchen einen Konsens der Länder.

Sergej Lawrow: Das interessiert uns nicht. Das ist ihr inneres Problem. Uns interessiert nicht das, was im Washingtoner Vertrag festgeschrieben ist, darunter der fünfte Artikel, der dazu verpflichtet, alle Mitglieder zu schützen. Wäre die Nato eine Verteidigungsallianz, wie jetzt Jens Stoltenberg auf Schritt und Tritt sagt, hätte sich die Organisation nicht gen Osten erweitert. Die Nato ist jetzt ein rein geopolitisches Projekt zur Erschließung des Gebiets, das nach der Auflösung des Warschauer Vertrags und Zerfall der Sowjetunion als „herrenlos“ schien. Damit befassen sie sich. Dass sie jetzt, wie Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, die „Schwelle unseres Hauses“ betreten möchten, kann uns nicht gleichgültig lassen.

Wladimir Solowjow: Und was ist mit den von ihnen erklärten Rechten jedes Landes, selbstständig seine Verbündeten zu bestimmen? Sie versuchen doch immer, dieses Argument einzusetzen.

Sergej Lawrow: Sie versuchen einfach, sich selbst irgendwie zu unterstützen. Das ist ein unsauberer Versuch, mit untauglichen Mitteln das Dokument zu nutzen, welches das Ergebnis eines Kompromisses ist, aus dem man keinen Ziegelstein wegnehmen darf, weil der ganze Kompromiss dann zerfallen wird. Es wird das gemacht. Selbst in der Charta von Paris für ein neues Europa wurde 1990 festgeschrieben, dass jeder Staat das Recht hat, die Methoden der Gewährleistung seiner Sicherheit, einschließlich des Beitritts zu Bündnissen zu wählen. Doch dort ist ebenfalls festgeschrieben, dass das so gemacht werden soll, um das Prinzip der Unteilbarkeit und Sicherheit zu respektieren.

Wladimir Solowjow: Wie also Wladimir Putin zum Thema Gas sagte, „auch hier wird gelogen“?

Sergej Lawrow: Das ist halbe Wahrheit, was wohl noch schlechter als direkte Lüge ist, weil man versucht, die eigene Position als rechtlich tadellos darzustellen. Obwohl der Begriff „rechtlich“ hier nicht passt. Alle diesen Dokumente – die Charta von Paris für ein neues Europa, die Dokumente des OSZE-Gipfels von Istanbul 1999 – das sind politische Verpflichtungen.

Wie auch die Grundakte zwischen Russland und der Nato 1997 auch ein politisches Dokument ist. Alle diesen politischen, auf der höchsten Ebene feierlich erklärten Verpflichtungen, die eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen zu festigen, die militärische Infrastruktur nicht zu verschieben, die bedeutenden Streitkräfte nicht zu stationieren,  wurden kontinuierlich zerstört, einschließlich, wie Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, der fünffachen Erweiterung der Nato trotz aller Versprechen. Gerade deswegen werden wir jetzt nur auf rechtlich verbindlichen Sicherheitsgarantien beharren (andere Beschlüsse kann es nicht geben) – „vertraue, aber überprüfe“.

Sie erwähnten die OSZE – das ist ein einzelnes Thema davon, wie sich diese Organisation positionieren will. 1975, als die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet wurde (damals noch der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), sagte US-Präsident Gerald Ford feierlich, ich würde sogar sagen, gehoben: „Die Geschichte wird über diese Konferenz nicht danach, was wir hier heute sagen, sondern danach, was wir morgen machen werden, urteilen, und nicht nach den Versprechen, die wir heute geben, sondern nach den Versprechen, die wir erfüllen“.

Wladimir Solowjow: Das ist weise.

Sergej Lawrow: Ich würde sagen „goldene Worte“. Wir richten uns gerade nach diesem Testament eines der großen US-Präsidenten.

Wladimir Solowjow: Zugleich sagte Jens Stoltenberg, dass Russland  nie versprochen wurde, dass sich die Nato nicht gen Osten erweitern wird, und was mir  Michail Gorbatschow sagte. Danach zeige ich das Video Michail Gorbatschow, der sagt: „Wieso nicht versprochen? J. Baker versprach mir am 9. Februar 1990. Er sagte, es wurde gesagt, geschrieben, es gibt Entschlüsselungen“. Für diese Menschen hat nur das Sinn, was auf Papier steht. Ob sie uns zumindest irgendwo tatsächlich die Nichterweiterung der Nato gen Osten versprochen haben? Das ist so ein Narrativ, den die Amerikaner ständig wiederholen.

Sergej Lawrow: Natürlich, versprochen. Ich habe vor kurzem die Erinnerungen eines britischen Diplomaten gelesen, der an Verhandlungen teilnahm, die unter anderem mit der Wiedervereinigung Deutschlands und den Themen verbunden waren, die um dieses Thema ein einheitliches Deutschland im Kontext der Nato, Atomwaffen, die es östlich der Linie, an der sie sich damals befand, betrafen. Er sagte, ja, sie haben aufrichtig versprochen, dass sich die Nato nicht erweitern wird, doch natürlich meinten sie das nicht. Sie wurden von der historischen Chance getrieben, ein neues Europa aufzubauen, wo es keine Konfrontationen u.a. geben wird. Zbigniew Brzeziński sagte direkt in einem Gespräch mit seinen Kollegen: „We tricked them“.

Wladimir Solowjow: Unter Boris Jelzins forderten wir ebenfalls keine schriftliche Verpflichtungen, im Gegenteil, wir stimmten während des Besuchs in Polen dem zu, dass…

Sergej Lawrow: Das ist alles, was in unseren Beziehungen mit dem Westen in der Zeit des Verschwindens der Sowjetunion und Aufbaus neuer Beziehungen gab – das sagte mehrmals Russlands Präsident Wladimir Putin. Das war ein absolut präzedenzloses Niveau des Vertrauens, Wunsches, befreundet zu sein, beinahe Verbündeten zu werden, wie sich Wladimir Putin ab und zu erinnert. Doch das alles war ein Fehler, heute verstehen wir das sehr gut. Man kann diesen Menschen nicht aufs Wort glauben.

Wladimir Solowjow: Der Mensch, der einst den Posten des Außenministers Russlands innehatte, und jetzt ein Rentner in Florida ist, Herr Kosyrew, äußerte sich elaboriert, dass Russland jetzt der Nato beitreten sollte. Warum will Russland sich nicht der Familie der zivilisierten Völker anschließen?

Sergej Lawrow: Für viele unsere politischen Vertreter, oppositionelle, ist der Westen ein absolutes Vorbild, unbestrittener Anführer, dem man in allen Bereichen folgen soll. Sie sehen keine Nachteile im Westen, sehen keine Mängel darin, was der Westen in der ganzen Welt macht, indem Länder, Staatlichkeit zerstört wird. Es gibt jene, die einfach sich dem unterordnen wollen, was vor sich geht. Wozu soll man hinter Ozean, nach Florida fahren? Ich lese da täglich. Die Administration des US-Präsidenten versorgt uns mit solchem Digest, wo es Artikel aller Massenmedien Russlands gibt. Darunter „Meduza“, „Republic“, „Nowaja Gaseta“. Auf diesen Ressourcen…

Wladimir Solowjow: Michail Bulgakow sagte doch: „Lesen Sie nicht…“

Sergej Lawrow: Sie sind doch nicht kommunistisch…

Wladimir Solowjow: Im Wesen sind sie gleich, nur mit entgegengesetzter Idee.

