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Rede des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, beim Treffen mit Vertretern von russischen nichtkommerziellen Organisationen am 10. April 2015 in Moskau

688-10-04-2015

Sehr geehrte Kollegen,

Ich gratuliere allen zum kommenden Feiertag.

Heute findet ein weiteres Treffen mit den Vertretern von russischen nichtkommerziellen Organisationen statt. Das ist eine gute Tradition geworden. Das Format hat sich als ein gefragter Mechanismus unserer regelmäßigen Kommunikation bewährt.

Der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, sprach mehrmals über die Wichtigkeit der Partnerschaftsbeziehungen zwischen dem Staat und der Zivilgesellschaft. Das gehört natürlich im vollen Ausmaß zum Bereich der internationalen Beziehungen, zudem ermöglicht die Arbeit bei Nichtregierungsinstitutionen, der Expertengemeinschaft eine weitergehende Vision von vielen Problemen als im Rahmen der klassischen Diplomatie.

Russland verteidigt kontinuierlich die Prinzipien einer kollektiven Arbeit bei internationalen Angelegenheiten, fördert eine integrierte, friedliche, zukunftsorientierte Tagesordnung, um eine effektive Lösung aktueller globaler und regionaler Probleme basierend auf den wichtigsten Völkerrechtsprinzipien, der zentralen Koordinierungsrolle der UNO zu finden, den Respekt der Rechte der Völker, ihrer Zukunft ohne äußere Einmischung zu bestimmen. Unsere Herangehensweisen genießen eine wachsende Unterstützung in der Welt, ermöglichen die Entwicklung einer fruchtbaren Zusammenarbeit bei einem breiten Kreis von Themen mit einer überwiegenden Mehrheit der Staaten.

Leider stört bei der Aufnahme einer wahren Partnerschaft in der globalen Arena der Kurs der USA und der ihnen folgenden westlichen Staaten auf die Aufrechterhaltung der Dominanz bei globalen Angelegenheiten um jeden Preis, das Aufdrängen des eigenen Willen, Werte anderen Teilnehmern der internationalen Kommunikation. Es werden systematisch die grundlegenden Prinzipien des UN-Statuts verletzt sowie wird zu Doppelstandards gegriffen. Für die Nichteinverstandenen ist eine breite Palette von Maßnahmen vorgesehen – von einseitigen Zwangsmaßnahmen bis zu einer direkten militärischen Invasion. Dennoch bahnen sich die von uns vorangebrachten Herangehensweisen, die nicht das Diktat sondern eine kollektive Ausarbeitung der allgemein annehmbaren Lösungen vorsehen, ihren Weg. Wir sehen das am Beispiel der optimistischen Entwicklung um das iranische Atomprogramm, Syrien, wo sich die Stimmung ändert und alle die Notwendigkeit der Aufnahme eines nationalen Dialogs und des Rechtes der Syrer verstehen, die Zukunft ihres Landes zu bestimmen. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Herangehen auch in der Ukraine überwiegt, wo jetzt nicht ohne Mühe und bei Versuchen, diesen Prozess zu torpedieren, die Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar umgesetzt werden. Die meisten Staaten sind für ihre vollständige und kontinuierliche Umsetzung.

In Bezug auf die Ukraine möchte ich betonen, dass eine destruktive Linie wegen der dort stattfindenden Ereignisse, die Einführung der illegitimen Sanktionen gegen Russland, die Versuche, unser Land wegen der Verteidigung der Wahrheit und Gerechtigkeit, wegen des Schutzes der Mitbürger zu bestrafen, zu einer ernsthaften Krise in den Beziehungen mit dem Westen führte. Wir sind mit einem großangelegten Informationskrieg konfrontiert. Es werden beispiellose Anstrengungen zur Verzerrung der Gestalt unseres Landes, seiner Politik unternommen. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Anstrengungen zur Übermittlung von objektiven Informationen an die breite Öffentlichkeit, der Stärkung der Kontakte mit denjenigen gefragt, die auf ein konstruktives Zusammenwirken gestimmt sind, wie es im Normandie-Format der Fall ist.

