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Interview des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, für die Zeitschrift „Meschdunarodnaja Schisn“, 19. August 2023

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Frage: Die Welt trat in eine Periode der Konfrontation von Konzepten globaler Entwicklung: Die Position Russlands, Chinas und „Nicht-Westens“ im Ganzen als Gegengewicht zur Politik der westlichen Dominanz. War es unvermeidlich ausgehend von Unterschieden zwischen Zivilisationen, Herangehensweisen zur Gewaltanwendung und Völkerrecht, Verstehen der Rolle internationaler Institutionen? Wie definiert sich Ihres Erachtens die Rolle und Mission Russlands im Kontext der aktuellen Herausforderungen?

Sergej Lawrow: Ich kann nicht bestreiten, dass die von den USA und ihnen untergeordneten Ländern geförderte Dominanz des Westens keine harmonische Entwicklung der ganzen Menschheit vorsieht. Im Gegenteil, man hat mit einem ständigen Streben der westlichen Minderheit nach militärpolitischer und finanzwirtschaftlicher Expansion zu tun. Die Mottos ändern sich: Mal sagt man über Globalisierung, mal über Westernisierung, Amerikanisierung, Vereinheitlichung, Liberalisierung u.s.w. Aber das Wesen bleibt gleich - alle selbständigen Akteure dem eigenen Willen unterwerfen, sie dazu zwingen, nach ihren Regeln zu spielen, die für den Westen gewinnbringend sind.

Heute bezweifelt schon kaum jemand, dass die Amerikaner und ihre Satelliten versuchen, den natürlichen Prozess der Evolution internationaler Beziehungen im Kontext der Bildung eines multipolaren Systems zu bremsen. Die ganze Welt für eigene Bedürfnisse unterdrücken – das halten sie für möglich auch mit Nutzung untauglicher, rechtswidriger Methoden, darunter Gewaltanwendung, einseitige (vom UN-Sicherheitsrat nicht gebilligte) Sanktionen, informationspsychologische Operationen u.a.

Im Westen sind jetzt Menschen wie Josep Borrell am Steuer, die die Welt in ihren „blühenden Garten“ und „Dschungel“, wo ihnen zufolge die Mehrheit der Menschheit lebt, aufteilen. Bei einer solchen rassistischen Weltanschauung ist es schwer, sich mit dem Beginn der Multipolarität abzufinden. Im politisch-wirtschaftlichen Establishment Europas und der USA wird zu Recht befürchtet, dass der Übergang zu einem multipolaren System mit ernsthaften geopolitischen und wirtschaftlichen Verlusten, endgültigem Bruch der Globalisierung in der aktuellen, nach westlichen Vorbildern gebildeten Form verbunden ist. Sie befürchten vor allem die Möglichkeit von Verlust, von der restlichen Welt zu profitieren, wobei man sich damit überholendes Wirtschaftswachstum auf Kosten der Anderen sichert.

Die Nichtakzeptanz der Logik der historischen Entwicklung, die von der jetzigen Generation der westlichen Anführer nicht verheimlicht wird, zeugt stark von ihrem professionellen Verfall, Verlust der Fähigkeit einer korrekten Analyse der Ereignisse und Prognosen von Tendenzen. Eine weitere Bestätigung dieser These zeigt sich darin, dass gerade die undurchdachte Politik der USA und ihrer Schützlinge die aktuelle Zuspitzung der internationalen Situation unvermeidlich machte – trotz unserer zahlreichen Versuche, das zu verhindern. Ich meine eine großangelegte Krise der europäischen Sicherheit, die Verantwortung für die in vollem Maße auf unseren ehemaligen Partnern liegt.

Angesichts dessen sieht das moderne Russland seine Mission in der Aufrechterhaltung des globalen Gleichgewichts der Interessen und Aufbau einer gerechteren Architektur internationaler Beziehungen. In systematisierter Form sind unsere Ansichten in einer neuen Fassung des Konzeptes der Außenpolitik, das von Präsident Wladimir Putin am 31. März 2023 gebilligt wurde, dargelegt. Wir glauben daran, dass eine allgemeine Priorität die Gewährleistung der Bedingungen für eine friedliche, kontinuierliche Entwicklung der Menschheit auf Grundlage einer vereinigenden Agenda sein soll. Zu den Hauptaufgaben in dieser Richtung gehört die Wiederbelebung der Fähigkeit der Vereinten Nationen, eine zentrale Rolle bei der Abstimmung der Interessen der Mitgliedstaaten zu spielen.