Sergej Lawrow: Ich habe seit langem bemerkt, dass ich jetzt, wie auch in der Sowjetzeit, gelernt habe, hinter den Titulierungen zu lesen und verstehen, worum es geht. Mit vielen Massenmedien kann man jetzt ebenso umgehen. Es gab zum Beispiel Lobreden in „Republic“, in der „Nowaja Gaseta“. Ein unser bekannter Oppositionelle beschrieb das, was der Westen als Krise im Frühjahr dieses Jahres an der Grenze zur Ukraine darzustellen versuchte, als wir  Übungen durchführten (damals sorgte es für großes Aufsehen in der ganzen Welt). Dann gingen die Übungen zu Ende und die Truppen kehrten in die Orte  ihrer ständigen Stationierung zurück. Es wurde gesagt: „Sehen Sie, wie Wladimir Putin sich erschrocken hat. Er wurde von Joe Biden angerufen, und die Truppen wurden sofort abgezogen“. Das schreibt ein ernsthafter Mensch, der in unserem politischen System war und als interessant galt (er war übrigens bei Ihnen bei einigen Diskussionen). Dann erschien in der „Nowaja Gaseta“ ein großer Artikel unter dem Titel „Das Schicksal eines Außenseiters. Wohin die Außenpolitik Russlands führt“. Natürlich war es über die Russische Föderation, die sich nicht damit abfinden kann, dass man ihren Platz in internationalen Beziehungen einnehmen soll. Sie verlor den Kalten Krieg und alles. Man hätte sich danach bescheidener benehmen sollen. Dort bleiben, wo sie sich nach dieser Niederlage erwies. Als historisches Parallel, historisches Beispiel wird ein Hinweis auf Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht. Sie verloren, fanden sich ab und bekamen eine „schöne Demokratie“. Das schreibt einer der ehemaligen Vizeaußenminister der damaligen Zeit, die sie erwähnten. Er befasste sich übrigens aktiv mit unseren Kurilen-Inseln auf den Verhandlungen mit Tokio.

Wladimir Solowjow: Es ist nicht erstaunlich.

Sergej Lawrow: Es gibt eine ganze Reihe anderer „Offenbarungen“. Es ist eine ziemlich ernsthafte Angelegenheit, wenn man den Westen als die Wahrheit letzter Instanz ansieht.

Wladimir Solowjow: Dieser Irrtum war für viele typisch. Doch dabei sagte er am Anfang der Amtszeit Wladimir Putins, dass „wir nicht gegen“ andere Bedingungen des Nato-Beitritts, auf Augenhöhe, bei Partnerschaftsbeziehungen sind. Welche Bedingungen werden uns vorgeschlagen? Ist eine Situation möglich, bei der Russland der Nato beitreten könnte?

Sergej Lawrow: Natürlich nicht. Ich sehe keine solche Situation, weil sich der ganze Prozess nicht um die Nato bzw. EU dreht. Es geht darum, dass der Westen keine mehr oder weniger vergleichbare nach seinem Einfluss Rivalen in der internationalen Arena haben will. Daraus ergibt sich solche „Hysterie“ gegenüber dem Aufstieg Chinas. Dieser Aufstieg erfolgte, weil China die Spielregeln, die der Westen in die Weltwirtschaft, Weltfinanzen implementierte, annahm. Und im Rahmen dieser Globalisierung, nach den Regeln des Westens, gewann es gegen den Westen auf seinem Feld. Jetzt fordern Washington, Brüssel, alle WTO-Regeln zu ändern, die WTO zu reformieren. Sie sagen direkt, dass sich damit Amerika und Europa befassen sollen. Alle anderen sollten sich keine Gedanken darüber machen. Wir werden ihnen dann sagen, was man machen soll. Ich sehe hier sogar keine Ideologie. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte mehrmals, dass es nicht um die Ideologie, sondern vor allem um den Kampf um den Einfluss geht.

Wladimir Solowjow: Napoleon sagte, dass der Krieg in erster Linie Geografie ist. Ist Politik auch vor allem Geografie?

Sergej Lawrow: Ja, so ist es.

Wladimir Solowjow: Heißt es, dass wir Feinde sind? Also für die Nato sind wir Feinde, und ihre Aufgabe ist es, uns einfach zu zerstören?

Sergej Lawrow: Die Form, die dieses Leben, Geografie bekommen kann, kann auch Gegnerschaft heißen. Aber auch Rivalität, Konkurrenz. Wäre der Westen auf eine faire Konkurrenz eingegangen, wäre es meines Erachtens ein optimaler Ausweg aus der jetzigen Konfrontation.

Wladimir Solowjow: Das wäre nicht der Westen gewesen.

Sergej Lawrow: Das wäre nicht der Westen gewesen. Jetzt wollen sie die Regeln der Globalisierung und der WTO ändern, nur weil China auf Grundlage dieser Regeln die Führungspositionen hat. Wenn das Tempo Chinas beibehalten wird, wird es zum Jahr 2030 nach allen Kennzahlen die erste Macht.

Wladimir Solowjow: Da wir das WTO-Thema anschnitten – wieso konnten wir das überhaupt machen, wir sollten uns schämen, sie führten Sanktionen gegen uns ein, und wir führten eigene Maßnahmen ein, statt zu weinen. Nun wird gesagt, dass sie zählten und wir ihnen Geld schulden.

Sergej Lawrow: Das macht nicht die WTO.

Wladimir Solowjow: Man wendet sich an die WTO.

Sergej Lawrow: Die WTO muss ihrem Verfahren folgen. Jetzt ist sie in einem bedeutenden Maße lahmgelegt. Das Organ zur Regelung der Streitigkeiten war bis vor kurzem handlungsunfähig und funktionierte nicht. Als die Chinesen sich an dieses Organ mit absolut begründeten, gerechten Beschwerden gegenüber den USA wegen unlauteren Wettbewerbs wandten, griffen die USA zu Verfahrens-Tricks und blockierten die Füllung der Stellen in diesem Organ, und es hatte kein Quorum.

Wladimir Solowjow: Jetzt wandten sich da die Europäer und sagen: was macht ihr, die Russen? Sie fügten uns einen riesengroßen Schaden zu, obwohl wir sie warnten. Joe Biden setzte sie unter Druck und gab zu, dass Europa Sanktionen nicht einführen wollte, und da stellte sich heraus, dass wir Wahrheit sagten.

Sergej Lawrow: Man kann diese Frage überhaupt nicht besprechen. Das ist so ein beschämender Schritt seitens der EU.  Es ist bitter für die Politiker, die sich dazu entschieden, solche Erklärungen mit Beschwerden gegen die Russische Föderation öffentlich zu machen. Das ist einfach unfair.

