Rede und Antworten auf Pressefragen des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, bei einem Treffen mit den Teilnehmern eines BRICS-Jugendgipfels am 2. Juli 2015 in Moskau
Sehr geehrte Freunde,
ich freue mich sehr, Sie in den Räumen des russischen Auswärtigen Amtes anlässlich des ersten BRICS-Jugendgipfeltreffens zu sehen, das in Moskau ausgetragen wird.
BRICS ist eine junge Vereinigung, die sich auf innovative Vorgehensweisen und Prinzipien stützt, die die Anforderungen der Zeit widerspiegeln und der aktuellen Phase der Weltentwicklung entsprechen. Die Welt wandelt sich ständig und befindet sich auf der Suche nach den optimalen Formen des polyzentrischen Systems der internationalen Beziehungen, bei dem es mehrere Entwicklungs- und Anziehungszentren geben wird, die verschiedene Zivilisationen und Entwicklungsmodelle repräsentieren. Das sind Prinzipien, in Übereinstimmung mit denen BRICS entstanden ist und nach denen diese Vereinigung auch funktioniert. Das Ziel unserer Organisation besteht in erster Linie darin, günstige Bedingungen für die allseitige Entwicklung unserer Länder zu schaffen und den Wohlstand unserer Bürger zu fördern.
In diesem Jahr ist Russland der BRICS-Vorsitzende. Wir haben ein umfassendes Programm, das alle Mitglieder der Fünfergruppe befürwortet haben. Es ist auf die maximale praktische Voranbringung in den Richtungen ausgerichtet, die die Staats- bzw. Regierungsoberhäupter als Entwicklungsprioritäten unseres Bündnisses bestimmt haben. Gleich in mehreren Richtungen koordinieren wir inzwischen nicht nur unsere Vorgehensweisen, sondern auch setzen gemeinsame Projekte um. Jetzt beginnt eine wichtige neue Phase, die unsere praktische Tätigkeit angeht. In diesem Sinne arbeiten wir an der Gründung der BRICS-Finanzinstitutionen, nämlich der Neuen Entwicklungsbank und des Pools von bedingten Devisenreserven. (Diese Arbeit ist schon fast beendet.) Zudem arbeiten wir an einer langfristigen Strategie der multilateralen Wirtschaftspartnerschaft. Im Allgemeinen bemühen wir uns um eine Erweiterung unserer Kooperationsbereiche.
BRICS hat eine umfassende praktische und pragmatische Tageordnung, aber inzwischen hat sich unser Bündnis als ein wichtiger Faktor der Weltpolitik und -wirtschaft etabliert. Nächste Woche findet in Ufa ein Treffen der Staats- und Regierungsoberhäupter unseres Bündnisses statt. Wir rechnen damit, dass die dabei getroffenen Entscheidungen der weiteren Entwicklung von BRICS als eines der Schlüsselelemente des globalen Verwaltungssystems einen wichtigen Ansporn verleihen werden.
Wir bündeln unsere Bemühungen nicht im Kampf gegen jemanden, sondern konzentrieren uns auf die Voranbringung einer positiven und vereinigenden Tagesordnung in den internationalen Beziehungen. Die einheitliche Position unserer Länder spielt eine wichtige stabilisierende Rolle in den internationalen Angelegenheiten. Das ist eine ausbalancierte Position, die die Suche nach fairen Vorgehensweisen in Bezug auf aktuelle Probleme fördert, die auf der Tagesordnung der Weltgemeinschaft stehen. Unsere fünf Länder treten für die Oberhand des Völkerrechtes, für die Festigung der zentralen Rolle der UNO, für friedliche Regelung von Konflikten und Streitsituationen, für das Recht von Ländern und Völkern auf die selbstständige Bestimmung ihres Schicksals, auf die Bewahrung ihrer Traditionen und Werte und ihrer Kultur ein. BRICS leistet einen wichtigen Beitrag zur Festigung der internationalen Finanz- bzw. Wirtschaftsarchitektur und beteiligt sich aktiv an der Reformierung des globalen Finanz- bzw. Wirtschaftssystems. Diese Fragen werden auf dem G20-Niveau debattiert, und unsere fünf Länder gehören der G20 an. Wenn dabei über die Reformen des internationalen Finanzsystems debattiert wird, handeln unsere Länder nicht im Alleingang, sondern genießen auch die Unterstützung von anderen Ländern wie Argentinien, Mexiko, Indonesien, Ägypten, Saudi-Arabien usw. Damit ist BRICS ein Anziehungszentrum für unsere Gleichgesinnten, die für möglichst faire internationale Beziehungen plädieren, unter anderem im Wirtschaftsbereich.
