Stenogramm der Rede Außenministers Russlands S.W. Lawrow und seiner Antworten auf Fragen der Medien auf der gemeinsamen Pressekonferenz zu Ergebnissen der Verhandlungen mit dem Außenminister Finnlands A. Stubb, Moskau, 9. März 2010
Sehr geehrte Kollegen,
Zusammen mit dem AuЯenminister Finnlands Alexander Stubb besprachen wir den Zustand unserer bilateralen Beziehungen, die Zusammenarbeit innerhalb verschiedener regionaler Formate, vor allem im Norden Europas, sowie die Beziehungen zwischen Russland und der Europдischen Union. Wir schдtzen die Unterstьtzung, die Finnland bestдndig zur Vertiefung unserer strategischen Partnerschaft mit der EU leistet. Traditionell kooperieren wir auch zu verschiedenen internationalen Problemen, die auf der Tagesordnung der Weltgemeinschaft stehen.
Die Hauptschlussfolgerung, die aus den Ergebnissen der heutigen Verhandlungen gemacht wurde, besteht darin, dass unserer Beziehungen einen Aufschwung erleben. Dieses Jahr feiern wir ein neues Jubilдum: der 31. Dezember ist der 90. Jahrestag der Aufstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen unseren Staaten. Russland ist, genauso wie Finnland, daran interessiert, auch weiterhin die Gutnachbarlichkeit und gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit zu festigen. Das ist unser strategischer Kurs, der sich auf die breiten Unterstьtzung in der russischen Gesellschaft basiert.
Wir setzen die Vereinbarungen, die wдhrend der Treffen von Staats- und Regierungsoberhдuptern erzielt wurden, konsequent ins Leben um. Unsere Prдsidenten und Premierminister treffen sich regelmдЯig, mehrmals pro Jahr. Am 10. Februar stattete der Regierungschef der Russischen Fцderation W.W. Putin einen Arbeitsbesuch nach Finnland ab, wo er sich an der Arbeit des Ostsee-Gipfels beteiligte und Verhandlungen mit dem Prдsidenten und dem Premierminister Finnlands fьhrte. In nдchster Zeit findet die nдchste ordentliche Sitzung der Zwischenstaatlichen Kommission statt, wo man MaЯnahmen – hoffentlich effiziente – skizzieren wird, die zur Ьberwindung des negativen Einflusses, den die globale Finanzkrise auf unseren gegenseitigen Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit ausьbte, beitragen sollen.
Nдher zum Jahresende hin plant man die Einfьhrung eines Schnellzuges zwischen St. Petersburg und Helsinki. Die Schnellzьge „Allegro" werden diese Strecke in 3,5 Stunden ьberwinden. Somit haben wir also viele konkrete Projekte und bilaterales Interesse dafьr, dass die russisch-finnische Zusammenarbeit im Bereich der hohen Technologien, Innovationen und ihrer Ьberleitung in die Produktion in die Produktion seinen Betrag dazu, was wir in unseren Beziehungen mit der EU als eine „Partnerschaft fьr Modernisierung" bezeichnen, leistet.
Wir kooperieren erfolgreich in solchen regionalen Strukturen an der Ostsee und im Norden Europas, wie der Ostseerat, der Euroarktische Barentssee-Rat, der Arktische Rat und die „Nцrdliche Dimension". Heute besprachen wir mit meinem finnischen Kollegen die Wege zur Effizienzsteigerung von diesen Mechanismen im gemeinsamen Interesse unserer Staaten.
Aus dem Blickwinkel der Beziehungen Russlands und der EU schдtzen wir es sehr hoch ein, dass Finnland zu den EU-Staaten gehцrt, die konsequent fьr die schnellstmцgliche Schaffung von Bedingungen fьr einen Ьbergang zum visumfreien Regime und fьr die Auffьllung unserer strategischen Partnerschaft mit einem qualitativ neuen Inhalt plдdieren. Ich bin ьberzeugt, dass die Verhandlungen zum neuen Basisabkommen, die zurzeit zwischen Russland und der EU gefьhrt werden, alle diese Stimmungen und Ansдtze widerspiegeln werden.
Bezьglich der internationalen Fragen haben wir traditionell einen engen Dialog zu Problemen der europдischen Sicherheit, sowie zur OSZE-Tдtigkeit allgemein, damit die Prinzipien der Schlussakte von Helsinki nicht vergessen, sondern allseitig und vollwertig im Leben des heutigen Europas umgesetzt werden, vor allem was die Unzulдssigkeit der Schaffung von neuen Trennungslinien angeht. Die nukleare Nichtverbreitung, die Abrьstung, die nahцstliche Regelung, die Situation in Afghanistan und viele andere Probleme werden zum Gegenstand unserer Dialogs. Wir schдtzen diesen Dialog und wir sehen in den Gesprдchen mit unseren finnischen Partnern das Streben dazu, seinen konkreten effizienten Beitrag zu den gemeinsamen Bemьhungen der Weltgemeinschaft bei der Suche nach Regelungswegen fьr das eine oder andere Problem zu leisten.