Wir sind bei Weitem nicht alleine bei solchem Streben. Immer mehr Länder des Globalen Südens und Ostens begreifen allmählich und formulieren nationale Interessen, führen die Politik, die auf ihre Umsetzung im Geiste der internationalen Zusammenarbeit abzielen, durch. Diese Staaten treten immer beharrlicher für den Aufbau einer gerechteren Weltordnung – via Reform der bestehenden bzw. Schaffung neuer Formate des Zusammenwirkens für die Lösung konkreter Aufgaben im Bereich Sicherheit und Entwicklung ein. Wir unterstützen diese Tendenz, ausgehend von einem klaren Verständnis, dass gerade ihr die Zukunft gehört.

Frage: Die damalige Regierungschefin Großbritanniens, Margaret Thatcher, sagte 1987 während ihres Moskau-Besuchs: „Ich denke, dass es nie einen größeren Abschreckungsfaktor als Atomwaffen gegeben hat. Gerade deswegen haben wir Frieden in Europa im Laufe von 40 Jahren“. Aktuell wird im öffentlichen Raum das Thema des Einsatzes solchen Waffentyps breit besprochen. Die Einen sind der Meinung, dass die Grenze für ihren Einsatz unter Bedingungen einer Existenz-Bedrohung für Russland zu niedrig ist. Andere halten solches Herangehen für absolut unannehmbar. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Sergej Lawrow: Es stimmt, dass in der letzten Zeit über die Rolle der Atomwaffe in der Außenpolitik Russlands viel gesprochen wird. Ich möchte daran erinnern, dass die Bedingungen ihres Einsatzes unsererseits in Doktrinen dargelegt sind. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Staatspolitik Russlands im Bereich Atomabschreckung ausschließlich Verteidigungscharakter hat. Sie ist auf die Aufrechterhaltung des Potentials der Atomkräfte auf dem Niveau, das für einen garantierten Schutz der Souveränität und territorialer Integrität des Staates, Verhinderung der Aggression gegen Russland und seine Verbündeten minimal notwendig ist, gerichtet.

Im Kontext der Abschreckung ist der Besitz von Atomwaffen heute die einzig mögliche Antwort auf einige bedeutende Außensicherheitsbedrohungen für unser Land. Die Entwicklung der Situation um die Ukraine bestätigte die Begründetheit unserer Besorgnisse in diesem Bereich. Mit grober Verletzung des Prinzips der Unteilbarkeit der Sicherheit setzte die Nato – die Organisation, die sich zur Atomallianz erklärte – auf eine „strategische Niederlage“ Russlands. Unsere erzwungenen Gegenhandlungen zum Schutz unserer äußeren Sicherheitskonturen wurden vom Westen als Vorwand zum Übergang zu einer erbitterten Konfrontation mit dem Einsatz von hybriden Mitteln genutzt.

Im Kontext des Ukraine-Konfliktes besteht eine große Gefahr darin, dass die USA und die Nato mit Eskalation auf ein Risiko eingehen, sich in der Situation eines direkten militärischen Zusammenstoßes von Atommächten zu erweisen. Wir denken, dass solche Entwicklung verhindert werden kann und soll. Deswegen müssen wir an die Existenz hoher militärpolitischer Risiken erinnern und ernüchternde Signale an Opponenten senden.

Ich möchte betonen: Unser Land hält in vollem Maße an dem Prinzip der Unzulässigkeit eines Atomkriegs fest und geht davon aus, dass es in einem solchen Krieg keine Sieger geben kann. Demnach darf er auch nie entfacht werden. Dieses Postulat wurde von Anführern von fünf Atommächten in einer gemeinsamen Erklärung vom 3. Januar 2022 bestätigt. Unter den aktuellen Bedingungen gewann dieses Dokument an weiterer Aktualität – demnach muss jede militärische Konfrontation zwischen Atommächten verhindert werden, weil diese zu einem Übergang auf eine nukleare Ebene führen kann. In diesem Zusammenhang ist die wichtigste Aufgabe auf dieser Etappe – jeder Atomstaat soll die Anhänglichkeit für dieses Verständnis beibehalten und maximale Zurückhaltung zeigen.

Frage: Russland und der Westen stehen an einer direkten Konfrontation. Wie denken Sie, überging die Zahl der Fälle der extrem hohen Russophobie in eine andere historische Dimension? Wie würden Sie heute die Bedrohung der Eskalation der Spannung beschreiben? Ist die Wiederholung der tragischen Seiten der Geschichte des 20. Jh., das Augenzeuge von zwei Weltkriegen wurde, möglich?

