15:00

Rede Außenministers der Russischen Föderation Sergej Lavrov auf der 15.Versammlung des Rates für Außen- und Verteidugungspolitik

363-17-03-2007

Rede Außenministers der Russischen Föderation Sergej Lavrov auf der 15.Versammlung des Rates für Außen- und Verteidugungspolitik 

 

 

Sehr geehrte Kollegen, Freunde,

         Das Thema dieser Versammlung scheint sehr wichtig und zeitgemäss zu sein. Die Welt ist nicht mehr so, wie vor einigen Jahren. Es ist klar geworden, dass es nicht gelungen ist eine einpolige Welt zu schaffen, und es war auch unmöglich, da in der Zeit der Globalisierung kein Staat über ausreichende militär-politische, finanziell-wirtschaftliche und sonstige Ressourcen verfügt, um ein Reich aufzubaün. Eine bestimmte Zeit lang hat die Mythe von der „einpoligen Welt" Gedanken und das Verhalten eines grossen Teils der Staaten tatsächlich bestimmt. Sie glaubten an diese Mythe und haben politisch entsprechend gehandelt.

Die übertriebene Rolle der Vereinigten Staaten in den weltweiten Angelegenheiten wird „reduziert", Russlands wirkliche Bedeutung in der globalen Politik mit den Erfahrungen der letzten 15 Jahre geklärt, und das ist ein Grund, um die gegenwärtige Etappe der internationalen Beziehungen ernsthaft zu analysieren.

Ich habe die Thesen des Berichts des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik studiert und halte ihn für einen wichtigen Versuch, neü internationale Gegebenheiten zu erfassen und auf dessen Grundlage Empfehlungen für die Außenpolitik des Landes zu machen. Es gibt jedoch Dinge, die ich nicht ohne weiteres hinnehmen kann. Ich meine vor allem den zu starken Alarmismus und Pessimismus.

Die jüngste Entwicklung, unsere Diplomatie in den letzten Jahren, die Reden des Präsidenten Putin zu außenpolitischen Fragen, und vor allem seine Münchener Rede, lassen keine Zweifel, dass die politische Führung des Landes eine gut durchdachte und getestete Strategie in den internationalen Angelegenheiten hat. Davon zeugt auch der außenpolitische übersicht des Landes, den das russische Außenministerium im Auftrag des Präsidenten gemacht hat.

Hauptschluss: 2000 hat Russland die Wahl für den Pragmatismus, für die auf verschiedene Vektoren orientierte Politik und für feste Verteidigung von nationalen Interessen in internationalen Angelegenheiten, aber ohne Konfrontation, getroffen, und diese Wahl hat sich bewährt. Damals haben einige geglaubt, Russland treffe die Wahl für die gemässigte Politik und vielseitige Diplomatie wegen der Schwäche. Aber auch das starke selbstsichere Russland lehnt diese grundlegenden Prinzipien seiner Außenpolitik nicht ab.

Unserer damaligen Vision der Welt zugrunde lag der gesunde Verstand und die nüchterne praxisbezogene Beurteilung von Trends, die gegenwärtige Entwicklung der Welt bestimmen. Geschichte, wenn man sechs oder sieben Jahre lange Zeit Geschichte nennen kann, hat uns recht gegeben. Kurze Geschichte des Anfangs des 21.Jahrhunderts wird übrigens schon geschrieben. T.Friedmann kommt in seinem Buch zum Schluss, dass die Welt „flach" geworden ist, d.h. Globalisierung, die über die Grenzen der westlichen Zivilisation hinausgetreten ist, lässt keinen Platz für hierarchische Entwicklung. Horizontale Beziehungen, die das Wesen der modernen internationalen Beziehungen bestimmen, zeugen davon, wie wichtig die Netzdiplomatie ist.

