Aus dem Pressebriefing der offiziellen Sprecherin des Außenministeriums Russlands, Maria Sacharowa, Moskau, 10. Oktober 2023
Zur Situation um die Untersuchung der Terroranschläge an den Nord-Stream-Gaspipelines
Die Situation ist mit der ähnlich, was im Nahen Osten vor sich geht. Die führenden Nato-Länder wissen nichts davon, was dort geschah. „Nichts passiert“. Niemand teilt substantielle Informationen mit. Warum? Es gibt eigene Pläne. Es gibt was zu verheimlichen.
Seit einem Jahr haben die Behörden Deutschlands, Dänemarks und Schwedens es nicht geschafft, der internationalen Gemeinschaft irgendwelche klare Informationen zumindest über vorläufige Ergebnisse der nationalen Untersuchungen des Terroranschlags an Nord-Stream-Pipelines bereitzustellen. Vor diesem Hintergrund werden in Medienraum verschiedene Theorien eingeworfen, die für Verwirrung sorgen, um Aufmerksamkeit von realen Vollziehern und Auftraggebern dieses Verbrechens abzulenken. Dabei werden substantielle Recherchen von Journalisten im Prinzip nicht kommentiert.
Russland ist daran interessiert, dass die wahren Verantwortlichen für den Terroranschlag am wichtigen Objekt der Energieinfrastruktur, der riesengroße wirtschaftliche und ökologische Folgen nach sich zog, Verantwortung nicht entkommen. In diesem Jahr wurden auf unsere Initiative vier Sitzungen des UN-Sicherheitsrats einberufen, darunter am 26. September dieses Jahres, bei der wir den Beginn der Arbeit an einem Entwurf der Erklärung des Sicherheitsrats ankündigten. Ich kann Ihnen zusichern, dass dieses Thema die Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats nicht verlassen wird. Russland wird diese Frage regelmäßig auf UN-Plattform, darunter im UN-Sicherheitsrat, stellen.
Das Ziel des Dokuments ist, ein klares Signal über die Einheit des Rats bei Verurteilung dieser Untat zu senden. Das angelsächsische Duo wird die Ausarbeitung solchen Dokuments allumfassend stören. Wir erinnern uns doch daran, wie die Briten alle Versuche blockierten, das Thema zur Besprechung des Sicherheitsrats zu bringen, zumal die Besprechung in eine praktische Dimension zu bringen. Russland schlug eine Untersuchung unter Schutzherrschaft des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres vor, reichte viele praktische Initiativen ein, stellte Fragen, lud Experten ein. Wir erinnern uns daran, wie erbittert die Angelsachsen das alles blockierten. Wir werden weiter gehen. Wir hoffen, dass unsere westlichen „Kollegen“ Respekt zu Völkerrecht (da sie schon im UN-Sicherheitsrats sitzen) und das Streben nach einer ernsthaften Arbeit am Projekt zeigen. Letzten Endes können nur jene an einer objektiven Untersuchung nicht interessiert sein, die mit diesem Verbrechen unmittelbar verbunden sind.
Zu den Ergebnissen des Nürnberger Prozesses
Am 1. Oktober 1946 ist in Nürnberg der Gerichtsprozess zu Ende gegangen, der in die Geschichte als Internationaler Kriegsgerichtshof einging und endgültige Zerschlagung des Faschismus juridisch festlegte. Die Bedeutung dieses Ereignisses ist nicht zu überschätzen.
Hätte es damals den Prozess nicht gegeben, hätten wir heute keine Argumente gehabt, schwarz als schwarz, weiß als weiß, Übel als Übel und Gutes als Gutes zu bezeichnen. Das kanadische Parlament applaudierte vor kurzem Kollaborateuren, SS-Militärs. Viele im Westen haben das sogar nicht bemerkt.
Zum ersten Mal in der Geschichte wurden die Vorbereitung, Planung, Entfachung und Führung eines aggressiven Kriegs als Verbrechen gegen Menschheit eingestuft, es wurde persönliche Verantwortung der höchsten Staatsbeamten zugegeben, ein rechtlicher Begriff von Genozid gegeben.