Natürlich ist die Lösung der vor unseren Ländern stehenden umfassenden Aufgaben ohne ein festes Fundament der Freundschaft und des Vertrauens zwischen unseren Völkern unmöglich, ohne die Erweiterung von Kontakten zwischen den Menschen, ohne ein konstruktives Zusammenwirken zwischen Vertretern der Zivilgesellschaft.
Besonders viel Wert legen wir auf den humanitären Aspekt des BRICS-Zusammenwirkens. Es haben bereits ein Ziviles und ein Akademisches Forum stattgefunden, die einen wichtigen Beitrag zur Vereinigung des intellektuellen Potenzials unserer fünf Staaten geleistet haben. Besonders wichtig sind für eine solche zukunftsorientierte Vereinigung wie BRICS Jugendaustausche. Denn ausgerechnet Sie, junge Menschen, werden bald die Verantwortung für alles übernehmen müssen, was innerhalb unserer Staaten sowie in der Außenpolitik passiert. Wir wissen unser heutiges Treffen sehr hoch zu schätzen und werden die Jugendaustausche in jeder Hinsicht fördern. Ich weiß, dass Sie ein umfassendes Programm in Moskau und auch in Kasan haben. Meines Wissens werden manche von Ihnen auch in Ufa dabei sein. Wir werden Ihre Initiativen und Projekte fördern, die mit den Angelegenheiten junger Menschen verbunden sind, beispielsweise die Idee zur Bildung eines Universitäten-Netzwerks innerhalb von BRICS. Für Herbst ist in Russland ein Globales Universitäts-Gipfeltreffen geplant. Falls es unter Ihnen Studenten gibt, dann sind Sie gerngesehene Gäste dabei.
Ich bin bereit, Ihre Fragen zu beantworten.
Frage: Vielen Dank, dass Sie Zeit gefunden haben, sich mit uns zu treffen. Für uns ist es eine große Ehre, dass unser Treffen in den Räumen des russischen Außenministeriums stattfindet. Ich denke, alle Teilnehmer des Gipfels interessieren sich hierfür: Da wir in den nächsten Tagen an einem Aktionsplan arbeiten werden, wobei wir uns mit Fragen befassen, die im Grunde mit der Tagesordnung des „großen“ BRICS-Gipfels übereinstimmen, werden wir versuchen, solche Wege zu finden, dank deren junge Menschen ihren Beitrag zur Lösung von manchen Problemen leisten können. Wenn Sie an unserer Stelle wären und Teilnehmer des BRICS-Jugendgipfels wären, welche Probleme würden Sie aufwerfen, die in erster Linie gelöst werden müssen?
Sergej Lawrow: Erstens haben Sie selbst gesagt, dass es die Tagesordnung des „großen“ Gipfeltreffens gibt, und es ist sehr gut, dass Sie sich danach richten wollen, was die Präsidenten besprechen werden. Wir sind nur dafür, dass Sie Initiative zeigen. Falls manche Fragen Ihres Erachtens grundlos noch nicht auf die Tagesordnung gestellt wurden, dann sollen Sie gerne diese Initiativen zum Ausdruck bringen, damit sich die Außenminister, Präsidenten und Ministerpräsidenten damit beschäftigen. Das können wir nur begrüßen. Wir müssen unbedingt wissen, wie Sie leben, wofür sich junge Menschen interessieren und welche Perspektiven der fünfseitigen Kooperation sie sehen. Für uns ist es prinzipiell wichtig, zu wissen, was Sie empfinden, damit die Nachhaltigkeit gleich am Anfang steht.