Ich will auch auf den bekannten Satz von R.Haas verweisen, „die USA brauchen keine Zustimmung anderer Staaten, um zu handeln, aber sie brauchen ihre Unterstützung, um sich durchzusetzen." Man muss also vereinbaren, was und wie gemacht werden soll. München hat vielen die Augen geöffnet. So hat die Zeitung Boston Globe in ihrer Analyse der Rede von Wladimir Putin geschrieben: „Moskau hat früher als Washington die wichtige Wahrheit erkannt: Immer mehr verbreitet sich weltweit „Polyarchie" – das internationale System mit zahlreichen verschiedenen Akteuren, deren Allianzen und Ausrichtung sich immer wieder wechseln".

Und ich kann keinesfalls der These zustimmen, reale Alternative der „einpoligen Welt" stelle „Chaotisierung" der internationalen Beziehungen wegen eines gewissen Vakuums der Steürbarkeit und Sicherheit dar. Es geht eher um das Vakuum im Bewusstsein der Eliten einiger Staaten. Wir haben uns ja schon öfters überzeugt, dass gerade wegen einseitiger, vor allem militärischer Reagierung, Konflikte in der Weltpolitik zugespitzt wurden, neü Probleme sich auf alte aufgelagert haben, und das ist die Ursache für die Erweiterung von Konflikträumen in der Weltpolitik. 

Es ist begreiflich, dass sich einige Politiker über dem Atlantischen Ozean nicht überwinden und das Wort „mehrpolig" nicht aussprechen können. Ich weiss nicht, warum man Mehrpoligkeit als Ausrichtung auf Konfrontation betrachtet. Ja, es entstehen neü Kraftzentren. Sie konkurrieren, auch um den Zugang zu Naturressourcen. Es war immer so. Da gibt's nichts fatales.

Die nicht formelle gemeinsame Leaderschaft der führenden Staaten erlaubt es, das Problem der Steürbarkeit in der modernen Welt zu lösen. Naturgemäss schliesst es jegliche alleinige Leaderschaft und Wahrheitsansprüche aus, weder der USA noch der Europäischen Union oder Russlands. 

Das Paradigma der modernen internationalen Beziehungen wird durch die Konkurrenz im breiten Sinne bestimmt, auch wenn zu deren Gegenstand Werte und Entwicklungsmodelle werden. Aber das bedeutet keinesfalls Konfrontation. Das Neü an der Situation besteht in Folgendem: Der Westen verliert das Monopol auf Globalisierungsprozesse. Daher auch Versuche, diese Entwicklung als Bedrohung für den Westen, seine Werte und Lebensweise darzulegen.

Russland tritt gegen alle Versuche auf, die Welt nach Zivilisationen zu spalten: In die „zivilisierte Menschheit" und alle anderen. Dieser Weg führt zur globalen Katastrophe, verursacht durch geistige Trägheit und Vorurteile des Kalten Krieges. Ausgerechnet deshalb ist es jetzt äusserst wichtig das geistige, psychologische und sonstige Erbe des Kalten Krieges in der heutigen Weltpolitik zu überwinden. Wir lassen uns nicht mit der muslimischen Welt verfeinden. Ich bin überzeugt, dass dank der Wahl Russlands und anderer Staaten - vor allem zivilisationsbildender wie Indien und China - für die Vereinigungspolitik die Welt nicht nach Zivilisationen gespaltet wird.

Globalisierung stellt vor der Menschheit Existenzfragen. Naturressourcen sind begrenzt, deshalb ist es unmöglich, allen Ländern Verbrauch auf dem Niveau der Industriländer zu sichern. Ich verweise auf den Papst Benedictus 16., der in seiner Rede in der Bayerischen Katolischen Akademie im Januar 2004 von der Selbsteinschränkung gesprochen hat. Er übte auch Kritik an verschiedenen Formen des „westlichen Hochmuts" aus. Er meinte Ansprüche auf die „Universalität" „beider grossen westlichen Kulturen: Des christlichen Glaubens und des weltlichen Rationalismus". Heute kann man auch die andere Behauptung des gegenwärtigen Hauptes des Vatikan bestreiten: „Heute müsse das Konzept der Menschenrechte durch die Lehre von Menschenpflichten und Möglichkeiten der Menschen ergänzt werden." Auf diese Weise könnte der gemeinsame geistige Nenner der wichtigsten Weltreligionen wiederhergestellt werden. Sonst wäre harmonische Entwicklung der Menschheit unmöglich. 