Wladimir Solowjow: Alle sagten: Russland hat sich viel eingebildet! Die Wirtschaft ist kaum zu sehen. Wie kann es sich wagen, einen Brief an die Amerikaner zu schreiben, Forderungen zu stellen? Alle, die den Westen wie eine Sonne ohne Flecken betrachten, behaupteten, dass sie mit uns überhaupt nicht sprechen werden, sogar nicht lesen werden. Wer sind sie überhaupt? Sie werden jetzt ausgewischt. Zugleich haben die Amerikaner es nicht abgelehnt, wie Sie sagten. Sie erforschen es aufmerksam. Es sind die Richtungen eines Dialogs skizziert, der sofort nach den Ferien, in der nächsten Zeit stattfindet. Wer von Russland wird an diesem Dialog teilnehmen? Wer von der US-Seite? Es scheint, dass die Amerikaner auch keine Einigung haben, es gibt Meinungsverschiedenheiten in der Position Jake Sullivans, in den Kommentaren und der Position Antony Blinkens (vielleicht sind sie ja stilistisch, doch es entstand solcher Eindruck).

Sergej Lawrow: Das wird angekündigt. Ich will sagen, dass es das Außenministerium und das Verteidigungsministerium sein werden. Uns sind die Pläne der Amerikaner bekannt. Sie kennen unsere Pläne. Ich denke, dass es in der nächsten Zeit bekannt sein wird.

Wladimir Solowjow: Bereiten wir uns im täglichen Format auf diese Verhandlungen vor?

Sergej Lawrow: Wir sind bereits seit der Sowjetzeit immer bereit.

Wladimir Solowjow: Obwohl nicht alle von uns Pioniere waren.

Sergej Lawrow: Wenn man ernsthaft spricht, tauchten die Sicherheit des Landes und die Probleme, die von Präsident Wladimir Putin hervorgehoben wurden, nicht gestern auf und erfordern die Schaffung eines Forschungsinstituts für ihre Erforschung.  Mit diesen Problemen befasst sich eine solide Gruppe der Experten. Gerade sie wird für die Vorbereitung der Position, Durchführung und Einschätzung der Verhandlungen zuständig sein. Wie Russlands Präsident Wladimir Putin gestern in der TV-Sendung „Moskau. Kreml. Putin“ sagte, werden wir die Einschätzung für diese Verhandlungen und die Bestimmung der Maßnahmen, die von uns erforderlich sein werden, auf Grundlage des Berichts, der von Experten vorgelegt wird, geben.

Wladimir Solowjow: Zurück zu den Experten. Die Amerikaner waren sehr darüber empört, dass wir „öffentlich“ vorgingen. Es wird weiterhin gesagt, dass sie wollen, dass die Gespräche geschlossen verlaufen. Auf der anderen Seite wird behauptet, dass sie eigene „Ansprüche“ haben. Dabei sagen verschiedene Menschen, die noch vor kurzem Vertreter der Macht waren, wie Michael McFaul (der es aber verwechselte, er wurde zum Botschafter in der Russischen Föderation ernannt, und er war der Botschafter bei „Echo Moskwy“, daraus ergibt sich solche Ineffizienz seiner Tätigkeit), dass man überhaupt fordern soll, dass Russland die Krim zurückgeben und sich aus Donezbecken abhauen soll. Also die Führung an Alexej Nawalny und das Land aufteilen. Erwarten wir eine Liste der Forderungen, die jede Verhandlungen in eine absolute Farce verwandeln werden, oder wird es dazu nicht kommen?

Sergej Lawrow: Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, warum wir unsere Initiative öffentlich machten. Das Außenministerium hat das bereits kommentiert. Wir wissen über die Fähigkeit des Westens, jede für sie unbequeme Fragen zu verwischen. Wenn alles fair verläuft, sieht die diplomatische Praxis folgendes vor – wir versammeln uns, übergeben unsere Vorschläge, uns werden Gegenvorschläge gegeben. Sie werden analysiert, dann setzen sich die Verhandlungsteilnehmer an einen Tisch und beginnen, eine gemeinsame Basis zu machen, die sich dann in ein Dokument verwandelt. So ist es, wenn auf beiden Seiten der Wunsch vorhanden ist, sich zu einigen. In diesem Fall haben wir große Zweifel daran, dass der wichtigste von unseren Vorschlägen – eine bedingungslose Forderung – Nichterweiterung der Nato gen Osten, nicht verwischt wird, wenn man einen traditionellen Weg geht.  Darüber wird nicht einmal so sehr im Westen gesprochen. Unsere Nicht-System-Vertreter und sogar einige System-Vertreter behaupten, dass alle diplomatischen Normen verletzt sind. Sie erwähnten „Echo Moskwy“. Vor kurzem sagte ein bekannter Moderator (ich denke, er wohnt nicht in der Russischen Föderation) eben, dass es ein diplomatischer Fehler war, und sich anständige Menschen sich so nicht benehmen u.a.

Wir werden darauf warten, was die Amerikaner uns als Antwort vorschlagen werden. Wir werden natürlich ausgehend von eindeutigen, nicht doppelsinnigen Anweisungen des Präsidenten Russlands arbeiten.

Wladimir Solowjow: Sie haben ausweichend geantwortet.

Sergej Lawrow: Warum?

Wladimir Solowjow: Es ist noch alarmierender geworden. Es ist alarmierend, wenn der diplomatische Dienst die Begriffe wie „die Antwort wird militärisch und militärtechnisch…“ nutzt…

Sergej Lawrow: Russlands Präsident sagte - „militärtechnisch“.

Wladimir Solowjow: Ja, aber der Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sagte, dass militärisch und militärtechnisch…

Sergej Lawrow: Russlands Präsident sagte: „militärtechnisch“. Ich sage noch einmal, er betonte in Ihrer Sendung, dass der Beschluss, wie diese Antwort konkret sein wird, wie sie aussehen wird, wird von ihm auf Grundlage des Berichts der Militärspezialisten getroffen.

Wladimir Solowjow: Russlands Präsident Wladimir Putin sagte einst, dass manchmal, wenn er Sergej Lawrow zuhört, scheint es ihm, dass Sergej Schoigu spricht… Ich verstehe ja, dass die Zeit so ist. Jetzt, wenn wir mit Amerikanern sprechen werden, werden wir versuchen, ihre Schritte vorauszuahnen, wir bereiten wir uns darauf vor? Denn es ist ja eine ernsthafte, schwere Partie.

Sergej Lawrow: Man sollte sich das zunächst ansehen. Auf jeden Fall wird am Ende alles auf den Tisch gelegt. Ich habe in einer unserer Ressourcen (in „Republic“ oder in der „Nowaja Gaseta“) gelesen, dass Russland Forderungen anhäufte – das sollte gegeben werden, dorthin darf man nicht gehen, hier darf nichts stationiert werden. Und ist Russland selbst bereit, irgendwelche Schritte zu unternehmen? Jede Verhandlung sollte so laufen, dass sich in der Mitte die Positionen der Partner treffen, die am Verhandlungstisch sitzen. Menschen, die solche Argumente anführen, vergessen das Wichtigste -  wir haben unseren Teil des Weges schon lange her abgegeben, und sogar mit Überschuss. Man näherte sich direkt uns an. Man muss von einem Punkt ausgehen, den wir 1997 vereinbarten. Wenn man die Mitte nimmt, dann sollen wir noch etwas nach links gehen.