Frage: Wie sind Ihres Erachtens die Entwicklungsperspektiven der „jugendlichen Dimension“ der BRICS-Vereinigung? In welchen Richtungen außer den Studentenaustauschen, die Sie bereits erwähnt haben, könnte bzw. sollte sie sich entwickeln?
Sergej Lawrow: Studentenaustausche – das ist etwas Selbstverständliches. Ich denke, im Rahmen des Zivilforums werden Fragen erörtert, die in dieser oder jener Hinsicht mit der jugendlichen Tagesordnung verbunden sind. Deshalb wäre es meines Erachtens nicht schlecht, zu sehen, ob es gewisse Möglichkeiten für die Koordinierung der Tagesordnung des Zivilforums und Jugendforums gibt. Was den Inhalt angeht, so habe ich bereits gesagt, dass es wichtig ist, zu verstehen, was Sie selbst für wichtig halten. Hoffentlich gehören dazu auch die internationalen Angelegenheiten, denn die Außenpolitik zieht heutzutage viel Aufmerksamkeit an sich. In der Welt gibt es nun einmal zu viele Krisen- und Konfliktsituationen. In den letzten Jahren gab es viele Kampagnen, die unter dem Vorwand des Menschenrechtsschutzes auf die Einmischung in innere Angelegenheiten souveräner Staaten ausgerichtet waren, darunter unter Anwendung der Militärgewalt. In keinem von diesen Fällen wurde die Situation deswegen besser. Im Gegenteil: In den meisten Ländern, wo es dazu gekommen ist, ist die Situation katastrophal geworden. Manche Länder schweben in Gefahr, auseinanderzufallen.
Sehr viel Wert wird heutzutage auf die Rolle der Jugendlichen bei der Gestaltung der nationalen Tagesordnung gelegt, unter anderem aus der Sicht der so genannten „friedlichen Proteste“, die allmählich zu einer Art „Verhaltensnorm“ geworden sind – jedenfalls aus der Sicht mancher von unseren westlichen Kollegen.
Sie wissen wohl, wie die „bunten Revolutionen“, darunter der „Maidan“ in der Ukraine, begonnen haben. Viele versuchen, auch jetzt die jüngsten Ereignisse in Armenien zu nutzen, um dort die Anti-Regierungs-Stimmungen zu fördern, obwohl diese Ereignisse ausschließlich wirtschaftliche Gründe haben. Es gibt aber offenbar Kräfte, die daran interessiert sind, dass sich diese Prozesse in der politischen Richtung entwickeln. Es wäre sehr interessant, dass Sie unter sich darüber sprechen würden, denn einfache Menschen und besonders Jugendliche haben immer ihre besondere Meinung und ihre Besorgnisse über die sozialwirtschaftliche Situation. Es ist sehr wichtig, dass junge Menschen sozial aktiv sind. Ich rufe Sie keineswegs auf, gegen etwas oder für etwas aufzutreten. Aber ich hätte gern gewusst, wie Sie selbst Ihre soziale Verantwortung wahrnehmen, was Sie empfinden und was Ihres Erachtens für ihre Selbstbestimmung wichtig ist, indem Sie an der Universität studieren und dann ins Arbeitsleben einsteigen. Für mich wäre es interessant, zu hören, was Sie als junge Menschen sagen, die ihr Berufsleben beginnen und sich als Berufstätige und natürlich auch als Bürger etablieren. Ich hätte gern gewusst, was junge Menschen an der jeweiligen Gesellschaft positiv wahrnehmen und was nach ihrer Auffassung verändert werden sollte. Noch mehr sage ich dazu lieber nicht, denn über einzelne Details müssen Sie schon selbst sprechen.
Frage: Es ist eine große Ehre für mich, hier zu sein und Ihnen eine Frage stellen zu dürfen. Sollte sich BRICS als eine relativ junge Vereinigung Ihres Erachtens nicht in der „klassischen“ Richtung bewegen, indem sie ein Hauptquartier und eine Satzung bekommt?