Es ist zu sagen, dass im Bericht des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik terroristische Bedrohung übertrieben wird. Auch in unserem Land. Diese Frage wird widerspruchsvoll interpretiert. Einerseits wird die Möglichkeit der Bildung des konsolidierten islamischen Faktors in der Weltpolitik übertrieben, andererseits wird von tiefen Widersprüchen unter islamischen Staaten gesprochen. Aber den Hauptfehler besteht darin, dass diese Frage von der Notwendigkeit losgelöst ist, reale Probleme zu lösen, vor allem im Nahen Osten. Und wegen dieser Probleme können die Möglichkeiten der arabisch-muslimischen Welt nicht realisiert werden, auf Herausforderungen der Modernisierung zu erwidern. Auch die Fähigkeit der Politik, Krisen beizulegen, die Nährboden dieses übel sind, wird unterschätzt. Wir müssen auf die Gewaltpolitik verzichten, Massnahmen treffen, um das Problem der Armut global zu lösen.

Erfahrungen der sechs letzten Jahre haben überzeugend gezeigt, dass alle Versuche die Realität der mehrpoligen Welt zu umgehen, scheitern. Welche Beispiele wir auch nehmen – Irak, Libanon, wer weiß, wie es in Somalia ausgehen wird – es gibt nur einen Schluss: moderne Probleme können nicht mit Gewalt gelöst werden. Alle Versuche, sie mit Gewalt zu lösen, machen die Lage noch schlimmer, treiben sie in die Sackgass. Das Gefühl des Sicherheitsmangels wird durch die Stagnation im Abrüstungsbereich gestärkt, was zur Erweiterung von Massenvernichtungswaffen führen kann.

Der Welt wird der übertriebene Gewaltfaktor aufgedrängt. Ich glaube, das ist eine zeitweilige Erscheinung. Die Rolle der Gewaltkomponente in der Weltpolitik nimmt objektiv ab. Man kann Parallele mit der Präsidentschaftswahl 1992 in den Vereinigten Staaten ziehen. Da haben nicht alle die Bedeutung des wirtschaftlichen Faktors verstanden: „Es kommt auf die Wirtschaft an, Dümmling!" Heute rückt in den Vordergrund - schon auf der globalen Ebene – die Sicherung der konseqünten stabilen Entwicklung der Staaten, und dazu gehört auch die Deckung des Energiebedarfs. Gerade zunehmende wirtschaftliche Abhängigkeit der Staaten voneinander ist ein wichtiger Faktor bei der Erhaltung der internationalen Stabilität. Dessen Bedeutung kommt im Bericht eigentlich auch nicht deutlich genug zum Ausdruck. Diese Aufgaben können weder durch Gewaltanwendung noch durch Besetzung oder Militärpräsenz im Ausland gelöst werden.

Den grössten Nachteil der Politik unserer Partner sehen wir in den Versuchen, auf Gewalt zu setzen. Und zwar zum Schaden des Faktors „sanfte Gewalt", dessen Bedeutung zunimmt. Diese Mentalität hat die seinerzeit Stalin unterschobene Frage bestimmt: „Wieviel Divisionen hat der Vatikan?" Wenn wir heute über den Irak sprechen, hören wir öfters die Frage: „Ist Russland bereit, seine Streitkräfte in den Irak zu schicken?" Dieses Herangehen belastet die außenpolitische Strategie Washingtons sehr.

Man darf nicht internationale Beziehungen reideologisieren und remilitarisieren, man muss ihre kollektiven und rechtlichen Inhalte festigen.