Sergej Lawrow: Die westlichen Länder sind tatsächlich wütend geworden nach ein Paar Jahrzehnten, als sie so taten, als ob sie zivilisierte und adäquate Partner in der internationalen Arena sind. Aber diese Situation hat auch eine positive Seite – die globale Mehrheit bekam die Möglichkeit, ein wahres Gesicht jener zu sehen, die beinahe ein Monopolrecht, „universelle Werte“ festzulegen, beanspruchten.

Das mit Heuchelei gedeckte russophobe Wesen vieler unserer ehemaligen Partner zeigte sich heute auffallend. Wollen wir aber daran nicht vergessen, dass das alles nicht gestern begann. Im Laufe von vielen Jahren befassten sie sich mit Verwandlung des benachbarten Landes in ein feindselig gegenüber Russland gestimmtes militärisches Aufmarschgebiet, wobei dort eine ganze Generation der Politiker, die einen Krieg der gemeinsamen Geschichte, gemeinsamen Kultur und allem Russischen erklären wollten, großgezogen wurde.

In den westlichen Hauptstädten wurde offen zugegeben, dass nicht geplant war, die Minsker Abkommen zu erfüllen, die den Konflikt in der Ukraine regeln sollten. In der Tat wurde Zeit gewonnen, um sich auf ein militärisches Szenario vorzubereiten, Kiew mit Waffen vollzupumpen.

Ich denke, man soll das Wichtigste verstehen: Im Westen will man unser Land als ernsthaften geopolitischen Konkurrenten beseitigen. Gerade aus diesem Grund entfachten Washington und Brüssel einen Hybrid-Krieg gegen uns. Zudem ist ein beispielloser Sanktionsdruck zu erkennen. Die Amerikaner versuchen mit Zuckerbrot und Peitsche, unsere Partner von wirtschaftlicher und jeder anderen Zusammenarbeit mit Russland zu entfernen.  Es werden offene Sabotageakte organisiert, wie der Fall mit der Sprengung der Gaspipelines Nord Stream auf dem Ostseeboden. Es werden eklatante Anstrengungen zur Abschaltung unseres Landes von Mechanismen der internationalen Zusammenarbeit im Bereich Kultur, Bildung, Wissenschaft und Sport unternommen. Es ist offensichtlich, dass alle diesen und anderen aggressiven Maßnahmen auf die Abschwächung, Erschöpfung Russlands abzielen. Sie wollen unsere wirtschaftlichen, technologischen und Verteidigungsmöglichkeiten möglichst ausschöpfen, die Souveränität beschränken und uns dazu zwingen, einen selbstständigen Kurs in der Außen- und Innenpolitik aufzugeben.

Rund 50 Länder, die zur Ramstein-Koalition zur militärischen Unterstützung der Ukraine gehören, sind de facto in den bewaffneten Konflikt auf der Seite des Kiewer Regimes einbezogen, das vor terroristischen Methoden der militärischen Kampfführung nicht scheut. In die Ukraine fließen großangelegte Lieferungen westlicher Waffen, darunter Kassettengeschosse und weitreichende Waffen. An der Planung der Operationen der Streitkräfte der Ukraine nehmen Nato-Instrukteure teil, es werden Nato-Aufklärungsdaten genutzt.

Die gesamte Auslandshilfe an das Regime Selenskis innerhalb des Jahres seit Beginn der militärischen Spezialoperation belief sich auf mehr als 160 Mrd. Dollar, darunter militärische Hilfe im Wert von 75 Mrd. Dollar. Nach Angaben der Washingtoner NGO The Heritage Foundation stellten die USA der Ukraine bereits rund 113 Mrd. Dollar bereit, also je 900 Dollar von jedem Haushalt plus weitere je 300 Dollar als Prozent für Bedienung entsprechender Schuldverpflichtungen. Das sind riesengroße Summen, insbesondere unter Berücksichtigung einer schweren Situation in der Weltwirtschaft.

Die westlichen Anführer wiederholen dabei als ein Mantra, dass sie Kiew so lange wie notwendig helfen werden. Der Kampf bis zum letzten Ukrainer ist natürlich ihre Wahl, sowie der Beschluss der Clique Selenskis. Aber die USA haben historisch kaum die beste Erfahrung bei Unterstützung ihrer Verbündeten. Man kann sich an die Episoden einer plötzlichen Einstellung der US-Militärhilfe an Südvietnam 1973 und das Regime von Ashraf Ghani in Afghanistan 2021 und den Fakt, das dies zum sofortigen Fall der loyalen zu Washington Behörden führte, erinnern. Auch die heutige Ukraine hängt fast vollständig von den westlichen Finanzspritzen und Waffenlieferungen ab.