Sergej Lawrow: BRICS ist auf dem natürlichen Weg entstanden – es gab keine künstliche Initiative. Vier Länder – Brasilien, Russland, Indien und China – wurden bekanntlich zunächst auf ein Ranking der Bank Goldman Sachs gesetzt – als Wirtschaften, die sich besonders intensiv entwickeln. Und irgendwann kam es dann zu Kontakten zwischen den Führungspolitikern dieser Länder.
Alles begann noch im RIC-Format: Russland, Indien, China. Die Initiative zu einer solchen Kooperationsentwicklung gehörte Jewgeni Primakow, einem unserer großen Politiker, Diplomat, Akademiemitglied, der vor einigen Tagen gestorben ist. Ausgerechnet ihm gehörte die Initiative zum dreiseitigen RIC-Zusammenwirken.
Gleichzeitig wurde, wie gesagt, auch Brasilien auf dieses Ranking gesetzt, dessen Entwicklungstempo ebenfalls sehr beeindruckend war. Und BRIC entstand schon anhand der objektiven Wirtschaftskennziffern.
Dann schlug der russische Präsident Wladimir Putin in einer der multilateralen Veranstaltungen seinen Kollegen aus Indien, Brasilien und China vor, sich zu treffen und darüber zu sprechen, wie es dazu gekommen ist, dass wir, statistisch gesehen, in einer und derselben Richtung gehen, und ob wir alle davon profitieren könnten. Und so ist das auch passiert. Zur nächsten sehr wichtigen Phase wurde der Beitritt der Republik Südafrika zu unserer Vereinigung, und damit kam Harmonie in diese Struktur, in der jetzt alle Entwicklungsregionen vertreten sind.
Ursprünglich entwickelte sich BRICS als ein Forum, auf dem verschiedene wirtschaftliche Fragen besprochen und die Vorgehensweisen in Bezug auf die G20 koordiniert wurden, vor allem im Kontext der Probleme des internationalen Devisen- bzw. Finanzsystems. Dass die G20 bei einem Gipfel in Südkorea 2010 für eine Reform der Quoten und des Abstimmungssystems im IWF gestimmt hat, war großenteils ein Verdienst der BRICS-Staaten. Alle Teilnehmer der damaligen Debatten – leider außer den USA – haben diese Phase der Reform bereits ratifiziert. Eine der Aufgaben des für diesen Herbst in Antalya geplanten G20-Gipfels ist, die Wege zur Umsetzung dieser Phase der Reform des IWF-Devisensystems trotz ihrer Nichtratifizierung durch die USA zu finden, die schon vor fünf Jahren vereinbart wurde. BRICS spielt dabei neben anderen Partnern die Führungsrolle. Unter den G20-Ländern gibt es viele, die unsere Position unterstützen.
Vor ein paar Jahren haben unsere indischen Partner bei einem Gipfel in Indien vorgeschlagen, mehrere weltpolitische Fragen in der Abschlusserklärung zu verankern, darunter die Syrien-Krise, die Nahost-Regelung usw. Niemand hatte etwas dagegen. Dasselbe passierte auch in Fortaleza, wo die brasilianischen Organisatoren des Gipfeltreffens ebenfalls die Verabschiedung einer Deklaration vorangebracht haben, in der es neben dem Finanz- bzw. Wirtschaftsblock auch politische Einschätzungen gab. Erstens widerspiegelt das die Tatsache, dass alle von der objektiven Realität ausgehen und ihr Bestes tun, um ihre Einigung bei Fragen zu fixieren, bei denen sie vorhanden ist. Meines Erachtens ist das der optimale Weg zur weiteren Entwicklung unseres Bündnisses.