Ich bin davon überzeugt, dass eine immer größere Rolle dabei der Zivilgesellschaft gehört. In diesem Zusammenhang möchte ich die von der Stiftung zur Erforschung der Demokratie-Probleme gemeinsam mit der Gesellschaftskammer der Russischen Föderation vorbereiteten Materialien unterstreichen, die heute hier präsentiert werden. Sie zeigen anschaulich die militärischen Verbrechen der ukrainischen Ultranationalisten, erzählen, wie sich in Wirklichkeit die Wiedervereinigung der Krim mit Russland vollzog, wovon bereits oft gesprochen wurde, darunter von Präsident Wladimir Putin. Doch die Versuche, dies nicht zu hören, sein Konzept und die Version der damaligen Ereignisse aufzudrängen, werden fortgesetzt. Dieses Thema wird noch lange im medialen Raum bleiben. Wir rechnen damit, dass die Aufmerksamkeit zu diesem Thema nicht abschwächen wird.

Seit 1. Januar gibt es die Eurasische Wirtschaftsunion, deren Bedeutung bei der Stärkung der regionalen Stabilität, der Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit der Mitgliedsstaaten kaum zu unterschätzen ist. Der Prozess zum Beitritt Kirgisiens zur Eurasischen Wirtschaftsunion trat in seine Endphase. Ich denke, dass die russischen nichtkommerziellen Organisationen einen großen Beitrag nicht nur zur Unterstützung der vereinigenden Tendenzen im postsowjetischen Raum sondern auch zur Berichterstattung über die Diskussionen über die eurasische Integration leisten können, die ein wichtiger Faktor bei der Bildung eines einheitlichen wirtschaftlichen und humanitären Raums vom Atlantik bis zum Pazifischen Ozean sein soll. Diese Idee bahnt sich ebenfalls ihren Weg: zunächst wurde sie von unseren westlichen Partnern abgelehnt, aber jetzt wird sie vor allem von den führenden EU-Ländern begrüßt. Es ist sehr wichtig, dass dieser Punkt in den Dokumenten festgeschrieben ist, die am 12. Februar in Minsk verabschiedet wurden.

Das Außenministerium kooperiert aktiv mit den nichtkommerziellen Organisationen in der UN-Richtung. Im Jahr des 70-jährigen Jubiläums der UNO werden wir die Praxis zur Aufnahme der Vertreter der russischen Nichtregierungsorganisationen zum Expertenteil der russischen Delegation bei der Session der UN-Vollversammlung greifen. Im unseren Interesse ist es, dass die russischen nichtkommerziellen Organisationen tatsächlich bei der Arbeit der Delegation der Russischen Föderation in der Vollversammlung, im Wirtschafts- und Sozialrat, im Menschenrechtsrat und anderen Organen und Gremien der UNO mitwirken.

Vom 25. bis zum 27. September findet in New York der UN-Gipfel im Rahmen der 70-jährigen Jubiläumssession der Vollversammlung statt, bei dem eine globale Tagesordnung zur Entwicklung nach 2015 gebilligt werden soll. Es wird intensiv an der Ausarbeitung der Lösungen zum Gipfel gearbeitet, die auf die Überwindung der dringlichsten Probleme in der sozialwirtschaftlichen Entwicklung der Welt gerichtet sind. Ich denke, dass die Beteiligung der russischen nichtkommerziellen Organisationen an diesen Anstrengungen die Steigerung ihres Ansehens, eine höhere Ausgewogenheit der zu vorbereitenden Lösungen fördern wird.

Wir wollen auch weiter die russischen nichtkommerziellen Organisationen zum Erhalt eines Status als Beratungsbeirat beim Wirtschafts- und Sozialrat fördern. Im vergangenen Jahr haben fünf Nichtregierungsorganisationen diesen Status bekommen. Im Januar dieses Jahres wurde beschlossen, zwei weitere russische Organisationen mit diesem Status auszuzeichnen. Nach der Bestätigung des Beschlusses bei der Session des Wirtschafts- und Sozialrats im April wird die Zahl der russischen Vereinigungen, die einen Status als Beratungsbeirats beim Rat haben, bei 61 liegen. Dennoch ist es nach wie vor eine bescheidene Zahl, weil insgesamt rund 3500 Nichtregierungsorganisationen Konsultationsbeziehungen zur UNO haben. Deswegen rufen wir die nichtkommerziellen Organisationen, die an der Entwicklung der internationalen Tätigkeit interessiert sind, dazu auf, diesen Kanal bei der Erweiterung der äußeren Verbindungen aktiver zu nutzen.

