Interview des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, für den Fernsehkanal NTW über die Ergebnisse der Teilnahme an der Internationalen Syrienkonferenz „Genf-2“, Montreux (Schweiz)
Frage: Ein Teil der syrischen Opposition radikalisiert sich immer stärker, man spricht bereits von einem harten, kämpferischen Islamismus. Beunruhigen Sie diese Tendenzen? Sollte man den am radikalsten eingestellten Teil der Opposition in den Verhandlungsprozess einbeziehen?
Lawrow: Ich denke, dass es mit Terroristen keinerlei Gespräche geben kann. Wir weigern uns aus prinzipiellen Gründen, mit ihnen Gespräche zu führen, und möchten das auch anderen nicht anraten. Das ist nicht nur unsere Besorgnis, dass die Extremisten und Terroristen in verschiedenen Gegenden Syriens immer stärker den Ton angeben, sondern auch die Meinung der gesamten „Gruppe der Acht".
Im Juni 2013 schlug auf dem Gipfel in Lough Erne in Nordirland niemand Geringerer als der damalige Vorsitzende der „Gruppe der Acht", David Cameron, vor - und alle anderen Gipfelteilnehmer, darunter auch der Präsident Russlands, Wladimir Putin, befürworteten diese Initiative -, in die Schlussdeklaration einen Aufruf an die Regierung und die Opposition hineinzuschreiben, die Kräfte zu vereinen und den Terrorismus in Syrien auszurotten. Diese Aufgabe wird zweifellos immer vorrangiger, wenn man das Ausmaß der terroristischen Bedrohung berücksichtigt, welche diese innerhalb Syriens annahm und die bereits in den Irak übergreift. Dort treiben ihr Unwesen und verüben Terroranschläge Banditen aus dem sogenannten „Islamischen Staat im Irak und der Levante".
Unser Ziel besteht darin, möglichst schnell einen gewissen politischen Konsens zwischen der Regierung und der berechenbaren, weltlichen, patriotischen Opposition zu erreichen und parallel zu der politischen Lösung ihnen dabei zu helfen, die Kräfte für den Kampf gegen diese Terroristen zu vereinen. Ich sehe keinen Platz im Gesprächsprozess für solche Strukturen wie „Dschabhat al-Nusra", „Islamischer Staat im Irak und der Levante" und andere Ableger der „al-Qaida".
Wir haben viele Fragen an die vor kurzem geschaffene Struktur unter der Bezeichnung Islamische Front, der zwei, drei Organisationen angehören, die unmittelbar in das Blutbad im Bezirk Adra involviert waren. Es ist sehr schwierig, sich diese oder jene Struktur vorzustellen, die Partner sein kann bei den Friedensgesprächen. Zwischen der „Islamischen Front", " Dschabhat al-Nusra" und dem „Islamischen Staat im Irak und der Levante" findet eine Fluktuation der Kämpfer wie in kommunizierenden Gefäßen statt: wer mehr zahlt, zu dem treten sie auch über. Zu verkünden, dass man mit einem Kämpfer sprechen kann, sobald er zur Islamischen Front übergetreten ist, ist Teufelswerk.
Wichtig ist, dass der politische Prozess durch eine Vereinigung der gesunden Kräfte begleitet wird, die an ihre Heimat denken und nicht an die Schaffung eines Kalifats im Nahen Osten oder in Nordafrika, um diese auf verschiedenste Art und Weise zu vereinen und ihnen bei der Bekämpfung des Terrorismus zu helfen. Das ist eine Aufgabe für die gesamte Region und die ganze Welt.
Frage: Die am 22. Jänner in Montreux stattgefundene Konferenz nannten Sie ein Ritual und setzten die Hoffnungen auf die innersyrischen Gespräche. Es ist klar, dass es auch dort keine großen Durchbrüche geben wird. Aber wie müssen jene kleinen, winzigen Schritte beschaffen sein, auf die man hoffen kann?
Lawrow: Ich sagte bereits, dass das in erster Linie die schrittweise Lösung der humanitären Fragen ist: die Lieferung von Hilfsgütern, die Aufhebung der Blockade von jenen bewohnten Orten, die gegenwärtig entweder von Regierungskräften oder von der Opposition eingekesselt sind, und im Idealfall natürlich der Gefangenenaustausch. Das alles wird zur Stärkung des Vertrauens beitragen und Auswirkungen auf die Atmosphäre haben, die bei den Verhandlungen in Genf herrschen wird. Ein weiterer Blick in die Zukunft ist sehr schwierig, die Lage ist höchst komplex, die Positionen sind polarisiert und die Emotionen an der Grenze des Erträglichen. Ich hoffe, dass der Umstand, dass auf dem Treffen am 22. Jänner den Emotionen freier Lauf gegeben werden konnte, eine sachlichere Führung des innersyrischen Dialogs ermöglicht.