Zum Thema offizielle Bildung einer Organisation, die konkrete Mitglieder und ein Hauptquartier hätte, also zur Bürokratisierung unseres Zusammenwirkens, mit dem wir alle meines Erachtens durchaus zufrieden sind. Es ist wohl tatsächlich nötig, die Arbeit in dieser Richtung irgendwie zu organisieren, damit diverse Dokumente in einer möglichst günstigen Umgebung besprochen werden, und Kontakte zwischen unseren Hauptstädten zu fördern. Zu diesem Zweck wird auch das so genannte „virtuelle Sekretariat“ organisiert, und zwar nach demselben Prinzip wie das Universitäten-Netzwerk. Das wird eine digitale Struktur sein, die für die Kontakte zwischen den wichtigsten Behörden in unseren fünf Ländern zuständig sein wird. Wenn unsere Spitzenpolitiker und die anderen Teilnehmer des BRICS-Entwicklungsprozesses spüren, dass eine ständig funktionierende und an einem konkreten Ort gelegene Struktur nötig ist, die dieser Arbeit nachgehen würde, dann werden sie wohl entsprechende Entscheidungen treffen. Vorerst aber ist das aktuelle BRICS-Entwicklungsformat optimal.
Frage: Sie haben gesagt, die Welt wandele sich, und die BRICS-Mitgliedsländer arbeiten an verschiedenen Ideen und Projekten und bemühen sich um ihre Umsetzung. Wo könnten sich die BRICS-Staaten etwas noch mehr anstrengen, um noch größere Erfolge zu erreichen?
Sergej Lawrow: BRICS ist natürlich eine sehr starke Struktur. Nach der Bevölkerungszahl ist es die größte Vereinigung in der Welt und gehört nach dem inneren Produkt zu den Anführern. In Bezug auf den Einfluss auf die internationalen Beziehungen ist BRICS ein sehr wichtiger Faktor. Doch der Charakter der heute entflammenden Konflikte sieht so aus, dass auch so eine Struktur wie BRICS ohne Kooperation mit anderen Akteuren nicht imstande ist, sie effektiv zu regeln. Dasselbe betrifft auch jedes andere Land bzw. Ländergruppe. Weder die USA noch die EU oder die Nato oder jemand anderes können alleine, ohne eine kollektive Vereinigung der Anstrengungen, einen Konflikt in der Welt lösen. Egal welcher Konflikt, ist überall eine Vereinigung des Westens, des Ostens, des Südens und der Strukturen, die die westlichen Länder vereinigen sowie die führenden Länder, darunter die BRICS-Länder, notwendig. Deswegen besteht die Antwort auf die Frage, was wir zusätzlich dazu unternehmen können, was wir bereits unternehmen, darin, dass man weiter intensiver für ein gerechteres Herangehen zu internationalen Beziehungen, für die Bestätigung der Demokratie bei internationalen Beziehungen, Bestätigung der Rechtshoheit bei internationalen Angelegenheiten auftreten soll. Unsere westlichen Partner sagen immer, dass jedes Land „innerhalb von sich selbst“ Demokratie und die Rechtshoheit gewährleisten soll, doch wenn wir es vorschlagen, diese Prinzipien, vor allem Demokratisierung, auf die Beziehungen zwischen den Staaten zu übertragen, gibt es nicht viel Enthusiasmus. Doch das wird vorbei sein, weil mehrere grundlegende Prinzipien der internationalen Beziehungen, vor allem die im UN-Statut festgeschrieben sind, die Gewährleistung einer souveränen Gleichheit der Staaten erfordern. Die meisten Probleme, die wir in der letzten Zeit sahen, bestehen vorwiegend darin, dass das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten in der Praxis von einigen unseren Kollegen im Westen ignoriert wurde. Es gab die Einmischung, was die Verletzung des UN-Statuts, der Verpflichtungen der Schlussakte der OSZE bedeutete. Es wurden die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats sowie vieles anderes ignoriert.