Wladimir Solowjow: Nach links gehen ja gerne viele Männer. Das ist gefährlich. Sonst werden wir in den Kommunismus als linke Bewegung geraten.

Sergej Lawrow: Jeder Mann hat das Recht, nach links zu gehen.

Wladimir Solowjow: Wozu werden sie ja das bringen? Jetzt werden ja „Sanktionen aus der Hölle“ kommen, wie einer meiner Teilnehmer sagte: „Im Paradies haben sie keine Verbindung, deswegen können sie uns nur etwas aus der Hölle bringen“. Kamala Harris sagte, dass sie solche Sanktionen einführen könnten, die niemand je gesehen hat… Werden wir uns in ein Nordkorea verwandeln? Unsere Menschen können dann nicht ins Ausland fahren. Wladimir Putin kann dann nicht in der Avenue Champs Élyseé shoppen, wie die deutsche Bundesministerin für Verteidigung ihm versprach. Ich sehe ja Wladimir Putin in der Avenue Champs Élyseé, umgeben von Kosaken. Sie werden uns wohl zum Anfang des 19. Jahrhunderts schicken. Die Situation ist ja trotzdem unangenehm. Die Situation wird zugespitzt. Was kommt, der Eiserne Vorhang, die Sowjetunion?

Sergej Lawrow: Manchmal ist diese Hysterie, die um die Russische Föderation entfacht wird, tatsächlich eine wahre Hysterie. Nicht bei allen. Bei soliden Anführern sehe ich überhaupt keine Hysterie. Ich hatte noch die Gelegenheit, das Treffen von Wladimir Putin und Joe Biden in Genf zu erwähnen, wo ein absolut erwachsenes Gespräch zu konkreten Dingen beim vollen Verständnis, dass unsere Positionen bei den wichtigsten Angelegenheiten auseinandergehen, verlief. Doch es war ein Gespräch von erwachsenen Menschen und sehr erfahrenen Politikern, die im Ergebnis die Wege eines Dialogs skizzierten. Diesen Dialog hatte es seit vielen Jahren nicht gegeben.

In der Nato haben sich „nicht erwachsene“ Menschen versammelt. Die Allianz hat parallel mit der Wiederaufnahme der Gesprächskanäle zwischen Moskau und Washington sie auch gebrochen. Jens Stoltenberg entfernte acht Menschen. Die Zahl unserer Mitarbeiter wurde auf zehn Mitarbeiter (einschließlich des technischen Personals) reduziert. Mehr konnte es in Brüssel nicht geben. Es ist unmöglich, so zu arbeiten. Es gibt Menschen, die die Notwendigkeit eines Dialogs unter jeden Umständen verstehen. Und es gibt auch umgekehrt. Sie erwähnten Michael McFaul. Man kann sich auch an viele erinnern, und nicht ehemalige, sondern amtierende Politiker im Baltikum, Polen (Ukraine ist hier außer Konkurrenz). Sie entfachen Hysterie um jede Handlung seitens Russlands ohne zu versuchen, das zu klären, sich an unseren Platz zu stellen, und sehen, welche Argumente wir haben. Diese Hysterie erinnert manchmal an unsere Gegner, die von Kukryniksy dargestellt wurden. Viele wollen diese Gestalten nutzen und von dort aus berichten. Ich rechne mit der Vernunft unserer westlichen Partner. Trotz aller Wege der Wahlzyklen, die solche Ergebnisse bringen, wie jetzt in Deutschland, werden erfahrene Politiker gefragt sein.

Wladimir Solowjow: Werden wir uns nicht in ein Nordkorea verwandeln? Aus der Sicht von Teilen des Westens, Verbote von Reisen für die Staatsbürger, von Warenlieferungen nach Russland.

Sergej Lawrow: Ich kann nicht für Wahnsinnige bürgen, die die westlichen Länder gerade in dieser Richtung bewegen. Bislang sehe ich keine solchen Menschen an der Macht im Westen. Ich kann nicht für Wahnsinnige bürgen, die auf diese Weise die Balten, Ukrainer, Polen außer Gleichgewicht zu bringen versuchen. Ich bin davon überzeugt, dass wenn dieses phantastische Szenario in einem jeweiligen Maße umgesetzt wird, werden wir eine Antwort finden.

Vor kurzem fand ein Gespräch des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, mit dem Premierminister Luxemburgs, Xavier Bettel, statt. Der Außenminister Luxemburgs Jean Asselborn (wir waren mit ihm ungefähr zu einem gleichen Zeitpunkt ernannt) sagte mit mir in Gesprächen und öffentlich, dass Sanktionen sinnlos sind.  Jemand hat noch nicht verstanden, dass Russland jeden Tag seine Fähigkeit beweist, jede Probleme zu lösen und wird nicht seine Lebensweise und Überzeugungen ändern, nur weil der Westen böse ist und irgendwelche Technologien sperrte. Das Flugzeug MS-21 ist zwar geflogen, doch anderthalb Jahren wurden verloren.

Wladimir Solowjow: Wird sich das innenpolitische Leben des Landes auch nicht verschlechtern? Menschen sind darüber besorgt, dass wenn jetzt nach Feinden gesucht wird…

Sergej Lawrow: Dass wir eine belagerte Festung werden? Ich bin davon überzeugt, dass so etwas in den Plänen der russischen Führung nicht zu finden ist. Während der Auftritte des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, ist ständig seine Anhänglichkeit an die Erweiterung der Möglichkeiten für eine freie Entwicklung der Gesellschaft und demokratischen Grundlagen zu hören.

Wladimir Solowjow: Wer ist dann jetzt „Demokratie“? Wir oder die Länder, die „Foren für Demokratie“ durchführen, die jene wählen, die für sie bequem sind? Russland und China wagen es nicht, das seien angeblich autoritäre Staaten.

Sergej Lawrow: Es ist nicht mehr bedeutend, wer Demokratie ist und wer nicht. Zumindest für mich haben die Begriffe den ganzen Sinn verloren. Sie erwähnten den „Gipfel für Demokratie“, der von US-Präsident Joe Biden einberufen wurde. Wenn man die Liste der Teilnehmer aufmerksam liest, sieht man, dass sie sogar nicht nach den Kriterien der „US-Demokratie“, was sie für ein Vorbild für demokratische Staaten halten, eingeladen wurden. Die überwiegende Mehrheit ist da jene, die dem Kurs der USA strikt folgen. Dort wurden auch einige Länder vertreten, die eigene Ansicht zur Welt haben, aber gute Beziehungen zu den USA haben wollen. Allerdings wollen alle gute Beziehungen zu anderen Staaten der Welt haben. Alles hängt davon ab, um welchen Preis das erfolgt.