Zu den grundliegenden Bestandteilen unserer Realität gehört Folgendes: Die Welt soll frei werden, alle Staaten müssen die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, aufgrund des eigenen Versändnisses ihrer nationalen Interessen unter neuen Bedingungen. Disziplin der Blöcke und der Ideologien funktioniert nicht mehr von selbst, obwohl es versucht wird, sie durch die Solidarität einer Zivilisation gegen alle anderen zu ersetzen.

Es geht auch um die geistige Freiheit, „Redefreiheit". Wir sprechen davon in bezug auf die innere Entwicklung jedes Landes. Jede Drosselung der Andersgesinnten, Versuche Meinungsverschiedenheiten unter den Teppich zu kehren, haben negative Folgen für die gesamte internationale Gemeinschaft. Das ist auch Freiheit, irrationale Politik zu führen. Aber in der modernen Welt müssen alle die Rechnung bezahlen. 

Die Tatsache, dass die zukünftige Weltgestaltung unklar ist, hing auch damit zusammen, dass Russland nach dem Zusammenbruch der UdSSR schwach war. Es entstand der Eindruck, dass Russland als Land für die neü territorial-politische Weltaufteilung einfach abgebucht wurde. Mit dieser Perspektive stiess Russland schon mehrmals zusammen, beispielsweise Anfang des 18.Jahrhunderts. Damals wurde das Problem durch die schnelle Modernisierung des Landes gelöst. Das war der Hauptinhalt von Reformen Peter des Grossen. Auf moderne Herausforderungen erwidern wir auch mit radikalen politischen und wirtschaftlichen Reformen, die wie damals im Sinne der europäischen Wahl sind, aber mit der Erhaltung alter russischer Traditionen. Als Ergebnis hat Russland seine außenpolitische Selbstständigkeit wiederhergestellt.

Das führte auch zum ersten Mal in den letzten fünfzehn Jahren zur Entwicklung eines realen Konkurrenzmilieus auf dem Ideenmarkt der Weltgestaltung, das der modernen Weltentwicklung entspricht. Die Entwicklung von neuen globalen Einfluss- und Wachstumszentren, gleichmässige Verteilung von Ressourcen der Entwicklung und Kontrolle über Naturschätze legt materielle Grundlage für die mehrpolige Weltordnung fest.

Durch diese und andere Faktoren ist der beginnende übergang zu einer neuen Etappe der Weltentwicklung bedingt. Objektive Grundlage der breiten internationalen Zusammenarbeit bleibt die Abwehr von modernen  Herausforderungen und Bedrohungen. Immer anerkannter wird die multilaterale Diplomatie – als wirksames Instrument zur Regelung der internationalen Beziehungen auf der globalen und regionalen Ebene. Heute steigt auch die Rolle der UNO, die über einzigartige Legitimität verfügt. Ich kann der Unterschätzung dieser Weltorganisation im Bericht des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik nicht zustimmen. Das Leben zwingt alle, auch diejenigen, die diese Organisation nicht würdigen, darin zu arbeiten, über deren Mechanismen zu wirken.

Ein weiteres Objekt der aufmerksamen Analyse ist natürlich unsere wachsende Rolle in der energetischen Geopolitik. Erstens hat noch niemand die „Energieerpressung" bewiesen. Zweitens gibt es da blinde Klippen. Es wird versucht, uns den dubiosen Status der „Energieweltmacht" aufzuzwingen, wobei Russland in der Energie- und Rohstoffnische der internationalen Arbeitsteilung noch fester stecken würde. Aber wir müssen die Möglichkeiten nutzen, die wir dank den Einkünften aus dem Verkauf von Energieressourcen und dank der Stärkung unserer Rohstoffunternehmen im grenzübergreifenden Unternehmertum haben, um Dynamik unserer Integrierung in die globale Wirtschaft zu steigern und unsere eigene Wirtschaft auf den eigenen innovativen Entwicklungsweg zu bringen.