BRICS hat ebenfalls starke Waffen – moralisches Ansehen. Man soll ihn nutzen und anstreben, dass BRICS im praktischen Sinne die Herangehen verteidigt, die den Prinzipien des UN-Statuts entsprechen, bei mehreren Foren, ob G20, wenn es sich um die Gerechtigkeit bei internationalen Wirtschaftsbeziehungen handelt, oder die UNO, wenn es sich um die Regelung verschiedener Streitigkeiten zwischen oder innerhalb der Staaten handelt, kooperieren. Es wäre nicht schlecht, unmittelbar an verschiedenen Verhandlungsformaten teilzunehmen. Man kann konkrete Beispiele nehmen. Wie Sie wissen, beteiligen sich Russland und China zurzeit an Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm zusammen mit der Troika, den USA und der Islamischen Republik Iran. Wir wären daran interessiert, wenn bei mehreren anderen Formaten, die zur Lösung von Problemen geschaffen werden, auch unsere indischen Partner aktiver teilnehmen, wenn es sich um asiatische Angelegenheiten handelt, unsere brasilianischen Kollegen, wenn es sich um lateinamerikanische Prozesse handelt, und Südafrika, natürlich, ein sehr angesehener Staat, der viel dafür macht, und den Beitrag in die Regelung zahlreicher Konflikte leistet, die auf dem afrikanischen Kontinent beibehalten bleiben.
Hier gibt es keine Zauberlösungen oder Initiativen. Das ist alltägliche Detailarbeit, die noch lange dauern wird, doch der Fortschritt wird erreicht. Wir sind für die Prinzipien, die von allen Staaten der Welt verteidigt werden. Man sollte kontinuierlich und ohne Konfrontation diese Prinzipien in jedem konkreten Fall umsetzen. Ich bin davon überzeugt, dass BRICS und seine Anführer einen dafür notwendigen politischen Willen und praktische Möglichkeiten haben.
Frage: Heute sind hier 16 junge chinesische Unternehmer aus unserer chinesischen Delegation anwesend. Könnten Sie uns über einige typische Aspekte der Tätigkeit der ausländischen Unternehmen in Russland erzählen? Haben Sie irgendwelche Vorschläge für unsere jungen Unternehmer? Wie könnten sie den größten Nutzen aus den Diskussionen beim BRICS-Gipfel ziehen? Was erwarten Sie von unseren Diskussionen?
Sergej Lawrow: Das ist ein sehr pragmatisches und richtiges Herangehen. Man sollte jedes Format, selbst ein Jugendforum mit konkreten Zielen nutzen. Ich unterstütze völlig solches Verhalten zur Arbeit, weil das Jugend-Geschäft – eine sehr wichtige Sache ist. Wir sind daran interessiert, dass es auch bei Geschäftsbeziehungen eine Nachfolgeschaft gibt. Das jetzige Treffen ermöglicht die Aufnahme enger Kontakte und ihre Entwicklung. Russland und China verfügen über breite Kooperationsmechanismen. Neben jährlichen Gipfeln gibt es Treffen der Regierungschefs und vier Arbeitskommissionen, die von den Vizepremiers in allen möglichen Richtungen der Geschäfts-, Handels-, und Energiekooperation geleitet werden. Ich denke, falls es seitens junger chinesischer Unternehmer eine Initiative geben wird, könnte man sich über die Schaffung einer Jugend-Untergruppe im Rahmen dieser Vorbereitungsprozesse Gedanken machen. Die russisch-chinesischen Jugend-Kontakte entwickeln sich auf systematischer Grundlage, darunter vor dem Hintergrund des Jahres der Jugendaustausche, die im November zu Ende gehen. Man könnte irgendwelche Ideen formulieren, damit die Strukturen der zwischenstaatlichen und Regierungskooperation das Interesse der jungen Unternehmer berücksichtigen.