Wenn man in die Zukunft blickt, ist dort alles nicht erfreulich für die Kiewer Behörden und ihre Kuratoren. Je länger die bewaffneten Zusammenstöße dauern, desto weniger Wunsch haben die westlichen Investoren, am Post-Konflikt-Wiederaufbau der Ukraine teilzunehmen. Immer schwächer ist ihr Glaube an deren militärischen Erfolge und Beibehaltung dieses Staates in seinen eventuellen Formen und Grenzen. Darüber hinaus ist die Fähigkeit Kiews, seine Staatsschulden zu bedienen, extrem zweifelhaft. Die Nicht-Rückzahlung der Kredite wird unvermeidlich eine zusätzliche Last für Steuerzahler in den Ländern des Westens sein, die Beschleunigung der Inflation und Senkung des Lebensniveaus erhöhen.

Der Westen soll auch was Anderes begreifen: Russland wird seine Menschen und seine Lebensinteressen mit allen Mitteln verteidigen. Es wird besser sein, wenn unsere Opponenten absolute Aussichtslosigkeit der Konfrontation mit Russland verstehen und zu mehr zivilisierten, politisch-diplomatischen Wegen zur Gewährleistung des Gleichgewichts der Interessen übergehen.

Frage: Mehrere Politiker, darunter der Präsident der Republik Belarus, Alexander Lukaschenko, und der Premier Ungarns Viktor Orban sagten mehrmals, dass der Stopp des Konfliktes in der Ukraine zwischen Russland und den USA vereinbart werden soll. Teilen Sie diese Meinung?

Sergej Lawrow: Solche Logik sieht wohl vor, dass die Ukraine eine Marionette der Amerikaner ist, und alle wichtigen Fragen mit ihnen geregelt werden sollen. Das Problem besteht allerdings darin, dass die USA es nicht vor haben, den Konflikt zu stoppen. Wie ich bereits sagte, ist ihre offiziell verkündete Aufgabe – Russland eine „strategische Niederlage“ zu bereiten, uns im militärischen, wirtschaftlichen und politischen Sinne möglichst abzuschwächen. Deswegen sagt Washington ständig, dass die Verhandlungen über die Regelung ausschließlich zu Bedingungen der Ukrainer, also auf Grundlage der berüchtigten „Friedensformel“ Selenskis geführt werden sollen. Unseres Erachtens ist es eine sinnlose ultimative Position. Es ist unmöglich, von uns zu fordern, die Beeinträchtigung unserer indigenen Interessen im Sicherheitsbereich und Fortsetzung der Willkür gegenüber Russen und Russischsprachigen in den neuen Gebieten und in den von den Streitkräften der Ukraine kontrollierten Gebieten zu akzeptieren.

Ich möchte daran erinnern, dass wir im Dezember 2021 einen ernsthaften Versuch unternahmen, den westlichen Hauptstädten unsere Besorgnisse mitzuteilen, wobei Entwürfe von zwei Verträgen – über Sicherheitsgarantien mit den USA und Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit mit Nato-Mitgliedsstaaten übergeben wurden. Aber unsere Initiative wurde sofort arrogant abgelehnt. Statt Gespräche zu führen, setzten sie alles auf den Ausbau der Waffen- und Munition-Produktion für die Ukraine, wobei die weitere Eskalation der regionalen Spannung provoziert wurde.

Unser Herangehen ist kontinuierlich und absolut transparent. Wir sagten immer, dass wir zu einem substantiellen Dialog bereit sind, wir verbrachten viele Jahre und unternahmen viele Anstrengungen bei Versuchen, die Erfüllung der Minsker Abkommen durch Kiew zu erreichen. Wie Sie wissen, war Russland seit den ersten Tagen der militärischen Spezialoperation offen zur Besprechung der Wege zum Erreichen ihrer Ziele und Aufgaben auf dem politisch-diplomatischen Wege. Wir reagierten sofort auf den Vorschlag der Ukraine, Gespräche zu beginnen, und führten sie bis zum Moment, als die ukrainische Seite auf Anweisung des Westens sie im April 2020 abbrach. Später, am 30. September 2022 verbat Wladimir Selenski mit seinem Erlass überhaupt Verhandlungen mit der russischen Führung. Damit sabotierte gerade Kiew auf Initiative der Außenkuratoren die diplomatische Arbeit.