Die bekannten Meinungsverschiedenheiten mit der Ukraine, Weissrussland und anderen GUS-Staaten sollten eigentlich den Westen davon überzeugen, dass wir keine Reichsabsichten aushecken, sondern normale, auf Marktprinzipien ruhende Beziehungen zu unseren Nachbarn aufbaün. Gerade Politisierung der wirtschaftlichen Beziehungen könnte als Grundlage für das Misstraün zu Russland dienen. Jetzt ist es nicht der Fall, aber das Misstraün bleibt, und daraus kann man schliessen, dass im GUS-Raum geopolitische Spiele mit dem Eisatz solches Instruments, wie das Aufzwingen der Demokratie gespielt werden. Um aufrichtig zu sein: In Wirklichkeit wird Demokratie vor allem daran gemessen, ob man bereit ist, im Kielwasser der fremden Außenpolitik zu gehen. 

Wir entwickeln im GUS-Raum in bilateralen und multilateralen Formaten Komponenten der objektiven Gemeinschaft und gegenseitigen Abhängigkeit – wirtschaftlichen, kulturell-zivilisationellen und anderen. Nicht mehr und nicht weniger. Unsere westlichen Partnern sollen dessen bewusst sein, dass  es keinen Sinn hat, zu versuchen, Russland in der regionalen „Schale" zu halten. In unserer Entwicklung sind wir schon lange aus dieser Schale raus. Wir hoffen, dass dadurch nicht politisierte Beziehungen zu den Außenfaktoren zur Stabilisierung dieser Region aufgebaut werden und auf die Taktik der „beunruhigenden Aktivitäten" Russland gegenüber verzichtet wird.

Wir sind bereit, an den Projekten teilzunehmen, die als einseitige begonnen wurden und sie erfolgreich zu Ende zu bringen. Ich meine vor allem den Irak, wo die Lage noch zu retten ist. Kaum zu bestreiten ist die These von Henry Kissinger: Früh oder spät müsse „der Irak der internationalen Gemeinschaft zurückgegeben werden" und andere Staaten sollten bereit sein, die Verantwortung für den Frieden in der Region zu teilen". Aber die Teilung der Verantwortung sieht gemeinsame Suche nach optimalen Lösungen vor.

Uns wird gesagt, dass die Lage im Irak jetzt unsere „gemeinsame Not" ist. Das ist vollkommen richtig. Schadefreude war uns immer fremd, wir wollten nie fremde Nöte uns zugute machen. Aber unsere amerikanischen Partner müssen dann ihre irakische Strategie von Grund aus ändern, sie mit der Beurteilung im Irak und in anderen Hauptstädten in Einklang bringen. In diesem Sinne verlief auch das neuliche multilaterale Treffen in Bagdad. Dieser Prozess soll zur Ausarbeitung einer neuen gemeinsamen Strategie genutzt werden.

Durch die realistische Korrektur des Kurs der Koalition im Irak könnten objektiv gleiche Interessen Washingtons und Teherans praktisch realisiert werden, denn sie setzen auf die gleiche Regierung in diesem Land. Es gibt keine Zweifel, dass in Iran ein realer politischer Prozess abläuft. Nur durch die Einbeziehung Irans können die Möglichkeiten der mässigen politischen Kräfte dieses Landes realisiert und sein Verhalten in die richtige Richtung gelenkt werden.

Multilaterale Bemühungen um die Suche nach dem Ausweg aus der gegenwärtigen Situation mit dem iranischen Nuklearprogramm sind äusserst wichtig. Man muss jedoch auch dessen bewusst sein, dass zu einem grossen Teil das Problem, wie das Nuklearproblem der Koreanischen Halbinsel, auf den Unwillen der USA zurückzuführen ist, ihre bilateralen Beziehungen zu Teheran aufgrund von allgemeingültigen Prinzipien zu normalisieren. Die USA haben Flexibilität und Pragmatismus beim Herangehen zu den Nordkoreanischen Angelegenheiten zum Ausdruck gebracht, und das Resultat liess nicht auf sich warten. Das selbe gilt auch für die iranische Frage. Man braucht nichts neüs auszudenken: Die friedliche Köxistenz hat in der nicht fernen Vergangenheit Probleme solcher Art gelöst. Warum kann man nicht leben und andere leben lassen?