Frage: Bei dem BRICS-Gipfel, der am 8. und 9. Juli stattfindet, möchten wir die Staatschefs darum bitten, dass die Jugend in der Entwicklungsbank der BRICS vertreten wird. Können wir, die die Jugend vertreten, uns an der Arbeit der Bank beteiligen? Junge Leute aus allen fünf BRICS-Ländern könnten dem Direktorenrat beitreten, damit die Bank ihren Interessen dient, insbesondere den Interessen derjenigen, die sich mit Business befassen. Wir wissen, dass die größte Herausforderung bei jungen Menschen mit Ideen das fehlende Kapital bei der Förderung ihrer Ideen ist. Dasselbe betrifft auch den BRICS-Geschäftsrat. Kann Russland jungen Unternehmern aus BRICS-Ländern eine Möglichkeit bieten, im Rahmen des BRICS-Geschäftsrats zu agieren, in dem Russland derzeit den Vorsitz hat? Ich lobbyiere unter anderem die Interessen der Russen. Wir möchten noch einen Paragraph vorschlagen (für das Schlussdokument des Gipfels in Ufa). Sollen wir als junge Menschen Teilnehmer der BRICS-Prozesse sein oder nicht? Wir können nicht außerhalb dieser Prozesse bleiben und wollen ein junges Teil dieses Forums sein. Wir sagen, dass wir ein Teil aller Kooperationsrichtungen der BRICS sein wollen. Können wir dabei junge Vertreter aus allen fünf BRICS-Ländern im BRICS-Direktorenrat bzw. in anderen Strukturen haben?
Sergej Lawrow: Sie sind natürlich ein guter Lobbyist. Ich denke, dass die Jugend einen Platz in allen Prozessen bekommen soll, die mit der Entwicklung von BRICS zusammenhängen. Was konkrete Ideen betrifft, die sie uns vorgeschlagen haben – über die Aufnahme junger Vertreter von jeder Seite in den Direktorenrat der Bank und den Geschäftsrat der BRICS, ist es notwendig, dass ich oder die russische Vertretung diese Vorschläge erörtern. Für uns ist wichtig, von der Regierung Südafrikas eine offizielle Anfrage zu bekommen, weil die Vertreter ihrer Regierung an allen Verhandlungen zur Bildung der Gründungsdokumente der Entwicklungsbank und des Geschäftsrats teilnahmen.
Ich denke, dass im Geschäftsrat keine Probleme entstehen, weil er von fünf Ländern gebildet wird. Dort gibt es keine Einschränkungen bezüglich der Zahl bzw. des Alter. Falls Südafrika mit seinem Beispiel vorangeht und in den Geschäftsrat junge Geschäftsleute aufnimmt, bin ich davon überzeugt, dass die 16 chinesischen Jungunternehmer diese Initiative gerne unterstützen werden. Ich würde den Strukturen in der russischen Regierung empfehlen, die für die Unterstützung des Geschäftsrats zuständig sind, dass Jungunternehmer dort vertreten sein sollen.
Das Statut der Entwicklungsbank ist fertig. Dort gibt es absolut konkrete rechtliche Rahmen, darunter diejenigen, die die Zusammensetzung der Mitglieder beschreiben. Wenn Sie möchten, dass seitens Südafrikas die Jugend vertreten wird, bedeutet das, dass ihre Quote für einen jungen Mann bzw. Frau genutzt werden sollte. Andere Länder können ebenfalls ihre Vertreter im Direktorenrat bestimmen.
Im Ganzen wiederhole ich noch einmal – wir machen bereits vieles, damit die Jugend sich in BRICS wohl fühlt und versteht, dass ihre Interessen im vollen Umfang in verschiedenen Formaten berücksichtigt werden, darunter das jetzige Forum, die für sie auch geschaffen wurden.
Frage: Können Sie über die russische Initiative zur Gründung einer BRICS-Universität erzählen? Wie würde sie die Interessen der Jugend zur Entwicklung und für die Zukunft fördern?
Sergej Lawrow: Ich denke, dass in den kommenden Tagen, wenn Sie arbeiten, einen besser informierten Gesprächspartner zu diesem Projekt bekommen werden. Ich habe aus verständlichen Gründen nur allgemeine Informationen über die Schaffung einer Universität. Die Vertreter von MGIMO und anderen Strukturen werden Ihnen von diesem Projekt ausführlich berichten. Wir halten es für sehr wichtig aus politischer Sicht. Es hilft nicht nur, die Studentenaustausche zu vertiefen, sondern auch, die Ausbildungsstandards näher anzupassen und Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung der Ausbildungsurkunden zu erzielen. Mit einigen Ländern haben wir solche Abkommen bereits geschlossen. Dann wird es sich nicht einfach um Studentenaustausche handeln, bei denen man anschließend in die Heimatländer zurückkehrt. Sie können sich als Unternehmer, Profis in einem benachbarten befreundeten Land auf den Prüfstand stellen und vergleichen, wo es interessanter und besser ist. Das ist ein sehr aussichtsreiches Projekt, das die Integration unserer Gesellschaften sichert und unsere Zusammenarbeit stärkt.