Die Ergebnisse des Nürnberger Prozesses sind allgemein bekannt (für jene, die die Geschichte kennen). Für zahlreiche Kriegsverbrechen und schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden zwölf Angeklagte zur Todesstrafe via Erhängen verurteilt, sieben – zu verschiedenen Haftstrafen. Todesurteile wurden in der Nacht zum 16. Oktober 1946 vollzogen.
Die Ergebnisse des Nürnberger Prozesses und eine gerechte Bestrafung von höchsten Nazi-Verbrechern dienst auch heute als Warnung für jene, die Nazismus aufzudrängen versuchten.
Dieses Thema bleibt weiterhin aktuell. Vom 23. bis 26. Oktober 2023 findet in Swetlogorsk im Gebiet Kaliningrad das Internationale wissenschaftspraktische Forum „Ohne Verjährungsfrist. Verbrechen der Nazis gegen Menschlichkeit: Geschichte und Gegenwart“ statt. Ich schlage allen Interessierten und Medien vor, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.
Zum 80. Jahrestag des Aufstandes im KZ-Lager Sobibor
Am 14. Oktober 1943 organisierten Gefangene des nazistischen Todeslagers Sobibor unter Leitung des sowjetischen Kriegsgefangenen, Technikers des 2. Klasse Alexander Petschorski einen Aufstand. Dieses Ereignis wurde zu einem der grellsten Beispiele des heldenhaften Kampfes gegen Nazismus. Das war de facto die einzige erfolgreiche Massenkonfrontation in Form einer Flucht aus dem nazistischen KZ-Lager.
Sobibor ist ein Todeslager im Südosten Polens, das ausschließlich zur Vernichtung der Juden und Kriegsgefangenen eingerichtet wurde – es funktionierte vom 15. Mai 1942 bis 15. Oktober 1943.
Der Kommandant des Lagers war seit April 1942 SS-Hauptsturmführer Franz Stangl. Das Personal des Lagers bestand aus rund 30 SS-Offizieren, viele von denen Spezialisten für Euthanasie waren. Leibwächter waren von Anfang an Kollaborateure ukrainischer Herkunft aus sowjetischen Kriegsgefangenen, seit 1943 machten Kämpfer der 14. SS-Division Galitschina (Galizien) einen bedeutenden Teil der Wache aus, der der neue „Held“ der westlichen Gemeinschaft gehörte, dem das kanadische Parlament applaudierte. Global Mail, New York Times, The Wall Street Journal werden darüber nicht schreiben. Wir wissen das.
Laut Materialien des Zentralarchivs des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation kamen zur Eisenbahnstation Sobibor jeden Tag bis sechs Zügen, mit jeweils 2000 Personen – Erwachsene, Greise, Kinder. Insgesamt wurden innerhalb von anderthalb Jahren der Existenz des Lagers nach verschiedenen Angaben 150.000 bis 250.000 Menschen von Nazis vernichtet.
Der Rotarmist Alexander Petscherski hat es geschafft, zusammen mit dem Sohn des polnischen Rabbiners Leon Feldhendler einen Aufstand im Lager vorzubereiten und anzuführen. Zum Zeitpunkt des Aufstandes in Sobibor befanden sich im Lager 550 Gefangene. Mehr als 100 von ihnen weigerten sich, am Aufstand teilzunehmen, wobei man mit Nachsicht der Nazis rechnete. Sie alle wurden von Nazis am nächsten Tag vernichtet. In den nächsten zwei Wochen nach der Flucht organisierten die Nazis eine wahre Jagd auf Geflohene, an der militärische Polizei und Wache des Lagers teilnahmen. Bei Sucharbeiten wurden rund 170 Menschen gefasst und sofort erschossen. Bis zur Befreiung Polens wurden noch rund 90 ehemalige Sobibor-Häftlinge von Einheimischen übergeben bzw. von Kollaborateuren getötet. Bis zum Kriegsende blieben nur etwas mehr als 50 Aufständische am Leben, darunter Alexander Petscherski und Leon Feldhendler. Doch am 2. April 1945 war der Letztere tödlich verletzt via geschlossene Tür seiner Wohnung. Trotz erwiesener medizinischer Hilfe kam er vier Tage nach dem Attentat ums Leben. Laut der verbreitetsten Version wurde Feldhendler von Mitgliedern des polnischen nationalistischen Untergrunds getötet.