Jetzt werden Pläne angekündigt, den „Gipfel für Demokratie“ für das nächste Jahr durchzusetzen, eine Organisation zu schaffen. Das ist ein direkter Antrag, eine Alternative für die UNO zu machen. Dort sind alle angeblich rückständig, Konservativen, und sie sind fortgeschritten und werden die Fahne der Freiheit tragen.  Das wird ein weiterer Versuch sein, das Zentrum des Treffens von Beschlüssen aus universellen Strukturen, wo man diskutieren muss, in ihre eigenen Strukturen zu verlegen, wo niemand besonders streitet. Das heißt, dass dort keine Wahrheit entstehen wird.

Wladimir Solowjow: Sie kennen die USA sehr gut. Wenn wir unsere Forderungen stellen, sagen – wollen wir nicht einander für Feinde halten, schlugen den Amerikanern vor, das von Kongress und Senat verabschiedete CAATSA-Gesetz zu ändern. Wir verstehen, dass es sogar nicht von Präsident abhängt.

Sergej Lawrow: Wir sagen das den Amerikanern nicht.

Wladimir Solowjow: Wir schlagen vor, einander nicht mehr als Feinde zu betrachten.

Sergej Lawrow: Das sind verschiedene Dinge. Wir baten nie jemanden, Sanktionen aufzuheben. Wir werden uns nicht vor jemandem erniedrigen.

Wladimir Solowjow: Uns nicht als Feinde betrachten, heißt, ihre Gesetzgebung ändern. Joe Biden kann weder mit dem Kongress noch mit dem Senat eine Einigung erreichen.

Sergej Lawrow: Wir haben nie gebeten, uns nicht als Feinde zu betrachten. Wir sagten, dass wir davon ausgehen, dass weder Russland noch die USA unüberwindbare Gründe haben, Feinde zu sein.

Wladimir Solowjow: Diplomaten sind ein höfliches Volk. Doch es wird so gedeutet: Sie haben uns auf der gesetzgebenden Ebene als Feinde „festgeschrieben“.

Sergej Lawrow: Wir werden nicht hinter ihnen herlaufen und um Aufhebung dieser Gesetze bitten.

Wladimir Solowjow: Joe Biden wird das unterzeichnen, und Kongress und Senat, die in ihrer antirussischen Politik einig sind, werden fragen, warum das unterzeichnet wurde. Ungefähr so war es mit dem iranischen Deal.

Sergej Lawrow: Es ist unmöglich zu garantieren. Bis zum Jahresende sollen die Wiener Verhandlungen wiederaufgenommen werden (sie haben Weihnachten schon gefeiert). Der Iran betonte von Anfang an unter seinen Bedingungen für die Rückkehr zum Deal neben Aufhebung der Sanktionen, die Washington gegen den Iran einführte, dass die USA ihre Verpflichtungen vollständig erfüllen, bei der Umsetzung der Wirtschaftsprojekte Teherans und seiner ausländischen Partner, die diesem Deal vollständig entsprechen, nicht stören sollen. Der Iran schlug noch vor, festzuschreiben, dass die USA nicht mehr aus der Vereinbarung austreten werden, die wir wiederherstellen werden. Die Amerikaner sagen, dass sie so nicht machen können. Gerade aus dem Grund, den Sie erwähnten. Das stimmt absolut. Viele Sanktionen gegen Russland, einschließlich  CAATSA und jene, die im Gesetz zur Unterstützung der Stabilität und Demokratie in der Ukraine festgelegt sind, alles, was vom Kongress gebilligt ist, kann seitens des Präsidenten und seiner Administration nicht geändert werden. Angesichts der dortigen Entwicklung ist die antirussische Hysterie ein vereinigender Faktor. Ich bin mir sicher, dass wir daran aus der Sicht von Stolz und Pragmatismus vergessen wollen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, eigene Verbundstoff-Flügel für unsere Flugzeuge und alles andere zu machen. Wir haben bereits das mit Lebensmitteln gemacht.

Wladimir Solowjow: Sie sind nicht imstande, die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen. Eine reale Garantie der Nichtverbreitung der Nato gen Osten ist ein russischer Grenzsoldat bzw. russischer Stützpunkt. Dort kann man sich nicht gleich annähern. Wie es die Amerikaner machen – sie verlegen die Militärinfrastruktur und stellen uns vor dieser Tatsache.

Sergej Lawrow: Gerade das ist eine rote Linie. Jene, die Ohre haben, werden das hören. Dasselbe ist mit den Augen. Russlands Präsident hat das absolut eindeutig dargelegt.

Wladimir Solowjow: Sie sagen, dass wir Truppen an der Grenze zur Ukraine stationierten. Wie viel genau – das wissen sie nicht, ob 94.000 oder 120.000 Militärs. In welcher Entfernung - das wissen sie auch nicht – 200 oder 400 km. Ich frage den ehemaligen Botschafter der Ukraine, wie groß die ukrainischen Truppen sind, wie nahe befinden sie sich zu unserer Grenze? Er sagt, dass es keine Rolle spielt, weil wir eine Ausgeburt der Hölle sind.

Sergej Lawrow: Und sie sind eine Ausgeburt des Paradieses. Das erstaunt mich nicht. Das ist ungeniert, ausgehend von den Positionen, die jetzt der Westen und die Nato einnehmen. Sie werden von Balten, Polen, Ukrainern gestachelt. Das ist offensichtlich. Wir sind auf unserem Territorium. Wie kann man noch eindeutiger unseren Freunden erklären, als das, was Präsident Wladimir Putin auf der Pressekonferenz sagte: sich eine Situation vorstellen, wenn an der Grenze der USA seitens Mexikos oder Kanadas dasselbe wie an der westlichen Grenze der Russischen Föderation vor sich gehen wird.

Die Ukraine wird mit Waffen gepumpt, man prahlt damit, dass seit 2014 Munition und Systeme geliefert wurden, darunter Angriffssysteme, im Wert von 2,5 Mrd. Dollar. Vom Oktober bis. November gab es Berichte, dass noch Panzerabwehrsysteme Javelin, Munition im Wert von fast 100 Mio. Dollar geliefert wurden. Ich schließe nicht aus, dass es den Wunsch gibt, die militaristischen Stimmungen zu schüren, einen kleinen Krieg zu machen. Und dann Russland für schuldig erklären, weitere Sanktionen einführen, um unsere Konkurrenzfähigkeiten zu unterdrücken. Ich las gestern, dass ein Vertreter in Europa sagte, wozu soll man warten, bis es beginnt? Ich schlug präventiv vor, Sanktionen zu treffen, und wenn es dazu nicht kommt, dann werden sie aufgehoben. Es ist klar, dass niemand sie niemals abschaffen wird.

