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Rede und Antworten des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, zu den Ergebnissen des BRICS-Gipfels, Rio de Janeiro, 7. Juli 2025

1179-07-07-2025

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben unsere Arbeit auf dem XVII. BRICS-Gipfel in Rio de Janeiro abgeschlossen.

Ich möchte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, unseren brasilianischen Freunden, die in seinem Team an dieser Veranstaltung gearbeitet haben, aufrichtig für die hervorragende Organisation des Gipfels und die traditionelle brasilianische Gastfreundschaft beim Treffen, das eine bedeutende Anzahl von Ländern des globalen Südens und Ostens zusammengebracht hat, danken.

Es ist den brasilianischen Gastgebern gelungen, eine ausgezeichnete Zusammenarbeit im Rahmen von BRICS zu gewährleisten. Im Jahr 2024 hatte die Russische Föderation den Vorsitz inne. Der Gipfel in Kasan wurde von allen als sehr erfolgreich bewertet. Ich bin überzeugt, dass unsere brasilianischen Freunde eine ebenso positive Einschätzung für den nun zu Ende gehenden Gipfel in Rio de Janeiro erhalten werden.

Zum ersten Mal nahmen nicht nur vollwertige BRICS-Mitglieder am Gipfel teil, sondern auch Partnerstaaten. Ich erinnere daran, dass diese Kategorie auf dem Kasaner Gipfeltreffen, das vom 22. bis 24. Oktober 2024 stattfand, eingeführt wurde. Dazu zählen Belarus, Bolivien, Vietnam, Kasachstan, Kuba, Malaysia, Nigeria, Thailand, Uganda und Usbekistan. Neben den Partnerstaaten, die nun in diesem neuen Status beim Gipfel vertreten waren, lud die brasilianische Präsidentschaft auch eine Reihe von Staats- und Regierungschefs des Globalen Südens und Ostens zu einzelnen Sitzungen ein. Alle konnten sich mit der Liste derjenigen vertraut machen, die als Gäste an den Sitzungen im Format „BRICS+“ und „BRICS Outreach“ teilgenommen haben.

Darüber hinaus waren traditionell auch die Leiter der Sekretariate der UNO, der WHO und der WTO zu den entsprechenden Sitzungen eingeladen und traten dort auf, ebenso wie die Führung der multilateralen Banken, darunter die Neue Entwicklungsbank, die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank und die Lateinamerikanische Entwicklungsbank.

Was die Ergebnisse und die angenommenen Dokumente betrifft, so sind sich die BRICS-Mitglieder und ihre Gleichgesinnten darin einig, dass es unmöglich ist, die zahlreichen Herausforderungen der Gegenwart effektiv zu lösen, ohne die Positionen der Länder des globalen Südens und Ostens, also der globalen Mehrheit, zu berücksichtigen.

In diesem Zusammenhang wurde die Rolle von BRICS als Plattform zur Abstimmung der Interessen führender Staaten, eben dieser globalen Mehrheit, hervorgehoben – als eine der tragenden Säulen einer multipolaren Weltordnung, die objektiv das überholte System der Globalisierung ersetzt.

Der Präsident Russlands, Wladimir Putin, erklärte in seiner Videobotschaft an den BRICS-Gipfel, dass das frühere System ausschließlich auf die Bedienung der Interessen der „goldenen Milliarde“ ausgerichtet war. Diese Epoche gehöre der Vergangenheit an. Alle richten sich nun an den Prinzipien, die BRICS als Grundlage einer wahrhaft multilateralen, gleichberechtigten und für alle Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit zwischen den Staaten fördern.

Russland teilt die Positionen zu zentralen internationalen Fragen. Dies war Gegenstand der ersten Plenarsitzung. Es wurde die gemeinsame Entschlossenheit bekräftigt, die Bildung einer gerechteren, stabileren und polyzentrischen Weltordnung zu fördern, die sich auf die Prinzipien der UN-Charta stützt – und zwar nicht selektiv angewendet, wie es westliche Kollegen im Rahmen ihrer jeweils neuesten Abenteuer auf der internationalen Bühne tun, wenn sie nur jene Bestimmungen herausgreifen, die ihnen gerade nützen, um damit ihr Vorgehen zu rechtfertigen. Die Prinzipien der UN-Charta müssen so angewendet werden, wie sie von den Gründervätern geschrieben, beschlossen und ratifiziert wurden – in ihrem Gesamtzusammenhang und ihrer gegenseitigen Verknüpfung.