Nun werden in verschiedenen Städten – mal in Kopenhagen, mal in Dschidda – verschiedene multilaterale Treffen ohne Einladung der russischen Vertreter durchgeführt – in der Hoffnung, die Entwicklungsländer dazu zu bringen, die „Friedensformel“ Selenskis zu unterstützen. Moskau wird dabei der „fehlende Wunsch, an den Verhandlungen teilzunehmen“, zur Last gelegt, alle Argumente über die Notwendigkeit, die vitalen Interessen unseres Landes zu berücksichtigen, werden sofort abgelehnt. Es ist klar, dass solches Herangehen nicht von der Absicht des Westens, etwas mit Russland zu vereinbaren, zeugt.

Damit sind jetzt leider keine Aussichten der Gespräche zwischen Russland und dem Westen in Sicht. Zudem bewegen die westlichen Sponsoren das Kiewer Regime leider ständig zur Erhöhung der Sätze. Die heuchlerischen Aufrufe der Westler zu Verhandlungen werden von uns als ein taktischer Trick betrachtet, um wieder Zeit zu gewinnen, den erschöpften ukrainischen Truppen eine Pause und Möglichkeit für Umgruppierung zu geben, sie wieder mit Waffen und Munition vollzupumpen. Aber das ist der Weg des Krieges, nicht der Weg einer friedlichen Regelung. Das ist uns absolut klar.

Frage: Vor kurzem fand in Sankt Petersburg der zweite Russland-Afrika-Gipfel statt. Nach dem Gipfel hat der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, eine hohe Einschätzung für das jetzige Niveau der Beziehungen zu afrikanischen Ländern und die Aussichten ihrer Entwicklung gegeben. In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potential der Zusammenarbeit?

Sergej Lawrow: Der zweite Russland-Afrika-Gipfel, der im Juli in Sankt Petersburg stattfand, bestätigte eine feste Ausrichtung Moskaus und afrikanischer Länder auf die Zusammenarbeit und Erweiterung der Partnerschaftsrahmen. Er stellte auch das Vorhandensein einer gemeinsamen Weltanschauungsgrundlage unseres Zusammenwirkens in Form der traditionellen geistig-moralischen Werte fest. Trotz eines riesengroßen Drucks seitens des Westens, kamen 48 offizielle Delegationen und Vertreter von fünf führenden regionalen Integrationsvereinigungen zum Treffen. 27 Länder des Kontinents wurden auf der Ebene der ersten und zweitgrößten Personen vertreten. Diese Zahlen zeugen eindeutig davon, dass der unabhängige außenpolitische Kurs unseres Landes von Entwicklungsländern verstanden wird, und die Anstrengungen der USA und ihrer Verbündeten, die auf die internationale Isolierung Russlands gerichtet sind, scheiterten.

Der wichtigste Vektor unserer Zusammenarbeit mit Afrika ist die Förderung der Festigung der politischen, wirtschaftlichen und technologischen Souveränität der Partner. Wir sind bereit, mit afrikanischen Freunden entsprechende Erfahrung zu teilen – zur Erhöhung der Nachhaltigkeit und Konkurrenzfähigkeit ihrer Systeme der Staatsverwaltung, Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit, Umsetzung der nationalen Prioritäten im Bereich sozialwirtschaftliche Entwicklung. Russland wird in Afrika als zuverlässiger Partner wahrgenommen – sowohl bei der Förderung der Aufrechterhaltung der militärpolitischen Stabilität, Regelung der regionalen Konflikte, Kampf gegen Terrorismus, Drogenkriminalität und anderen grenzübergreifenden Bedrohungen und Herausforderungen.

Der Gipfel öffnete Aussichten für den Ausbau der russisch-afrikanischen Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen. Das betrifft unter anderem Investitionen, regionale Wirtschaftsintegration, Landwirtschaft, Energie, Bau der Infrastruktur, Nutzung von Bodenschätzen, Informations- und Kommunikationstechnologien, Gesundheitswesen und Bildung.

Einzeln soll unser Projekt zur Schaffung der Russischen Industriezone in Ägypten, die eine Plattform für Produktion und Export der Waren in andere Länder der Region mit Nutzung der Möglichkeiten der Afrikanischen Freihandelskontinentalzone sein soll, erwähnt werden.

Russland bleibt ein gewissenhafter Lieferant von Energieressourcen, Lebensmitteln, Düngemitteln, Medikamenten nach Afrika. Eine der gefragtesten Richtungen der Zusammenarbeit ist humanitäre Hilfe an besonders bedürftige Staaten der Region.