Als über den Aufstand in Sobibor bekannt wurde, geriet SS-Reichsführer Heinrich Himmler in Wut und befahl, das Lager zu liquidieren. An seiner Stelle wurde von Nazis die Erde beackert, Kohl und Kartoffeln gepflanzt, wobei man damit versuchte, nicht nur eigene Verbrechen zu verdecken, sondern auch das Gedenken an die Heldentat der KZ-Häftlinge zu vernichten. Hier haben aber die Nazis keinen Erfolg erreicht.
Die Sobibor-Geschichte wurde ein Teil der Klage wegen verbrecherischer, unmenschlicher Praktiken des Nazismus im Nürnberger Prozess, Berichte der Augenzeugen und Teilnehmer des Aufstandes bildeten die Grundlage zahlreicher Bücher und einiger Filme.
Solche Daten sollen im Gedächtnis beibehalten werden. Darin ehren wir nicht nur das Gedenken an Millionen Tote und jenen, die heldenhaft in den Kampf gegen das Übel gingen, sondern auch erinnern Menschen daran, welche Gefahr die Menschenhass-Ideologie, neonazistische Fälle in sich tragen – ob Fackel-Prozessionen, Glorifizierung der Helfershelfer der Nazis, Symbole, Neuausgabe der Nazi-Bücher und Rechtfertigung ethnischer Säuberungen mit „großen Zielen“.
Die Heldentat Petscherskis und anderer Sobibor-Häftlinge wird immer in unserem Gedächtnis bleiben, wir werden dieses Gedenken weiterleiten. Heute ist sein Name breit bekannt.
Die Heldentat Petscherskis und seiner Kameraden wurde im Film Konstantin Habenskis „Sobibor“ widerspiegelt, dessen Premiere 2018 stattfand. Nach Petscherski wurde eine Straße in Moskau benannt, der Held selbst wurde posthum mit Orden für Mut ausgezeichnet.
Am 14. Oktober 2020, Gedenktag zum 77. Jahrestag des Aufstandes in Sobibor, im Museum des Sieges in Moskau fand eine feierliche Veranstaltung im Rahmen des Projekts „Unbezwingbare“ statt. Im Museum fand eine Präsentation der Ausstellung „Gesichte des Widerstands“ und Vorführung des Films „Sobibor“ statt.
Zum 80. Jahrestag seit Aufstand zeigte der TV-Sender Rossija-Kultura den Dokumentarfilm „Sobibor. Unbezwingbare“. Die Premiere des Dokumentarfilms „Sobibor. Flucht aus Todeslager“ findet im Museum des Sieges am Jahrestag des Aufstandes, 14. Oktober um 17:00 Uhr statt.
Aus Antworten auf Fragen:
Frage: Die Souveränität der Ukraine stützt sich auf ihre Unabhängigkeitserklärung vom 24. August 1991. Es gab aber kein Referendum, und es wurde das Gesetz Nr.1409 vom 3. April 1990 „Über Lösung der Fragen, die mit dem Austritt der Unionsrepublik aus UdSSR verbunden sind“ verletzt. Es wurde auch kein Beschluss der zentralen Behörden der Sowjetunion über den Austritt der Ukraine getroffen.
Kann Russland als Nachfolgestaat der Sowjetunion die Unabhängigkeit der Ukraine auf Grundlage der Verletzung des Gesetzes zurückziehen, was sie zumindest zu einem umstrittenen Gebiet machen und der Nato nicht mehr ermöglichen wird, dorthin legitim Waffen zu liefern? Erörtert das Außenministerium Russlands solche Variante der Entwicklung der Ereignisse?
Antwort: Nur als ein Element der historischen wissenschaftlichen Studien. Das ist doch nicht die Frage unserer praktischen täglichen Arbeit, sondern eine Frage, die vor Historikern und Spezialisten im Jurabereich im historischen Kontext steht.