Unsere Partner müssen aber konseqünt und logisch vorgehen. Wenn unter dem Vorwand der „iranischen Bedrohung" an unseren westlichen Grenzen das US-Raketenabwehrsystem stationiert wird und Sanktionen gegen russische Unternehmen verhängt werden, so hat es keinen Sinn, im Weltsicherheitsrat Lärm zu machen. Hoffentlich werden amerikanische Partner darüber nachdenken. Sie rufen uns auf, gegen terroristische Bedrohung zu kämpfen, dabei gefährden sie unsere Sicherheit selbst.   

Wir treten für komplexes Herangehen zur Lösung von Problemen der euroatlantischen Region. Es kann um breites Zusammenwirken zum gesamten Spektrum von für uns interessanten Themen im dreiseitigen Format gehen: zwischen Russland, EU und USA. Solche Zusammenarbeit wird schon geführt: im Weltsicherheitsrat, in G8, im Nahost-Quartett, in G6 zum Nuklearprogramm Irans. Was besonders wichtig ist: Dieser Format würde unnötiges gegenseitiges Misstraün wegschaffen in Bezug darauf, was zwischen beliebigen zwei Teilnehmer dieses Dreiecks vorgeht. Russland will keinen Keil in die transatlantischen Beziehungen einjagen. Grösseren Schaden als Meinungsverschiedenheiten zum irakischen Problem können ihnen sowieso nicht zugefügt werden. Wir wollen nur nicht, dass transatlantischen Beziehungen auf unsere Kosten gestärkt werden.    

Was russisch-amerikanische Beziehungen betrifft, so bringt uns die gegenwärtige wichtige Etappe im Aufbau der globalen Sicherheitsarchitektur dem Hauptproblem nahe. Dessen Wesen ist Bestimmung von Modalitäten unseres Zusammenwirkens in internationalen Angelegenheiten, der berüchtigte modus vivendi, ohne den wir uns wohl kaum fortbewegen können. Darin besteht auch die Bedeutung des Gesprächs, zu dem Präsident Wladimir Putin in München alle unseren Partner eingeladen hat.

Russland beansprucht keine Sonderrechte in den internationalen Beziehungen. Wir haben nur keinen Grund von jemand geleitet zu werden. Volle Gleichberechtigung, auch bei der Analyse und bei Entscheidungen ist das nötige Minimum.

Die Besonderheit der russischen Außenpolitik besteht auch darin, dass wir wohl erstmals in unserer Geschichte beginnen, unsere nationalen Interessen  voll zu wahren. Und dazu nutzen wir unsere Konkurrenzvorteile.

In polytologischen Kreisen Russlands und der USA wird über die zwangsläufige „Pause" in der Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen gesprochen, wobei Wahlzyklen in den beiden Ländern gemeint werden. Das wäre aber wohl eine schlechte Entscheidung. Es wäre schön, wenn die USA angesichts der irakischen Katastrophe sich nicht den eigenen inneren Angelegenheiten zuwenden, sondern an der Erneürung der Partnerschaft mit Russland aufgrund der Gleichberrechtigung und des gegenseitigen Vorteils teilnehmen. Dann kann der übergang zur „einheitlichen und rationalen" Politik recht schnell zustande kommen.

Gute Möglichkeiten für positive Entwicklung der russisch-amerikanischen Beziehungen öffnen sich im Rahmen der gemeinsamen Arbeit an der Umsetzung der Globalen Initiative zur Bekämpfung vom Nuklearterrorismus, Initiativen des russischen und amerikanischen Präsidenten über die sichere Entwicklung der Kernwirtschaft in der Welt und Zugang aller interessierten Staaten zu deren Vorteilen unter der Einhaltung ihrer Nichtverbreitungsverpflichtungen. Ein weiterer Beweis unserer Bereitschaft zu Kompromissen stellt die Unterzeichnung des zweiseitigen Protokolls mit den USA über Russlands WTO-Beitritt dar. Im Mittelpunkt unseres intensiven Dialogs steht Bekämpfung des Terrorismus, Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Beilegung von regionalen Konflikten und natürlich strategische Stabilität. Dort, wo es nicht gelingt, gegenseitig akzeptable Entscheidungen zu treffen, wäre eine recht gute Lösung die sogenannte „nominale Zustimmung". Wir verweigern den USA nicht das Recht, selbst Entscheidungen zu treffen. Aber das heisst, dass sie auf eigenes Risiko handeln, und auf eigene Kosten. 