Ich danke meinen Kollegen und Freund A. Stubb fьr die heutige Verhandlungsrunde. Sie wird noch fortgesetzt.
Frage: Kommentieren Sie bitte die Situation mit der Familie Rantala.
S.W. Lawrow: Es ist klar, dass sie groЯe gesellschaftliche Resonanz in Russland hervorruft. Das ist verstдndlich, denn es geht dabei um das Schicksal eines siebenjдhrigen Jungen. Die Frage soll zweifellos in der rechtlichen Ebene geregelt werden. Darum leisten wir unserer Staatsangehцrigen Inga Rantala, der Mutter von Robert, alle notwendige konsularische Hilfe, einschlieЯlich der Bereitstellung von Diensten eines hochqualifizierten Anwalts. Wir hoffen, dass die finnischen Behцrden gerechte Entscheidungen treffen werden, die – wie es A. Stubb betonte - in erster Linie durch die Interessen des Kindes und die Interessen der Erhaltung von der Familie diktiert werden sollen. Wir plдdieren gдnzlich dafьr, dass man die Beauftragten fьr Kinderrechte zur Behandlung dieses Problems heranziehen soll. Unser Beauftragter P. Astachow wird Mitte Mдrz nach Helsinki kommen, wo er nicht nur diese konkrete Situation besprechen wird, sondern, wie wir uns mit dem AuЯenminister Finnlands einigten, ьberhaupt Probleme, die im Zusammenhang mit der Adoption auftreten kцnnen, da die Situation mit Robert kein Einzelfall ist. Wir wьrden hier gerne enge Zusammenarbeit einrichten, um irgendwelche Missverstдndnisse und erst recht Vorfдlle zu vermeiden. Tatsдchlich, diese Frage liegt im Kompetenzbereich von Rechtsschutz- und Justizbehцrden, aber wir wurden auch darauf aufmerksam, dass die ganze Geschichte einen Aspekt fьr das AuЯenministerium hat. Es existieren die Wiener Ьbereinkommen, nach denen die Mitgliedsstaaten sich verpflichten, Informationen darьber, was mit auslдndischen Bьrgern in ihren Aufenthaltslдndern geschieht, bereitzustellen. Das betrifft auch die Adoptionsfдlle. In dieser Frage trafen wir auf Verstдndnis seitens unserer finnischen Freunde. Wir rechnen damit, dass die entsprechenden Behцrden Finnlands, die fьr diese Fragen verantwortlich sind, die Bestimmungen der internationalen Konventionen einhalten werden. Aber ich wiederhole nochmals, dass wir sehr darauf zдhlen, dass das Treffen von den beiden Beauftragten die weiteren Handlungen zur systematischen Lцsung von solchen Problemen vorbestimmen wird.
Frage: Welche grцЯten Hindernisse existieren fьr visumfreie Reisen aus Russland in die Europдische Union seitens der EU? Kцnnen Sie uns versichern, dass die russische Gesellschaft und der russische Staat zu visumfreien Reisen bereit ist? Wir wissen, dass einige Sicherheitsdienste Russlands bestimmte Zweifel in diesem Zusammenhang haben.
S.W. Lawrow: Die Frage bezьglich des Ьbergangs Russlands zum visumfreien Regime mit der EU wird von der russischen Fьhrungsspitze bestimmt. Die russische Fьhrungsspitze auf Prдsidentenebene verkьndete mehrmals, dass wir bereit wдren, unter Bedingungen der Gegenseitigkeit sogar schon morgen zum visumfreien Regime zu wechseln. Ich bin ьberzeugt, dass in Finnland, wie auch in Russland, die Sicherheitsorgane die Beschlьsse des Prдsidenten verwirklichen und nicht umgekehrt. Ich denke, dass dieser Teil Ihrer Frage geklдrt ist.
Was die Hindernisse angeht, die auf dem Weg zur AbschlieЯung eines Abkommens ьber das visumfreie Regime liegen, so sehe ich keine. Ich sehe das politische Streben vieler Mitglieder der EU, das Streben, das auf hцchster Ebene geдuЯert wurde, einen Beschluss ьber den Ьbergang zum visumfreien Regime zu treffen. Ich weiЯ, dass ein entsprechender Dialog zwischen den verantwortlichen Organen der EU – der Europдischen Kommission und den Strukturen von Brьssel – gefьhrt wird. Wir verstehen, dass man, um diesen Beschluss zu verabschieden, in der EU einen Konsensus braucht. Das ist wahrscheinlich eine der Aufgaben, deren Lцsung sich jenseits unserer Grenze mit der EU befindet. Innerhalb Russlands sind wir bereit, zusдtzliche konkrete MaЯnahmen zu treffen, die zu einem Teil des visumfreien Regimes werden sollen.