Die Bildung einer stabilen Architektur des 21. Jahrhunderts ist nur bei Anerkennung der kulturell-zivilisatorischen Vielfalt der modernen Welt, durch einen fruchtbaren Dialog zwischen den wichtigsten Konfessionen und Zivilisationen beim bedingungslosen Respekt der Identität der Völker möglich. Wir sind davon überzeugt, dass die internationalen Beziehungen nicht die traditionellen Werte ignorieren können, die allgemein für die führenden Weltreligionen sind. Insbesondere wegen der Tatsache, dass die Rolle des religiösen Faktors heute in der nationalen Tätigkeit nicht nur bei theoretischen Diskussionen, sondern auch bei praktischen Prozessen zunimmt. Wir unterstützen die Einbeziehung des russischen Nichtregierungssektors in die Arbeit der unter der UN-Schirmherrschaft tätigen Allianz der Zivilisationen, deren siebtes globales Forum 2016 in Baku stattfindet. Wir sind an einer umfassenden Vertretung bei der bevorstehenden Veranstaltung interessiert, die eine breite Palette der russischen Zivilgesellschaft widerspiegelt.

Den Aufgaben zur Förderung einer stabilen internationalen Entwicklung entspricht die intensive Beteiligung unseres Landes an der Arbeit solcher großen multilateralen Formate wie BRICS und SOZ, deren Gipfeltreffen im Juli dieses Jahres in Ufa stattfinden. Russlands begonnener Vorsitz in der BRICS verfolgt das Ziel, die Möglichkeiten dieser Vereinigung im Interesse der Sicherheits- und Stabilitätsfestigung möglichst effizient einzusetzen, die Etablierung dieser Fünfer-Gruppe als wichtige Komponente des globalen Verwaltungssystems zu fördern und unsere Zusammenarbeit auf das Niveau der allumfassenden Partnerschaft zu führen. Die Erweiterung der sozialpolitischen Basis der BRICS in unseren Staaten sollen auch die während unseres Vorsitzes geplanten Veranstaltungen voranbringen, darunter ein Bürgerforum und ein BRICS-Treffen der Jugend. Wir rufen Sie alle auf, an der Vorbereitung dieser Veranstaltungen aktiv teilzunehmen.

Leider hat der negative Hintergrund in unseren Beziehungen mit der Europäischen Union den Dialog auf der Ebene der öffentlichen Diplomatiebeeinträchtigt. So hat das Europäische Wirtschafts- und Sozialkomitee im Dezember 2014 einen offensichtlich politisierten Beschluss in Bezug auf den Zustand der Bürgergesellschaft in Russland gefasst. Faktisch wurde damals erklärt, dass dieses Gremium die russische Gesellschaftskammer „angesichts der politischen Situation“ nicht mehr als vollwertigen Partner betrachte. Der Grund dafür war die Position der Gesellschaftskammer zur Ukraine-Krise. Die Tatsache, dass unseren außenpolitischen Kurs die meisten Bürger Russlands unterstützen, wurde aus irgendwelchen Gründen überhaupt nicht berücksichtigt.

Dennoch glauben wir, dass das Zusammenwirken auf dem Niveau der Bürgergesellschaften trotz der aktuellen Talfahrt in den Russland-EU-Beziehungen fortgesetzt werden sollte. Wir arbeiten nach wie vor an der Entwicklung unserer Grenzkooperation sowie des Zusammenwirkens zwischen einzelnen Regionen Russlands und der EU-Länder. Natürlich ist jegliche Zusammenarbeit mit unseren europäischen und auch anderen Partnern nur auf Basis der Gleichberechtigung und des Respekts für die Interessen voneinander möglich.

Angesichts der schwierigen Lage im euroatlantischen Raum sehen wir, dass die OSZE als Ort für die Überwindung des Vertrauensdefizits, für die Abschaffung von alten bzw. zur Vorbeugung neuer Abgrenzungslinien an Bedeutung gewinnt. Der „Helsinki+40“-Prozess gestattet den Vertretern der Bürgergesellschaft, gemeinsam dafür zu sorgen, dass die OSZE-Aktivitäten den Herausforderungen und der Realität des 21. Jahrhunderts entsprechen. Hoffentlich werden auch Sie Ihren Beitrag dazu leisten.

Wir legen viel Wert auf die Arbeit der russischen Nichtregierungsorganisationen im Rahmen der jährlichen Warschauer OSZE-Beratung über die Umsetzung der Verpflichtungen der OSZE-Länder im Menschenrechtsbereich. Die vorerst letzte Beratung fand vom 22. Oktober bis 3. November 2014 statt. Großenteils dank der aktiven Beteiligung russischer Nichtregierungsorganisationen (damals waren Vertreter von mehr als 50 Nichtregierungsorganisationen daran beteiligt) und ihrer aktiven Position konnten objektive Informationen über die Menschenrechtssituation in Russland veröffentlicht werden. Zudem konnte dadurch die Aufmerksamkeit auf zahlreiche Probleme in mehreren anderen Staaten gelenkt werden, darunter in solchen, die sich als vorbildliche Demokratien positionieren.