Wenn wir die Situation in Europa besprechen, dann soll man ein paar Worte über die EU sagen. 2016 wurde die EU-Diplomatie von Federica Mogherini geleitet. Sie initiierte, bekam Unterstützung und beschloss gegenüber Russland die Politik, die auf fünf Prinzipien beruhte. Eines davon sah die Arbeit mit unseren Nachbarn in Richtung ihrer Entfernung von der Russischen Föderation vor. Es gab den Bedarf, mit unserer Zivilgesellschaft zu arbeiten (es ist klar, was da bedeutet). Das Hauptprinzip – die EU normalisiert die Beziehungen, wenn Russland die Minsker Vereinbarungen erfüllt. Jeder, der sie gelesen hat, wird verstehen, dass es politische Schizophrenie ist.

Federica Mogherini ging weg (die Frist lief ab). Es wurde Josep Borrell ernannt, der jetzt den europäischen außenpolitischen Dienst leitet. Ich kenne ihn seit langem, seit seinem Amt des Außenministers Spaniens. Er kam, sagte, dass er eine neue Russland-Politik will, die konstruktiv sein wird. Nach seinem Besuch in Moskau gab es starke Angriffe auf ihn, nur weil wir erklärten, was wir über Alexej Nawalny und alles andere denken: die Rolle Deutschlands und Europas im Ganzen bei der Entfachung dieser Lüge, Unfähigkeit, irgendwelche Fakten vorzulegen und auf elementare Fragen zu antworten, darunter jene, die die Opposition im deutschen Parlament stellte. Äußerst klare Fragen und absolut beschämende Versuche der vorherigen deutschen Regierung, faire Antworten zu vermeiden. Als Josep Borrell die Vorbereitung der neuen Initiative beendete, beschloss der Europäische Rat, fünf Prinzipien von Federica Mogherini (Russland „soll“ die Minsker Vereinbarungen erfüllen) beizubehalten und erklärte feierlich ein neues Herangehen: „abstoßen, abschrecken und einbeziehen“. Ich habe mir die Choreografie davon vorgestellt. Entschuldigung, das ist politisches Kamasutra.

Wladimir Solowjow: Jedes Mal müssen Sie erneut erklären. Sie lasen Vorlesungen für eine endlose Zahl der US-Außenminister, die wie auf dem „weißen Blatt“ stattfanden. Nun soll man europäische Diplomaten ausbilden. Es stellte sich unter anderem heraus, dass niemand lesen kann. Die Minsker Abkommen – das ganze Europa schreit, dass Russland kein Garant, sondern eine Konfliktseite ist. Es läuft die Ukrainisierung der europäischen und amerikanischen Politik.

Hat es überhaupt den Sinn, mit den Ukrainern etwas zu besprechen? Gemeint wird ihr politisches Establishment. Denn diese Hetze, die Wladimir Selenski wie auch ein neuer Pawel Klimkin, der sich als Außenminister darstellt, jetzt aber unter einem anderen Namen, kann sogar nicht kommentiert werden. Ich habe das Gefühl, dass sich die Gesichter ändern, das Wesen Pawel Klimkins bleibt aber unverändert.

Sergej Lawrow: Ein schwieriger Fall. Wladimir Selenski, der bei den Wahlen in Gestalt von Wassili Goloborodko aus der TV-Serie „Der Diener des Volkes“ mit diesen progressiven Prinzipien, Aufrufen, das Volk von den Oligarchen zu befreien, die Rechte der Russen und anderer nationalen Minderheiten einzuhalten, und das wichtigste, den Frieden in Donezbecken zu bringen, erschien, unterscheidet sich kaum von Arseni Jazenjuk. Als Premierminister reiste er an die Grenze, zog da auch einen Stacheldraht, grub einen Graben, den alle vergessen haben. Arseni Jazenjuk nannte die Bewohner der ausgerufenen Republiken „Unmenschen“.

Wladimir Solowjow: „Subhumans“. Er schrieb das in einem Appell.

Sergej Lawrow: Jetzt sprach Wladimir Selenski in einem Interview über sie und nannte sie „Einzelwesen“. Etwas früher sagte der Präsident der Ukraine ziemlich emotional, dass „wenn sich jemand in der Ukraine als Russe wahrnimmt, soll er nach Russland abhauen“. Das wurde gesagt, kein einzelner Vertreter des Westens – in keiner europäischen Hauptstadt, auch nicht in den USA, kommentierte diese eklatante Erklärung.

Wladimir Solowjow: Er nannte „Einzelwesen“ die Menschen, gegen die Sanktionsbeschränkungen des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine eingeführt wurden.

Sergej Lawrow: Im Donezbecken stehen fast alle unter Sanktionen.

Wladimir Solowjow: Man fragte ihn: „Meinen Sie also, dass sie keine Menschen sind?“. Er sagte: „Und meinen Sie, dass sie Menschen sind? Sie sind Einzelwesen“.

Sergej Lawrow: Er ist im Prinzip ein „großer Demokrat“. Die Analyse, die die Beobachter des ukrainischen Lebens machen, zeigt, dass er einen Krieg sowohl gegen Oligarchen führt, indem ein präzedenzloses Gesetz verabschiedet wurde, der mit politischen Beschlüssen die Abrechnung mit Opponenten „rechts“ ermöglicht. Gleichzeitig auch mit Opponenten „links“ – Viktor Medwedtschuk.

Wir wandten uns mehrmals an unsere westlichen Kollegen, damit sie alle diesen Angelegenheiten kommentieren. Die Kommentare sind lustig. Im Oktober dieses Jahres fand in Brüssel ein Ukraine-EU-Gipfel statt, auf dem eine Erklärung angenommen wurde: „Russland - Aggressor“, „Russland - Konfliktseite“. Die Ukraine wurde dafür gelobt, wie sie die Minsker Abkommen erfüllt. Zudem wurde von Russland gefordert, die Arbeit der Wirtschaftsunternehmen im Donezbecken, die Energieversorgung und Wasserversorgung dieser von Kiew unkontrollierten Gebiete zu gewährleisten, damit „die Einwohner dieser Gebiete die Rechte nutzen, die die Einwohner der restlichen Ukraine nutzen“.  Dann, wenn Russland alles macht, wird die EU in den ersten Reihen nach der Wiederherstellung der Wirtschaft dieser Gebiete sein, nach ihrer Wiedervereinigung mit der „Heimat“. Das steht schwarz auf weiß geschrieben.

Noch eine interessante Sache. Als sich Angela Merkel, Emmanuel Macron und Wladimir Selenski trafen, machte nach dem Treffen nicht der ukrainische Sprecher, sondern der deutsche Sprecher Steffen Seibert eine Erklärung, dass die Seiten sich einig in der Notwendigkeit waren, die Minsker Abkommen zu erfüllen, und diese Einheit wird weiterhin ihre Position im Normandie-Format und zur Ukraine-Krise bestimmen. Also Deutschland unterstützte die Deutung, genauer gesagt, die Verzerrung der Minsker Abkommen durch Kiew. Das ist auch anschaulich.