In seiner Rede in München hat Putin nicht „nein" gesagt. Das negativistische Herangehen ist unserer Außenpolitik grundsätzlich fremd. Wir unterstützen positive Tagesordnung der internationalen Beziehungen, konstruktive Alternativen bei der Lösung von vorhandenen Problemen. Gerade das ist der Hauptsinn dessen, was Präsident in München gesagt hat. Ich stimme dem Vorsitzenden Karaganov vollkommen zu, dass „Wladimir Putin in München bittere Wahrheit über die Gegenwart und nahe Vergangenheit gesagt hat". Wir bleiben jedoch nicht einfach bei dieser Feststellung. Wir schlagen realistische Auswege aus dieser Situation, gemeinsame Lösung von Problemen vor.

In unseren Beziehungen zu den USA ist Konfrontation keinesfalls vorbestimmt. Es geht also auch nicht um einen neuen Kalten Krieg, für den es keine objektiven Gründe gibt.

Leider grenzt die Kritik der US-Außenpolitik im Bericht des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik mit einem bestimmten Fatalismus, vorbestimmten Messianismus in Amerika. Zugleich wird der amerikanische Pragmatismus unterschätzt, der sie in ihrer Geschichte Strategie einer anderen Art in der Außenpolitik entwickeln liess. Da möchte ich auf Roosvelts Politik im Rahmen der Antihitler-Koalition hinweisen. Amerikaner können sich also von den Umständen leiten lassen, wenn gemässigte Politik und Handlungsweise in übereinstimmung mit anderen führenden Staaten der Welt günstiger sind.

Was den Antiamrikanismus betrifft. Ja, er ist gefährlich und geistig krüppelhaft. Das Problem muss jedoch „an der Qülle" gelöst werden. Ich meine das gegenwärtige Handlungsweise der USA in den internationalen Angelegenheiten. Die Globalisierung lässt keine Möglichkeiten zur Selbstisolierung. Nehmen wir z.B. die Abhängigkeit der US-Wirtschaft von den äusseren finanziellen Zuflüssen (ca. 1 Billion USD pro Jahr) und äusseren Qüllen der Energieressourcen. In unseren Beziehungen zu Vereinigten Staaten soll ein breiter, objektiver Blick herrschen.  Die US-Verwaltung liess sich von einer Gruppe Neocons gängeln, aber das darf unser grungsätzliches Verhältnis zu Amerika nicht bestimmen.

Wir sind gegen „strategische Spiele" in Europa, deren Ziel es ist, aus dem Nichts Konfrontation zu machen und europäische Politik nach dem Prinzip „Freund-Feind" zu gestalten. Gerade in diesem Sinne sind die amerikanische Pläne, in Europa nationales Raketenabwehrsystem zu stationieren. Wie können es nicht anders auswerten als eine Provokation auf der Ebene der europäischen und globalen Politik. Dabei gibt es kollektive Alternativen diesem einseitigen Projekt in der Form des regionalen Raketenabwehrsystems in Europa unter Teilnahme der Nato und Russlands. Ausgerechnet kollektives Herangehen würde dieses Problem lösen. Das amerikanische Raketenabwehrsystem in Europa ist nicht akzeptabel, darauf kommt es an. Und es wird sich auf unseren Beziehungen mit der Nato direkt auswirken. Wenn die Allianze als Organisation der kollektiven Sicherheit versagt und zur spanischen Wand für einseitige Massnahmen wird, die unsere Sicherheit gefährden, was ist dann der Sinn unserer Beziehungen? Worin besteht dann die Wertschöpfung des Russland-Nato-Rates? Auf jeden Fall sind die neuen Raketen in Europa deja vu mit voraussagbaren Folgen, wie Anfang 80er.