Ich habe schon öfter gesagt, dass niemand perfekt ist. Man muss die gegenseitig respektvolle Betrachtung der entstehenden Probleme fördern: Das ist der einzige Weg zu ihrer Überwindung. Die Versuche, den Dialog nach dem Lehrer-Lehrling-Prinzip zu entwickeln, sind absolut aussichtslos. Wir rechnen damit, dass Sie auch weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Arbeit verschiedener internationalen Foren für Menschenrechtsprobleme leisten werden. Wir sind daran interessiert, dass an dieser Arbeit immer mehr NGO aus der Republik Krim teilnehmen. Das würde unseren Partnern gestatten, aus erster Hand möglichst objektive Informationen über die Situation auf der Halbinsel zu bekommen, die in den westlichen Medien sehr grob entstellt werden.

Einen wichtigen Bereich, auf dem die russische Diplomatie intensiv arbeitet, machen diverse Kooperationsprogramme im Europäischen Rat aus. Das gilt für solche Richtungen wie die Förderung der Rolle der Bürgergesellschaft, der Schutz der Kinderrechte, die Förderung der Jugendaustausche, der Kampf gegen den Neonazismus, Rassismus und Fremdenhass, die Entwicklung von demokratischen Prozessen, darunter auf regionaler Ebene, die Förderung des interkulturellen Dialogs, der regionalen bzw. der Grenzkooperation.

Gestern weilte der belgische Außenminister Didier Reynders zu einem Arbeitsbesuch in Moskau, der das EU-Ministerkomitee leitet. Zu der für Mai geplanten Tagung dieses Gremiums bereiten die Belgier eine Deklaration zum Hauptthema ihres Vorsitzes vor, und zwar zum Thema Prävention von Extremismus und Intoleranz. Dieses Thema ist sehr akut. Wir werden eine solche Vorgehensweise aktiv unterstützen. Wir rechnen auch mit Ihrem Beitrag dazu.

Mit Amerika wollen viele Nichtregierungsstrukturen in Russland und den USA trotz der offenbaren Konfrontationspolitik der US-Administration nach wie vor zusammenwirken. Wir unterstützen das aktiv. Auch die Kontakte im Expertenformat unter Beteiligung der führenden wirtschaftlichen und politologischen Zentren sowie auf der Ebene der Handels- bzw. Wirtschaftsverbände gehen weiter. Es wird die Arbeit in Bezug auf den gesamten Komplex des russischen Erbes auf dem nordamerikanischen Kontinent geführt, darunter in Bezug auf Objekte wie Fort Ross in Kalifornien und Fort Vancouver im US-Bundesstaat Washington, wo die Besatzung von Valeri Tschkalow eingetroffen war, und die russischen Siedlungen in Alaska. Wir rechnen damit, dass im Jahr des 70-jährigen Jubiläums des Sieges die in der amerikanischen Richtung arbeitenden Gesellschaftsstrukturen gemeinsam mit ihren US-Partnern ihren Beitrag zum Begehen dieses Datums leisten und ein besonderes Augenmerk auf die Beteiligung von in Amerika lebenden russischen Landsleuten und Veteranen an diesen Veranstaltungen richten werden.

Leider gibt es ziemlich viele Menschen, die über dieses historische Thema und über die Geschichte generell spekulieren und Tatsachen fälschen wollen, wovon der russische Präsident Wladimir Putin öfter sprach. Wir sehen das Ziel solcher Handlungen darin, den Status Russlands als Siegermacht infrage zu stellen, historisch-politische Phobien und Konflikte zwischen verschiedenen Ländern und Völkern auszulösen. Der „Impfstoff“ gegen den Nazivirus, der während der Nürnberger Prozesse entwickelt wurde, verliert in manchen europäischen Ländern an Wirksamkeit. Wir gehen davon aus, dass die gezielte Arbeit an der Vorbeugung der Geschichtefälschung und Heroisierung der Nazis, der Kampf gegen den Fremdenhass und den aggressiven Nationalismus weiterhin eine der Prioritäten der russischen Nichtregierungsorganisationen bleiben werden.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrer Tätigkeit. Wir werden unsererseits die Initiativen der öffentlichen Diplomatie unterstützen, die die Festigung der Außenkontakte und der internationalen Einflusskraft Russlands, den Frieden und die Sicherheit in der Welt und die gleichberechtigte und beiderseitig nützliche Zusammenarbeit fördern.


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