Wir fragten dann die Franzosen darüber, dass man mit Donezk und Lugansk sprechen soll, wie das in den Minsker Abkommen festgeschrieben ist. Die Franzosen sagten, dass sie in den Minsker Vereinbarungen nichts sehen, was Konsultationen mit diesen „Separatisten“ vorsehen würde. Es wurde so direkt gesagt. Dann, als wir sie darauf aufmerksam machten, dass drei TV-Sender durch Beschluss Wladimir Selenski als Verstoß gegen alle Verpflichtungen der Ukraine in der OSZE, Europarat, UNESCO geschlossen wurden, sagten die Franzosen, dass der Beschluss auf Grundlage der Gesetzgebung der Ukraine getroffen wurde.

Wladimir Solowjow: Worüber sollen wir dann mit ihnen sprechen?

Sergej Lawrow: So ist es. Sie beginnen jetzt auf allen Seiten, um sich im Normandie-Format zu treffen, werben für gewisse „zehn Schritte“, die am Anfang Dezember dieses Jahres in das Normandie-Format eingereicht wurden, gaben den Entwurf den Amerikanern, der Kontaktgruppe. Das ist einfach Verzerrung der Vernunft. Es wird dringend gefordert, den Waffenstillstand einzuführen.

Wladimir Solowjow: Von wem?

Sergej Lawrow: Von Russland, vom Donezbecken.

Wladimir Solowjow: Mögen sie das von sich selbst fordern.

Sergej Lawrow: Im Juli 2020 wurde eine Vereinbarung erreicht (Russlands Präsident Wladimir Putin kommentierte das), nicht auf jeden Schuss sofort zu antworten, sich zu beruhigen und der Führung berichten. Am nächsten Tag, nachdem das abgestimmt worden war, gaben die Republiken entsprechende Befehle heraus. Kiew erteilte keinen Befehl, machte nur eine Erklärung, die den Sinn des Erreichten verzerrt (ich werde jetzt nicht auf Details eingehen). Er wurde mehrmals dazu aufgerufen, dass auf Gesetzesebene das gestaltet wird, was vereinbart wurde. Letzten Endes wurde das gemacht. Doch dann sagte der Oberbefehlshaber der Ukrainischen Streitkräfte, Waleri Saluschny, öffentlich, dass alles nicht so ist, bei ihnen jeder Feldkommandeur (und dort gibt es viele Banditen, Freiwilligenbataillone) selbst darüber entscheidet, auf wen und wann er schießt.

Wladimir Solowjow: Plus ausländische private Militärfirmen…

Sergej Lawrow: Vor einigen Tagen wurde mit Mühe eine Erklärung gemacht. Demnach werden sie jedoch diese Vereinbarung erfüllen. Ich beobachte regelmäßige Reportagen unserer Journalisten aus dem Donezbecken an der Kontaktlinie: Beschädigung von einer riesigen Zahl der Objekte im zivilen Sektor, Tod von friedlichen Einwohnern, Leben unter ständiger Gefahr des Beschusses. Ich frage meine Gesprächspartner, die über „Separatisten“ sprechen, dass sie zur Ordnung gerufen werden sollen, die Ukraine nicht provozieren, ihr Territorium nicht beschießen sollen, wo ist eine solche Arbeit der Journalisten auf der linken Seite der Kontaktlinie? Damit wir alle sehen, wie die ukrainische Armee leidet – die Ukrainischen Streitkräfte, Teilnehmer dieser besonderen Operation. Wir sahen nichts ähnliches. Der westliche Teil der Kontaktlinie wird nur gezeigt, wenn Wladimir Selenski im Helm, Schutzweste eine weitere Rolle spielt. Das war’s. Es ist beschämend.

Als es zur Migrantenkrise (das ist zur Frage über die Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen) in der heißen Phase kam, ließen die Polen keine Journalisten auf ihren Teil der Grenze, obwohl Journalisten da gelangen wollten. So will man nicht in den westlichen Teil der Kontaktlinie lassen, weil dann der Mythos darüber stürzen wird, dass die Aufständischen dann alles zerbombten und die friedlichen Einwohner vernichteten.

Wladimir Solowjow: Wie kann man über die Minsker Abkommen sprechen und ihre Erfüllung fordern, wenn Russland die Minsker Abkommen ganz anders deutet als andere Teilnehmer?

Sergej Lawrow: Wir deuten sie so, wie sie sind.

Wladimir Solowjow: Ja, aber wir sind die Einzigen, die sie so deuten, wie sie sind. Die Amerikaner übernahmen die ukrainische Position, die Franzosen – die ukrainische, die Deutschen – die ukrainische.

Sergej Lawrow: Die Amerikaner unterscheiden sich jedoch in ihren Herangehensweisen. In Genf, auf dem Treffen des US-Präsidenten und Russlands Präsidenten sagte Joe Biden, dass sie bei der Erfüllung der Minsker Abkommen helfen wollen, dass sie sich in die aktuellen Formate nicht einmischen wollen (wie es unter Donald Trump war. Dort gab es auch einen parallelen Dialog zwischen Wladislaw Surkow und Kurt Volker), doch sind bereit zu helfen. Joe Biden sagte, dass er versteht, dass die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen die Bereitstellung von gewissen Typen der Autonomie vorsieht.

Wladimir Solowjow: Doch er wurde von Wladimir Selenski nicht verstanden. Deswegen kommt es jetzt zum Druck seitens der US-Presse gegen Wladimir Selenski? Er wird heftig kritisiert. Früher war das nicht der Fall.

Sergej Lawrow: Ja. Wladimir Selenski macht sehr oft unvernünftige Dinge. Man hat gerade Angst vor seiner Unvernunft, dass irgendeine Dummheit (darüber wird immer öfter m Westen geschrieben) einen Konflikt auslösen kann, den niemand braucht.

Wladimir Solowjow: Die Briten sagten ehrlich – wenn etwas in der Ukraine beginnen wird, sie werden sofort fortgehen.

Sergej Lawrow: Evakuierung. Wozu noch braucht man die Streitkräfte?

Wladimir Solowjow: Sie werden schnell fortgehen.

Sergej Lawrow: Zu den Minsker Abkommen: Der Höhepunkt des Zynismus, wenn unsere Position als Versuch Russlands, die Minsker Abkommen auf eigene Art zu deuten und von Kiew ihre Erfüllung in  der russischen Deutung zu fordern, dargelegt wird.

Wladimir Solowjow: Und wer erhört uns?

Sergej Lawrow: Alle. Sie tun einfach so, als ob sie nicht hören.

Wladimir Solowjow: Wenn sie es so machen, wie ist unser nächster Schritt? Wir wollen uns de facto mit ihnen nicht treffen, sagen, dass sie das erfüllen sollen, was sie übernommen haben.

Sergej Lawrow: Gott ist Wahrheit.

Wladimir Solowjow: Ja, ich höre oft diese Phrase, obwohl auch öfter von Militärs – „Der Gott ist nicht Stärke, sondern Wahrheit“.

Sergej Lawrow: Weil Alexander Newski nicht nur ein Diplomat, sondern auch ein Feldherr war.

Wladimir Solowjow: Wir werden also diese Wahrheit regelmäßig sagen?

Sergej Lawrow: Wir sollen auf der Unantastbarkeit der Minsker Vereinbarungen hart beharren.