Den BRICS-Staats- und Regierungschefs wurde ein Bericht über die Abschlusstreffen hochrangiger Vertreter der BRICS-Staaten vorgelegt, die für Sicherheitsfragen zuständig sind.

Was konkrete Aspekte der internationalen Agenda betrifft, herrschte einhellige Meinung über die Unzulässigkeit der israelischen und amerikanischen Angriffe auf iranisches Territorium, die unter Verletzung des Völkerrechts, der UN-Charta und der IAEO-Abkommen durchgeführt wurden.

In der Abschlusserklärung, die am ersten Tag der Sitzungen angenommen wurde, sprachen sich alle BRICS-Mitglieder für ein Ende jeglicher Aggressionen nicht nur gegen den Iran aus, sondern auch im Gazastreifen, wo sich eine katastrophale humanitäre Lage entwickelt hat.

Es besteht bei allen ein klares Gefühl, dass israelische Vertreter und das Militär in ähnlicher Weise nicht nur im Gazastreifen, sondern auch im Westjordanland vorzugehen beabsichtigen – was die Aussicht auf die Schaffung eines palästinensischen Staates ernsthaft untergräbt. Alle BRICS-Mitglieder setzten sich für die Umsetzung der UN-Beschlüsse zur Zweistaatenlösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ein. Wir werden darauf bestehen, dass diese Beschlüsse nicht in Vergessenheit geraten.

In der Erklärung und in den Redebeiträgen vieler Teilnehmer wurde auch zur Lage in der Ukraine Stellung genommen. Alle äußerten sich ausgewogen und objektiv und zeigten ein zunehmendes Verständnis für die Ursachen dieser Krise – nämlich die über viele Jahre vom Westen geschaffenen Bedrohungen für die Sicherheit Russlands, einschließlich der NATO-Osterweiterung mit dem offensichtlichen Ziel, die Ukraine zu vereinnahmen und eine NATO-Militärmaschinerie direkt an unseren Grenzen zu errichten. Ebenso wichtig ist jedoch die Forderung nach Aufhebung aller Entscheidungen des Kiewer Regimes nach dem Staatsstreich von 2014, die darauf abzielen, alles Russische gesetzlich auszulöschen – einschließlich Sprache, Bildung, Medien und Kultur. Kürzlich wurde die Grundlage für ein Verbot der kanonischen Ukrainisch-Orthodoxen Kirche geschaffen.

Besondere Aufmerksamkeit wurde einem umfassenden Ansatz zur Reform der globalen Verwaltung gewidmet, insbesondere im Hinblick auf die längst überfälligen Reformen der Bretton-Woods-Institutionen, damit diese das tatsächliche Gewicht der Länder der globalen Mehrheit in der Weltwirtschaft widerspiegeln. In diesem Zusammenhang wurden erneut Forderungen laut – das war eine konsolidierte Position der BRICS, die Reform der Quoten- und Stimmrechtsverteilung im IWF zu beschleunigen.

Es wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, im Rahmen der Reformen die Praxis zu beenden, die sowohl im IWF als auch in der Weltbankgruppe Anwendung findet. Diese besteht darin, Finanzierungen jenen Ländern zu gewähren, die als Marionetten des Westens agieren. Besonders deutlich wurde dies im Fall der Ukraine. Die Finanzmittel, die den Bretton-Woods-Institutionen zufolge in den letzten zwei Jahren der Ukraine zugewiesen wurden, übersteigen bei Weitem die Summen, die sämtlichen afrikanischen Staaten insgesamt zur Verfügung gestellt wurden. Das ist eine beschämende Statistik – sowohl für den IWF als auch für die Weltbank.