Ich habe den Ansatz, den A. Stubb geschildert hat, sehr hoch eingeschдtzt. Er erwдhnte die Registrierung. Es ist nicht das erste Mal, dass wir von unseren Partnern hцren, dass es ein ziemlich groЯes praktisches Problem fьr die Auslдnder auf dem Territorium Russlands darstellt und wir arbeiten an diesem Problem. Das wichtigste ist, dass man keine immer neue und neue kьnstliche Bedingungen aufstellen soll, um die Verabschiedung einer politischen Entscheidung zu verzцgern. Ich bin ьberzeugt, dass eine politische Lцsung alle Aspekte des visumfreien Regimes, die man zusдtzlich in die Praxis einfьhren soll, miteinschlieЯen kann. Unsere finnischen Kollegen haben dazu die selbe Einstellung. Ich hoffe, dass die Fьhrungsspitze Russlands und der EU bis zum Russland-EU-Gipfel in Rostow am Don, das am 31. Mai – 1. Juni stattfinden wird, prдzise Aussagen zu diesem Thema machen kann.
Zurzeit schlieЯen wir die Vorbereitung eines bilateralen Abkommens mit Finnland ab. Im Prinzip haben wir vor einigen Jahren Brьssel ьber die Ausarbeitung von einheitlichen gegenseitig akzeptablen Regeln zur Ausstellung von Arbeitserlaubnissen, die auf der Grundlage von Paritдt angewendet werden sollten, angesprochen. Die Europдische Kommission zeigte dafьr kein Interesse, darum wechselten wir in letzter Zeit zur Vorbereitung von entsprechenden zwischenstaatlichen Abkommen ьber die Bedingungen fьr die temporдre Arbeit auf dem Territorium unserer Staaten mit den Regierungen einzelner Mitgliedsstaaten der EU. Unter anderem schlieЯen wir zurzeit die Vorbereitung eines solchen Abkommens mit Finnland ab. Vielleicht wird es die Europдische Kommission anregen und wir werden diese Frage systematisch und unmittelbar mit der ganzen Europдischen Union regeln kцnnen.
Frage: Entspricht es der Wirklichkeit, dass die westlichen Staaten den Entwurf einer neuen Resolution zu Iran an Russland und China ьbergeben haben und wann kann dieser Entwurf im UN-Sicherheitsrat behandelt werden?
S.W. Lawrow: Wir besprechen die Frage im Format „drei plus drei". Das sind drei Staaten der EU – GroЯbritannien, Frankreich und Deutschland – sowie die USA, China und Russland. Es gibt eigentlich keinen Entwurf der Resolution als solchen. Unsere westlichen Partner besprechen die Ideen, die, ihrer Meinung nach, den Inhalt einer solchen Resolution ausmachen kцnnten. Wir lassen uns durch die Position, die der Prдsident Russlands D.A. Medwedew unter anderem auf der kьrzlichen Pressekonferenz in Paris schilderte, leiten. Wir sind ьberzeugt, dass es mцglich ist, eine diplomatische Lцsung der vorhandenen Probleme zu erzielen, vor allem des Problems mit Brennstofflieferungen fьr den Teheraner Forschungsreaktor. Wir schlieЯen es nicht aus, dass, falls die iranische Seite weiterhin keine konstruktive Reaktion auf den Vorschlag, der durch die IAEO an Teheran ьberreicht wurde, zeigt, man dann vorschlдgt, das iranische Thema im UN-Sicherheitsrat zu besprechen. Jedes Mitglied des Sicherheitsrats hat dieses Recht und wenn eine solche Besprechung vorgeschlagen wird, dann werden wir uns natьrlich daran beteiligen.
Dabei werden wir davon ausgehen, dass Sanktionen gewцhnlich keine Probleme lцsen. Manchmal sind sie notwendig, ich wьrde sogar sagen, unvermeidlich, aber sie sollen keines Falls die humanitдre Situation in dem einen oder anderen Land berьhren und Probleme fьr die Zivilbevцlkerung verursachen.
Die Zeit fьr Sanktionen trifft nur dann an, wenn alle anderen Mцglichkeiten zur Erarbeitung der Regelung fьr das eine oder andere Problem bereits ausgeschцpft sind. Wir gehen von dieser Position aus, die vom dem Prдsidenten bestimmt wurde. Ich betone, dass die Weltgemeinschaft die besondere Rolle der Gruppe „drei plus drei" – der so genannten „Gruppe der Sechs" oder der Gruppe „fьnf plus eins" – bei der Erarbeitung von Ansдtzen zum iranischen Nuklearproblem anerkannte. Wir sind ьberzeugt, dass diese Gruppe weiterhin den Kern, in dem Vorschlдge zu weiteren Schritten ausgearbeitet werden, bilden soll. Natьrlich muss man dafьr die Suche nach allseitig akzeptablen Initiativen fortsetzen.