Wladimir Solowjow: Und können wir irgendwelche Sanktionen gegen andere Teilnehmer einführen? Wir führen sogar gegen die Ukraine nicht ein normales Sanktionspaket ein. Auch wenn wir das erklären, halten wir uns nicht daran.

Sergej Lawrow: Das ist ein einzelnes Thema. Russland ist kein Anhänger der Sanktionen. Denn das, was jetzt vor sich geht, ist eine absolute Auswechslung der Diplomatie, der Kultur eines Dialogs, Kompromisses. Wenn etwas sich entwickelt, was dem Westen nicht gefällt, da geht es sofort um Sanktionen. Und die EU kopiert jetzt nicht mehr US-Methoden.

Wladimir Solowjow: Wir haben auch begonnen, neue Maßnahmen zu suchen. In diesem Jahr verhielt sich unsere Diplomatie aggressiv, offensiv, wie man das seit langem wollte. Sie wichen von Ihrem typischen höflichen, ironischen Stil ab und drücken hart, sehr hart unsere Position aus. Es wurde eine Korrespondenz mit den westlichen Partnern veröffentlicht, wobei gesagt wurde, „hören sie damit auf, zu lügen, es ist so geschrieben“.

Sergej Lawrow: Das ist kein aggressives Verhalten.

Wladimir Solowjow: Gemeint wird aus der Sicht der traditionellen diplomatischen Begriffe. Sie genieren sich nicht mehr, weiß - weiß und schwarz - schwarz zu nennen.

Sergej Lawrow: Wir haben uns auch früher nicht besonders geniert. Es wurde ziemlich hart über die Dinge gesprochen, die auf dem Verhandlungstisch zwischen Russland und Westen prinzipiell sein sollen.

Wladimir Solowjow: Können die Minsker Abkommen zusammenbrechen? Bis zu welchem Zeitpunkt werden wir dies dulden?

Sergej Lawrow: Russland ist daran nicht interessiert. Wir werden sie nicht ruinieren, doch wenn sie von jemandem noch ruiniert werden, dann sollen sie dafür haften.

Wladimir Solowjow: Russland wird sich also in einer Version des Normandie-Formats treffen?

Sergej Lawrow: Unter Bedingung, dass man damit aufhört, mit uns Narrenpossen zu treiben. Damit befassen sich jetzt unsere Partner, indem angeblich die Arbeit mit Kiew geführt wird, damit es die Vereinbarungen vor zwei Jahren erfüllt. Alle sind damit einverstanden, sich zu treffen, um Beschlüsse des Pariser Gipfels zu erfüllen. Wir sagen, dass man zunächst erfüllen soll und dann werden wir uns treffen, denn sonst werden die Beschlüsse des Pariser Gipfels und die Treffen der Anführer im Ganzen vollständig entwertet.

Wladimir Solowjow: Also die Position Russland ist jetzt – kein Schritt zurück?

Sergej Lawrow: Kein Schritt zurück von Minsker Vereinbarungen. Wir machten bereits einige Schritte zurück. Erstens sind die Minsker Vereinbarungen selbst ein Zugeständnis. Wir überredeten mit sehr viel Mühe Donezk und Lugansk zu ihrer Unterzeichnung, was den Verzicht auf eine eventuelle Unabhängigkeit nach der Erfüllung der Minsker Abkommen bedeutete. Zweitens, war ein sehr großes Zugeständnis die Steinmeier-Formel, der wir zustimmten. Es gab einen Streit, Pjotr Poroschenko wollte seine Unterschrift unter dem Sonderstatus nicht setzen, bevor dort Wahlen stattfinden, und sagte zynisch, dass wenn dort eine falsche Person gewählt wird, wozu soll man den Sonderstatus gewähren. Das ist auch ein Zeichen, wie sich ein Mensch zu seiner Unterschrift unter Minsker Abkommen verhält. Die Formel sah vor, dass der Status im Voraus abgestimmt wird, und am Wahltag vorläufig in Kraft tritt. Auf einer ständigen Grundlage sollte er ab dem Tag der Veröffentlichung des Schlussberichts der Beobachter darüber, dass die Wahlen fair und gerecht waren, funktionieren. Das ist normal.

Wladimir Solowjow: Werden wir uns mit der Bundesaußenministerin Deutschlands an einem Zeitpunkt treffen?

Sergej Lawrow: Ich hatte ein kurzes Telefongespräch mit ihr.

Wladimir Solowjow: Wird sie hierher kommen?

Sergej Lawrow: Ja. Wir haben sie eingeladen. Sie sagte, dass sie kommt.

Wladimir Solowjow: Verlief das Gespräch normal? Sie hatte zunächst ja scharfe Erklärungen gemacht.

Sergej Lawrow: Wir sind höfliche Menschen, trotz Ihrer Beschreibungen der russischen Diplomatie in der letzten Zeit.

Wladimir Solowjow: Wir sind höflich, aber beharrlich.

Sergej Lawrow: Als ich von Wladimir Putin beauftragt wurde, Russlands Präsidenten auf G20-Gipfel zu vertreten, hatte ich die Gelegenheit, mit Olaf Scholz, der Angela Merkel begleitete, zu sprechen. Sie ging auf eine solche untypische Geste ein – lud ihn ein, damit er die G20-Mitglieder kennenlernt.

Wladimir Solowjow: Doch er hat eine andere Position.

Sergej Lawrow: Das sind die Besonderheiten des deutschen Regierungssystems. Ich las sein Programm im Teil der Beziehungen zu Russland. Dort wurden ein tiefer, vielfältiger Charakter der Verbindungen zur Russischen Föderation, die Ausrichtung auf eine konstruktive Zusammenarbeit hervorgehoben. Doch zugleich wurden die „Annexion“, Krim, Zivilgesellschaft, Menschenrechte, alles zusammen erwähnt. Es ist ein unvermeidlich eklektisches Programm. Mal sehen. Alles wird von konkreten Schritten abhängen.

Wladimir Solowjow: Wir spitzen ja irgendwie zu. Ich will ja manchmal auch sagen: „Jungs, das neue Jahr kommt. Wollen wir das neue Jahr feiern“.

Sergej Lawrow: Und was spitzen wir zu?

Wladimir Solowjow: Nein, das machen nicht wir. Alles, was drumherum vor sich geht.

Sergej Lawrow: Sie feiern doch nicht das neue Jahr. Am 25. Dezember tranken sie Champagner, und zum Neujahr gehen sie einfach auf die Straße spazieren. Bei uns beginnt alles am 25. Dezember und endet am 13. Januar.

Wladimir Solowjow: Wir feiern ja im großen Stil. Wird das Neue Jahr friedlich sein? Wird es ein Jahr der Diplomatie sein oder kann es zu einem Jahr des Krieges kommen?

Sergej Lawrow: Ich hoffe, dass es ein Jahr der Diplomatie wird (wenn es unsere Wahl wäre), doch der Diplomatie, die auf das Ergebnis gerichtet ist und die wichtigsten Länder, von denen die Lösung der wichtigsten Fragen abhängt, die mit dem Ziel einer Einigung statt endloser Verzögerung verbunden sind, zusammenbringt.

 

 


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