Große Bedeutung wird auch der Reform der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beigemessen. Der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom, berichtete über den Fortgang der Reform, die das Sekretariat effizienter und weniger bürokratisch machen soll. Es wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, Versuche zu unterbinden, auch diese Organisation zu politisieren, die sich in erster Linie mit epidemiologischer Sicherheit und der Vorbeugung von Infektions- und nichtübertragbaren Krankheiten befassen sollte.

In den Dokumenten der Sitzung und den Diskussionen wurden Aufgaben zum Umweltschutz aufgegriffen, auch im Hinblick auf die Vorbereitung der Vertragsstaatenkonferenz der UN-Rahmenkonvention über den Klimawandel, die vom 10. bis 21. November 2025 in Belém (Brasilien) stattfinden wird. Es handelt sich um die dreißigste Konferenz. Besonders wichtig ist, dass sich alle einig waren über die Notwendigkeit, Diktatversuchen im Bereich Klimawandel entgegenzutreten und entsprechende nationale Strategien anzupassen. Der Westen bemüht sich aktiv darum, die Entwicklungsländer davon zu überzeugen, immer mehr Mittel für den „grünen Wandel“ auszugeben – auf Kosten ihrer Interessen im Bereich einer beschleunigten sozioökonomischen Entwicklung.

Die zwischenstaatlichen Diskussionen werden durch Strukturen wie die Neue Entwicklungsbank, der BRICS-Wirtschaftsrat, die BRICS-Frauen-Business-Allianz und der BRICS-Zivilrat unterstützt. Alle ihre Leiter traten auf dem Gipfel auf und berichteten über die Fortschritte in ihren jeweiligen Bereichen. Diese Mechanismen spielen eine äußerst nützliche Rolle. Allgemein wurde betont, dass ihre Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Kultur und im humanitären Bereich leistet.

Wir bewerten die in diesem Jahr erzielten Ergebnisse der BRICS-Arbeit sehr positiv. Es geht dabei nicht nur um den Gipfel selbst, sondern um Dutzende sektorale Veranstaltungen in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, technologische Entwicklung und künstliche Intelligenz.

Zum Thema Künstliche Intelligenz wurde eine Erklärung verabschiedet, in der die Notwendigkeit betont wird, Regulierungsmechanismen ausschließlich in universellen Formaten unter der Schirmherrschaft der UNO zu entwickeln – und nicht im Rahmen geheimer Treffen in geschlossenen Kreisen, zu denen nur diejenigen eingeladen werden, die bereit sind, den „älteren Genossen“ zu gehorchen.

Auf dem Gipfel wurde die Gründung einer BRICS-Partnerschaft zur Bekämpfung sozial bedingter Krankheiten bekanntgegeben. Dies ist eine der konkreten Initiativen des brasilianischen Vorsitzes. Sie bereichert die Agenda unserer Vereinigung. Ich bin sicher, dass dies eine weitere positive Erfahrung sein wird.

Alle Projekte, die im Rahmen von BRICS im Bereich künstliche Intelligenz und Gesundheitswesen umgesetzt werden, werden wir in den entsprechenden internationalen Formaten weiter vorantreiben, einschließlich WHO und UNO.

Die Arbeit der brasilianischen Präsidentschaft ist noch nicht abgeschlossen. Bis Ende 2025 sind noch eine Reihe von Veranstaltungen auf Experten- und Ministerebene geplant. Ich meine damit beispielsweise Treffen der Präsidenten der Obersten Gerichte sowie der Leiter der Steuer- und Zollbehörden der Mitgliedsstaaten.

Am 1. Januar 2026 wird Indien den Vorsitz in der BRICS übernehmen. Bei einem Treffen mit meinem indischen Kollegen haben wir die Pläne besprochen, die derzeit in Neu-Delhi ausgearbeitet werden. Sie erscheinen uns sehr vielversprechend und gewährleisten die Kontinuität der Arbeit – im vergangenen Jahr, im laufenden Jahr und mit Blick auf das kommende Jahr.

 

Fortsetzung folgt…


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