Besondere Bedeutung wird traditionell der Ausbildung gewidmet. An russischen Hochschulen studieren fast 35.000 afrikanische Studenten, diese Zahl nimmt jedes Jahr zu. Geplant ist die Öffnung von Filialen der führenden russischen Hochschulen in den Ländern Afrikas, Schaffung anderer gemeinsamer Bildungsanstalten.

Frage: Unter aktuellen Bedingungen gewinnen die Beziehungen Russlands zu den Ländern der EAWU und OVKS an Bedeutung. Die Dynamik der Entwicklung des Zusammenwirkens in diesen Strukturen ist offensichtlich. Dabei werden unsere Partner, darunter in den Staaten Zentralasiens einem ernsthaften Außendruck ausgesetzt, damit sie sich antirussischen Sanktionen anschließen. Wie kann man hier Ihres Erachtens Widerstand leisten?

Sergej Lawrow: EAWU- und OVKS-Partner stehen unter sehr hohem Druck seitens unfreundlicher Staaten. Es werden regelmäßige Reisen hochrangiger Beamten aus westlichen Hauptstädten zu Konsultationen zur „Bekämpfung der Umgehung“ illegitimer antirussischer Sanktionen organisiert. Wenn man Dinge bei ihrem Namen nennt, handelt es sich natürlich um Versuche, unsere Verbündeten mit Drohungen und Erpressung dazu zu zwingen, auf absolut legitime Zusammenarbeit mit Russland zu verzichten.

Wir verhalten uns mit Verständnis dazu, dass unsere Partner unter Bedingungen des Außendrucks gegen sie Vorsicht zeigen müssen. Die handelswirtschaftlichen Verpflichtungen zwischen uns werden weiterhin erfüllt, weil sie den Interessen der Seiten entsprechen und das Völkerrecht nicht verletzen.

Natürlich werden von unserer Seite Gegenschritte unternommen, die auf die Bekämpfung der Versuche eines destruktiven Einflusses von außen gerichtet sind. So funktioniert in EAWU die Ausarbeitung gemeinsamer Maßnahmen zur Überwindung der Folgen der gegen Russland und Belarus eingeführten Sanktionen via Erhöhung der Nachhaltigkeit der Wirtschaften der Länder der Union. Das brachte bereits konkrete Ergebnisse. Der Umfang des gegenseitigen Handels, der Anteil von Nationalwährungen im gegenseitigen Zahlungsverkehr nehmen ständig zu. Es nimmt die Zahl der Kooperationsprojekte zu, es wurde die Lebensmittel- und Energiesicherheit vollständig gewährleistet.

Ich möchte noch ein paar Zahlen anführen. Auf den EAWU-Markt entfallen bis zu 40 Prozent des Außenhandels zentralasiatischer Staaten. In der Region Zentralasien arbeiten mehr als 10.000 russische und Gemeinschaftsunternehmen, wo rund 900.000 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Im Ganzen dient eurasische Integration als Grundlage für Beibehaltung der wirtschaftlichen Stabilität der EAWU-Mitgliedsstaaten und Erhöhung des Wohlstandes ihrer Staatsbürger.

Man kann das in vollem Maße auch über OVKS sagen. Die Grundlage unseres Zusammenwirkens in dieser Organisation bilden die Prinzipien der Gleichberechtigung und Berücksichtigung der Interessen aller Mitgliedsstaaten. Wir sind uns sicher, dass unsere Verbündeten die in der letzten Zeit zugenommene Aufmerksamkeit des Westens zu ihren Ländern kritisch betrachten und ihre Einbeziehung in die Pläne, die auf die Eskalation der militärpolitischen Spannung gerichtet sind, nicht zulassen.

Im Ganzen rechnen wir natürlich damit, dass unsere EAWU- und OVKS-Verbündeten mit der Entwicklung der Verbindungen mit Drittländern und Vereinigungen keine Schritte unternehmen werden, die ihren Verpflichtungen in diesen Organisationen widersprechen werden. Dabei gehört es nicht zu unseren Regeln, anderen Staaten Leviten zu lesen bzw. anzuweisen, wie und mit wem sie Beziehungen aufbauen sollen. Russland verbietet keinem Nachbar und Partner, das Zusammenwirken mit jemandem aufzunehmen, bittet aber immer, unsere legitimen Interessen zu berücksichtigen. Ich denke, sie hören uns.


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