Frage: Können Sie in BRICS Fragen erörtern, die mit dem Völkerrecht, Sicherheitsfragen auf hoher See zusammenhängen? Auf hoher See gibt es zurzeit viele Probleme, darunter Piraterie, Drogenhandel, andere illegale Tätigkeiten. Können in diesem Format einige Fragen erörtert werden, die mit der Sicherheit auf hoher See verbunden sind?
Sergej Lawrow: Russland nimmt aktiv an mehreren Formaten teil, wo die Seesicherheit erörtert wird. Das ist unter anderem das Regionale Forum ASEAN, bei dem Russland neben China, Indien und anderen Ländern an vielen Diskussionen teilnimmt. Die Seesicherheit hat viele Dimensionen, darunter aktuelle für Südostasien, Südasien und Südafrika, wie das Problem der Piraterie. Bis vor kurzem bereitete dies noch „Kopfschmerzen“, doch wir konnten sehr schnell koordinierte Handlungen der Kriegsflotte von mehreren Ländern organisieren, darunter China, Indien, Russland, Nato- und EU-Länder. Solche Maßnahmen ermöglichten, das Problem einzudämmen, obwohl es bis zum Ende nicht gelöst wurde.
Jetzt entstand das Problem der illegalen Einwanderer. Darüber wird vor allem im Kontext der illegalen Einwanderer gesprochen, die über Nordafrika nach Europa gelangen. Dasselbe Problem gibt es auch in Ostasien. Hier ist es sehr wichtig, das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Man sollte gegen illegale Einwanderung und diejenigen kämpfen, die aus dem Schicksal dieser Menschen, die nach einem besseren Leben suchen, schmutziges Geld machen. Andererseits kann man nicht gegen solche Erscheinungen durch die Verletzung des Völkerrechts vorgehen. Solche Fragen entstehen im Zusammenhang mit den Ideen, dass verschiedene Schwimmkörper nicht nur auf hoher See gestoppt und kontrolliert werden sollen, auf denen illegale Einwanderer befördert werden, sondern auch in territorialen Gewässern sowie auf dem Territorium der entsprechenden Staaten. Es wird aber betont, dass dies mit ihrer Zustimmung getan wird. Doch im Fall Libyen ist sehr schwer zu verstehen, wie man solche Zustimmung bei einer fehlenden Einheitsregierung bekommen soll – es gibt eine durch die UN anerkannte Regierung in Tobruk, es gibt auch eine nicht anerkannte Regierung, die den größten Teil des Küstengebiets kontrolliert, durch die diese „illegale Reisen“ erfolgen.
Ich bin davon überzeugt, dass solche Fragen auch für Ostasien entstehen. Es wäre richtig, wenn eine Gesetzesinitiative für die UNO ausgearbeitet wird, die diese Fragen anschneidet, zumindest im Rahmenformat. Falls es bei Ihrem Jugendforum gute internationale Anwälte gibt und irgendwelche Ideen, die Sie fördern wollen und wenn Sie ihre Initiative formulieren, würden wir sie gerne neben anderen Ideen aufnehmen, die aus dieser Struktur hervorgehen und sie fördern.
Ich möchte Ihnen interessante Diskussionen und Impressionen wünschen. Sie werden neben Arbeitssitzungen sicher auch kulturelle Veranstaltungen haben. Sie werden mehrere russische Städte sehen, die ihre Geschichte haben und sich schnell entwickeln. Ich wünsche Ihnen ein frohes Schaffen und frohe Freizeit!