Wir sind der Schwierigkeiten bewusst, mit denen Nato zusammenstösst. Wir sind bereit, zu helfen, z.B. in Afghanistan, wo die Allianze Probe auf Aktionsfähigkeit hat. Die Sätze auf den Erfolg der multilateralen Anstrengungen in diesem Land sind hoch: Es geht doch um unsere Interessen, um unsere Sicherheit in dieser kritisch wichtigen Region. Wir haben an dieser Operation aktiv teilgenommen, haben die für uns nicht einfachen Beschlüsse gefasst. Deshalb rechnen wir mit dem positiven Ergebnis. Und wenn die internationale Militärpräsenz bei der wiederholten Machtübernahme durch Taliban „den Vorsitz halten" wird, so wird es auch sehr ernste Folgen für unsere Beziehungen zur Allianze haben.

Uns stimmt die Tatsache misstrauisch, dass die von uns geerbten Strukturen und Instrumente – Nato, OSZE, Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa und andere – im realen Leben sich in die Mittel der Blockpolitik unter modernen Bedingungen verwandeln. In ihnen wird praktisch Blockarbeit gegen Russland geführt. Wer ist daran interessiert? Ich bin überzeugt, lange kann es so nicht gehen. Es gibt reale Gefahr, dass die Situation mit der nicht ganz reformierten europäischen Sicherheitsarchitektur sich von selbst entwickeln und die Spaltung Europas für Jahrzehnte prägen wird. Darin besteht besondere Wichtigkeit der modernen Etappe der europäischen Politik.

Unsere Außenpolitik stimmt mit der jetzigen Etappe unserer inneren Entwicklung überein. Davon zeugt das breite Einvernehmen in der Gesellschaft zu den wichtigsten außenpolitischen Fragen. Zu deren Aufrechterhaltung und Stärkung wird ohne Zweifel die neulich gebildete zwischenparteiliche Beratung über die Außenpolitik beitragen. Wir wollen für die Welt das selbe, was wir für uns wollen: Evolutionierende Entwicklung ohne Erschütterungen. 

Es ist Mode, an Russland und dessen Außenpolitik überhöhte und einseitige Forderungen zu stellen. Uns wird fehlende Ideologie vorgeworfen, wovon angeblich unser außenpolitischer Pragmatismus zeuge. Aber wir gehen vom Leben aus, Ideologie kann auch den Bedürfnissen und dem Praxis des realen Lebens entspringen. Jetzt ist für uns Ideologie des gesunden Verstands recht. Sie ist unsere feste Doktrine bzw. Grundlage unserer gemässigten und nicht konfrontationellen außenpolitischen Strategie, die bei der überwiegenden Mehrheit unserer internationalen Partner auf Verständnis stösst. Im Grunde genommen will man von uns, dass wir auf selbständige Rolle in den internationalen Angelegenheiten verzichten. Solche Versuche werden fortgesetzt.

Zum Schluss will ich sagen, dass Russland tatsächlich in einer günstigen internationalen Lage ist. Wir alle wissen aber, dass sie keinesfalls garantiert ist, da sie sich immer entwickelt. Die erreichten Vorteile können wir erhalten und weiter entwickeln nur durch aktive initiativreiche Einbeziehung in die internationalen Angelegenheiten.

Es wird auch ferner schwer sein, da hegen wir keine Illusionen. Aber wir sind überzeugt, dass sich vieles in der globalen Politik schon kristallisiert hat. Im außenpolitischen Sinne ist das Land auf weitere änderungen gut vorbereitet.

 

17. März 2007


Documents supplémentaires

  • Photos

Album de photos

1 de 1 photos dans l'album

Dates incorrectes
Outils supplémentaires de recherche